Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Geschichte der Hexenverfolgung
3. Thomasius’ Konzept der Kirchenpolitik
3.1 Trennung von Kirche und Staat
3.2 Religiöse Toleranz
4. Der lange Weg zum Ende des Schreckens
4.1 Sinneswandel in Halle
4.2 Thomasius’ verschiedene Argumentationsebenen
4.3 Das Wort als Waffe
5. Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Christian Thomasius (1655 – 1728) ist über die Zeiten hinweg als unermüdlicher Kämpfer für Toleranz bekannt geblieben. Er gilt als ‚Vater der Aufklärung’, seine Thesen zum Natur-, Staats- und Kirchenrecht als auch seine Gedanken und Positionen zum Individuum in der Gesellschaft waren nicht nur richtungweisend, sondern ausschlaggebend für die deutsche und europäische Aufklärung.
Thomasius’ Talent, unangenehm mit geltenden Konventionen zu brechen (trat er doch gern im farbigen Modeanzug mit Kavaliersdegen als im Talar vor seine Studenten), ließ ihn in mehrfacher Hinsicht zum Neuerer werden. Schon in einer der ersten Publikationen sprach er sich 1682 für die Trennung von Kirche und Staat aus, was für einen Aufschrei der Orthodoxie sorgte. In seinen rund 300 Schriften stellte Thomasius jahrhundertealte Denkweisen auf den Kopf. Die Gefahren, denen er sich dadurch aussetzte, schreckten ihn nicht.
Kaum bekannt ist heute noch, dass das Ende von Folter und Hexenprozessen in Preußen direkt auf ihn zurückgehen. In seiner 1701 erschienenen Schrift ‚De crimine magiae’ verwarf er nicht nur die Beweisbarkeit, sondern letztendlich selbst die Möglichkeit eines Teufelsbündnisses. Er stellte den Glauben an den Teufel in Frage und entzog somit dem Hexenwahn die Grundlage.
Christian Thomasius – ein Mann zwischen Altruismus und Autoritätsgläubigkeit. Diese Hausarbeit soll zeigen, wie Thomasius seinen Kampf gegen Hexenwahn und Folter führte, mit welchen didaktischen Mitteln und mit welch ungeheurem Einsatz. Dazu muss auch die von Thomasius propagierte Kirchenpolitik und religiöse Toleranz beleuchtet werden.
2. Zur Geschichte der Hexenverfolgung
Der Hexenwahn ist uralt und aus dem Heiden- und Judentum auf die christlichen Völker übergegangen. Alle uns bekannten Völker des Judentums, auch diejenigen, denen der Teufelsglaube fremd war, glaubten an Hexerei, d.h. sie glaubten, dass es möglich sei, durch Flüche, Verwünschungen oder Zauberformeln Menschen, Vieh und Früchten zu schaden und sie zu verderben.
Bei den Juden schlug der Teufelsglaube erst Wurzeln, nachdem sie mit den Persern in Berührung gekommen waren; der Glaube an Hexerei und Zauberei dagegen findet sich bei ihnen viel früher.
Bei den Römern enthielt schon Roms ältestes Gesetzbuch, die zwölf Tafeln, Strafen für diejenigen, welche durch Zaubersprüche Menschen oder deren Feldfrüchte beschädigten.[1]
In der Antike sorgten noch heute berühmte Philosophen und andere Gelehrte für die Verbreitung des Hexenwahns. Griechische und römische Mythen strotzten nur von Zauberei und Verderben bringenden Wesen. Männer wie Homer, Horaz, Theophrastos, Cato oder Varro beschrieben in ihren Werken oft äußerst detailliert, wie Hexen ihr Werk vollbringen, mit welchen Zaubersprüchen und Handlungen. Dabei ließen sie nur selten Raum für Interpretationen und forderten oftmals harte Strafen für die Ausübung der Hexerei. Solcherlei Dinge aus Gelehrtenmunde zu hören, musste in den ohnehin bezüglich Zauberei leichtgläubigen Menschen eine ungeheure Angst hervorrufen. Ein Mechanismus, der noch viele Jahrhunderte später funktionieren sollte.
Während der Phase ihrer Ausbreitung in der Spätantike und im frühen Mittelalter war die christliche Kirche allenthalben mit anderen Glaubensformen konfrontiert, diese waren teilweise – wie die altägyptische Religion - hoch entwickelt und Jahrtausende alt, teilweise – wie der Mithraskult – jung und von hoher Dynamik. In Europa trafen die christlichen Missionare zunächst auf die Glaubensvorstellungen der keltischen, germanischen und slawischen Völker, die neben einigen Hauptgottheiten eine Vielzahl von Neben- und Lokalgöttern kannten, daneben Kulte um heilige Plätze, Bäume, Quellen, Steine etc.[2] Geradezu ein Nährboden für Hexenwahn und Teufelsglaube, der über die Jahrhunderte verheerende Früchte in der christlichen Kirche trug.
