akte Sat.1. Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, die Menschenwürde ist unantastbar?


Hausarbeit, 2020

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Von Klaus Stüwe zur „akte Sat.1"

2 Medienrechtliche Auseinandersetzung mit der „akte Sat.1"
2.1 Theoretischer Teil - Menschenwürde im Medienrecht
2.1.1 Grundrecht
2.1.2 Eingriff
2.1.3 Selbstbestimmungsfähigkeit
2.2 Praktischer Teil - Mobbing in „Promis unter Palmen"
2.2.1 Causa
2.2.2 Wirken
2.2.3 Extra: Eigenrecherche zur Strafanzeige
2.3 Fazit - Synthese und Prognose

3 Von der „akte Sat.1" zurück zu Klaus Stüwe

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Sekundärliteratur

1 Von Klaus Stüwe zur „akte Sat.1

„Chaotisch, oft unter der Gürtellinie, aggressiv und am Ende würdelos." - So empfand Prof. Dr. Klaus Stüwe das erste TV-Duell zwischen dem amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seinem Herausforderer bei der Wahl am 3. Novem­ber, Joseph „Joe" Biden. Damit lag der renommierte Politikwissenschaftler und Vize­präsident unserer Universität auf einer Linie mit deutschsprachigen Leitmedien. Diese hatten den Schlagabtausch zwischen Trump und Biden am 29. September, der unter anderem vom öffentlich-rechtlichen Sender ZDF live übertragen worden war, einhellig als „Schlammschlacht" verurteilt (vgl. Reiter, Gady und Ruf 2020).

Anders, weil nicht boulevardesk, hatte es der Leiter des Wirtschaftsressorts bei ntv.de, Jan Gänger, in seinem Kommentar evaluiert: „Das Fernseh-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden ist schmerzhaft. Es ist traurig zu sehen, was aus den USA ge­worden ist." (Gänger 2020, Abs.1). Dass Beschimpfungen, Verleumdungen und Her­abwürdigungen ein TV-Format zum Zwecke der politischen Meinungsbildung, das von Abermillionen Zuschauern auf der ganzen Welt verfolgt wird, dominieren wür­den, hätten wohl die Wenigsten für möglich gehalten. Kannte man dergleichen doch sonst nur aus dem Trash-TV. - Aber stimmt das wirklich?

Nein, denn die Grenzen dessen, was man im Fernsehen bringen kann, werden sowohl auf Seiten der Darsteller als auch auf Seiten der Sender und Produktionsfirmen seit Jahren ausgeweitet. Nun eben so weit, dass es für einen Klaus Stüwe „würdelos" und für einen Jan Gänger sogar „schmerzhaft" wird. Daran haben Trash-TV-Formate wie „Promis unter Palmen" unbestreitbar großen Anteil: Eine Teilnehmerin wurde so schlimm gemobbt, dass sie freiwillig ging; viel Empörung und sogar eine Strafanzeige waren die Folge. - En Detail und angelehnt an das gleichnamige investigativjournalis­tische Magazin des „Tätersenders" wird sich die „akte Sat.1" dieser Causa widmen. Ein Theorie- und ein Praxisteil inklusive Eigenrecherche geben dabei die Struktur der me­dienrechtlichen Auseinandersetzung vor, die in der Synthese beider Teile gipfeln wird.

2 Medienrechtliche Auseinandersetzung mit der „akte Sat.1“

2.1 Theoretischer Teil - Menschenwürde im Medienrecht

2.1.1 Grundrecht

Die Menschenwürde ist ein Grundrecht. Und zwar dasjenige, das im Grundgesetz ganz vorne in Artikel 1 Absatz 1 steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Sein Träger „ist stets der konkrete Mensch [und] nicht eine Gruppe von Menschen, auch wenn diese in besonderer Weise verfolgt wurde" (Fricke 2010, S. 492). - Den „konkreten] Men­schen]" schützt die Menschenwürde, weil sie ihm garantiert, dass sein Eigenwert, sei­ne Intimität, seine Sozialbezogenheit und vor allem seine körperliche wie seelische Integrität gewahrt werden (vgl. Hufen 2010, S. 2).

Gerade aufgezählte Garantien bekommt der Einzelne vom Gesetzgeber nicht angebo­ten, sondern zugeschrieben, weshalb man häufig von der „Unverzichtbarkeit der Menschenwürde" (Fricke 2010, S. 501) spricht. Letztere kommtjeder natürlichen, juris­tischen und nicht juristischen Person zu (vgl. ebd., S. 492). - Übertragen aufdas trivia­le Beispiel „Schützenverein" heißt das: Der Schützenfreund (= eine natürliche Person) besitzt genauso eine Menschenwürde wie der - e. V. abgekürzte - eingetragene, rechtsfähige Verein (= eine juristische Person) und der uneingetragene, nicht rechts­fähige Watterstammtisch (= eine nicht juristische Person).

2.1.2 Eingriff

Ein Eingriff in das Grundrecht der Menschenwürde liegt dann vor, wenn „die wirkliche Basis und de[r] Wert des Menschen an sich" (ebd., S. 493) getroffen ist. Historische Beispiele hierfür sind Sklaverei oder Folter. Heute kennt man den Straftatbestand vorwiegend aus dem Kontext Demütigung/Schmähung. - Entscheidend: Für einen solchen Eingriff gibt es aufgrund des Absolutheitsanspruchs der Menschenwürde kei­ne verfassungsrechtliche Rechtfertigung (vgl. Gröschner/Lembcke 2009).

2.1.3 Selbstbestimmungsfähigkeit

Jedes Jahr wieder, wenn die Trash-TV-Flaggschiffe „Promi Big Brother" und „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" ausgestrahlt werden, regt sich heftige Kritik: „Wo bleibt da die Menschenwürde?!", echauffieren sich Kritiker dann öffentlich. De facto wird das Grundrecht der Menschenwürde aber in den allermeisten Fällen gewahrt. Warum? - Weil die Mitwirkenden sich freiwillig zur Teilnahme an den TV-Formaten entschieden haben. Damit haben sie auch zugestimmt, dabei gedemütigt und/oder geschmäht zu werden. Voraussetzung ist natürlich, ihnen wurde vor Unterschreiben des Teilnahmevertrages gesagt, dass solche Dinge passieren können; eine vollum­fängliche Aufklärung muss stattgefunden haben.

