Diese Arbeit beschäftigt sich ab einem praktischen Beispiel intensiv mit der Interviewmethode "narratives Interview".
Dabei wird die Methode in Theorie und Praxis ausführlich dargestellt.
Ein besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der multiperspektivischen Auswertung des durchgeführten Interviews. Im Rahmen des Studiums Sozialpädagogik und Soziale Arbeit belegte ich das Seminar Biographiearbeit. Dadurch sensibilisiert, höre ich so manche Aussagen von Menschen, auch im Freundeskreis, mit „anderen Ohren“. Darauf möchte ich nun näher eingehen.
Wir sind mit Familie S. befreundet. Diese leben am Stadtrand der Heimatstadt meiner Frau. Dadurch existiert eine Beziehung zu ihnen. Die Familie besitzt ein Einfamilienhaus mit Scheune und großem Grundstück. Dieses ist kreditfinanziert. Zur Familie gehören zwei Kinder, 3 Jahre und 1 Jahr alt. Die Ehefrau befindet sich in der Erziehungszeit ihrer Kinder, geht aber als Krankenschwester einmal im Monat zum Wochenenddienst.
Der Mann ist Meister des Landschafts- und Gartenbaus. Er arbeitet in einer entsprechenden Firma und ist im Sommer hauptsächlich für Teichbau verantwortlich, muss aber auch weitere anfallende Arbeiten erledigen. Seine Arbeitszeit beschränkt sich nicht auf die übliche 40-Stunden-Woche. Oft leistet er Überstunden und ist auch am Wochenende entweder in seiner Firma oder bei Freunden unterwegs, um dort landschaftsgestalterische Arbeiten zu leisten.
Vor ca. einem halben Jahr starb die Großmutter des Mannes. Der nun allein lebende Großvater hat viel Zeit. Bei verschiedenen Treffen äußerte der Mann, dass der Großvater auf einmal beginne von früher zu erzählen, z.B. was er im Krieg und nach dem Krieg alles – auch an Entbehrungen erlebt hat. Weiter erzählte er, dass er durch die Gespräche mit dem Großvater angeregt wird, über das eigenen Leben, den Lebensstil und Prioritäten nachzudenken und einiges in Frage zu stellen. Diese Erzählungen haben mich fragend gemacht. Zum Beispiel: Was könnte der konkrete Inhalt der Erzählungen sein, die meinen Freund so nachdenklich gemacht haben? Welche Auswirkungen haben die großväterlichen Erzählungen für den Enkel? Was hat sich bei ihm verändert? Welche Personen spielen noch eine beachtenswerte Rolle? Sind Erkenntnisse generationsübergreifend anwendbar?
Mit diesen möglichen Fragen im Hinterkopf bin ich in das Interview gegangen und habe darauf teilweise Antworten erhalten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Anliegen des Interviews
3. Das narrative Interview als Methode der Biographiearbeit
4. Methodische Schritte
4.1. Kontaktaufnahme
4.2. Erzählaufforderung
4.3. Haupterzählung
4.4. Nachfrageteil
4.5. Interviewabschluss
4.6. Interviewbericht
4.7. Transkription
4.8. Auswertung
5. Das Interview
5.1. Interviewbericht
6. Auswertung des Interviews
6.1. Ebene Null
6.1.1. Irritationen
6.1.2. Emotionen
6.1.3. Gegenteiliges im Text
6.1.4. Thematische Felder
6.2. Ebene Eins
6.2.1. Kurzbiographie
6.2.2. Milieu
6.2.3. Historische und zeitgeschichtliche Hintergründe
6.4.2. Wendepunkte
7. Reflektion
7.1. Reflektion der Methode
7.2. Eigenreflektion auf dem Hintergrund einiger angesprochener Themen
7.3. Reflektion des Interviews durch den Interviewpartner
Anlage 1 – Thematische Sequenzen
Anlage 2 – Das narrative Interview
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen des Studiums Sozialpädagogik und Soziale Arbeit belegte ich das Seminar Biographiearbeit. Dadurch sensibilisiert, höre ich so manche Aussagen von Menschen, auch im Freundeskreis, mit „anderen Ohren“. Darauf möchte ich nun näher eingehen.
