Bildungsungleichheiten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland


Hausarbeit, 2023

32 Seiten, Note: 1,7

F. N. Aydin (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. BEGRIFFSERKLÄRUNG
2.2 Migrationshintergrund
2.3 Bildung
2.4 Bildungsungleichheit

3. DIE DEUTSCHE MIGRATIONSGESCHICHTE
3.1 Die Nachkriegsmigration
3.2 Die Arbeitsmigration (bis 1975)
3.3 Die Fluchtbewegung (seit 2015)

4. DIE BILDUNGSSITUATION VON MIGRANTENKINDERN IN DEUTSCHLAND
4.1 TEILHABE DER MlGRANT*INNEN IM BILDUNGSSYSTEM
4.1.1 Teilhabe an der vorschulischen Bildung
4.1.2 Teilhabe an den Schulformen der Sekundarstufe io
4.1.3 Teilhabe an Förderschulen
4.2 Benachteiligungen der Migrant*innen auf ihrem Bildungsweg
4.3 Die international vergleichende Schulleistungsstudie PISA

5. ERKLÄRUNGSANSÄTZE FÜR MIGRATIONSSPEZIFISCHE BILDUNGSBENACHTEILIGUNGEN

6. THEORETISCHE BEGRÜNDUNGEN DER BILDUNGSUNGLEICHHEITEN NACH BOURDIEU UND BOUDON

7. FAZIT

8. LITERATUR- UND OUELLENVERZEICHNIS

1. Einleitung

„Wir haben eine eindeutige Schlechterstellung von Kindern aus sozial schwächeren Familien, aus Familien, die eine Migrationsgeschichte haben. Diese Befunde haben wir seit den 60er Jahren immer wieder erhoben“ „Jeder vierte Migrant beklagt alltägliche Diskriminierung“ „Bildungschancen an Deutschlands Schulen kaum verbessert“ - diese Aussage vom Bildungsforscher Klaus Klemm und Schlagzeilen in der ZEIT ONLINE beleuchten das Problem der Bildungsungleichheit in Deutschland.1 Hierbei wird deutlich, dass Migrant*innen und die unterschiedlichen Schichtzugehörigkeiten der Bevölkerung von Bedeutung sind, wenn über Bildungsungleichheiten gesprochen werden. Woran liegt es, dass Menschen unterschiedliche Chancen besitzen, das Bildungssystem Deutschlands zu nutzen? Es gibt verschiedene Gruppen, welche sichtbar benachteiligt werden und die angebotenen Chancen weitaus geringer nutzen können als wiederum andere. In Anbetracht sämtlicher Literatur, Studien oder Artikel in Zeitschriften sowie verschiedenen Internetquellen kommt dieses Problem zum Ausdruck. Deutschland unterliegt oftmals einem Bildungssystem, welches nicht so weit vorangeschritten ist, dass die komplette Gesellschaft ein und dieselbe Chance bekommt ein Angebot hinsichtlich der beruflichen Karriere wahrzunehmen. Dabei gehört auch die Gruppe der Migrant*innen zu einer der benachteiligten. Eine andere Gruppe bilden die Menschen aus den unteren Schichten, wie zum Beispiel Dauererwerbslose.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich intensiv mit dieser genannten Problematik. Hierbei wird spezifisch die migrantischen Bildungsungleichheiten in Deutschland herangezogen und analysiert. Es ist wichtig, die gesellschaftlichen und theoretischen Ursachen und Mechanismen zu untersuchen, die zu Bildungsungleichheiten führen, um zu verhindern, dass individualisierende, oft rassistisch geprägte Erklärungen in der öffentlichen Debatte Oberhand gewinnen und außerdem die tatsächlichen Ursachen identifiziert werden müssen, um langfristig tatsächliche Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Einführend werden in der vorliegenden Arbeit die Begrifflichkeiten wie Migration, Migrationshintergrund und Bildungsungleichheit explizierter vorgestellt, um einen Ausblick auf die schwierigen Begriffserläuterungen darzustellen. Daraufhin wird die deutsche Migrationsgeschichte in Deutschland angeknüpft und bearbeitet. Anschließend werden auf die Bildungssituation von Migrant*innen in Deutschland näher eingegangen und herausgearbeitet. Der nächste Teil beschäftigt sich mit den theoretischen Begründungen der Bildungsungleichheiten nach Bourdieu und Boudon und ebenfalls mit den Erklärungsansätzen der Problematik der migrantischen Bildungsungleichheiten. Die Handlungsmöglichkeiten und somit möglichen Lösungsansätze werden anschließend dargestellt und mit dem Fazit wird die Arbeit folglich beendet.