Bei Minderjährigen gilt das Prinzip der Selbstbestimmungsfähigkeit jedoch nicht. Heißt das, die Produktionsverantwortlichen müssen einzig und allein auf den Ju­gendmedienschutz achten? Rechtfertigt die Selbstbestimmungsfähigkeit ansonsten alles, ist quasi ein medienrechtlicher Freifahrtschein? - Nein, denn der Gesetzgeber nimmt eine weitere Einschränkung im „sozialen Kontext" (Fricke 2010, S. 495) vor: die Schmerzgrenzen der Zuschauer, welche nicht überschritten werden dürfen. Das ist der Fall, wenn vor ihren Augen „der konkrete Mensch zum ,Objekt' degradiert wird" (ebd., S. 535). Man nennt dies auch die „Objektformel". Damit wird sozusagen die Menschenwürdegarantievon derVerletzung her mit Inhalt gefüllt.

Weil der Gesetzgeber unmittelbare negative Auswirkungen auf die Gesamtgesell­schaft fürchtet, wenn sich Bürger ein Beispiel an den schlechten Verhaltensweisen mancher TV-Darsteller nehmen, verpflichtet er das Fernsehen, keine menschenver­achtenden Bilder zu vermitteln. - Generell gilt: Die Frage, „ob es ein Gemeinwesen aushält und ertragen muss, [...] Darstellungen ausgesetzt [zu werden], die seine öf­fentliche Ordnung, die Grundregeln eines freien und gleichberechtigten Zusammen­lebens, zu beschädigen drohen [oder] bereits verletzen" (ebd., S. 535), ist unter Be­achtung des kompletten Kontextes der medialen Darstellung sowie unter Berücksich­tigung des Grundrechts der Menschenwürde individual zu entscheiden.

2.2 Praktischer Teil - Mobbing in „Promis unter Palmen“

2.2.1 Causa

„Promis unter Palmen" ist ein deutsches Trash-TV-Format, in dem zehn mehr oder weniger Prominente in verschiedenen Spielen um 100.000 Euro kämpfen. Die erste Staffel wurde von 25. März bis 29. April (mittwochs) ab 20.15 Uhr auf dem Privatsen­der Sat.1 ausgestrahlt. Aufgezeichnet wurde das TV-Format im November 2019 in der Villa Grand Satis in der südthailändischen Provinz Phang-nga. Die Produktion von „Promis unter Palmen" hatte die ProSiebenSat.1 Media SE an die Endemol Shine Group Germany GmbH delegiert. Mit der Kölner Produktionsfirma arbeitet man in Unterföhring auch bei „Promi Big Brother" zusammen.

Das in der Einleitung angeteaserte Mobbing von „Luxus-Lady" Claudia Obert (59) aus Hamburg fand in der fünften Episode statt, welche am 22. April ausgestrahlt wurde. Die Mobber waren der Landshuter „Life-Coach" Bastian Yotta (43), die Recklinghäuser „Influencerin" Carina Spack (24) sowie der Hammelburger „TV-Star" Matthias Man- giapane (37). - Vorweg sei gesagt: Alle vier sind im Trash-TV-Genre erfahren und wis­sen demzufolge, wie sie zu möglichst viel Sendezeit kommen. Was Yotta, Spack und Mangiapane dieses Mal gemacht haben, ging aber zu weit. Es war reinstes Mobbing in Form persönlicher Beleidigung, sozialer Exklusion und öffentlicher Demütigung. Die Wiedergabe dreier Vorfälle im Folgenden wird das bestätigen:

Nummer 1: Yotta, Spack und Mangiapane finden, Obert hätte sich in der Villa dane­ben benommen. Sie wollen deshalb „der versoffenen, unerzogenen Kabarettistin Ma­nieren beibringen", wie Yotta sagt. Infolgedessen überlegt Spack vor ihren zwei „Ver­bündeten", mit Oberts Zahnbürste Dreck wegzubürsten. Mangiapane findet den Plan gut, nimmt ihn zum Anlass für eine Schimpftirade auf Obert. Von „Pottsau" über „Hohlbratze" bis „Viech" kommt darin alles vor. Eigentlich in puncto Menschenverach­tung also nicht mehr zu überbieten, meint man. - Yotta schafft es dennoch. Mit sei­nem herabwürdigenden Kommentar: „Die ist doch schizo, die Alte. Bipolar."

Nummer 2: Obert liegt im Bett, möchte schlafen. Spack rächt sich nun an Obert dafür, dass diese zuvor ihren Bikini und ihr Handtuch vom Balkon in den Garten hinunterge­schmissen hat, um eine bessere Aussicht zu haben. Sie knistert absichtlich laut mit Chipstüten und „gackert wie eine 13-Jährige auf Klassenfahrt in Buxtehude" (Halbroth 2020, Abs. 3). Als Obert genervt darüber stöhnt, reagiert Spack mit: „Hast Du einen Schlaganfall? Passtja zum Alter. [...] Weißt Du, was der Unterschied zwischen uns und Dir ist? - Wir haben allejemanden, der sich freut, wenn wir zurückkommen."

Nummer 3: Yotta fragt Obert: „Ich habe mir einen Pickel ausgedrückt. Weißt Du, an was mich erinnert hat, was da herausgekommen ist? - An dich, Claudia!" Diese Demü­tigung ins Gesicht ist selbst Obert, die im Fernsehen stets als taffe Frau auftritt, zu viel. Sie legt sich im Wohnzimmer auf den Fußboden (aus ihrem Bett ist sie ja von Spack vertrieben worden) und weint bitterlich. Am nächsten Morgen verlässt Obert freiwillig den „Hort des Hasses mit der einzig richtigen Botschaft an die Leute, die sie so behandelt haben: ,Fuck you!'" (Dittrich 2020, Abs. 4).