Wir sind mit Familie S. befreundet. Diese leben am Stadtrand der Heimatstadt meiner Frau. Dadurch existiert eine Beziehung zu ihnen. Die Familie besitzt ein Einfamilienhaus mit Scheune und großem Grundstück. Dieses ist kreditfinanziert. Zur Familie gehören zwei Kinder, 3 Jahre und 1 Jahr alt. Die Ehefrau befindet sich in der Erziehungszeit ihrer Kinder, geht aber als Krankenschwester einmal im Monat zum Wochenenddienst.
Der Mann ist Meister des Landschafts- und Gartenbaus. Er arbeitet in einer entsprechenden Firma und ist im Sommer hauptsächlich für Teichbau verantwortlich, muss aber auch weitere anfallende Arbeiten erledigen. Seine Arbeitszeit beschränkt sich nicht auf die übliche 40-Stunden-Woche. Oft leistet er Überstunden und ist auch am Wochenende entweder in seiner Firma oder bei Freunden unterwegs, um dort landschaftsgestalterische Arbeiten zu leisten.
Vor ca. einem halben Jahr starb die Großmutter des Mannes. Der nun allein lebende Großvater hat viel Zeit. Bei verschiedenen Treffen äußerte der Mann, dass der Großvater auf einmal beginne von früher zu erzählen, z.B. was er im Krieg und nach dem Krieg alles – auch an Entbehrungen erlebt hat. Weiter erzählte er, dass er durch die Gespräche mit dem Großvater angeregt wird, über das eigenen Leben, den Lebensstil und Prioritäten nachzudenken und einiges in Frage zu stellen. Diese Erzählungen haben mich fragend gemacht. Zum Beispiel: Was könnte der konkrete Inhalt der Erzählungen sein, die meinen Freund so nachdenklich gemacht haben? Welche Auswirkungen haben die großväterlichen Erzählungen für den Enkel? Was hat sich bei ihm verändert? Welche Personen spielen noch eine beachtenswerte Rolle? Sind Erkenntnisse generationsübergreifend anwendbar?
Mit diesen möglichen Fragen im Hinterkopf bin ich in das Interview gegangen und habe darauf teilweise Antworten erhalten.
An den Anfang meiner Arbeit möchte ich in einem theoretischen Teil die Grundlagen für das durchzuführende Interview, sowie den methodischer Hintergrund über den Ablauf des Interviews und methodische Schritte darlegen.
In zweiten Teil stelle ich das Interview vor und werte es bis zur ersten Reflexionsebene aus.
Im sich anschließenden dritten Teil möchte ich gern Bezug zu mir selbst nehmen und reflektieren, was die Aussagen des Interviewpartners in mir auslösen. Abschließend werte ich mit dem Interviewpartner das Interview aus.
2. Anliegen des Interviews
Als erstes Anliegen des Interviews ist zu nennen, dass ich im Rahmen eines studienbegleitenden Leistungsnachweises im Seminar Biographiearbeit ein narratives Interview durchführen möchte.
Bei der Suche nach einem geeigneten Interviewpartner stieß ich auf einen Freund. Dieser hat in der Vergangenheit mehrmals benannt, dass großväterliche Erzählungen ihn ins Nachdenken gebracht hätten.
Daraus ergab sich mein zweites Interviewanliegen. Im Interview möchte ich den Gedankenanstößen durch die Erzählungen des Großvaters und den sich daraus ergebenden Veränderungen nachgehen. Dazu möchte ich mit „offenen Ohren“ zuhören: Welche Lebensstationen hat der Interviewte zurückgelegt? Was hat er erlebt? Welche Personen sind ihm wichtig? Was waren entscheidende Ereignisse, was hat sein Leben geprägt? Wie sind Veränderungsprozesse in Gang gesetzt worden, falls sie stattgefunden haben? Gab es vielleicht konkrete Veränderungen?
