Metakognition als Mittel der Lernförderung

Beispiele aus dem selbstständigen Unterricht


Examensarbeit, 2007

55 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Statt einer Einleitung: Zwei Beobachtungen aus dem Unterricht

I. Theoretischer Teil
1. Lebenslanges Lernen – eine Forderung der Gegenwart
2. Der Lernbegriff in der Pädagogischen Psychologie
3. Konsequenzen (I): Konstruktivistische Lerntheorien in Allgemeinen Didaktiken
4. Konsequenzen (II): Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien
4.1 Selbstreguliertes Lernen
4.2 Lernstrategien
5. Das Konzept Metakognition
5.1 Der Metakognitionsbegriff
5.2 Metakognitives Wissen – die erste Komponente der Metakognition (Flavell)
5.3 Metakognitive Kontrolle – die zweite Komponente der Metakognition (Brown)
5.4 Eine Weiterentwicklung – Das Metakognitionsmodell von Pintrich et al. (2000)
6. Metakognition als Mittel der Lernförderung (I) – Ergebnisse der Forschung
6.1 Verbessert Metakognition die Lernleistung?
6.2 Wie verbessert Metakognition die Lernleistung?
6.3 Wann verbessert Metakognition die Lernleistung?
6.4 Ontogenetische Bedingungen der Metakognition
6.4.1 Präadoleszente Lerner und die Verfestigung des Leistungsmotivs
6.4.2 Adoleszente Lerner – meist nicht am Ende ihrer metakognitiven Grenzen

II. Praktischer Teil
1. Metakognition als Mittel der Lernförderung (II) – Eine Untersuchung
1.1 Hypothesen
1.2 Untersuchungsdesign
1.2.1 Der Metakognitionsfragebogen
1.2.2 Das Lerntagebuch
1.3 Indikatoren der Lernförderung: Lesekompetenz
1.4 Untersuchungstexte
1.4.1 Augustinus’ Theorie des gerechten Krieges
1.4.2 Text & Abbildungen über Computerspiele, Gehirnentwicklung und Schulleistungen
1.4.3 Textauszug aus Manfred Spitzer: Vorsicht Bildschirm!
1.4.4 Text über Christoph Kolumbus
1.5 Geschichtstest
1.6 Vorbereitung der Lerngruppen
2. Die Ausgangslage: Wissen über Strategien und metakognitives Niveau
3. Begleitende Maßnahmen im Unterricht: Strategie- & Metakognitionsübungen
4. Untersuchungsergebnisse: Analyse einzelner Lernerinnen und Lerner
4.1 Angelika
4.2 Jewa
4.3 Alexander
5. Überprüfung der Hypothesen
6. Reflexion der Untersuchung und Ausblick

Anhang

Literatur

Statt einer Einleitung: Zwei Beobachtungen aus dem Unterricht

Jiahan, 12 Jahre alt und Schüler der Klasse 7b an der Berliner Sophie-Charlotte Oberschule, verfolgt den Unterricht stets aufmerksam. Ohne dazu aufgefordert zu sein, macht er sich zu den wichtigsten Unterrichtsthemen Stichpunkte in seinem Hefter. Während andere am Ende der Stunde das Tafelbild abschreiben, ist er damit oft schon fertig. Bereits während des Unterrichts versucht er, das Neue mit den Dingen zu verbinden, die er früher schon gelernt hat bzw. die ihm aus seinem Weltwissen be-kannt sind. Die Einführung des Begriffes „Zoll“ in einer Unterrichtsstunde zur Entstehung der mittel-alterlichen Stadt verbindet er beispielsweise mit dem Passieren des Zolls am Flughafen, einem Vor-gang, den er kennt. Wenn er beim Lesen eines Textes etwas nicht versteht, versucht er herauszufin-den, worin genau das Problem besteht: Er fragt sich z. B., wie die Grundgedanken zueinander passen und ob alles logisch ist. Bei schwierigen Texten denkt er sich Fragen zu den Inhalten aus und ver-sucht, diese zu beantworten. Kann er ein Problem nicht alleine lösen, wendet er sich an seinen Mit-schüler Philipp oder – wenn der ihm auch nicht weiterhelfen kann – an seinen Lehrer. Ähnlich ver-fährt er bei der Erledigung seiner Hausaufgaben. Wenn es ihm nicht gelingt, eine Aufgabe allein zu lösen, wendet er weitere Strategien an: Er fragt seine Eltern, ruft einen Freund an, durchforstet seinen Hefter und das Schulbuch, sucht nach Hilfestellungen im Internet.