2. Begriffserklärung

Um die Thematik der Bildungsungleichheiten von jungen Migrant*innen bearbeiten zu können, werden zunächst die notwendigen Begrifflichkeiten geklärt.

2.1 Migration

Der Begriff „Migration“ stammt aus dem lateinischen und bedeutet im Deutschen so viel wie „wandern“ oder „Wanderung“. In den Sozialwissenschaften werden unter diesem Begriff, Bewegungen von Personen und/oder Personengruppen verstanden, die einen dauerhaften Wechsel ihres Wohnortes durchführen.2 So erklärte Treibei bereits vor mehr als 20 Jahren, dass „Migration der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen (sei). So verstandene Migration setzt erwerbs-, familienbedingte, politische oder biographisch bedingte Wanderungsmotive und einen relativ dauerhaften Aufenthalt voraus.“3 „In den letzten Jahren hat sich der Begriff "Menschen mit Migrationshintergrund" als Sammelbezeichnung für die heterogene Gruppe der Zuwanderer und ihrer Nachkommen eingebürgert. Auch das Statistische Bundesamt benutzt seit dem Mikrozensus 2005 eine solche Definition.“4

2.2 Migrationshintergrund

Eine Person hat laut des statistischen Bundesamtes einen „Migrationshintergrund“, wenn die Person selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch die Geburt besitzt. Einen Migrationshintergrund können demnach neben Ausländerinnen auch Deutsche haben. Deutsche, die zum Beispiel einen ausländischen Elternteil haben oder sich einbürgern ließen, gelten als eine Person mit einem Migrationshintergrund. Zudem müssen diese Personen nicht selbst nach Deutschland zugewandert sein.5 „Hingegen haben Personen, die im Ausland als Deutsche geboren wurden, als Deutsche geborene Eltern haben und später nach Deutschland gezogen sind, keinen „Migrationshintergrund“.6 In anderen Bereichen wie beispielsweise in Schulstatistiken haben Schülerinnen einen Migrationshintergrund, wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nicht hier geboren wurden oder in der Familie überwiegend die Herkunftssprache gesprochen wird.7 Im Jahr 2021 hatten 22,3 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Das macht 27,2% der deutschen Bevölkerung aus.8

2.3 Bildung

Der Begriff„Bildung“ ist ein Zentralbegriff aus der Pädagogik. „Bildung“ kommt nur in der deutschen Sprache vor und ist kaum in andere Sprachen übersetzbar. In früheren pädagogischen Definitionen wurde „Bildung“ als Kultivierung der Facetten von Menschlichkeit verstanden, um an den Lebensformen einer Gesellschaft teilhaben zu können.9 „In einer modernen Definition lässt sich unter „Bildung“ die Förderung der Eigenständigkeit und Selbstbestimmung eines Menschen verstehen, die durch die intensive sinnliche Aneignung und gedankliche Auseinandersetzung mit der ökonomischen, kulturellen und sozialen Lebenswelt entsteht.“10 Eine einheitliche Definition dieses Begriffs gibt es leider nicht jedoch wird es letztlich verstanden „als Entfaltungsvorgang eines Individuums, als eigentlicher Prozess der Menschwerdung, als Entwicklung der Persönlichkeit infolge zielgerichteter Unterrichtung einerseits, und als Ergebnis der Entwicklung, als Grad der Persönlichkeitsentfaltung, als Zustand der Selbstverwirklichung des Menschen andererseits.“11

