Die Schrift ‚Defensio Heinrici IV. Regis’ des Petrus Crassus steht im Zeichen des Investiturstreits, der zuvor wiederum Fragen „des rechten Verhältnisses von Regnum und Sacerdotium, Papst und König/Kaiser sowie deren Kompetenzen“ aufwarfen.
Papst Gregor VII., „der neben einer strikten Befreiung der Kirche von weltlichen Einflüssen vor allem die Vormacht der geistlichen vor der weltlichen Gewalt propagierte“, setzte seine Autorität gegenüber Heinrich IV. im Jahre 1076 durch, als er ihn wegen Ungehorsams und Hochmuts gegen die Kirche exkommunizierte. Zwar gelang es Heinrich IV. durch seinen Gang nach Canossa diesen Kirchenbann 1077 aufzuheben, doch zeigte dies zugleich, dass auch Könige dem geistlichen Richteramt des Papstes unterworfen waren. Zudem glaubten viele Reichsfürsten nach diesem Ereignis, dass das Reich unter Heinrich IV. keine Zukunft mehr habe, sprachen ihm daher das Königtum ab und wählten am 15. März 1077 seinen Schwager, Rudolf von Rheinfelden, den Herzog von Schwaben, zu seinem Nachfolger.
Analyse der Schrift ‚Defensio Heinrici IV. Regis’ des Petrus Crassus
Die Schrift ‚Defensio Heinrici IV. Regis’ des Petrus Crassus steht im Zeichen des Investiturstreits, der zuvor wiederum Fragen „des rechten Verhältnisses von Regnum und Sacerdotium, Papst und König/Kaiser sowie deren Kompetenzen“[1] aufwarfen.
Papst Gregor VII., „der neben einer strikten Befreiung der Kirche von weltlichen Einflüssen vor allem die Vormacht der geistlichen vor der weltlichen Gewalt propagierte“,[2] setzte seine Autorität gegenüber Heinrich IV. im Jahre 1076 durch, als er ihn wegen Ungehorsams und Hochmuts gegen die Kirche[3] exkommunizierte. Zwar gelang es Heinrich IV. durch seinen Gang nach Canossa diesen Kirchenbann 1077 aufzuheben, doch zeigte dies zugleich, dass auch Könige dem geistlichen Richteramt des Papstes unterworfen waren.[4] Zudem glaubten viele Reichsfürsten nach diesem Ereignis, dass das Reich unter Heinrich IV. keine Zukunft mehr habe, sprachen ihm daher das Königtum ab und wählten am 15. März 1077 seinen Schwager, Rudolf von Rheinfelden, den Herzog von Schwaben, zu seinem Nachfolger.[5] Das Königtum Heinrich IV. blieb jedoch trotzdem beständig, da wichtige Gruppen im Reich eher in ihm als in Rudolf von Rheinfelden den Garanten für Frieden und sozialen Aufstieg sahen.[6] So sah sich Heinrich IV. 1080 in der Position Papst Gregor VII. ein Ultimatum stellen zu können, in dem er forderte, dass entweder Rudolf exkommuniziert werde oder Heinrich einen Gegenpapst erheben lasse.[7] Auf der Fastensynode zu Rom im März 1080 verschärfte
Gregor VII. daraufhin nicht nur das Investiturverbot,[8] sondern erneuerte auch den Kirchenbann gegen Heinrich IV.[9] Gregor VII. übergab somit das Reich an König Rudolf von Rheinfelden. Jene Schrift des Petrus Crassus spiegelt nun die Reaktion wider, die diese Handlungen auslösten, wobei fraglich ist, ob die Schrift 1080 oder 1084 entstanden ist. Mirbt sowie Meyer von Konau datieren die Entstehung der Schrift in das Jahr 1080.[10] Beide gehen davon aus, dass diese Schrift dem König Heinrich IV. in einer überarbeiteten Fassung jedoch erst 1084 nach seinem militärischen Sieg über Gregor VII. in Rom überreicht worden sei.[11]