3. Das narrative Interview als Methode der Biographiearbeit
Seit den siebziger Jahren hat das narrative Interview für die qualitative Sozialforschung an Bedeutung gewonnen. Der Vorteil dieser Methode ist die Authentizität des Erzählers. Denn er hat die Ereignisse selbst erlebt und kann sie so am überzeugendsten darstellen (vgl. Bernart, Krapp 1998, S. 39).
Das narrative Interview ist eine besondere Form des offenen Interviews. Dabei erzählt eine Person ihr Leben mit all seinen eigenen Erlebnissen und Schichtungen als Geschichte. Vor dem Interview erfolgt keine systematische, thematische Vorbereitung. Der Erzählende verfasst nicht seine Gedanken vorher schriftlich.
Ziele des narrativen Interviews sind: Die einzelnen Schichten der Erfahrungen sollen beim Erzählen hervorgebracht und sichtbar werden. Zurückliegende Ereignisse sollen wieder lebendig gemacht werden. Der Erzählende wird noch einmal in die Handlungs- und Erleidenssituationen gebracht. Dabei kann es zu sowohl zu Raffungen, als auch zu Ausbreitungen der einzelnen Erlebnisse kommen. Es kann auch Erinnerungsverlust geben.
Schicht für Schicht werden komplexe Erfahrungszusammenhänge in das Heute geholt.
Beim narrativen Interview gibt es Verfahrensschritte, die im Punkt „Methodische Schritte“ noch näher erläutert werden:
a) Vorbereitung der Erzählung,
b) die Erzählung, welche mit einem Gerät aufgezeichnet wird
c) die Transkription des Erzähltextes
d) Analyse und Auswertung der Aufzeichnungen.
(vgl. Glinka 1998, S. 9 f.)
Der Interviewer hat alles zu tun, den Erzählfluss aufrecht zu erhalten und alles Störende zu eliminieren, ohne thematisch zu steuern (vgl. Maindok 1996, S. 122).
4. Methodische Schritte
Im Punkt „Methodische Schritte“ werde ich die theoretischen Grundlagen für die Durchführung des Interview zeigen und dabei auch eine begrenzte Anzahl Variationen der Vorgehensweisen und Wortformulierungen innerhalb der einzelnen Schritte vorstellen.
4.1. Kontaktaufnahme
Für die Kontaktaufnahme gibt es zwei Möglichkeiten:
a) telefonische und persönliche Vorstellung der eigenen Person, des Anliegens und der Me-
thode:
- zum Kennenlernen
- Einführung in das Anliegen, bzw. Projekt
- Definition der Befragungssituation als: „Ein Gespräch über Ihre Lebensgeschichte“ oder „Ich möchte Ihre Lebenserfahrung kennen lernen“ oder „Es geht darum, dass Sie Ihre Lebensgeschichte so erzählen, wie es gewesen ist, wie alles gekommen ist“
- Absprache über Ort und Zeit (am besten seine/ihre Wohnung), zeitlichen Aufwand, Tonband- bzw. Kameraaufzeichnung
- Benennung möglicher Motive des/der Befragten, z.B. Beitrag für die Wissenschaft; ExpertInnenhilfe für jemanden, der allein nicht weiterkommt; eigene Interessen des/der Befragten ...
- Erklärung über die eigene Betroffenheit bzw. das persönliche Interesse
b) Brief zur Information zum konkreten Ablauf
Der Brief sollte 1-2 Tage vorm Termin bei InterviewpartnerIn ankommen. So kann dieser sich auf das Interview einstellen (vgl. Beer, Cornelia 2004, S. 1).
4.2. Erzählaufforderung
Am konsequentesten ist eine zeitlich und thematisch offene Erzählaufforderung:
- Z.B. (von mir gewählte Variante): „Also...ich möchte Sie dann bitten, sich zurückzuerinnern und Ihre Lebensgeschichte zu erzählen ... wie Sie einsteigen wollen ...und wie dann nach und nach eins zum anderen gekommen ist...alles was Ihnen einfällt“.