2.4 Bildungsungleichheit

Der Begriff „Bildungsungleichheit“ beschreibt ungleiche und damit ungerechte Teilhabechancen am Bildungssystem von Menschen mit verschiedenen Schichtzugehörigkeiten, Geschlechtern, Glaubensrichtungen, Kulturen und /oder unterschiedlicher Herkunft.12 Hierbei kommen die Unterschiede im Bildungsverhalten und in den erzielten Bildungsabschlüssen der Kinder und Jugendlichen zum Vorschein. Es wird zwischen den schichtspezifischen, migrationsbedingten und geschlechterspezifischen Bildungsungleichheiten unterschieden. Die vorliegende Arbeit fokussiert sich auf die migrationsbedingten Bildungsungleichheiten von Schülerinnen in Deutschland.

3. Die deutsche Migrationsgeschichte

Deutschland gilt als das bekannteste Einwanderungsland der heutigen Zeit. Die Migration ist sowohl politisch als auch gesellschaftlich eine Herausforderung für die Bundesrepublik. Aber nicht nur heute, sondern ebenfalls vor vielen Jahrzehnten waren Migration bzw. Zuwanderungen nicht ungewöhnliches. Es gehört zu der Geschichte der Menschheit, vor Verfolgungen, Vertreibungen oder Kriegen zu fliehen, Schutz zu suchen, um zu überleben. Somit leben in Deutschland Millionen von Menschen, welche aus den verschiedensten Ländern hergezogen sind und unsere heutige Gesellschaft durch ihre kulturelle Vielfalt bunter machen.13 Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und dem zweiten Weltkrieg kam es zu unterschiedlichen Einwanderungswellen mit den höchsten Zahlen. So kann von drei großen Wellen bzw. Phasen in der naheliegendsten Zeit gesprochen werden. Das ist die Nachkriegsmigration aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und der DDR (1945 bis etwa I960), die Arbeitsmigration (bis 1975) und die Fluchtbewegung aus Kriegsgebieten (seit 2015).14

3.1 Die Nachkriegsmigration

Zwischen den Jahren 1945 und etwa I960 stellten die sogenannten Aussiedler den größten Teil der Zuwanderer dar. Das waren ursprünglich deutsche Siedler, die in den ehemals deutschen Ostgebieten eine Minderheit darstellten. Zu diesen Gebieten zählte Polen, die UdSSR, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und die Tschechoslowakei. Schätzungen zufolge wanderten aus diesen Gebieten ca.11,9 Millionen Menschen nach Deutschland ein. Zu dieser Zeit war das eine sehr große Herausforderung. Der Krieg war erst beendet, Deutschland zerstört und den Menschen fehlte es an lebenswichtigen Gütern. Wirtschaftliche Nöte, Wohnungsnot und Hunger erschwerten das Leben nach dem Krieg. Aufgrund von unterschiedlichen Dialekten oder Konfessionen kam es Konfliktenzwischen den Bürgern. Jedoch waren diese deutschen Zuwanderer und ihre Arbeitskraft für den Wiederaufbau des Landes von elementarer Bedeutung. Ebenso übersiedelten Millionen von Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik. Mit der Zeit stieg die wirtschaftliche Lage und die Anzahl der Erwerbslosen sank.15 Es kam immer wieder aufgrund von politischen Veränderungen in den Gebieten zu Übersiedlungen nach Deutschland. So kamen bis 1990 noch zahlreiche Aussiedler sogenannte Spätaussiedler nach Deutschland.16 Mit der Zeit sank die Zuwanderung deutscher Aussiedler aus den Ostgebieten und es kam aufgrund von Arbeitskräftemangel aufgrund von einer zu hohen Vollbeschäftigung zur nächsten Einwanderungswelle.