2.2.2 Wirken

Nennenswerte Negativkritik an „Promis unter Palmen" gab es bis einschließlich der vierten Episode nicht. Im Gegenteil: Das TV-Format wurde, wie der Bayer sagen wür­de, „über den Schellnkini gelobt". Im Kolumnenstil erschienen Donnerstag für Don­nerstag Kritiken mit Akklamationscharakter auch im stern - einem Nachrichtenmaga­zin, das seit Jahrzehnten mit dem Privatsender RTL zusammenarbeitet und von dem man daher erwarten würde, dass es „Promis unter Palmen" allein schon deswegen kritisch gegenübersteht: Weil das TV-Format eine Produktion der Konkurrenz ist.

Luisa Schwebel, Redakteurin im Unterhaltungsressort, lobt nach Ausstrahlung der zweiten Episode (zur ersten gab es keine Kritik des sternY,„Promis unter Palmen' ist nicht nur eine willkommene Abwechslung im Quarantäne-Alltag, sondern, man kann es nicht anders sagen, einfach gutes Fernsehen." (Schwebel 02.04.2020, Abs. 3). Eine Woche später geht sie noch weiter, schwärmt regelrecht: „Es ist alles so zum Schä- men, so unangenehm, es tut weh - und ist doch so gut." (Schwebel 09.04.2020, Abs. 3). Womit Schwebel „Promis unter Palmen" den Ritterschlag erteilt, denn Fremd­scham hervorrufen zu können ist der entscheidende Unterhaltungsfaktor im Trash-TV, wo die Einschaltquoten über allem stehen.

In ihrer Kritik zur vierten Episode, in der Yotta zum x-ten Mal mit seiner Menschen­verachtung auffällig wurde, schwärmt Schwebel weiter von einem „wahnsinnig trashi­gen und gleichzeitig enorm unterhaltsamen [TV-Format]" (Schwebel 16.04.2020, Abs. 1). Erst nach Ausstrahlung der fünften Episode vollzog der stern genau wie alle ande­ren Medien, die bisher im Chor akklamiert hatten, die Kehrtwende. - Interessant, dass die entsprechende Kritik anstelle Schwebels von ihrem Chef verfasst wurde. Offenbar hatte Jens Maier die Fatalität dessen erkannt, was passiert war: Wochenlang hatte der stern Lobeshymnen auf ein toxisches TV-Format gehalten, in dem der Zuschauer „Zeuge menschlicher Total-Aussetzer" (Dittrich 2020, Abs. 1) geworden ist.

Wie sich jedoch nach Lektüre seiner Kritik im Kommentarstil - die Darstellungsform wurde ebenfalls geändert - herausstellen sollte, hatte Maier die Fatalität keinesfalls erkannt. Er urteilt zwar: „Hier zeigt sich das Dilemma voraufgezeichneter [...] [TV- Formate], Das Publikum als Richter und Regulator fällt aus. Hätte es eine Zuschauer­abstimmung gegeben, [wäre] Yotta mit großer Wahrscheinlichkeit [...] wegen sozialer Inkompetenz [rausgewählt worden]." (Maier 2020, Abs. 3). Aber Maier verschweigt, dass der stern über Wochen hinweg von eben der „Trashigkeit" in „Promis unter Pal­men" geschwärmt hatte, zu derYotta maßgeblich beigetragen hat.

Die Rechtfertigung von Sat.1 - „Wir schreiben den Promis nicht vor, wie sie sich als erwachsene Menschen zu verhalten haben" - lässt Maier unkommentiert. Betrachtet man das vor dem großen Shitstorm, den der Sender für seine Hinnahme der Mob­bingszenen bereits am Tag zuvor auf Twitter kassiert hatte (vgl. Eiserbeck 2020), ist Maier sozusagen noch gar nicht am Bahnhof angekommen, als der Zug längst abge­fahren ist. War er doch auch mit seiner Forderung, den „Mobber der Nation" (Maier 2020, Abs. 3) nicht mehr im Fernsehen auftreten zu lassen, hintendran.

Nämlich schon vor Ausstrahlung der fünften Episode hatten RTL und Sat.1 die weitere Zusammenarbeit mit Yotta ausgeschlossen. Grund für die Distanzierung der beiden Trash-TV-Platzhirsche von ihm war das „Drei-Loch-Video", in dem er sich „abfällig über Frauen geäußert und diese zu sexuellen Objekten degradiert [hatte], an denen sich Männer frei bedienen können" (Moritz 2020, Abs. 1). - Alles in allem bleibt fest­zuhalten: Maiers Kritik am TV-Format ist zwar keine Akklamation mehr (wie Schwebels bisherige),jedoch auch keine echte Verurteilung.

Die Woche darauf wechselte der stern erneut seinen Kritiker. Über die sechste Episo­de, das Finale, urteilt der freie Mitarbeiter Mark Stöhr. Während Schwebels Ablösung durch die vorgenommene Kehrtwende verständlich war, ist die von Maier so nicht erklärbar. Denn der stern behält Maiers Kurs der alleinigen Yotta-Kritik bei. Dass Bas­tian Josef Gillmeier (so lautet Yottas bürgerlicher Name) die 100.000 Euro gewonnen hat, kritisiert Stöhr, ohne dabei den Sender und die Produktionsfirma für die Hinnah­me der Mobbingszenen in der vorherigen Episode zu kritisieren. - Wobei: Ganz am Ende findet sich dann doch noch eine Passage, wo er sie zumindest ins Visier nimmt:

„Während sich die Kandidaten mit schlimmsten Beleidigungen überzogen [...], be­diente sich der [Off-]Kommentar einer mal kalauerigen, mal schmierigen Altherren­Prosa, die nicht weniger unerträglich war. [...] Wer schreibt so was? Wie viel Schmer­zensgeld bekommt er dafür?" (Stöhr 2020, Abs. 3). - Indes wenig glaubwürdig ist die Kritik des stern, wenn Carsten Heidböhmer, Redakteur im Kulturressort, am gleichen Tag kommentiert: ,,[D]ie Akteure [taten] nur das, wofür sie gecastet wurden. Die Em­pörung ist scheinheilig." (Heidböhmer 2020, Abs. 1). Wohl eher „scheinheilig" ist doch, dem (Konkurrenz-)Nachrichtenmagazin SPIEGEL vorzuwerfen, sie würden bei der jetzigen scharfen Kritik am TV-Format ihre frühere Begeisterung verschweigen (vgl. ebd., Abs. 3). Denn macht der stern etwa nicht das Gleiche, nur ohne Schärfe?