Im Unterricht geht Jiahan strategisch vor, wenn er eine Aufgabe bearbeitet. Er liest sich die Aufgabe-stellung zunächst genau durch und macht sich klar, was von ihm verlangt wird. Dann entwirft er in Gedanken einen Plan, wie er Schritt für Schritt vorgehen will. Wie er berichtet, beobachtet er sich während des Arbeitens selbst, um sicher zu sein, dass er alles richtig macht. Wenn Probleme auftre-ten, versucht er, sein Lernverhalten darauf abzustimmen und geht Unverstandenes noch einmal durch. Am Ende kontrolliert er sein Arbeitsergebnis gründlich und korrigiert mögliche Fehler.

Jiahan betrachtet seine Lernerfolge als Ergebnis eigener Fähigkeit und Anstrengung. Was das Lernen angeht, hat er hat ein positives Selbstkonzept. Schneidet er einmal schlechter ab als erwartet, z. B. in einer Klassenarbeit, überlegt er, woran das gelegen hat und was er beim nächsten Mal anders machen könnte. Er lässt sich von Fehlern nicht demotivieren, sondern begreift sie als Ansporn zu besseren Leistungen in der Zukunft.

Carlo geht zusammen mit Jiahan in eine Klasse. Im Unterschied zu Jiahan ist Carlo mit seinen Ge-danken oft woanders. Wenn er dem Unterricht phasenweise folgt, ist er hauptsächlich damit beschäf-tigt, so viel wie möglich mitzubekommen; anders als sein Mitschüler macht er sich aber keine eigen-ständigen Notizen.

Wenn Carlo im Unterricht eine Aufgabe lösen soll, hat er große Schwierigkeiten, sich darauf zu kon-zentrieren. Während viele seiner Mitschüler den Text bereits einmal durchgelesen haben und nun be-ginnen, Wichtiges zu unterstreichen und herauszuschreiben, liest Carlo noch die ersten Zeilen. Ent-weder unterstreicht er dabei sofort und viel zu viel, oder er verzichtet ganz auf diese Lesestrategie. Carlo achtet nur sehr flüchtig auf Arbeitsanweisungen und setzt sich mit den Lernmaterialien nur oberflächlich auseinander. Er denkt nicht über Strategien und Lösungswege nach, sondern verfährt eher nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. Deswegen gelangt er entweder gar nicht oder nur auf sehr umständliche Art und Weise zu einer Lösung. Carlo bewertet die einzelnen von ihm ausgeführten Schritte nicht im Hinblick auf ihre Effektivität. Auch mit seinem Arbeitsergebnis setzt er sich nicht kritisch auseinander.

Carlo berichtet, dass er selbst nicht sonderlich zufrieden mit seinen Lernerfolgen ist. Auch die Erledi-gung von Hausaufgaben und die zweckmäßige Vorbereitung auf eine Klassenarbeit fallen ihm schwer. Fällt sie einmal besser als erwartet aus, attribuiert er diesen Erfolg mit „Glück“ oder Leich-tigkeit der Aufgaben. Ist das erreichte Ergebnis eher schlechter (was die Regel ist), schreibt er es ei-genen mangelnden Fähigkeiten zu. Sein Selbstkonzept als Lerner, d. h. seine Vorstellungen, Einschät-zungen und Bewertungen bezüglich eigener Lernleistungen, ist negativ und droht sich zu verfestigen.

