Was ist wirklich passiert? Die unzuverlässige aber wirkungsvolle Darstellung der gespaltenen Persönlichkeit in High Tension

Ein Film von Alexandre Aja


Hausarbeit, 2005

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zusammenfassung High Tension

2 Hinters Licht geführt
2.1 Die Hauptdarstellerin als unzuverlässige Erzählerin
2.2 Widersprüche in der Erzählung
2.2.1 Auf der Reise und im Transporter
2.2.2 Allein im Bett
2.2.3 In der Tankstelle
2.2.4 Die Verfolgungsjagd
2.3 „Ok, nehmt es auf.“
2.3.1 Unzuverlässiges Erzählen als Mittel zur Darstellung einer fiktionalen Welt
2.4 Subjektive Perspektive oder objektive Realität?
2.5 Sarà perchè ti amo
2.6 Schizophrenie, Liebe und Wahn
2.7 Gefangen im Blickwinkel der Figur

3 Terrorkino und Emotionalität
3.1 Emotionalität als Ersatz für unzuverlässiges Erzählen

4 LITERATURVERZEICHNIS

1 Einleitung

Filme, die eine narrative Unzuverlässigkeit aufweisen, sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Dabei handelt es sich um Widersprüche in der Erzählung, die den Zuschauer verwirren und durch diese Verwirrung, die komplette Geschichte in Frage gestellt wird. Filme wie David Lynchs Lost Highway (Lost Highway, USA 1996), M. Night Shyamalans The Sixth Sense (The Sixth Sense, USA 1999) oder James Mangolds Identity (Identität, USA 2003) sind nur einige von vielen Filmbeispielen auf die diese narrative Unzuverlässigkeit zutrifft.

Der vorliegende Beitrag setzt sich mit dem unzuverlässigen Erzählen in Alexandre Ajas Haute Tension (High Tension, F 2003) auseinander. Dabei soll die Frage im Mittelpunkt stehen, ob es sich bei dieser Geschichte um eine objektive Realität oder um eine fiktives Produkt der Hauptdarstellerin aufgrund ihrer multiplen Persönlichkeit handelt.

1.1 Zusammenfassung High Tension

Bei Haute Tension handelt es sich um die Geschichte einer Frau namens Marie, die mit ihrer besten Freundin Alex aufs Land fährt, um deren Familie zu besuchen. Doch gegen Nacht dringt ein Fremder ins Haus ein und tötet sowohl die Eltern als auch den kleinen Bruder von Alex und entführt daraufhin Alex mit seinem veralteten Transporter.

Die vergebliche Versuche seitens Marie telefonisch Hilfe zu holen enden dadurch, das sie zufällig und unbemerkt mit in den Transporter eingesperrt wird. Als er Mörder an einer Tankstelle zum Tanken anhält, flieht sie aus dem Wagen und versucht ein weiteres Mal Hilfe zu holen, diesmal beim Tankwart. Doch auch dieser wird vom Killer durch eine Axt getötet.

Nachdem Marie sich so gut vor ihm versteckte, dass er sie nicht finden konnte, fährt er weiter und Marie versucht ein weiteres Mal telefonisch Hilfe zu holen. Diesmal kann sie die Polizei anrufen, doch aufgrund ihrer angespannten Situation ist sie nicht in der Lage der Polizei den genauen Standort der Tankstelle mitzuteilen. Also setzt sie sich in ein Auto und versucht auf eigene Faust ihre Freundin Alex zu befreien. Eine Verfolgungsjagd beginnt. Nachdem der Mörder Marie von der Fahrbahn gedrängt hat, flüchtet sie in ein Gewächshaus. Dort kommt es zum Kampf zwischen ihr und ihm, wobei Marie es zum Schluss schafft ihn zu töten.

In der Zwischenzeit hat die Polizei die Tankstelle ausfindig gemacht. Bei der Anschauung des Videos von der Tankstelle wird gezeigt, dass nicht ein männlicher Mörder dem Tankwart eine Axt in den Körper gerammt hat, sonder Marie selber. Hier wird Marie als eine an Schizophrenie erkrankte Person enttarnt. Eine Information, die uns bis zu diesem Zeitpunkt vorenthalten wurde.

Nach einem weiteren gewaltstarkem Duell zwischen Alex und Marie, bei dem Marie endlich kampfunfähig gemacht wird, endet der Film, damit, wie er begonnen hat: Marie sitzt im Krankenhaus, vermutlich in einer Psychiatrie, die Hände in Handschellen gefesselt und immer wieder den einen Satz sagen: „Ich lasse nie wieder zu, dass jemand zwischen uns steht.“[1]

2 Hinters Licht geführt

2.1 Die Hauptdarstellerin als unzuverlässige Erzählerin

Bereits ziemlich am Anfang des Films wird deutlich, dass die Fokussierung auf der Hauptdarstellerin Cecile de France alias Marie liegt. Wie bereits erwähnt, zeigt die erste Szene sie im Krankenhaus, wobei zu dem Zeitpunkt noch nicht erkennbar ist, um wen es sich hier handelt. Der erste Blick der Kamera ist durch eine Detailaufnahme auf ihre Füße gerichtet, die sie, fast so wie ein schüchternes Schulmädchen, aneinander reibt. Dann auf ihre Hände, die das Gleiche machen wie ihre Füße und im Anschluss daran erhalten wir einen Blick auf ihren Rücken, an dem sich zahlreiche Wunden befinden. Als die Kamera ihren Hinterkopf erreicht, hebt sie ihren Kopf, schaut in ein rotes Licht hinein und spricht: „Ok, nehmt es auf.“ Nun ist klar, dass der Rezipient die Geschichte durch einen Flashback lediglich aus ihrer Perspektive aus erzählt bekommt. Dadurch sind wir als Zuschauer gefangen im begrenzten Blickwinkel der Figur.[2] Wir erhalten eine subjektive Erzählung was für diese Analyse ausschlaggebend ist, worauf ich aber später noch zu sprechen kommen werde.

