Künstlergemeinschaft "Brücke"

Anfang und Dresdner Jahre


Referat (Ausarbeitung), 2005

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Dresden zu Beginn des 20. Jahrhunderts

2 Die Gründung der Künstlergemeinschaft “BRÜCKE”
2.1 Programm und Ziele
2.2 Impulse, Anregungen, Vorbilder
2.3 Auf der Suche nach dem Ursprünglichen
2.3.1 Dangast und Moritzburger Seen
2.4 Die Druckgraphik

3 Die Repräsentanten der BRÜCKE
3.1 Ernst Ludwig Kirchner
3.2 Fritz Bleyl
3.3 Erich Heckel
3.4 Karl Schmidt-Rottluff
3.5 Max Pechstein
3.6 Otto F. Mueller
3.7 Emil Nolde, Cuno Amiet, Franz Nölken, Akseli Gallén-Kallela, Lambertus Zijl, Bohumil Kubišta

Literatur

Internet-Quellen

1 Dresden zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Um die Jahrhundertwende ist Dresden königliche Residenz; Beamte und Pensionäre prägen das städtische Leben. Mit Beginn der Industrialisierung wächst in den Rand-bezirken der Bevölkerungsanteil der Arbeiter und kleinen Handwerker. Die Depressionswelle Ende des 19. Jahrhunderts und die Weltwirtschaftskrise in der Zeit von 1900 bis 1903 erschüttern den Boom der Gründerjahre, in der Folge kommt es zu sozialen Spannungen. Die anschließend einsetzende Konjunktur bringt der Stadt zwar eine neue Zunahme industrieller Betriebe und die Herausbildung von Groß-unternehmen innerhalb der Stadt. Die sozialen Konflikte verschärfen sich jedoch, Demonstrationen, Streiks und Aussperrungen bestimmen die politische Situation; Höhepunkt ist der bewaffnete Einsatz der Gendarmerie gegen demonstrierende Arbeiter im Jahr 1905.

Im liberalen Bürgertum finden lebensreformerische Gedanken in vielfältiger Form eine wachsende Zahl von Anhängern: Gleichberechtigung der Frauen, Bodenreform und Sozialprogramme, gesundes Leben, freie Schulen... Das kulturelle Leben der Stadt ist rege, im Theater stehen mit Hauptmann, Ibsen, Gorki und Tschechow, die Dramatiker des Naturalismus, auf dem Programm; 1905 gelangt die Oper "Salome" von Richard Strauss zur Uraufführung. Im Bereich der Architektur wird 1906 in der Dresdner Heide mit der Hellerau die erste gemeinnützige Gartenstadt in Deutschland realisiert, weitere Siedlungen nach diesem Muster folgen, z.B. in Mannheim. Allerdings gibt es auch gegenläufige Strömungen im Reich: Die Weltausstellung 1889 in Paris, ganz im Zeichen des Gedenkens an die französische Revolution, wird vom Deutschen Reich offiziell boykottiert. Trotzdem ist eine kleine Gruppe deutscher Künstler unter der Führung von Max Liebermann auf den Ausstellungen präsent. 1892 muss eine Ausstellung von Edvard Munch in den Räumen des “Vereins Berliner Künstler” nach wenigen Tagen abgebrochen werden.

Aber die künstlerische Opposition formiert sich: 1893 wird die Dresdner Sezession1 gegründet, nur ein Jahr nach der Münchner Sezession, die Berliner Sezession wird erst 1898 folgen. Zwar werden die Arbeiten ihrer Mitglieder wegen ihrer Bezüge auf die zeitgenössische französische Kunst noch als “seelenlose Ausländerei”2 diffa-miert, aber engagierte Galeristen sorgen zunehmend für Öffentlichkeit und Aner-kennung. So zeigen z. B. in Dresden die Galeristen Ernst Arnold und Emil Richter Werke von Vincent van Gogh3 und Paul Gauguin und beeinflussen damit maßgeblich die junge Künstlergeneration der Stadt, zu der auch Erich Heckel, Student der Architektur an der Technischen Hochschule, gehört.