Jiahan und Carlo unterscheiden sich in ihrem Lernverhalten vor allem durch zwei Fähigkeiten: der Fähigkeit zu strategischem und selbstreguliertem Lernen und der Fähigkeit zu metakognitiven Aktivi-täten. Selbstreguliertes Lernen und der Einsatz von Lernstrategien, beide Begriffe werden an späterer Stelle erläutert, sind mit Metakognition eng verbunden. Nur wenn ein Lerner sich über seine eigenen kognitiven Leistungen, die Aufgabenanforderungen und die Möglichkeiten verschiedener Strategien Klarheit verschafft, kann er die passende Strategie auswählen und einsetzen, kann er seinen Lernpro-zess kontrollieren und regulieren. Wie man sieht, hat dieser Unterschied erhebliche Auswirkungen. Er bewirkt nicht nur, dass die Lernprodukte von unterschiedlicher Qualität sind. Als Resultat haben bei-de Lerner auch ein anderes Selbstkonzept entwickelt, das sich, wenn es stabil wird, auf ihre gesamte Lernbiografie auswirken kann. Jiahan ist ein handlungsorientierter und erfolgszuversichtlicher Lern-typ, Carlo kann als misserfolgsängstlich beschrieben werden; Jiahan hat eine viel höhere Selbstwirk-samkeitserwartung als sein Mitschüler (Hasselhorn 2006: 108ff; Köller & Möller 2006; Wild, Hofer & Pekrun 2006: 224f.).1 In einer modernen Gesellschaft, die an ihre Individuen die Anforderung le-benslangen Lernens stellt, kann die Verfestigung des zweiten Lerntyps fatale Folge haben.

Diese Beobachtungen im Unterricht waren Ausgangspunkt meiner Beschäftigung mit dem Thema; Ziel war es, Mittel und Wege zu finden und zu erproben, mit denen möglichst vielen Schülern gehol-fen werden kann, sich zu einem positiven Lerntyp zu entwickeln.

Die folgenden Ausführungen im ersten Teil dieser Arbeit über lebenslanges Lernen, konstruktivisti-sche Lerntheorien und allgemeindidaktische Ansätze, über selbstreguliertes und strategisches Lernen dienen der theoretischen Einbettung und Legitimation des Hauptthemas Metakognition. Darüber hin-aus ergeben sich aus diesen Zusammenhängen auch praktische Konsequenzen für didaktisches Han-deln im Lernort Schule, die zwingend für die tägliche Unterrichtspraxis sind. Im zweiten Teil be-schreibe ich dann meine Versuche, das Lernen der Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von Metakog-nition zu fördern.

I. Theoretischer Teil

1. Lebenslanges Lernen – eine Forderung der Gegenwart

Bereits vor mehr als 30 Jahren hatte der Harvard-Soziologe Daniel Bell (*1919) den Begriff „nachin-dustrielle Gesellschaft“ eingeführt. Er bezeichnete damit idealtypisch moderne (westliche) Gesell-schaften, die sich im „Übergang von einer warenproduzierenden zu einer Informations- und Wissens-gesellschaft“ befinden (Bell 1975: 374). Bell beschrieb hier zwei grundlegende Strukturwandlungs-prozesse: auf ökonomischer Ebene die zunehmende Verlagerung vom Produktions- zum Dienstleis-tungssektor; auf kognitiver Ebene die Einbeziehung von Wissenschaft und Wissensarbeit in die Pro-duktion selbst.

Diese Wandlungsphänomene moderner Gesellschaften sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts unüber-sehbar geworden. Ohne im Zusammenhang dieser Arbeit genauer auf den schillernden Begriff „Wis-sensgesellschaft“ eingehen zu können, lässt sich doch feststellen, dass sich durch die exponentielle Zunahme von Wissen in allen Sektoren der Gesellschaft die Halbwertzeit des aktuell benötigten Wis-sens ständig verringert. Mit anderen Worten: Da Wissen immer schneller veraltet, müssen die Mit-glieder einer modernen Wissensgesellschaft sich ständig neues (deklaratives) Wissen aneignen. Für die Individuen bedeutet das, dass sie – wollen sie ökonomisch und sozial integriert bleiben – die Be-reitschaft und Fähigkeit zu lebenslangem Lernen haben müssen.