3.2 Die Arbeitsmigration (bis 1975)

Aufgrund der Arbeitskräfteknappheit musste dieser Bedarf durch Arbeitnehmer aus dem Ausland gefüllt werden, um die Produktion und Wirtschaft auf Beinen zu halten. Gastarbeiter sollten hierfür die Lösung sein. Bei dem Begriff „Gastarbeiter“ handelt es sich um Arbeitnehmerinnen, die seit Mitte der 1955er-Jahre als Hilfskräfte angefragt wurden und die lediglich für einen absehbaren Zeitrahmen in Deutschland unterstützend tätig sein sollten.17 „Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um eine Arbeitsmigration, wenn ein Aufenthaltstitel mit dem Zweck der Erwerbstätigkeit vergeben wird und die Aufenthaltserlaubnis auch an den Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses gebunden ist.“18 Im Gegensatz dazu stehen Migrant*innen, die aufgrund von „Flucht und Asyl“ ihre Heimat gezwungenermaßen verlassen müssen.19 Es kam zu Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und den Staaten, die dem Angebot gegenüberstanden. Anfangs waren das die Südeuropäischen Staaten. Das Anwerbeabkommen war wie ein Vertrag und bot beiden Seiten Vorteile und klärte über die Bedingungen auf, wie zum Beispiel, dass das eine begrenzte Politik sei und die Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsvertrages wieder in die Heimat zurück gehen würden. Mit Italien wurde 1955 das erste Abkommen geschlossen. In den folgenden Jahren folgten Länder wie Spanien, Griechenland, Türkei oder Marokko und es kam zu einer sehr großen Einwanderungswelle nach Deutschland.20 1973 wurde die Anwerbung von Gastarbeitern aufgrund der Ölkrise gestoppt. Jedoch durften die Familienangehörigen der Gastarbeiter nach Deutschland nachziehen. Ca. 90% der Gastarbeiter arbeiteten in der Industrie. Sie akzeptierten Überstunden um mehr Geld zu verdienen, da die Löhne relativ niedrig waren und übten Tätigkeiten aus, die für die deutsche Bevölkerung unattraktiv waren. Während dieser gesamten Zeit kamen aufgrund des Anwerbeabkommens insgesamt 14 Millionen Menschen zum Arbeiten nach Deutschland. Etwa 11 Millionen kehrten wieder in ihre Heimat, der Rest blieb in Deutschland und schlug in einem fremden Land mit ihren Familienangehörigen Wurzeln und gilt heute als die ältere Generation.21 Der Förderung der Familienmitglieder wie Kinder und Jugendliche wurde lange kaum Beachtung geschenkt, erst durch den Beschluss im Jahre 1996 von der Kultusministerkonferenz wurde Integration ausdrücklich zur Aufgabe der Schule erklärt.22 Hinzu kommt, dass Deutschland sich erst 2001 als Einwanderungsland definiert hat und begonnen hat, politische Schritte für eine bessere Integration dieser vielen Menschen zu unternehmen.23

3.3 Die Fluchtbewegung (seit 2015)

Das Thema „Flucht“ entwickelte sich in den letzten Jahren seit 2015 sehr verschärft in den Nachrichten aber auch im Alltag der Bevölkerung in Deutschland. Im Jahr 2015 wurden nach statistischen Angaben 476.649 Asylanträge und 2016 745.545 Asylanträge gestellt. Die Zahlen gingen ab 2017 deutlich zurück, da die Balkanroute geschlossen und ein Abkommen mit der Türkei zustande kam - im Jahr 2022 wurden 214.253 Asylanträge gestellt. Syrien gilt als das Hauptherkunftsland der Asylbewerber in Deutschland.24 Die wichtigsten Motive für ihre Flucht waren/sind Angst vor dem Krieg, Gewalt und Verfolgungen.25 Wer als Flüchtling gilt, ist gesetzlich festgelegt. Hierbei ist die Genfer Flüchtlingskonvention das erste Abkommen, dass sich Flüchtlingen widmet und grundlegende Rechte dieser Menschen festlegt. Es wurde am 28. Juli 1951 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. „Artikel la der Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als Person, die "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“26 Die Fluchtbewegung der Menschen, die aus ihrer Heimat und ebenso Kriegsgebieten fliehen und Schutz suchen, bringt viel Bürokratie mit sich. Die Bearbeitung der Anträge dauert meist Monate bis hin zu Jahren und erschwert das Leben dieser Menschen. Sie leben während des Verfahrens in der Regel in Notunterkünften, dürfen sich nur an dem Ort aufhalten, an dem der Antrag gestellt wurde und dürfen keiner Arbeit nachgehen. Ebenso kommt es häufig zu Antragsablehnungen und diese Menschen müssen wieder zurück in ihr Heimatland ziehen.