- Oder: „Ich möchte Sie bitten, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen, all die Erlebnisse, die für Sie persönlich wichtig waren. Sie können sich dazu so viel Zeit nehmen, wie Sie möchten. Ich werde Sie auch erstmal nicht unterbrechen, mir nur einige Notizen zu Fragen machen, auf die ich später dann noch eingehen werde“ (vgl. Beer 2004, S.1 f.).
4.3. Haupterzählung
Damit die Haupterzählung gelingen kann, sind einige Punkte zu beachten. Es darf keine Interventionen zur Themenlenkung geben, d.h., die Auswahl der Themen und deren temporale Verknüpfung, also die Gestaltung der Lebensgeschichte ist uneingeschränkt der/dem ErzählerIn zu überlassen!
Der Erzählfluss darf keine Unterbrechung durch Detaillierungsfragen erfahren, d.h., den Erzählfluss und die Gestaltung der Lebenserzählung nicht unterbrechen durch Fragen wie: „Wann war das? Wo war das? Was haben Sie gefühlt?“
Der Interviewer soll aufmerksam und aktiv zuhören. Das geschieht durch:
a) Unterstützung und Bestärkung:
- Pararverbal „hm“ oder „aha“.
- Nonverbal Mimik, Blickkontakt und Körperhaltung.
- Bei rückversichernden Blicken oder Fragen des Interviewten, wie: „Ich weiß gar nicht, ob das jetzt zum Thema gehört“. Oder, „mich interessiert alles, was für Sie wichtig ist“. Oder, „zum Thema gehören die Erlebnisse, die für Sie wichtig waren“.
b) Krisen überwinden helfen:
- Bei Stockungen Ermutigung zum Weitererzählen durch z.B.: „Wie ging es dann weiter?“ oder „An was können Sie sich sonst noch erinnern?“
- Bei schwierigen Passagen (in denen die AutobiografInnen von bedrückenden und schmerzhaften Erlebnissen erzählen, in denen Gefühle reaktualisiert werden - die Er-zählerInnen weinen, betroffen oder wütend sind) kann ein Verbalisieren von emotionalen Erlebnisinhalten durch: „Sie waren damals sehr wütend“ oder „Das berührt Sie heute noch sehr“ helfen (vgl. Beer, Cornelia 2004, S. 2).
4.4. Nachfrageteil
Anhand der Notizen in der Haupterzählung wird zu den Themen, die nicht detailliert erzählt wurden oder uns in ihrer Bedeutung unklar geblieben sind, nachgefragt. Oder über Themen, über die wir noch mehr wissen möchten; zu Erlebnissen und Lebensphasen, die der/die AutobiografIn nur angedeutet hat oder unerwähnt ließ.
Für die Überleitung zum Nachfrageteil gilt:
a) Dank und Anerkennung für die Erzählung und anschließende Überleitung, z.B.: „Vielen
Dank, das war ja jetzt ´ne spannende Geschichte...äh, ich hab jetzt noch...“.
b) Erzählgenerierende Nachfragen: 3 Grundtypen:
ba) Ansteuern einer Lebensphase: „Können Sie mir über die Zeit [z.B. Kindheit] noch
etwas mehr erzählen?“
bb) Ansteuern einer benannten Situation: „Sie erwähnten vorhin, wie Sie … Können
Sie mir diese Situation genau erzählen?“
bc) Ansteuern einer Belegerzählung zu einem Argument: „Können Sie sich noch an
eine Situation erinnern, (in der Ihr Vater autoritär war usw.)“
c) Weitere von der Haupterzählung geleitete Nachfragen: z.B. Verständnisfragen äußern.
d) Externe Nachfragen:
- all die Fragen, die sich auf uns wichtig erscheinende Bereiche beziehen, die bisher nicht angesprochen wurden
- thematisch kontrollierte Fragen anhand eines vorbereiteten Leitfadens.
Es ist wichtig, dass der/die AutobiografIn eine gute Geschichte erzählen kann, d.h., die positive Selbstdarstellung darf nicht gefährdet, Sinnzusammenhänge dürfen nicht aufgebrochen werden. Der Interviewer sollte Zufriedenheit mit den Antworten spiegeln. „Gut“ heißt, es geht um Sinnstiftung für den/die AutobiografIn (vgl. (vgl. Beer, Cornelia 2004, S.2 f.).