Seit Mitte der 1990er Jahre ist es durch verschiedene internationale Organisationen zu einer Wieder-belebung des Konzepts des lebenslangen Lernens gekommen (Mandl & Friedrich 2006: 11). So hat sich z. B. 1997 eine von der UNESCO einberufene internationale Expertenkommission mit der Frage beschäftigt: Was ist Bildung? Die Folgen für das Lernen in den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts haben die Autoren vor zehn Jahren folgendermaßen beschrieben:

„Heute kann niemand mehr erwarten, in der Jugendzeit so viel Wissen anzusammeln, dass es für ein ganzes Le-ben reicht. Die raschen Veränderungen in unserer Welt verlangen, dass wir unser Wissen ständig erweitern und auf den neuesten Stand bringen [...] Als Schlüssel zum 21. Jahrhundert ist lebenslanges Lernen künftig entschei-dend für die Fähigkeit, sich an die veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, entscheidend aber auch für jeden einzelnen, um den sich wandelnden Zeitrahmen und Lebensrhythmus zu gestalten.“ (Deutsche UNESCO-Kommission 1997: 85f.)

Diese Erkenntnisse sind den deutschen Kultusministern nicht verborgen geblieben. Blickt man in die aktuellen Berliner Rahmenlehrpläne, z. B. für die Unterrichtsfächer Geschichte, Politikwissenschaft oder Deutsch, so spiegelt sich in den „Grundsätzen“ (jeweils Kap. 1.1, Randmarginalie: „Kompetenz-erwerb“) die skizzierte Befundlage exakt wider:

„Der beschleunigte Wandel einer von Globalisierung geprägten Welt sowie die Erweiterung des Wissens und seine Verfügbarkeit erfordern eine Neuorientierung für das Lernen im Unterricht. Die Vorstellung, man könne ausschließlich von einem in der Jugend erworbenen Wissensvorrat lebenslang zehren, ist von einem dynami-schen Kompetenzmodell abgelöst worden.“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin 2006a: 5).

In den Lehrplänen für die gymnasiale Oberstufe fällt an gleicher Stelle explizit das Stichwort „lebens-langes Lernen“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin 2006b: 5). Aufgabe der Schule ist es demnach nicht (mehr), nur zum Aufbau deklarativen (und dabei oft domänenspezifi-schen) Wissens der Schülerinnen und Schüler beizutragen. Vielmehr muss eine verantwortungsvolle Lehrkraft, die ihre „Schützlinge“ auf die komplexen Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten will, immer auch den Aufbau prozeduralen Wissens fördern.2 Lernen lernen – das sollte obligatori-scher Bestandteil eines jeden modernen Unterrichts sein.

Aber was bedeutet eigentlich „lernen“? Welche aktuelle Auffassung dieses Begriffes gibt es in der Pädagogischen Psychologie, der Fachdisziplin, die dieses komplexe Phänomen wissenschaftlich mo-mentan wohl am besten zu beschreiben in der Lage ist?3

2. Der Lernbegriff in der Pädagogischen Psychologie

Es geht darum, die Kinder für das Lernen zu gewinnen, es ihnen interessant zu machen, so dass sie lernen wollen. Aber dieses Lernen gelingt ihnen nicht ohne Anleitung und Stützung. Genau das ist die Rolle der Erziehung. Hans Aebli (1981: 361)

Seit der „kognitiven Wende“ in der Psychologie in den 1960er und 1970er Jahren, die die behavioris-tischen (Lern)Theorien immer mehr ins Abseits stellte, werden Phänomene des menschlichen Lernens vorwiegend aus der Perspektive der Gedächtnis- und Wissenspsychologie betrachtet. Ein Schwer-punkt der Pädagogischen Psychologie liegt seitdem in der Untersuchung der kognitiven Prozesse des Wissenserwerbs und Lernens (Krapp, Prenzel & Weidenmann 2006: 17). Denken, Wahrnehmen, Vor-stellen, Verstehen, Lernen – das sind die Vorgänge, die im Vordergrund des Forschungsinteresses stehen. Ins Zentrum rückte damit automatisch auch ein Wesen, von dem schon die Reformpädagogik der Jahrhundertwende primär ausgegangen war: die lernende Person selbst.