4. Die Bildungssituation von Migrantenkindem in Deutschland

Das nun folgende Kapitel stellt die Bildungssituation von Migrantenkindem an deutschen Schulen dar. Anfangs wird über die allgemeinen Zahlen gesprochen. Daraufhin folgt das Thema der Teilhabe der Migrant*innen im Bildungssystem. Es wird auf die vorschulische Bildung, die verschiedenen Schulformen sowie auf die Förderschulen eingegangen. Anschließend werden die international vergleichenden Schulleistungsstudien PISA und IGLU vorgestellt und analysiert. Das Aufwachsen von Kindern in Deutschland wird durch die Merkmale ihrer familiären Herkunft bestimmt. Der Bildungshintergrund der Familien hängt meistens mit ihrer Erwerbsbiografie und somit auch mit ihrer Einkommenssituation zusammen. Der Bildungsstand aber die finanziellen Situationen von Familien beeinflussen die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten ihrer Kinder.27 „Die hohe Fluchtzuwanderung stellt seit dem Jahr 2015 die Bildungseinrichtungen vor große Herausforderungen. Mehr als 30 Prozent der Menschen, die 2015 und 2016 einen Asylantrag gestellt haben, waren unter 18 Jahre alt und hatten somit das Recht bzw. die Pflicht, eine Schule oder - im Falle der Ein- bis Sechsjährigen - eine Kindertagesbetreuung zu besuchen. In den Jahren 2017 und 2018 stieg die Zahl der Minderjährigen weiter: 45 bzw. 48 Prozent der Asylantragstellenden waren unter 18 Jahre alt. Zudem waren 15 Prozent der Asylsuchenden im Jahr 2018 zwischen 18 und 25 Jahre alt und damit im Ausbildungs- bzw. Studieralter. Das deutsche Bildungssystem steht also auch weiterhin vor der Aufgabe, zusätzlich mehrere Hunderttausend junge Einwanderer für das Leben und die Arbeitswelt in Deutschland zu qualifizieren.“28 In Deutschland hat rund ein Drittel der Schülerinnen einen Migrationshintergrund. Wie die Statistik aufzeigt, hatten im Jahr 2021 ungefähr 39 % der Schülerinnen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen einen Migrationshintergrund.29 Somit wird deutlich, dass Migrantinnen in deutschen Bildungseinrichtungen keine Minderheit darstellen.

4.1 Teilhabe der Migrant*innen im Bildungssystem

In diesem Abschnitt wird auf die Teilhabe der Migrant*innen im Bildungssystem eingegangen. Dazu gehört die vorschulische Bildung, die verschiedenen Schulformen in der Sekundarstufe und die Förderschulen. „Die Bildungsbeteiligung und der Bildungserfolg der ausländischen Schüler im allgemeinbildenden Schulsystem wurden erstmals in den 1970er Jahren im Rahmen einer allgemeinen Debatte um die Notwendigkeit einer Integrationspolitik thematisiert.“30 „Bildung gehört zu den sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts“.31 In der heutigen Zeit sind die meisten Lebenschancen und sozialen Berechtigungen an die Bildung und die damit verbundenen Erfolge verbunden. Die Bildung ist die Voraussetzung für den Arbeitsmarkt und der Arbeitsmarkt die Voraussetzung für Einkommenschancen. Somit ist die Bildungsbeteiligung und die damit verbundenen Bildungschancen für jeden Menschen ausschlaggebend und diese sollten von Anfang an gefördert und unterstützt werden.32 „Angemessene (Aus-) Bildungsabschlüsse sind die zentrale Ressource der Migrant*innenkinder für ihre zukünftige Lebenschancen in Deutschland, und Bildungsdefizite gehören zu den zentralen Ursachen für Integrationsprobleme (Arbeitslosigkeit, Randständigkeit, Kriminalität)“.33 Es ist zu beachten, dass die Menschen, die ab 2000 mit ausländischen Eltern im Inland geboren wurden, aufgrund der Staatsangehörigkeitsreform die doppelte Staatangehörigkeit besitzen und aus diesem Grund in den Bevölkerungsstatistiken i.d.R. als Deutsche nachgewiesen werden. Aus diesem Grund können die Zahlen von der Realität abweichen und verwirren.34