Marie bleibt weiterhin im Zentrum der Handlung des Films, denn sie läuft in ihrem Traum verletzt durch den Wald, sie sucht ihre Freundin im Maisfeld, sie wird beim Begutachten des Hauses gezeigt, sie befindet sich alleine draußen auf der Schaukel und raucht eine Zigarette und sie liegt alleine im Zimmer auf dem Bett, Musik hörend und masturbierend.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der „Fremde“ mit ins Spiel kommt. Ab hier ist die Aufmerksamkeit sowohl auf die Aktionen des Mörders als auch auf die Reaktionen von Marie gerichtet. Eigentlich müsste ab hier dem Rezipienten schon deutlich werden, dass beide Personen in einem besonderen Zusammenhang zueinander stehen. Doch dies geschieht nicht, da der Mörder als normale Person eingeführt wird und keine Verdachtsmomente liefert, die an seiner Existenz Zweifel aufkommen lassen. Zusätzlich ist dieses Indiz nicht eindeutig genug, um zu erkennen, dass es sich um ein und dieselbe Figur handelt.

Somit lässt sich schlussfolgern, dass den ganzen Film über zwei Personen gezeigt worden sind, es aber so gesehen sich immer nur um eine Person gehandelt hat, d.h. die zweite Persönlichkeit physisch zu keinem Zeitpunkt präsent war, denn diese existierte nur in den Gedanken von Marie. Nun wirft sich hier für den vorliegenden Beitrag die maßgebende Frage auf, wann den ganzen Film über, die Hauptdarstellerin als „die weibliche Marie“ agierte und welche Handlungen lediglich in ihrer Phantasievorstellung existierten, bzw. als ihr männliche Persönlichkeit vollzogen wurden. Nun ist man als Zuschauer nicht nur verwirrt und hält die Geschichte für unzuverlässig, sondern sie fängt auch an unglaubwürdig zu werden. Selbst wenn sie abwechselnd als Marie und dann wieder als der Killer agierte und jeweils das andere Ich sich nur gedanklich abgespielt hat, sind in dem Film viele dramaturgische Fehler enthalten.

Hier einige Auszüge aus dem Film mit auffälligen Widersprüchen.

2.2 Widersprüche in der Erzählung

2.2.1 Auf der Reise und im Transporter

Bereits ziemlich am Anfang des Films, als die zwei Freundinnen im Auto fahren und zu dem Lied „Sarà perche ti amo“ euphorisch singen, erfolgt ein Schnitt und wir sehen parallel dazu einen Mann, in einem veralteten Transporter, der am Maisfeld ganz in der Nähe des Elternhauses der Freundin geparkt hat. Es wird erkenntlich, dass sich der Mann in dem Moment von einer Frau oral befriedigen lässt. Anschließend sieht man, dass es sich nicht um eine Frau, sondern um einen abgetrennten Frauenkopf handelt.

Hier liegt nun folgender Widerspruch vor. Bei Marie und dem Mörder handelt es sich um ein dieselbe Person. Wie kann sie sich also in einem Transporter befinden und diese Perversion ausüben, während sie zeitgleich mit ihrer Freundin Alex singend durch die Strassen fährt? Fest steht, dass sie im Auto auf jeden Fall präsent ist, da sie in einer Interaktion mit ihrer Freundin steht. Sie sprechen und singen miteinander.

Also ist in diesem Zusammenhang der Mörder nur ein Produkt ihrer selbst und es spielt sich alles nur in ihrem Kopf ab. Später ist auch diese Erklärung nicht mehr akzeptabel, da der Transporter trotzdem präsent ist. Er existiert, da hieraus die Waffe entnommen wurde, um den kleinen Jungen zu erschießen, mit ihm wurde an der Tankstelle angehalten und getankt und später auch die Verfolgungsjagd ausgeübt. Also ist auch der Transporter nicht nur eine Fiktion.

[...]


[1] Film: Haute Tension, DVD Kapitel 1 + 19.

[2] Liptay & Wolf (2005). S. 15

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Was ist wirklich passiert? Die unzuverlässige aber wirkungsvolle Darstellung der gespaltenen Persönlichkeit in High Tension
Untertitel
Ein Film von Alexandre Aja
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Suspense, Schock & Thrill - Mechanismen filmischer Spannungserzeugung
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V133331
ISBN (eBook)
9783640401529
ISBN (Buch)
9783640401253
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
High Tension, Alexandre Aja, Schizophrenie, Terrorkino
Arbeit zitieren
Rosalinda Basta (Autor:in), 2005, Was ist wirklich passiert? Die unzuverlässige aber wirkungsvolle Darstellung der gespaltenen Persönlichkeit in High Tension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133331

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