Allgemein wird Lernen verstanden als ein „Prozess, der ein Individuum – aufgrund eigener, meist wiederholter Aktivität – zu relativ überdauernden Verhaltensänderungen führt“ (Steiner 2006b: 140). Anstelle von „Verhalten“ bzw. „Verhaltensmöglichkeit“ kann man auch von „kognitiven Strukturen“ sprechen, wobei diese sich sowohl auf deklaratives als auch auf prozedurales Wissen beziehen (Schie-fele & Schaffner 2006: 867).

Noch bis in die 1990er Jahre ist Lernen in der Lernforschung relativ eng als informationsverarbeiten-der Prozess aufgefasst worden, in dem der Lerner – gemäß dem behavioristischen Reiz-Reaktions-Modell – in erster Linie Informationen durch passende Instruktion aufnimmt, sie verarbeitet, imitiert und wiederholt (Kritik bei Reich 2004: 160f.). Lernen wird hier vorrangig als Rezeption begriffen; der instruierende (d. h. Reize aussendende) Lehrende übernimmt in diesem Modell den aktiven, der rezi-pierende (Reize empfangende) Lernende den passiven Part. Werden nur die richtigen Reize gesetzt, so die Annahme, komme es zur gewünschten Reaktion beim Empfänger. Die zwischen Reiz und Re-aktion liegenden Verbindungen, also die inneren Vorgänge im Lernenden selbst, sind nach Auffas-sung der Behavioristen prinzipiell nicht beobachtbar – sie gelten ihnen als black box und können ge-trost ignoriert werden.

Die einflussreichen Arbeiten des Genfer Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1896-1980) haben diese Auffassung grundsätzlich in Frage gestellt. Für Piaget entwickelt sich der Mensch in aktiver Auseinandersetzung mit seiner Umwelt. Dabei verändert er einerseits die ihn umgebenden Phänome-ne (die wahrgenommene „Realität“) durch Interpretation derart, dass sie in seine vorhandenen kogni-tiven Strukturen passen bzw. ihnen angeglichen werden: Piaget spricht hier von Assimilation. Assimi­lation ist, pointiert formuliert, „eine Form des Umgangs mit Neuem, die dieses Neue als ein Vor-kommnis von etwas Bekanntem behandelt“ (von Glasersfeld 1994: 27f., Herv. i. O.). Andererseits kann der Mensch auch die kognitiven Schemata selbst verändern. Das geschieht meist dann, wenn die wahrgenommenen Wirklichkeitssplitter keinen Sinn ergeben, die beobachteten Merkmale des neuen Phänomens also nicht zu den gespeicherten Wahrnehmungsmustern passen. Diesen Vorgang nennt Piaget Akkommodation; sein Resultat ist dann ein neues kognitives Schema, das die neuen Merkmale beinhaltet. Aus diesen Annahmen zieht Piaget die Schlussfolgerung, dass der Mensch sowohl seine eigene Wirklichkeit als auch die Strukturen seines Handelns und Erkennens selbst konstruiert.

Ohne hier im Einzelnen auf die weit reichenden erkenntnistheoretischen Implikationen eingehen zu können, lässt sich feststellen, dass die aktuelle Pädagogische Psychologie weitgehend konstruktivisti-schen Ansätzen verpflichtet ist. Lernen wird als ein Vorgang betrachtet, in dem der Lernende selbst aktiv Bedeutungen und Wissensstrukturen aufbaut. Er kann mit einem Forscher oder einem Baumeis­ter verglichen werden (Krapp, Prenzel & Weidenmann 2006: 25). Aus konstruktivistischer Sicht ist Lernen demnach kein passiver Abbildungsprozess, sondern ein aktiver Aufbau prozess.