4.5. Interviewabschluss
Ein guter Interviewabschluss ist z. B: „Ich denke, dass wir jetzt am Ende angekommen sind und einen Schlusspunkt setzen können. Ich danke Ihnen sehr für ihre spannende Erzählung, für dieses interessante Gespräch und möchte Sie abschließend noch fragen: „Wie war das jetzt für Sie? Was war für Sie schwierig? Was war für Sie gut?“ (vgl. Beer, Cornelia 2004, S.3).
4.6. Interviewbericht
Unmittelbar nach dem Ende des Interviews ist ein Interviewbericht zu schreiben.
Dieser wird nach meinem Interview folgendermaßen gegliedert:
- Kontaktaufnahme: Wann und wie? Welche Bedenken oder Absprachen?...
- Verlauf des Interviews
- Ort, (z.B. Wohnung von Frau... im Wohnzimmer am Couchtisch)
- Datum
- Zeit (von bis)
- TeilnehmerInnen
- Text zur Situation und äußeren Bedingungen, zum Verlauf, zur Kommunikation, zu Krisen,
Schwierigkeiten, Peinlichkeiten...des Interviews (vgl. Beer, Cornelia 2004, S. 4).
4.7. Transkription
Bei der Transkription wurden folgende Regeln verwendet:
- Zeilen nummerieren: jede Seite mit 1 beginnen
- I: Interviewer
- H: Hans (Interviewte)
- Pausen: . 1 Sekunde
.. 2 Sekunden
... 3 Sekunden
- (hhh) hörbares Einatmen; die Zahl der „h“s ist proportional zur Länge
- (lacht) kurzes Lachen
- Unterstrichen mit Nachdruck
- Ja: Dehnung
- viel- Abbruch
- Anonymisieren: Alles, was den/die InterviewpartnerIn erkennen ließe, muss großzügig verändert werden! So werden Vor- und Zunamen erfunden, nur der jeweilige Anfangsbuchstabe bleibt identisch. Bei Ortsnamen werden nur die Anfangsbuchstaben geschrieben. Berufe werden geändert (vgl. Beer, Cornelia 2004, S. 4).
4.8. Auswertung
Die Auswertung erfolgt auf der Ebene Null und Eins.
In der Ebene Null werden die Fakten festgestellt. Folgende Schritte werden gegangen:
- Ein erstes „Hineinhören“ in mich selbst: Irritationen, Emotionen, die beim Lesen in mir entstehen, sollen wahrgenommen werden. Diese verweisen auf die Notwendigkeit, besonders aufmerksam zu sein für Gegenteiliges im Text, auf wichtige thematische Felder, die erst noch genauer angeschaut werden müssen, auf mögliche theoretische Anker, die einem an dieser Stelle weiter helfen, gleichzeitig empathisch, distanziert und offen zu bleiben (vgl. Funk, 2007, S.1).
Zum Auswerten auf der Ebene Eins wird folgendermaßen vorgegangen:
- Erstellen einer Kurzbiographie. Diese enthält Alter, Familienstand, Kinder, Arbeitsverhältnisse und weitere wichtige Ereignisse. Dabei werden Wünsche, Pläne und Visionen nicht berücksichtigt.
Mit einfließen werden Betrachtungen zum Milieu, historische und zeitgeschichtliche Hintergründe, sowie Präzisierungen und an welchen Stellen sich Wendepunkte ergeben. Außerdem wird das Interview in thematische Sequenzen unterteilt. Diese befinden sich im Anlage 1.
5. Das Interview
Für das Interview setze ich das Instrument des narrativen Interviews ein. Dieses befindet sich als Original in Anlage 2.