Letztere lieferte man dann in der Kritik zum Spezial „Promis unter Palmen - Die große Aussprache" nach. Dort dann aber in so konzentrierter Form, dass es vollkommen aufgesetzt wirkte. Kolumnenstilfan Schwebel, die ihre zweiwöchige Zurückhaltung in der Causa beendet hat, verurteiltjetzt als „einzige Katastrophe" (Schwebel 07.05.2020, Abs. 1), was für sie vor nicht allzu langer Zeit noch „einfach gutes Fernsehen" (Schwe­bel 02.04.2020, Abs. 3) war. Und dass Sat.1 Yotta im „Promis unter Palmen"-Spezial nicht eingeladen hat, ist für Schwebel, die diesen zuvor wegen seiner „Trashigkeit" hochgelobt hatte (vgl. Schwebel 02., 09. und 16.04.2020), nun auf einmal die „einzig richtige Entscheidung" (Schwebel 07.05.2020, Abs. 2).

Das Mobbing von Obert durch Yotta, Spack und Mangiapane, die sich alle drei nach­träglich bei ihrem Opfer entschuldigt haben, erst hinzunehmen und später dann quasi achselzuckend auszustrahlen, ist nach Schwebels jetziger Meinung einer von vielen ,,Fehler[n], die der Sender bereits im Verlauf [des TV-Formats] gemacht hatte" (ebd., Abs. 1). - Der stern wurde also überdeutlich. Zweifellos rührte dies nicht zuletzt daher, dass die fünfte Episode von „Promis unter Palmen" in der Zwischenzeit immer weitere Kreise gezogen hatte. Ein Abriss davon soll im Folgenden wiedergegeben werden und die Dynamik, die in die Causa gekommen war, aufzeigen.

Um in der Chronologie zu bleiben, muss dabei mit einem Streit begonnen werden, der schon vor Ausstrahlung der fünften Episode aufgekommen war und sich um die Titelmelodie des TV-Formats drehte: Die Mitglieder der Berliner Reggae-Band SEEED erfuhren, dass Sat.1 ihr Lied „G€LD" aus dem aktuellen Album „Bam Bam" ohne ihr Einverständnis zum „Promis unter Palmen"-Jingle gemacht hatte. Daraufhin be­schwerten sie sich beim Sender (vgl. Zeißler 2020, Abs. 2). - Erfolgreich, denn ab der vierten Episode lief im Intro nicht mehr „G€LD", sondern die 2007er-Single „Papaya" eines anderen Berliners: die von Electrolore-Künstler Alexander Marcus.

Eine Sat.1-Sprecherin erklärte dazu, fast alle Musiker würden sich über eine solche zusätzliche Werbung freuen. Außerdem sei man im Recht, weil die für derartige Fra­gen zuständige Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Verviel­fältigungsrechte (GEMA) erlaubt hätte, „G€LD" als „Promis unter Palmen"-Jingle zu verwenden. Um einen unnötigen rechtlichen Streit überhaupt nicht erst aufdie Bühne zu rufen, sei die Titelmelodie ausgetauscht worden (vgl. ebd., Abs. 2).

Speziell eine Folge der Mobbingszenen in der fünften Episode war, dass die Nord- stemmener SmileSecret GmbH & Co. KG - ein Zahnbleaching-Unternehmen - Spack und Yotta ihre Werbeverträge aufkündigte (vgl. Nastl 2020). Beide wurden zudem in den sozialen Netzwerken massiv angefeindet und bedroht. Spack ging deswegen zur Polizei: „Ich [...] habe mir die Mühe gemacht, diese ganzen Morddrohungen rauszu­suchen und [anzuzeigen]. Dagegen wird jetzt ermittelt." (Berger 2020, Abs. 4). Weil die Morddroher (über IP-Adressen) noch nicht ausfindig gemacht werden konnten, stehe sie zudem unter Polizeischutz, schrieb Spack später auf Instagram.

Ebenfalls aufgrund der ausgestrahlten Mobbingszenen gingen mehrere Beschwerde­anrufe bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e. V. (FSF) ein. Ob der Jugend­medienschutz tatsächlich missachtet worden war, untersuchte daraufhin ein Aus­schuss der FSF in einer Programmprüfung. Mitte Mai kamen die fünf unabhängigen Prüfer aus Pädagogik-, Kunst und Medienbereich zum Ergebnis: Die fünfte Episode von „Promis unter Palmen" hätte nicht vor 22 Uhr gezeigt werden dürfen, da sie für Zuschauer unter 16 Jahren ungeeignet sei. Ein sojunges Publikum könne die Insze­nierung in einem Trash-TV-Format unmöglich erkennen. Besonders problematisch sei, dass „die Mobbingattacke letztlich erfolgreich war" (Riedmeier 2020, Abs. 4) und dadurch „Mobbing als übliches Sozialverhalten dargestellt [wurde]" (ebd., Abs. 4).

Weil alle zur ProSiebenSat.1 Media SE gehörenden Sender Mitglied im gemeinnützi­gen Verein der FSF sind, musste Sat.1 die beanstandete Episode sofort nach Einlei­tung der Programmprüfung quasi prophylaktisch aus der Mediathek (im Internet un­ter sat.l.de/videos) entfernen. Auch die Münchner Joyn GmbH, ein Tochterunterneh­men, musste die Episode von seiner gleichnamigen Streaming-Plattform herunter­nehmen. - Hätte der FSF-Prüfungsausschuss pro „Promis unter Palmen" entschieden, wären beide Verpflichtungen dadurch wieder aufgehoben gewesen.