[...]


1 Die Zeit Online: Jeder vierte Migrant beklagt alltägliche Diskriminierung, 13.08.2013, Die Zeit Online: Bildungschancen an Deutschlands Schulen kaum verbessert, 24. 06.2013, Braun: Wie ungerecht ist unser Schulsystem, 12.11.2019

2 Vgl. Han2005, S.7

3 Treibei 1999, S.21

4 Razum, Spallek. 2009

5 Vgl. Mediendienst Integration: Infopapier Alternativen zum „Migrationshintergrund“ 2020. S.2

6 Vgl. Mediendienst Integration: Infopapier Alternativen zum „Migrationshintergrund“ 2020. S.2

7 Vgl. Mediendienst Integration: Infopapier Alternativen zum „Migrationshintergrund“ 2020. S.3

8 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/04/PD22_162_125.html

9 Vgl. Raithel, Dollinger, Hörmann 2009, S.36

10 Raithel, Dollinger, Hörmann 2009, S.36

11 Stangl, W. 2023

12 Vgl. Krüger, Kleberg, Kramer, Budde 2011, S.7

13 Vgl. Factsheet Bertelsmann Stiftung 2016. S.l ff

14 Vgl. Feld L., Doerr A, Hirsch P., Sajons C. 2017. S. 10 ff

15 Vgl. FeldL., DoerrA, HirschP., Sajons C. 2017. S. 14 f

16 Vgl. Panagiotidis, J.2018

17 Vgl. Eckert, T., VonHippel, A., Pietraß, M., Schmidt-Hertha, B. 2011. S.89

18 Hoesch, 2018,S.29

19 Vgl.Hoesch, 2018,S.22

20 Vgl. Höhne, J., Linden, B., Seils, E., Wiebel, A. 2014, S. 3f

21 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: erstes Anwerbeabkommen vor 65 Jahren. 2020

22 Vgl. Fürstenau, S., Gomolla M. 2009, S.28

23 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: erstes Anwerbeabkommen vor 65 Jahren. 2020

24 Vgl. Statista Research Department: Asylanträge in Deutschland bis 2022. 2023.

25 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dezember 2016, S.4

26 UNO Flüchtlingshilfe Deutschland für den UNHCR: Genfer Flüchtlingskonvention

27 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Oktober 2016, S.7

28 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) GmbH. 2020, S. 2

29 Vgl. Mediendienst Integration: Schule. o.D.

30 Diefenbach 2007, S.222

31 Becker 2008, S.74

32 Vgl. Becker, R. 2008 S.74

33 Geißler,R. 2011,S. 244

34 Vgl. 11. Bericht derBundesregierung fürMigration, Flüchtlinge und Integration. 2016, S.103

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Bildungsungleichheiten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland
Hochschule
Hochschule Darmstadt
Note
1,7
Autor
Jahr
2023
Seiten
32
Katalognummer
V1333843
ISBN (Buch)
9783346827869
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bildungsungleichheiten, kindern, jugendlichen, migrationshintergrund, deutschland
Arbeit zitieren
F. N. Aydin (Autor:in), 2023, Bildungsungleichheiten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1333843

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