5.1. Interviewbericht
Die Kontaktaufnahme erfolgte über einen längeren Anlauf. Der zu Interviewende wurde schon fünf bis sechs Wochen vor dem Interviewtermin mündlich angefragt, ob er bereit wäre Interviewpartner zu sein. Bei der Terminfindung gab es immer wieder Verzögerungen. Zum Teil, weil der Interviewpartner beruflich unterwegs war.
Bedenken seitens des Interviewpartners wurden nicht geäußert. Es wurden organisatorische Absprachen im Vorfeld getroffen: das Interview sollte ohne Ehepartner und ohne mögliche Störquellen – so weit das möglich ist – durchgeführt werden.
Das Interview wurde am 19. Dezember 2007 in der Zeit von 19.30 – 21.15 Uhr im Haus des Interviewpartners in der Küche am Küchentisch geführt. Teilnehmer waren der Interviewer und der Interviewpartner.
Das Interview wurde in einer entspannten Atmosphäre geführt. Die gewählte Zeit erwies sich als günstig, da die Kinder schon im Bett waren und der Interviewpartner von seiner beruflichen Tätigkeit entspannen konnte. Auch die Ehepartnerin hätte bei Störungen intervenieren können, da sie mit im Haus war, aber nicht mit am Interview teilnahm.
Das Interview verlief in den wesentlichen Teilen reibungslos. Einzig das Klingeln des Telefons sowie das Eintreten und der Abgang der Ehefrau wurden als störend empfunden. Alle Phasen eines narrativen Interviews konnten durchschritten und sauber abgeschlossen werden.
Die Kommunikation mit dem Interviewpartner erfolgte reibungslos. Es gab keine Verständigungsschwierigkeiten.
Am Ende gab es von Seiten des Interviewpartners keine Fragen oder Irritationen. Der Interviewpartner äußerte, dass es für ihn eine ungewohnte Situation war, aber so in Ordnung war. Er äußerte auch: „Für mich ist das auch interessant“.
Als Interviewer habe ich gemerkt, dass diesem Treffen noch weitere Interviews folgen müssten, um die Person mit ihren Problemlagen und Lebensschichten in ihrer Ganzheit erfassen zu können.
6. Auswertung des Interviews
6.1. Ebene Null
6.1.1. Irritationen
Schon während des Interviews kam es bei mir zu einigen Irritationen. Es gab keine Erzählungen über den Vater. H. äußerte sich weder zu Erlebnissen, noch beschrieb er den Vater in irgendeiner Form. Es klang nur in der Beschreibung der Kindheit an, dass es da eine gute Beziehung gegeben haben könnte: „War aber trotzdem schön, ich hatte eine schöne Kindheit nach meiner Meinung und .. hab viel, hab, also, denke ich ein sehr intensives Familienleben erlebt, so mit … vielen Unternehmungen meiner Eltern. Schönen Urlaubserinnerungen würde ich sagen und habe meine Eltern gerne gehabt .. Es warn also schon auch strenge Eltern aber nicht, nicht so das man jetzt sagt es war keine schöne Kindheit“ (Seite I, Zeile 15 - 19)
Weiterhin gab es wenige Äußerungen über die Schwester, außer, dass sie eine eher nebensächliche Rolle spielte.
Über freundschaftliche Beziehungen, z.B. zu Schulfreunden, zu Mitgliedern der Jungen Gemeinde – die es ja durchaus gibt, äußerte er sich nicht vertiefend. Der Beziehung zu seiner Frau, z.B. über die Kennenlern- und Verliebtheitsphase, usw. maß er wenig Raum bei.
Informationen über seine Lehrzeit oder Menschen während der Zeit erhielt ich keine.
Auch über Hobbys oder eine Art der Freizeitgestaltung wurden keine Informationen gegeben.
6.1.2. Emotionen
Auf Seite VI, Zeile 20 – 29 berichtete hat von seinem eigenen Haus. Über das Thema „eigenes Haus“ denke ich schon seit langem nach. Die Erzählung weckte in mir die Sehnsucht nach einem eigenen Heim.
Als ich die Gedanken auf Seite VII, Zeile 21 – 30 über seine Zeit als Kirchenvorsteher las, löste das in mir eine gewisse Bitterkeit, durch eigene Erfahrungen mit dem eigenen, ehemaligen Kirchenvorstand aus.