Das war passiert, nachdem Sat.1 Berufung eingelegt hatte. Der Sender durfte sich über ein komplett anderes Urteil in zweiter Instanz freuen. Die sieben Mitglieder des Berufungsausschusses, allesamt erfahrene FSF-Prüfer, welche nicht im Prüfungsaus­schuss vertreten gewesen sein dürfen, urteilten Anfang Juni so: „Zwar gewinnt die Person, die die Attacken [auf Obert] maßgeblich mit vorantreibt, letztlich die [100.000 Euro], aber nicht die Sympathien der [...] Zuschauer. Eine Vorbildwirkung des aus­grenzenden Verhaltens und in diesem Sinne eine sozialethische Desorientierung der [unter 16-Jährigen] wird daher nicht vermutet." (Ebd., Abs. 3). Gegen die Entschei­dung des Berufungsausschusses ging keiner der Beschwerdeanrufer in Revision, so­dass die fünfte Episode von „Promis unter Palmen" wieder ins Internet gestellt wer­den konnte. Auch im Hauptabendprogramm dürfte sie Sat.1 erneut zeigen.

2.2.3 Extra: Eigenrecherche zur Strafanzeige

Diverse Medien berichteten vor dem Finale des TV-Formats über die - neben den Morddrohungen gegen Spack - sicherlich schwerwiegendste Folge von „Promis unter Palmen": einer Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Diese hatten die in der Hauptstadt wohnhaften Antidiskriminierungsaktivisten Carsten Stahl und Steve Hildebrandt als Vorsitzende von Camp Stahl e. V. bzw. Liebe wen Du willst e. V. gegen die ProSiebenSat.1 Media SE und die Endemol Shine Group Germany GmbH gestellt. Und zwar wegen der in Episode fünf hingenommenen Mobbingszenen.

Eine Anfrage an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Berlin sollte klären, in welche Richtung im Zuge der Strafanzeige ermittelt wird, ob die Ermittlungen schon etwas ergeben haben und wie strafrechtliche Konsequenzen in der Causa aussähen. Jedoch konnte die stellvertretende Pressesprecherin, Staatsanwältin Mona Lorenz, zur Klä­rung der Fragen nichts beitragen, weil für sie „ein Ermittlungsverfahren, welches den [...] skizzierten Sachverhalt beinhaltet, nicht ermittelbar" gewesen wäre. Lorenz ver­wies auf die Staatsanwaltschaften Köln und München I, weil diese für die beschuldig­tenjuristischen Personen örtlich zuständig seien.

Während man in Köln überhaupt nicht reagierte und alle E-Mails - die automatische Antwort mit der Anfrageeingangsbestätigung außen vor - unbeantwortet ließ, war man in der Staatsanwaltschaft München I sehr kooperativ. Pressesprecherin und Oberstaatsanwältin Anne Leiding antwortete ausführlich: ,,[U]nsere örtliche Zustän­digkeit für die ProSiebenSat.1 Media SE mit Sitz in Unterföhring könnte ein Ermitt­lungsverfahren im Prinzip schon begründen, aber dann mü[ss]te sich die Strafanzei- ge/das Ermittlungsverfahren gegen einen hier verorteten Verantwortlichen richten. Wir ermitteln [ja] nicht ,gegen Unternehmen', sondern immer nur gegen strafrechtlich verantwortliche Personen. Ich kann hier [...] kein Ermittlungsverfahren zuordnen."

Lorenz' Information, die Strafanzeige sei ohne Eintragung direkt an die örtlich zu­ständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, könne nicht stimmen, da jede Strafanzeige beijeder Staatsanwaltschaft immer eingetragen werde. Selbst bei offen­sichtlicher örtlicher Unzuständigkeit mache man das: „Erst wenn der Vorgang erfasst ist, wird dieser sodann an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben. Das würde dann auch dem Anzeigeerstatter so mitgeteilt." Leiding bemühte sich redlich, mit verschiedenen Parametern (Beschuldigte, Zeitraum, Causa, ...) das Ermittlungsver­fahren, welches durch besagte Strafanzeige angestoßen worden sein müsste, im Da­tenbestand ausfindig zu machen, fand es aber nicht.

Jede der 115 deutschen Staatsanwaltschaften (pro Landgericht eine) könne allerdings auch nur auf die in der „eigenen örtlichen Zuständigkeit geführten Verfahren" zugrei­fen, schränkte Leiding ein. Angenommen, Lorenz hätte den Datenbestand der Staats­anwaltschaft Berlin genauso gründlich durchsucht wie sie selbst den der Staatsan­waltschaft München I, kämen für das Nichtauffinden des Ermittlungsverfahrens zwei Erklärungen in Frage: Erstens menschliches Versagen, sprich in der Empfängerstaats­anwaltschaft (Berlin) ist jemand der Eintragungspflicht nicht nachgekommen. Oder zweitens, das Stellen der Strafanzeige war bloß eine Prahlerei.

An der Stelle schien es erfolgversprechender, mit den Anzeigeerstattern in Kontakt zu treten. Denn im Falle menschlichen Versagens wäre weiteres Nachfragen bei der Ber­liner Staatsanwaltschaft zwecklos. Der „Versager" müsste schließlich unter über 800 Mitarbeitern an vier verschiedenen Standorten gefunden werden. - Stahl verriet zwar, dass sie die Strafanzeige wegen „unterlassener Hilfeleistung" und Verstoßes gegen Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz gestellt hätten, behielt aber für sich, bei welcher Staatsanwaltschaft das passiert sei. Auch gegen wen genau (die ProSiebenSat.1 Me­dia SE als Unternehmen ist kein Subjekt des Strafrechts) nun ermittelt werde, teilte er nicht mit. Alle weiteren Rückfrage-E-Mails blieben unbeantwortet.

Weil keine Telefonnummern in den Impressi ihrer Internetseiten stehen und sie zu­dem keinen Telefonbucheintrag haben, konnten Camp Stahl e. V. bzw. Stahl selbst auch auf dem Wege nicht kontaktiert werden. - der zweite Anzeigeer­ statter, antwortete überhaupt nicht auf eine Anfrage per E-Mail, hatte aber seine Te­lefonnummer im Impressum der Internetseite von Liebe wen Du willst e. V. angege­ben und konnte deshalb angerufen werden. Er versprach zweimal, „die Tage" eine Antwort zu schicken. Es vergingen Wochen, ohne dass sein Versprechen erfüllte. Man bekam den Eindruck, dass er log um abzuwimmeln, was natürlich die zweite mögliche Erklärung starkan Wahrscheinlichkeit zulegen ließ.