Diese Sichtweise wird durch die Ergebnisse der Hirnforschung der letzten Jahre gestützt. Gerhard Roth verweist aus hirnphysiologischer Perspektive darauf, dass Wissen nicht einfach übertragen wer-den kann, sondern im Gehirn eines jeden Lernenden neu geschaffen und aufgebaut werden muss (Roth 2006: 55ff.). Gerald Hüther zeigt, wie sich das Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten hirn-anatomisch im individuellen Aufbau komplexer Nervenzellverschaltungen manifestiert und dabei die vorhandenen inneren „Erinnerungsbilder“ mit den neuen sinnlichen „Wahrnehmungsbildern“ immer wieder abgeglichen, erweitert und umgestaltet werden (Hüther 2006: 76ff.).4

3. Konsequenzen (I): Konstruktivistische Lerntheorien in Allgemeinen Didaktiken

Konstruktivistische Auffassungen des Lernens liegen auch einigen Allgemeinen Didaktiken zugrunde. Jahrzehnte, bevor die Hirnforschung das konstruktivistische Lernmodell neurobiologisch untermauern konnte, hatte Hans Aebli (1923-1990), ein Schüler Piagets, den Versuch unternommen, aus den Kenntnissen über die entwicklungspsychologischen Prozesse bei Kindern didaktisch-methodische Konsequenzen für schulisches Lernen zu ziehen (Aebli 1961). Aus diesem frühen Werk entstanden aufgrund der enormen Zunahme an Forschungsergebnissen rund zwei Jahrzehnte später zwei Bände: die Zwölf Grundformen des Lehrens (Aebli 2003; 11983) und die Grundlagen des Lehrens (Aebli 1987). Aebli ist grundsätzlich der Überzeugung, „dass es kein Wissen gibt, das man dem Schüler einfach geben könnte. Er muss es in jedem Falle selber aufbau-en. Wir können ihm dazu nur Anstöße geben und es richtig anzuleiten versuchen, wo er aus eigener Kraft nicht dazu gelangt. Wir müssen – mit anderen Worten – in seinem Denken und Verhalten Prozesse des Problemlösens anzubahnen versuchen, bei deren Lösung er zu den Handlungsschemata, den Operationen und den Begriffen ge-langt, die wir ihm vermitteln möchten.“ (Aebli 2003:28).

Aebli überträgt Piagets Annahme der Realitätskonstruktion in der geistigen Entwicklung des Kindes auf das Gebiet des Lernens: Der Lernende ist Wissenskonstrukteur in eigener Sache. Wie kann dieser komplexe Vorgang aber professionell unterstützt werden?

Nach Aebli spielen sich Lernprozesse in drei Dimensionen ab. Im ersten Teil der Zwölf Grundformen liegt die Perspektive auf den fünf „Medien“ des Lehrens: „Erzählen und Referieren“, „Vorzeigen und Nachmachen“, „Anschauen und Beobachten“, „Mit Schülern lesen“ und „Schreiben – Texte verfas-sen“ (Dimension der Medien: Grundformen 1-5). Ziel ist, dass der Lehrende ein Gespür bekommt für die verschiedenen Kommunikationsformen, die im Lernprozess eine Rolle spielen: die Kommunikati-on zwischen Schüler und Lehrer, zwischen Schüler und Schüler, zwischen Schüler und der Sache. Kernstück der Zwölf Grundformen, so sieht es der Autor selbst, ist der zweite Teil, in dem die Lernin-halte bzw. Strukturen „einen Handlungsablauf erarbeiten“, „eine Operation aufbauen“ und „einen Begriff bilden“ thematisiert werden (Dimension der Lerninhalte oder Strukturen: Grundformen 6, 7 & 8). Für den Schweizer Psychologen liegt der Ursprung des Denkens im Handeln; diesem ontogeneti-schen Prinzip entsprechend, sollten Lehrer und Schüler zunächst ein Handlungsschema erarbeiten, dann eine mathematische Operation durchführen und schließlich einen Begriffsinhalt aufbauen. Hier führt Aebli „die psychologische Tradition fort, die ihren Ursprung in der Theorie Piagets hat“ (Aebli 2003: 24). Um einen geordneten Aufbau neuer Strukturen beim Lernenden zu erreichen, sollte der Lernprozess schließlich nacheinander durch die Schritte bzw. Vorgänge des problemlösenden Auf-baus, des Durcharbeitens, des Übens/Wiederholens und der Anwendung (Dimension der Funktionen: Grundformen 9-12) gekennzeichnet sein. Diese Vorgänge werden im dritten Teil beschrieben. Erst das genaue Durchdenken dieser drei Dimensionen führt Aebli zufolge zu erfolgreichem Lernen.