H. berichtete auf Seite VIII, Zeile 30 – 34 von seiner Not mit dem derzeitigen Arbeitgeber. Ich hatte meine Stelle gewechselt, weil ich mit meinen Chefs nicht zu Recht kam. Beim Lesen spüre ich in mir Erleichterung über eine gelöste Spannung, aber auch Trauer über die zurückgelassene, gern getane Arbeit.
Als H. auf Seite X, Zeile 13 – 27 seine Mutter beschrieb, löst das in mir Erschrecken über deren Wesen aus. Mir gingen Bilder durch den Kopf vom Sohn, der zwischen Mutter und Ehefrau steht und „vermittelt“. In mir öffnete sich die Frage: zu wessen Lasten gehen die Auseinandersetzungen?
Das Schicksal des Großvaters, von welchem auf Seite XI, Zeile 1 – 14 berichtet wird, erschütterte mich. Dass dieser zwei seiner Kinder verloren hatte, das machte mich betroffen und traurig.
Das Thema Arbeit spielte bei H. eine große Rolle. Als er sich auf Seite XII, Zeile 13 – 23 äußerte und aufzählte: der Alltag ist angefüllt mit Arbeit, Terminen, Verpflichtungen, Begegnungen, Kinder versorgen, Frau entweder auf Arbeit oder zum Lehrgang, habe ich ein Gefühl von Sorge. Wann entspannt er sich, wann pflegt er seine Ehe- und Freundesbeziehungen?
Die auf Seite XV, Zeile 24 –33 geäußerten Aushandlungsprozesse in der Ehebeziehung sind nicht immer schmerzlos. Das kenne ich von meiner Ehebeziehung auch.
Als er von Tod und Sterben auf Seite XVIII, Zeile 3 –5 berichtete, wurde ich selbst traurig, weil mein eigener Vater sterbenskrank war und schon zum wiederholten Male auf der Schwelle zum Tod stand.
Ich empfinde Freude für ihn, als er auf Seite XIX, Zeile 19 –27 berichtete, dass er gelernt hat „Nein“ zu sagen. Denn das war für ihn in der Vergangenheit ein echtes Problem. Es kam dadurch zu Spannungen in der Beziehung zu seiner Ehefrau, da er in der Familie mehr ab- als anwesend war.
6.1.3. Gegenteiliges im Text
Dem Thema Arbeit wird im Interviewtext sehr viel Raum gegeben. Auf der einen Seite relativiert H. die Bedeutung von Arbeit für sich, z.B. auf Seite XX, Zeile 19 – 24: „also ich empfinde meine Arbeit schon noch als Bestätigung für mich, aber mittlerweile auch an vielen Stellen auch mehr als Mittel zum Zweck. Und zwar nicht aus negativem Sinne, weil meine Arbeit macht mir ja Spaß aber, aber aus dem Sinne, dass, dass andere Sachen wichtiger sind als diese, die Arbeit oder das was ich da schaffe. Es ist einfach, es ist auch eine Veränderung. Weil’s einfach, weil dieser Umgang mit der Arbeit und mit diesen Materialien oder so, im Verhältnis zum Umgang mit den Menschen, nebensächlich“, aber auf der anderen Seite beschreibt er auf Seite XIV, Zeile 9 – 14 den Stellenwert der Arbeit für sich: Arbeit macht sein Selbstbewusstsein stark: „das hat zur Folge, dass es mir, dass ich also gewisse, also, es erfüllt mich, also es macht mir Spaß es befriedigt mich. Von daher denke ich, hat Arbeit einen sehr hohen Stellenwert für mich und ich beziehe auch einen gewissen Grad an ehm .. na… Selbstbewusstsein oder so daraus also auch eine Wertschätzung oder so, weil, weil ich schaffe ja schon irgendwas was dann den Leuten meistens dann auch gefällt und das sagen die einen ja dann schon auch, na“, oder Seite XIV, Zeile 32 – Seite XV, Zeile 1, wo er beschreibt, dass er ohne Arbeit Probleme hätte: „aber im Großen und Ganzen hat sie einen wichtigen Stellenwert für mich, persönlich gesehen. Ich glaube, ich bin zwar ein Typ, der sich auch Arbeit sucht, aber wenn ich jetzt arbeitslos wäre, über längere Zeit oder so, dann hätte ich ein Problem.