Ob das Stellen der Strafanzeige vielleicht wirklich nur eine Prahlerei gewesen war, sollte als Nächstes überprüft werden. Hierfür anzurufen, machte auf­ grund seiner leeren Versprechungen genauso wenig Sinn, wie die Pressestellen der Staatsanwaltschaften anzuschreiben. Schließlich würde ein Pressesprecher niemals über solche Dinge spekulieren. - Blieben noch Stahl und sein Verein, wo esja immer noch das Problem, dass keiner mehr zurückschrieb, zu lösen galt.

Die buchstäbliche Mauer des Schweigens dort musste irgendwie durchbrochen wer­den. Die Unterstellung, sie hätten nur damit geprahlt, Strafanzeige gestellt zu haben, schien zu dem Zweck perfekt geeignet. Bei einer E-Mail mit einem solchen Inhalt könnte Stahl nicht mehr aus. Denn dass die Prahlerei-Hypothese an die Öffentlichkeit gelangt, wäre nicht auszuschließen. Das würde Stahl, der sowieso unter Kritik steht (vgl. Betschka et al. 2019), weiter diskreditieren. Und tatsächlich: Dieser kreative, unor­thodoxe Ansatz führte zum gewünschten Ergebnis. Noch in der Nacht, genauer ge­sagt um 3.48 Uhr (!), kam eine Antwort - wohlgemerkt, nachdem zuvor über Wochen alle E-Mails mit höflichen Bitten um Rückmeldung ignoriert worden waren.

Die wichtigste und gleichzeitig einzig weiterbringende Information darin war, dass sie die Strafanzeige bei der Zentralstelle der Staatsanwaltschaft Berlin für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle sowie intersexuelle Betroffene und Zeugen vorur­teilsmotivierter Hasskriminalität (LSBTI) gestellt hätten. Der Empfängerstaatsanwalt sei Markus Oswald gewesen. - Im Glauben, nach langer, schwieriger Suche endlich an der richtigen Adresse angelangt zu sein, erfolgte eine Anfrage an die LSBTI. Zurück kam, dass Oswald derzeit sei. Seine Kollegin, Oberstaatsanwältin Ines Karl, versprach jedoch, ihn anzurufen und sich wieder zu melden. Das tat sie dann auch circa eine Woche später: ,,[l]ch konnte inzwischen Herrn Oswald befragen. [E]r hat mir mitgeteilt, dass er die [Strafanzeige seinerzeit, da ohne Bezug zur LSBTI-Zuständigkeit, an die Auszeich­nungsstelle weitergeleitet hat. Sie ist demnach nicht in der Abteilung 284/237 bear­beitet worden." Auf Wunsch hatte Karl daraufhin die ursprüngliche Anfrage ebenfalls an die Auszeichnungsstelle weitergeleitet. Dort setzte sich fort, was bisher schon das Hauptproblem gewesen war: Niemand antwortete. - An der Stelle war das buchstäb­liche Ende der Fahnenstange erreicht. Zwei Monate Eigenrecherche in der Causa mussten ohne zufriedenstellendes Ergebnis enden. Nicht zuletzt lag das an all den in sich widersprechenden Aussagen:

Karls Angaben konnten von Lorenz nicht bestätigt werden: ,,[E]s bleibt dabei: [...] Soll­te es hier eine [Strafanzeige gegeben haben, so gehe ich davon aus, dass diese man­gels Zuständigkeit hier in Berlin direkt ohne Eintragung bei uns an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde." Und diejenigen Lorenz' wiederum nicht von Leiding: „Dass eine Strafanzeige nicht aufgenommen wurde ,wegen örtlicher Unzu­ständigkeit', kann nicht sein." Alle Strafanzeigen würden von den Empfängerstaats­anwaltschaften immer im Datenbestand eingetragen. Erst danach schaue man, wer örtlich zuständig sei, und leite die Strafanzeige dorthin weiter. Solche Abgaben an andere Staatsanwaltschaften seien dann „natürlich erkennbar", weil man bei der Wei­terleitung einen entsprechenden Vermerk in der Akte hinzufüge.

2.3 Fazit - Synthese und Prognose

Die Menschenwürdegarantie im Grundgesetz wendet sich zunächst nur an den Staat. Er darf Menschen nicht als Objekte behandeln. Unternehmen wie die ProSiebenSat.1 Media SE oder die Endemol Shine Group Germany GmbH sind über den „sozialen Kontext"jedoch indirekt auch daran gebunden. - Auf ebendiese Einschränkung beim Prinzip der Selbstbestimmungsfähigkeit im Medienrecht berufen sich Stahl und Hil­debrandt bzw. ihre Vereine in der „Promis unter Palmen"-Strafanzeige.

Die Anzeigeerstatter argumentieren, mit dem Mobbing von Obert durch Yotta, Spack und Mangiapane sei den Zuschauern ein der Menschenwürde zuwiderlaufendes Bild vermittelt worden, welches unmittelbare negative Auswirkungen auf die Gesamtge­sellschaft durch Nachahmung befürchten lasse. - An sich ein guter Punkt, denn der FSF-Prüfungsausschuss hatte ebenfalls befunden, dass hier Mobbing als „übliches Sozialverhalten" dargestellt worden sei. Doch damit die Verantwortlichen strafrecht­lich belangt werden können, müsste es eine entsprechende Rechtsnorm geben.

Die Paragrafen 130 und 131 des Strafgesetzbuches, die die Menschenwürde schüt­zen, greifen beide nicht, weil in der fünften Episode des TV-Formats weder Volksver­hetzung betrieben, noch Gewalt dargestellt wurde. Das bestätigt auf Bitten, sich die Causa anzuschauen, auch der renommierte Hamburger Medienrechtler Prof. Dr.