Bildbeispiel 1

Erich Heckel: “Mann in jungen Jahren” (1906)

47,5 x 36 cm, Öl/Leinwand, Brücke-Museum Berlin

Das Porträt im Hochformat zeigt eine männliche Figur im Halbprofil, ein Selbstbildnis des Künstlers. Er präsentiert sich in sitzender Position, das Kinn auf die linke Hand gestützt, vor einem unbestimmt gehaltenen Hintergrund. Auffallend sind die Pinsel-führung und die farbliche Gestaltung, die den Einfluss der Malerei Van Goghs erkennen lassen. Mit kurzen, heftigen Pinselstrichen ist die Farbe auf die Leinwand aufgetragen, die einzelnen Striche bleiben sichtbar, werden nicht zur Fläche zusammengebunden. Das Farbspektrum beschränkt sich auf reinbunte Farben: Gelb, Rot, Blau und Grün. Licht und Schatten werden ausschließlich mit der Eigen-helle der Farben herausgearbeitet. Dabei dominieren Gelb, Orange und Rot die Kopf-partie, Hell- und Dunkelgrün das Schulterdreieck. Durch zwei gegeneinander gesetzte Farbflächen im Hintergrund – links mit einigen grünen Pinselstrichen, rechts mit hellblauen skizziert, die eine dunkelblaue Vertikale gegeneinander abgrenzt – wird beim Betrachter eine räumliche Assoziation angeregt. Es bleibt jedoch bei dieser Andeutung, denn für den Künstler steht die Farbe im Zentrum des Interesses. Ziel ist nicht die naturalistische Darstellung, sondern das Ausloten der Gestaltungsmöglich-keiten mit der Farbe.

1901 wird die 1893 gegründete Dresdner Sezession4 bereits wieder aufgelöst, nachdem maßgebliche Repräsentanten an die Kunstakademie berufen wurden und damit die neue Kunst Eingang findet in die offiziellen Ausstellungen. Damit ergibt sich für junge Künstler die Notwendigkeit, ihr künstlerisches und soziales Umfeld jenseits der nun integrierten alten Opposition neu zu gestalten, nach neuen Wegen und Möglichkeiten der Darstellung und Selbstdarstellung zu suchen.

2 Die Gründung der Künstlergemeinschaft “BRÜCKE”

Am 7. Juni 1905 schließen sich vier Studenten der Technischen Hochschule Dresden zur Künstlergemeinschaft “Brücke” zusammen. Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl kennen sich bereits seit 1901 und stehen unmittelbar vor dem Abschluss ihres Architekturstudiums, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff haben ihr Studium dagegen gerade erst aufgenommen. Heckel findet in Dresden-Friedrichstadt eine leer stehende Metzgerei als Atelierraum, den sie als “Keimzelle gemeinsamen Arbeitens“5 anmieten, später erfolgt der Umzug in eine ehemalige Schusterwerkstatt. Da bisher nur Kirchner eine künstlerische Ausbildung6 erhalten hat, steht zu Beginn das ge-meinsame autodidaktische Lernen im Mittelpunkt. Arbeit im Atelier heißt in den ersten Monaten vor allem graphisches Arbeiten: Holzschnitte für Plakate, Einladun-gen usw. sowie Zeichnungen, vor allem sog. “Viertelstundenakte”7.

Ab 1906 rücken die Malerei und die Auseinandersetzung mit der Farbe mehr und mehr in den Vordergrund. Bereits 1905 stellen die jungen Künstler erste Werke in Leipzig und Braunschweig aus, 1906 beteiligen sie sich an der Dresdner Kunst-gewerbeausstellung. Im Mustersaal der Dresdner Lampenfabrik Seifert zeigen sie 1906/07 mehrfach ihre Arbeiten der Öffentlichkeit. Um eine Präsentation im Rahmen des Kunstvereins oder anderer anerkannter Institutionen bemühen sie sich nicht. Oft genug erfahren sie die Ablehnung der etablierten Kreise; so wird 1906 ein Plakat mit einer Aktdarstellung von Fritz Bleyl als zu anstößig verboten.