Peter Crassus seinerseits war ein Jurist und gehörte als Rechtsgelehrter zu der Rechtsschule von Ravenna. Es ist anzunehmen, dass er sich in der Umgebung des Erzbischofs Wibert, des Gegenpapstes seit 1080, aufhielt und sich zu ihm bekannte.[12] Mit seiner Schrift, die sich eindeutig auf Seiten König Heinrichs IV. stellte, hatte wohl erstmals ein Laie und Lehrer des römischen Rechts zur Feder gegriffen, „um dem König mit Hilfe des weltlichen Rechts zur Seite zu stehen.“[13] Unter Berücksichtigung des römischen Rechts, als auch des Kanones und seines historischen Wissens versuchte Crassus die Angriffe Gregors VII. gegen Heinrich IV. abzuwehren und ihn selber als Schuldigen im Streit zwischen Königtum und Papsttum hervorzuheben.[14]
Im Mittelpunkt seiner Argumentation steht dabei der Gedanke, dass zwei Gesetze das Leben der Menschen regeln, nämlich das kirchliche und das weltliche. Da beide Gesetze von Gott stammen, sollen sie zum Nutzen der Menschen einträchtig zusammenwirken.[15] Wer nun wie Gregor VII. neue Gesetze erschaffe, die dem göttlichen Recht zuwiderliefen, sei ein „Verächter der heiligen Kanones“,[16] worin Crassus zugleich die Hauptschuld des Papstes sieht.
Hinsichtlich der Frage des rechten Verhältnisses von regnum und sacerdotium wendet Crassus nun ebenfalls den Gedanken jener beiden gleichwertigen Gesetze an. In diesem Sinne fordert Crassus Gregor VII. dazu auf, die Königsherrschaft nicht als Eigentum seiner selbst, sondern als Gottes Besitz zu betrachten, der sie ohne jeden Zweifel König Heinrich IV. verliehen habe.[17] In diesem Sinne versucht Crassus die Legitimation Heinrichs IV. herauszustellen, die er auch in dem Erbrecht verankert sieht. So gebühre König Heinrich IV. die Königsherrschaft juristisch und materiell.[18] Denn, so Crassus:
„Sein rechtmäßiger Besitz hatte den allergesetzlichsten Ursprung, wie der tiefe und ruhige Frieden des Reiches unter seinem Großvater Kaiser Konrad göttlichen Andenkens bezeugt, der mit dem päpstlichen Segen selbst, durch den er das Reich erhielt, seinem Sohn Heinrich seligen Angedenkens die Nachfolge darin hinterließ. Schließlich gelangte es durch die rechtmäßige väterliche Nachfolge mit demselben päpstlichen Segen an König Heinrich.“[19]
Crassus wendet sich in jener Sache insbesondere an die Sachsen, da diese durch die Aufstellung eines Gegenkönigs das Gesetz verletzt hätten.[20] Daher müssten jene samt ihres Lehrers Gregor VII. vor Gericht zitiert werden, damit sie nicht nur den Besitz an Heinrich IV. zurückgeben, sondern auch den Schätzwert ebendieser Besitztümer erstatten.[21]
In jener Art tritt Heinrich IV. so als rechtmäßiger Besitzer des Gesetzes auf, während
Gregor VII. als Feind der Gesetze dargestellt wird.[22] In diesem Sinne warf Crassus ihm auch die simonistische Erwerbung des Papstamtes und die Verwendung des Kirchenvermögens zu eigenen Zwecken vor.[23] Ebenso hätte Gregor VII. gemäß Crassus gegen das Kirchenrecht verstoßen, da er innerhalb der Erhebung eines Gegenkönigs und bei der Exkommunikation Heinrichs IV. als Ankläger, Zeuge und Richter zugleich aufgetreten sei.[24] Crassus härtester Vorwurf gegen Gregor VII. war jedoch die Behauptung, dass er Heinrich IV. nach dem Leben getrachtet hätte und Heinrich daher nach römischem Recht Anklage gegen ihn erheben könne.[25]
Ungeachtet der Frage, ob jene Vorwürfe zutreffen mögen oder nicht, setzte sich Crassus Schrift das primäre Ziel des Ausschlusses des Papstes aus der kirchlichen Gemeinschaft und seine Amtsenthebung, die er auf jene Weise zu erwirken suchte. Somit stand die Schrift im direkten Vorhaben der am 25. Juni 1080 abgehaltenen Synode in Brixen, auf der beschlossen wurde Gregor VII. zu verurteilen und ihn zur Selbstdeposition aufzufordern.[26] Im Anklang an Crassus wurden auch zu jenem Zeitpunkt gegen Gregor VII. schwerwiegende Vorwürfe erhoben.