Hier ist für mich ein Gegensatz. Auf der einen Seite ist die Arbeit nicht wirklich wichtig, auf der anderen Seite bezieht er Selbstbewusstsein daraus.
6.1.4. Thematische Felder
Im Interview präsentiert H. unterschiedliche thematische Felder. Er erzählt über Arbeit: seine vergangene und derzeitige Arbeitstätigkeit, den Sinn von Arbeit und seine veränderte Sicht auf Arbeit. In Verbindung mit seinem Großvater und der alten „Jungen Gemeinde“ erzählt er von seinen Gedanken zu alten Menschen und dem Alterungsprozess. Weiterhin spricht er von seinem Haus, aus meiner Sicht in Verbindung mit einem Heimatgedanken. Trost bei der Beerdigung seiner Großmutter, persönliche Veränderungen durch die Erzählungen seines Großvaters, in dem er Dingen eine andere Priorität gibt und die Wertigkeit seiner eigenen Kinder sind weitere Themen. Raum gibt er auch dem Thema Entscheidungen, z.B. für das Haus oder der Ausbildung der Ehefrau. Kurzzeitig wird seine Mutter zum Thema.
6.2. Ebene Eins
6.2.1. Kurzbiographie
H. wurde am 5.11.1974 in L. als zweites Kind in der Kleinstadt W., in Sachsen geboren. Seine Mutter war zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt. Über das Alter seines Vaters lässt sich im Interview nichts erfahren. In W. wohnten noch die Großeltern unweit vom elterlichen Anwesen entfernt. Sein Bruder ist 5 Jahre älter, seine Schwester 10 Jahre jünger. Für DDR-Zeiten war es normal, das Kind nach einem Jahr in die Krippe und anschließend in den Kindergarten zu geben, zumal dort seine Mutter arbeitete. Die Einrichtung besuchte er 6 Jahre. Im Jahre 1980 kam er in W. in die Schule, welche er mit dem Abschluss der 10. Klasse beendete. In der 8. Klasse erlebte er seine Konfirmation in der W.-er Kirche. Als Jugendlicher war er in der Kirchgemeinde aktiv. Am Anfang engagierte er sich in der Kinderarbeit der örtlichen Kirchgemeinde und in der Jugendarbeit des Kirchenbezirkes. Als junger Erwachsener wurde er in den Vorstand der W.-er Kirchgemeinde berufen.
Seine Lehre als Gärtner begann er 1990 in L., die dann bis 1993 dauerte. Aufgrund betrieblicher Schwierigkeiten wurde er gekündigt. Nach langem Überlegen suchte er sich eine neue Arbeitsstelle München. Nach anderthalben Jahren leistete er in W. seinen Zivildienst. Anschließend wurde er wieder in M. eingestellt. In der Zwischenzeit hat die Firma eine Zweigniederlassung in W. gegründet. H. arbeitet sowohl in W. als auch in M.. Diese Zeit war vom vielen „Pendeln“ zwischen M. und W. geprägt.
Er begann in P. eine einjährige Meisterschule als Gärtnermeister. Bei der Firma H. wurde er anschließend als Gärtnermeister angestellt. Dort arbeitet er bis zum heutigen Zeitpunkt.
Die Heirat seiner Frau erfolgte im Jahr 2000. Seine Frau ist drei Jahre jünger als er. Die Geburt seines Kindes V. im Jahr 2004 und von C. im Jahr 2006. Das Haus, in dem er mit seiner Familie bis heute wohnt, wurde im Jahr 2002 gekauft.
[...]
- Arbeit zitieren
- Uwe Rosinski (Autor:in), 2008, Narratives Interview als Methode zum Verstehen von Lebensprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133001
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