Rückhalt finden die Mitglieder der BRÜCKE vor allem untereinander, nicht nur als Atelier- und Lebensgemeinschaft, sondern auch in der Unterstützung durch ihre passiven Mitglieder, die sie schon früh werben. Ihr Gründungsmanifest richtet sich gleichermaßen an “die Schaffenden” wie “die Genießenden”.8 Ab 1907 wächst die Zahl der Förderer rasch auf 68 an, darunter die Kunsthistorikerin Dr. Rosa Schapire und der Sammler Gustav Schiefler9, die Karl Schmidt-Rottluff in Hamburg kennen gelernt hat. Als Gegenleistung erhalten sie eine Jahresmappe mit Grafiken und einen Arbeitsbericht mit Auszügen aus dem Atelier-Tagebuch, in dem die Künstler Ideen, Anregungen und Kommentare zu ihrem Schaffen schriftlich und in Form von Skizzen festhalten.

Die BRÜCKE stellt damit ein Novum in doppelter Hinsicht dar: eine Künstler-gemeinschaft, die Leben und Arbeiten zu einer Einheit verbinden will, und die bewusst Kunstinteressierte als passive Mitglieder in ihre Gemeinschaft mit einbezieht.10 Damit geht sie über bisherige Modelle der Künstlerkolonien und der Künstlervereinigungen hinaus.

2.1 Programm und Ziele

Im Gründungsmanifest der BRÜCKE heißt es: “Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebens-freiheit verschaffen gegenüber den wohl angesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.”11 Den Namen “BRÜCKE” wählen sie, weil sie sich einerseits nicht in ein Korsett zwingen, andererseits aber ihre Zusammengehörigkeit nach auF!en dokumentieren wollen. Heckel berichtet später: “Schmidt-Rottluff sagte, wir könnten das “Brücke” nennen - das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaF!en von einem Ufer zum anderen führen.”12 Den entscheidenden Impuls zur Namensgebung gibt wohl die Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche und seinem Werk „Also sprach Zarathustra“, worin dieser vom Menschen als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, als Einheit von Sehen-dem, Wollendem und Schaffendem spricht. Diese umfassende, ganzheitliche Sicht entspricht dem Empfinden der jungen Künstler, die Leben und Arbeiten als Einheit sehen und erleben wollen.

2.2 Impulse, Anregungen, Vorbilder

Künstlerische Anregungen suchen und finden die jungen Künstler in ihrer unmittel-baren Umgebung. In der Gemäldegalerie und im Kupferstichkabinett der Stadt Dresden studieren sie die alten Meister wie Lucas Cranach, Albrecht Dürer und die Brüder Hans Sebald und Barthel Beham, vor allem deren Holzschnitte. Gleichzeitig stoF!en sie auf neue, zeitgenössische Variationen dieser Technik bei Félix Valloton und Edvard Munch.13

[...]


1 Die Sezessionsbewegung formierte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert als Widerstand gegen die verkrusteten akademischen Strukturen innerhalb der künstlerischen Ausbildung. Gleichzeitig bot sie den mit ihr verbundenen Künstlern ein unabhängiges Ausstellungsforum, da diese in der Regel in den üblichen, jurierten Kunstsalons keinen Eingang fanden. Die erste Sezession wurde 1884 als „Société des Indépendants“ in Paris gegründet.

2 Jähner (1996), 18

3 Brugger führt dazu in Moeller, 1995, aus, dass im Jahr der Dresdner Ausstellung der Briefwechsel zwischen Theo und Vincent van Gogh veröffentlicht wurde. War Van Gogh bis zu diesem Zeitpunkt noch eine Randfigur der Kunstgeschichte, so änderte sich dies in den folgenden Jahren grundlegend. Auf die jungen Künstler der "Brücke" übten sowohl sein Schaffen, als auch sein Leben eine große Faszination aus. Mit seiner "schöpferischen Besessenheit", seinem "Sendungs-bewußtsein" und seiner "Unempfindlichkeit gegenüber Angriffen von Kollegen und Mißachtung durch den Kunstmarkt" schien er als Identifikationsfigur geradezu prädestiniert. Und seine Aussage: "In gewissem Sinne bin ich froh, daß ich das Malen nicht gelernt habe." (Brief an Theo, 1888, zit. n. Brugger in Moeller (1995), 13) war für Kirchner, Bleyl, Heckel und Schmidt-Rottluff die Bestätigung ihrer Entscheidung zur Bildung einer freien und unabhängigen Künstlergemeinschaft ohne akademi-sche Weihen.