Strafrechtliche Verurteilungen sind für ihn daher unwahrscheinlich. Stattdessen kann sich ein Bußgeld für Sat.1 wegen Verletzung von Paragraf 4 Absatz 1 Nummer 8 des Jugendmedienschutzstaatsvertrages vorstellen:

„Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Men­schen, die [...] seelischen Leiden [= das Mobbing von Obert] ausgesetzt sind." Dage­gen spricht wiederum, dass der FSF-Berufungsausschuss beanstandete Episode ju­gendmedienschutzkonform beurteilt hatte. - Außerdem: Ein Ermittlungsverfahren war unauffindbar. Dass die Strafanzeige zu gar nichts führt, ist am allerwahrscheinlichsten.

3 Von der „akte Sat.1“ zurück zu Klaus Stüwe

Sollte die „Promis unter Palmen"-Strafanzeige keine straf- oder medienrechtlichen Konsequenzen haben, bliebe von der „akte Sat.1" hängen: ein Bastian Yotta, der von RTL und Sat.1 verbannt und dem sein Werbevertrag aufgekündigt wurde; eine Carina Spack, die den gleichen Werbepartner verlor und Morddrohungen bekam; ein Matthias Mangiapane, der im Fernsehen durchstartete, wenn auch ausschließlich auf Sat.1- und RTL; plus eine Claudia Obert, die von den drei Genannten öffentlich gede- mütigt, um nicht zu sagen ihrer Menschenwürde beraubt wurde.

Über Letzteres wollte Obert erst nicht sprechen. Dann ließ sie sich gegenüber der Boulevardzeitung Bi/d aber doch zu einem verbalen Nachschlag hinreißen: „Das war nicht nur Mobbing, das war geisteskrank!" (Peters 2020, Abs. 2). Allerdings sieht sich Obert inzwischen nicht mehr in der Opfer-, sondern der Siegerrolle. Schließlich seien ihre Popularitätswerte während der „Promis unter Palmen"-Ausstrahlung regelrecht explodiert: „Ich kannjetzt nicht mehr auf die Straße gehen, ohne dassjemand ein Sel­fie will oder sagt, wie gern er mich hat." (Peters 2020, Abs. 4). Noch stärker als Man­giapane hat Obert beruflich von der Aufregung um die „akte Sat.1" profitiert. 2020 wird, was die Anzahl der TV-Auftritte angeht, als das erfolgreichste Jahr in ihrer Karri­ere eingehen. - Also zwei Verlierer und zwei Sieger?

Nein, zwei Verlierer und vier Sieger. Denn auch der Sender und die Produktionsfirma gehen als Gewinner aus der „akte Sat.1" hervor: „Mit mehr als drei Millionen Zuschau­ern und einem durchschnittlichen Marktanteil von 18 Prozent in der Zielgruppe er­wies sich ,Promis unter Palmen' [...] als riesiger Erfolg für Sat.1." (Krei 2020, Abs. 1). Wegen dieses „riesigefn] Erfolg[s]" kündigte der Sender wenige Tage nach Ausstrah­lung des Finales an, dass die Endemol Shine Group Germany GmbH 2021 eine zweite Staffel produzieren wird. - „Hoffentlich dann ohne Herabwürdigungen", wünscht sich der Autor dieser Arbeit; gleichen Wunsch hat Klaus Stüwe für das voraussichtlich nächste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden am 15. Oktober.

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

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Gröschner, Rolf/Lembcke Oliver W. (12009): Das Dogma der Unantastbarkeit. Eine Auseinandersetzung mit dem Absolutheitsanspruch der Würde. Tübingen.

Hufen, Friedhelm (01/2010): Die Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. In: Juristische Schulung, S. 1-10.

Sekundärliteratur

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Betschka, Julius et al. (10.11.2019): „Verbale und psychische Erniedrigungen". Streit über Anti-Mobbing-Trainer Carsten Stahl eskaliert, https://www.tagesspiegel.de/ berlin/verbale-und-psychische-erniedrigungen-streit-ueber-anti-mobbing-trai- ner-carsten-stahl-eskaliert/25203196.html (zuletzt aufgerufen am 01.10.2020).

Dittrich, Verena Maria (22.04.2020): "Eine Frau so fertigzumachen!". Fieses Mobbing bei „Promis unter Palmen". https://www.n-tv.de/leute/tv/Fieses-Mobbing-bei- Promis-unter-Palmen-article21733458.html (zuletzt aufgerufen am 23.09.2020).

Eiserbeck, Janna (24.04.2020): Mobbing in Reality-Show „Promis unter Palmen". Sat.1 erntet Shitstorm und reagiert, https://www.watson.ch/l319093255 (zuletzt auf­gerufen am 26.09.2020).

Gady, Franz-Stefan (30.09.2020): Analyse US-TV-Duell. Diese Schlammschlacht ver­heißt nichts Gutes für Amerikas Demokratie, https://www.kleinezeitung.at/mei- nung/meinungktnhp/5874706/Analyse-USTVDuell_Diese-Schlammschlacht-ver- heisst-nichts-Gutes (zuletzt aufgerufen am 05.10.2020).

Gänger, Jan (30.09.2020): Würdeloses Trump-Biden-Duell. Amerika ist tief gesunken. https://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Amerika-ist-tief-gesunken- article22069257.html (zuletzt aufgerufen am 05.10.2020).

Halbroth, Janna (23.04.2020): „Promis unter Palmen". Fieses Mobbing mit Konsequen­zen. https://www.t-online.de/unterhaltung/ty/id_87740468/-promis-unter-pal- men-ekeln-claudia-obert-raus.html (zuletzt aufgerufen am 24.09.2020).

Heidböhmer, Carsten (30.04.2020): Meinung. Sat.1-Show Der Mythos vom guten Trash-TV - warum die Aufregung über „Promis unter Palmen verlogen ist. https://www.stern.de/kul-tur/tv/-promis-unter-palmen-warum-die-aufregung- ueber-die-show-verlogen-ist-9245408.html (zuletzt aufgerufen am 27.09.2020).

Krei, Alexander (05.05.2020): Zweite Staffel kommt. Sat.1 plant „Promis unter Pal- men'-Fortsetzung für 2021 https://www.dwdl.de/nachrichten/77496/sat1plant _promis_unter_palmenfortsetzung_fuer_2021/ (zuletzt aufgerufen 24.09.2020).