Trotz des grundsätzlich konstruktivistischen (und das heißt immer auch: vom Lernenden ausgehen-den) Ansatzes verschwindet der Lehrende bei Aebli wie man sieht keineswegs. Seine Rolle ist alles andere als marginal: Er hat die wichtige Aufgabe, das Lernangebot zu strukturieren, um die Lernsitua-tionen im Unterricht zu gestalten. Dabei sollte er sowohl „eine Vorstellung von den Ergebnissen des Unterrichts“ als auch „eine Vorstellung von der Struktur der Verarbeitungsprozesse haben, die der Schüler auf das Lernangebot richtet.“ (Aebli 2003: 385). Aebli deutet „Entwicklung als die Summe der Lernprozesse des Kindes“ und hebt hervor, „dass von seiner sozialen Umwelt, insbesondere der Familie, aber auch von der Schule wichtige Anstöße zur Entwicklung ausgehen“ (Aebli 2003: 391). Mit seiner Allgemeinen Didaktik auf psychologischer Grundlage, wie der Untertitel der Zwölf Grund-formen lautet, hat Aebli vielen geholfen, diese Entwicklung professionell zu unterstützen.

Auch die beiden Oldenburger Erziehungswissenschaftler Hanna Kiper und Wolfgang Mischke neh-men eine im Kern konstruktivistische Position ein und begrüßen es, dass der Lernende und seine indi-viduellen Lernprozesse seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt ins Zentrum des Interesses gerückt sind (Kiper & Mischke 2004: 32). Allerdings weisen sie auch auf die Überforderung gerade lernschwacher Schülerinnen und Schüler hin, wenn didaktische Theorien (und aus ihnen resultierende praktische Ab- leitungen) ausschließlich die selbstgesteuerten, subjektiven, situativen und sozialen Konstruktionspro-zesse der Lernenden fokussieren (2004: 34). Ist der Raum, in dem sich didaktisches Handeln voll-zieht, durch die beiden Pole Instruktion und Konstruktion gekennzeichnet, so nehmen die Autoren ei-ne vermittelnde Position ein. Sich explizit u.a. auf Aebli beziehend, verfolgen sie in ihrem didakti-schen Konzept, das sie selbst als „integrativ“ bezeichnen, eine Verbindung zwischen gezielter Instruk-tion des Lehrenden und selbstgesteuerter Konstruktion des Lernenden. Sie entwerfen ein Modell, das schulisches Lernen aus der Handlungsperspektive von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern beschreibt (Kiper & Mischke 2004: 71-92).

Sowohl für Aebli als auch für Kiper/Mischke liegt auf der Hand, dass eine in der Theorie des Behavi-orismus verankerte (und das heißt in der Praxis: lernzielorientierte) Didaktik nicht geeignet ist, Wis-sen bereitzustellen, auf das professionelle oder sich professionalisierende Lehrende zurückgreifen sollten. Vielleicht kann man auch sagen: nicht geeignet ist, bei Schülern nachhaltiges Lernen zu gene-rieren. Denn dabei wird das Grundprinzip des Lernens schlichtweg verkannt: das aktive, prozesshafte, eigenständige und hochkomplexe Aufbauen kognitiver Strukturen.

4. Konsequenzen (II): Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien

Sowohl die Anforderungen des lebenslangen Lernens als auch die konstruktivistischen Annahmen über die psychologischen und neurobiologischen Prozesse während des Lernens implizieren, dass Lernaktivitäten großenteils selbstreguliert ablaufen (sollten).5 Schon während der Schulzeit lernen Schülerinnen und Schüler – je nach Lehr-Lernarrangement – teilweise selbstreguliert im Unterricht. Und immer tun sie das zu Hause, nämlich bei der Erledigung der Hausaufgaben oder der Vorberei-tung auf eine schriftliche oder mündliche Prüfung. Individuen moderner Wissensgesellschaften wer-den sich im Laufe ihres Lebens oft in Lernsituationen finden, in denen sie einen Stoff durchdringen, ein Problem lösen, eine Aufgabe bewältigen müssen – und zwar ohne dabei direkt angeleitet zu sein. Gerade durch die enorme Zunahme beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen, die sich die Arbeitnehmer oft sogar selbst organisieren müssen, wird die Fähigkeit zu selbstreguliertem und selbstgesteuertem Lernen an Bedeutung gewinnen. So ist es kein Wunder, dass die Weiterbildungsforschung schon früh das Konzept des selbstregulierten Lernens aufgenommen und weiterentwickelt hat (Sembill 2000; Straka 2005). Was genau aber ist selbstreguliertes Lernen? Wie kann es definiert werden?