4 Sie tritt als „Freie Vereinigung Dresdner Künstler“ an die Öffentlichkeit.

5 Heckel in Jähner (1996), 20

6 Mehr dazu siehe Kapitel 3.3

7 Darunter versteht man eine besondere Übungsform innerhalb des Aktstudiums, bei der das Modell nach jeweils 15 Minuten die Pose wechselt. Ziel ist das rasche Erfassen und Wiedergeben der Körperhaltung in ihren wesentlichen Merkmalen.

8 Mehr dazu in Kapitel 2.1

9 Dr. Rosa Schapire (1874 Brody/Polen - 1954, London) Kunsthistorikerin, promoviert in Heidelberg als eine der ersten Frauen in ihrem Fachgebiet. Sie will ihre Unabhängigkeit erhalten und bestreitet ihren Lebensunterhalt nur über Publikationen und Vorträge. Trotz ihrer bescheidenen finanziellen Mittel gelingt es ihr, eine bedeutende Privatsammlung aufzubauen. Dabei sammelt sie ausschließlich Werke der "Brücke", vor allem von Karl Schmidt-Rottluff. 1916 gründet sie zusammen mit Ida Dehmel den "Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst", dessen Ziel es ist, aus privaten Spendengeldern Gemälde und Plastiken der Moderne für deutsche Museen zu erwerben. 1939 muss sie emigrieren, kann jedoch ihre Sammlung nach England retten. Sie lebt bis zu ihrem Tod in London und betreut gegen ein geringes Honorar die Sammlung moderner Kunst in der Tate Gallery. Gustav Schiefler (1857, Hildesheim - 1935, Hamburg) ist Amtsrichter und lebt ab 1888 in Hamburg, wo er 1905 zum Landgerichtsdirektor ernannt wird. Er ist Kunstliebhaber und lernt, nicht zuletzt durch seine Beziehung zu Alfred Lichtwark, dem Leiter der Hamburger Kunsthalle, viele Künstler der Zeit persönlich kennen. Er baut über die Jahrzehnte eine eigene, bedeutende Sammlung auf,. Da ihm nur ein begrenztes Budget zur Verfügung steht, spezialisiert er sich auf die zeitgenössische Druckgrafik; Gemälde erwirbt er nur in Einzelfällen, darunter jedoch zwei Van Gogh. Mit Liebermann, Munch, Nolde, Kirchner und Heckel verbinden ihn lebenslange Freundschaften, was u. a. dazu führt, dass er das Oeuvre der vier Erstgenannten katalogisiert.

10 Brugger schreibt dazu in Moeller (1995), 9: "Das Programm der Künstlergruppe »Brücke«, ..., äußert sich als antibürgerlicher Lebensentwurf, in dessen Bannkreis das freie und durch keinerlei Konventionen verbildete künstlerische Schaffen aktiv die Verbindung von Maler und Leben über-nehmen sollte. Keinesfalls jedoch waren es gemeinsame stilistische und formale Inhalte, die den Zusammenschluß der Gruppe am 7. Juni 1905 gerechtfertigt hätten. Im Gegenteil: Die »Brücke« präsentiert sich zum Zeitpunkt ihrer Gründung gleichsam als Gruppe ohne Stil."

11 Jähner (1996), 22

12 Heckel zit. n. Moeller (1990), 7

13 F e lix Valloton (1865, Lausanne – 1925, Paris) Edvard Munch (1863, Loten/Norwegen – 1944 Insel Ekely/Norwegen)

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Künstlergemeinschaft "Brücke"
Untertitel
Anfang und Dresdner Jahre
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst)
Veranstaltung
Die Klassische Moderne - Kunst in Europa vor dem 1. Weltkrieg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V133080
ISBN (eBook)
9783640397525
ISBN (Buch)
9783640397952
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Gründung der Künstlergemeinschaft, Ziele und Programmatik, Abriss der Dresdner Jahre, Entwicklung des "Brücke-Stils" unter Verweis auf exemplarische Arbeiten, Mitglieder der Brücke in dieser Zeit
Schlagworte
Künstlergemeinschaft, Brücke, Anfang, Dresdner, Jahre
Arbeit zitieren
M. A. Sigrid Weyers (Autor:in), 2005, Künstlergemeinschaft "Brücke", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133080

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