Mit Ausbildung des Mönchtums wurde der Hexenglaube immer phantastischer. In der Abgeschlossenheit ihres Klosterlebens hatten Mönche und Nonnen vollkommene Muße, das unsichtbare Geisterreich mit allerhand Truggestalten zu bevölkern und den Aberglauben in ihrem Interesse zu fördern; denn das ungebildete Volk suchte Schutz bei ihnen und der Geistlichkeit gegen die Last und Gewalt der bösen Geister. Dadurch befestigte sich die Herrschaft der Geistlichen über schwache Gemüter immer mehr, und gern erkauften sich die Laien den geistlichen Schutz vor höllischen Anfechtungen um den Preis irdischer Güter, stifteten Kirchen und Klöster und Schenkungen, um sich durch das Gebet der Beschenkten die ewige Seligkeit zu sichern. Das behagte der Geistlichkeit, und sie hielt es für unpolitisch, die Ursache ihrer Annehmlichkeiten, den Aberglauben, durch Aufklärung zu zerstören. So erhielt denn der Teufel durch die Phantasie der Menschen eine bestimmte Gestalt; er wurde der Inbegriff alles Naturwidrigen, Hässlichen und Grässlichen.[3] Somit wurden Hexenwahn und Teufelsglaube zu einem gewaltigen Macht- und Wirtschaftsfaktor für die Kirche, den es mit allen Mitteln zu schützen galt.
Doch noch immer mussten die Menschen keine schweren Strafen fürchten, wenn sie der Hexerei verdächtig waren. Dies änderte sich mit der Gründung der Heiligen Inquisition. Als eigene kirchliche Untersuchungsbehörde bildete sich die Inquisition im Mittelalter heraus, zur Abwehr der vermeintlichen Gefährdung der Kirche durch so genannte Ketzer (besonders Katharer und Waldenser). Die kirchenrechtliche Grundlage für das Wirken von bischöflichen Inquisitionsgerichten wurde 1199 von Papst Innozenz III. geschaffen. Papst Gregor IX. zentralisierte die Inquisition 1232 in einer päpstlichen Behörde und übertrug deren Leitung dem Dominikanerorden. Seit 1252 gestattete das Inquisitionsverfahren die Anwendung des Gottesurteils und der Folter.[4] Fortan nahmen Hexenverfolgung, Folter und Verbrennungen von Ketzern aller Art in gewaltigem Ausmaße zu.
Der Hexenwahn steckte an wie die Pest. In Frankreich, Italien und Spanien verbrannte man bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts Hexen und Zauberer in großer Zahl, während solche Fälle in deutschen Ländern seltener vorkamen. Als aber Papst Innozenz VII. durch seine berüchtigte Bulle ‚Summis desiderantes affectibus’ vom 4. Dezember 1484 das Aufspüren von Hexen direkt befahl, da kam die Sache auch bei den Deutschen in Schwung, und die Hexenprozesse drücken dem 15., 16., 17. und selbst noch dem 18. Jahrhundert auch in der Geschichte des deutschen Volkes ihr Brandmahl auf.[5] Der 1487 erschienene ‚Hexenhammer’ (Malleus maleficarum) der beiden Dominikaner Heinrich Institoris und Jakob Sprenger trug erheblich dazu bei, dass die Hexenprozesse gewaltige Ausmaße annahmen. Der Hexenhammer beschreibt detailliert, wie Hexen und Zauberer ihre ‚Künste’ anwenden, wie man sie unwirksam macht und gibt genaueste Anweisungen, wie Hexen der Prozess zu machen sei.
Kritiker gab es wenige. Zu nennen seien hier der Jesuit Friedrich von Spee (1591 – 1635) und der Philosoph und Theologe Agrippa von Nettesheim (eigentlich Heinrich Cornelius, 1486 – 1535). Unter Einsatz ihres Lebens traten sie gegen den Wahnsinn ein, erzielten aber kaum Ergebnisse. Allein in Spanien forderte die Inquisition zwischen 1481 und 1820 mehr als 340.000 Opfer[6] ; in Deutschland ist die Zahl nicht mehr exakt nachvollziehbar aufgrund der oftmals schlechten Buchführung. Sie wird aber deutlich über 100.000 Opfer betragen. Und das Verdienst dieser ‚niedrigen’ Opferzahl in Deutschland gebührt zum größten Teil dem Kampfe Christian Thomasius’.
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[1] König, B. Emil: Geschichte der Hexenprozesse, S. 5
[2] Behringer, Wolfgang (Hrsg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, S. 11
[3] König, B. Emil: a.a.O., S. 12 f
[4] Der Brockhaus multimedial 2003
[5] König, B. Emil: a.a.O., S. 27
[6] König, B. Emil: a.a.O., S. 497