Maier, Jens (23.04.2020): Meinung. „Promis unter Palmen". Der fiese HerrYotta mobbt sich ins Finale - und keiner stoppt ihn. https://www.stern.de/kultur/tv/-promis- unter-palmen-der-fiese-herr-yotta-das-publikum-haette-ihn-laengst-rausge- worfen-9236830.html (zuletzt aufgerufen am 26.09.2020).

Moritz, Jenny (21.04.2020): Nach Skandalvideo. RTL und Sat.1 wollen Bastian Yotta nicht mehr, https://www.tag24.de/unterhaltung/promis/bastian-yotta/nach- skandalvideo-rtl-und-sat1-wollen-keine-zusammenarbeit-mehr-mit-bastian- yotta-1493444 (zuletzt aufgerufen am 27.09.2020).

Nastl, Bianca (05.05.2020): „Promis unter Palmen". Geplatzte Werbedeals und Versöh­nungsversuche nach der Trash-Sendung, https://www.gesundheitstrends.com/ a/news/promis-unter-palmen-91775 (zuletzt aufgerufen am 28.09.2020).

Peters, Bernd (06.05.2020): Carina Spack weint im TV. „Promis unter Palmen"-Star brauchtPolizeischutz.https7/www.bild.de/unterhaltung/tv/promis-iinter-pal- men-star-braucht-polizeischutz.bild.html (zuletzt aufgerufen am 07.10.2020).

Reiter, Florian (30.09.2020): TV-Duell Trump gegen Biden. Als es um Bidens Sohn Beau geht, erreicht die würdelose Debatte ihren Tiefpunkt, https://www.fo- cus.de/politik/ausland/tv-duell-trump-gegen-biden-als-es-um-bidens-sohn- beau-geht-erreicht-die-wuerdelose-debatte-ihren-tiefpunkt_id_12487634.html (zuletzt aufgerufen am 05.10.2020).

Riedmeier, Glenn (05.06.2020): „Promis unter Palmen". Jugendmedienschutz gibt Mobbingfolge wieder frei, https://www.wunschliste.de/tvnews/rn/promis-unter- palmen-jugendmedienschutz-gibt-mobbingfolge-wieder-frei (zuletzt aufgeru­fen am 28.09.2020).

Ruf, Renzo (30.09.2020): Kommentar. Das erste Fernsehduell zwischen Donald Trump und Joe Biden war nicht schön anzusehen - es war aber dennoch erhellend. https://www.tagblatt.ch/meinung/trump-vs-biden-1-tv-duell-war-nicht-schoen- anzuschauen-ld.1262782 (zuletzt aufgerufen am 05.10.2020).

Schwebel, Luisa (02.04.2020): Trash-Fernsehen. „Promis unter Palmen". Eine keifende Désirée Nick, viel zu viel Alkohol und im Hintergrund feixt Schill, https:// www.stern.de/kultur/tv/-promis-unter-palmen-ronald-schill-geniesst-den-streit- im-haus-9208474.html (zuletzt aufgerufen am 26.09.2020).

Schwebel, Luisa (09.04.2020): TV-Kritik. „Promis unter Palmen". Alt gegen [J]ung - die keifenden Suffnasen empören die nüchternen Moralapostel, https:// www.stern.de/kultur/tv/-promis-unter-palmen-die-alten-zeigen-den-jungen- wie-trash-tv-geht-9217388.html (zuletzt aufgerufen am 26.09.2020).

Schwebel, Luisa (16.04.2020): TV-Kritik. „Promis unter Palmen". Sektenführer gegen Suffkopf - [w]ie Bastian Yotta versucht, Claudia Obert zu bekehren, https:// www.stern.de/kultur/tv/-promis-unter-palmen-claudia-obert-und-bastian-yotta- geraten-aneinander-9225414.html (zuletzt aufgerufen am 26.09.2020).

Schwebel, Luisa (07.05.2020): TV-Kritik. Überforderter Moderator und Zoff. Zwei Stun­den Horror - [d]as „Promis unter Palmen"-Wiedersehen wird zur Zumutung. https://www.stern.de/kultur/tv/-promis-unter-palmen-die-grosse-aussprache- wird-zur-zumutung-9254116.html (zuletzt aufgerufen am 26.09.2020).

Stöhr, Mark (30.04.2020): TV-Kritik. „Promis unter Palmen". Die goldene Kokosnuss krönt Yottas windiges Kulissenleben, https://www.stern.de/kultur/tv/-promis- unter-palmen-die-goldene-kokos-nuss-kroent-yottas-windiges-kulissenleben- 9245268.html (zuletzt aufgerufen am 27.09.2020).

Zeißler, Nico (06.05.2020): „Promis unter Palmen"-Titelsong. Warum wir mittendrin nicht mehr SEEED zu hören bekamen, https://www.tag24.de/unterhaltung/tv/ promis-unter-palmen/titelsong-seeed-geld-alexander-marcus-papaya-warum- wir-mittendrin-nicht-mehr-seeed-zu-hoeren-bekamen-1497513 (zuletzt aufge­rufen am 28.09.2020).

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
akte Sat.1. Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, die Menschenwürde ist unantastbar?
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Eichstätter Journalistik)
Veranstaltung
„Grundlagen des Medienrechts der Bundesrepublik Deutschland“
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
20
Katalognummer
V1330561
ISBN (eBook)
9783346824776
ISBN (Buch)
9783346824783
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mobbing, Promis unter Palmen, Claudia Obert, Medienrechtlich, Menschenwürde, Carsten Stahl, Liebe wen Du willst, Sat.1, Endemol Shine, stern, Art. 1 Abs. 1 GG, Ausstrahlung, Mobbingszenen, Strafanzeige, Staatsanwaltschaft, Berlin, Yotta, Spack, Mangiapane, Selbstbestimmungsfähigkeit, Programm, FSF, Trash TV, Grundrecht, Format, ProSiebenSat.1 Media
Arbeit zitieren
Michael Stahl (Autor:in), 2020, akte Sat.1. Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, die Menschenwürde ist unantastbar?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1330561

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