Obwohl Crassus Schrift wohl zur damaligen Zeit keine Popularität erringen konnte, steht sie doch im Zeichen der geistigen Auseinandersetzung einer Umbruchszeit. In diesem Sinne sei die gesamte „Streitschriftenliteratur“ zu verstehen und auszulegen, nämlich als ein intellektueller Kampfplatz, auf dem das Für und Wider der Parteien erörtert wurde und man meist in polemischer Art und Weise versuchte den gegnerischen Standpunkt zu untermauern. Hinsichtlich dessen sei auch Crassus Verteidigungsschrift für König Heinrich IV. einzuordnen und zu bewerten.
Literatur
Buttinger, S.: Das Mittelalter. Stuttgart 2006.
Hartmann, W.: Der Investiturstreit. München 1993.
Schmale, F.-J./Schmale-Ott, I. (Hrsg.): Quellen zum Investiturstreit II. Schriften über den
Streit von Regnum und Sacerdotium. Darmstadt 1984.
[...]
[1] Vgl.: Schmale, F.-J./Schmale-Ott, I. (Hrsg.): Quellen zum Investiturstreit II. Schriften über den Streit von Regnum und Sacerdotium. Darmstadt 1984, S. 2.
Vor dem eigentlichen Investiturstreit, der die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum um die Einsetzung von Bischöfen bezeichnete, war ein Kampf um die höchste Autorität auf Erden zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ausgebrochen, der sich mit den hier aufgeworfenen Fragen beschäftigte.
[2] Vgl.: Buttinger, S.: Das Mittelalter. Stuttgart 2006, S. 47.
[3] Vgl.: Hartmann, W.: Der Investiturstreit. München 1993, S. 25.
[4] Ebd., S. 26.
[5] Ebd., S. 26f.
[6] Ebd., S. 27.
[7] Ebd., S. 27f.
[8] Bereits 1078 wurde ein Verbot der Laieninvestitur ausgesprochen. Darin hieß es, dass auch Kaiser und Könige Laien seien aus deren Hand kein Bistum und keine Abtei angenommen werden dürfe. Auf der Fastensynode 1080 wurde zudem festgesetzt, dass auch jenen Herrschern der Kirchenbann drohen würde, die eine Investitur vornehmen würden. (in: Hartmann, W., S. 28)
[9] Vgl.: Hartmann, W., S. 28.
[10] Vgl.: Schmale, F.-J./Schmale-Ott, I. (Hrsg), S. 20.
[11] Ebd., S. 20.
[12] Ebd., S. 21.
[13] Ebd., S. 21.
[14] Ebd., S. 20.
[15] Ebd., S. 22.
[16] Ebd., S. 189.
[17] Ebd., S. 185.
[18] Ebd., S. 207.
[19] Vgl.: Schmale, F.-J./Schmale-Ott, I. (Hrsg), S. 207.
[20] Ebd., S. 23.
[21] Ebd., S. 235.
[22] Ebd., S. 23.
[23] Ebd., S. 23.
[24] Ebd., S. 23.
[25] Ebd., S. 23.
[26] Vgl.: Hartmann, W., S. 28.
- Quote paper
- Jessica Horn (Author), 2009, Analyse der Schrift 'Defensio Heinrici IV. Regis' des Petrus Crassus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133311