4.1 Selbstreguliertes Lernen

In der Forschung kursieren verschiedene Vorschläge, die – je nach Untersuchungsinteresse – unter-schiedliche Schwerpunkte setzen (Artelt 2000: 9f.; Brunstein & Spörer 2006: 677f.; Tiaden 2006: 16ff.). Eine frühe allgemeine Definition von Weinert (1982: 102) fasst darunter diejenigen Lernfor-men, bei denen „der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen darüber, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann.“ Während Weinert hier die vielfäl-tigen Handlungsspielräume akzentuiert, die dem Lerner im Gegensatz zu (z. B. durch Lehrer) fremd-gesteuerten Lernprozessen offen stehen, betonen Schiefele & Pekrun (1996: 258) in ihrer Definition die psychologische Dimension mit ihren Komponenten Kognition, Metakognition und Motivation, die der Lerner eigenständig steuert und überwacht:

„Selbstreguliertes Lernen ist eine Form des Lernens, bei der die Person in Abhängigkeit von der Art ihrer Lern- motivation selbstbestimmt eine oder mehrere Selbststeuerungsmaßnahmen (kognitiver, metakognitiver, volitio-naler oder verhaltensmäßiger Art) ergreift und den Fortgang des Lernprozesses selbst überwacht.“

Ein theoretisch fundiertes Modell hat Monique Boekaerts (1999) vorgelegt. Es liegt auch der Auffas-sung des Deutschen PISA-Konsortiums zugrunde, das die internationalen PISA-Befunde zum selbst-regulierten Lernen um eine nationale Messung des Lernstrategiewissens ergänzt hat (Artelt, Demm-rich & Baumert 2001). Nach Boekaerts kommt es beim selbstregulierten Lernen zu einem dynami-schen Wechselspiel zwischen kognitiven, metakognitiven und motivationalen Aspekten. Sie unter-scheidet drei Ebenen bzw. Schichten (engl. layer), in denen Regulationsprozesse ablaufen: 1. die Re­gulation der Informationsverarbeitung durch die Wahl kognitiver Strategien; 2. die Regulation des Lernprozesses durch den Gebrauch metakognitiven Wissens und 3. die (motivationale) Regulation des Selbst durch die Wahl von Zielen und Ressourcen. Schematisch stellt Boekaerts ihr Modell so dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Drei-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens nach Boekaerts (1999: 449)

Die Schicht der Regulation des Verarbeitungsmodus beschreibt die Fähigkeit des Lerners, spezifische, für die Lösung der Aufgabe geeignete Lernstrategien auszuwählen. Wichtig ist, dass der Lerner ver-schiedene kognitive Strategien6 kennt; nur wenn er unter Alternativen wählen kann, ist er in der Lage, die ihm adäquat erscheinende auszuwählen. Um selbstreguliertes Lernen aktiv zu gestalten und er-folgreich zu bewältigen, sollte der Lerner also über ein breites Repertoire an Lernstrategien verfügen. Die Schicht der Regulation des Lernprozesses bildet quasi das Herzstück des selbstregulierten Ler-nens. Hier aktiviert der Lernende zum einen metakognitives Wissen, indem sich z. B. verdeutlicht, worin das Ziel der Aufgabe besteht, welche Strategie dafür besonders geeignet ist und wie gut er mit Aufgaben solchen Typs üblicherweise zurecht kommt. Zum anderen setzt er bewusst metakognitive Strategien ein, indem er seinen eigenen Lernprozess plant, überwacht, steuert, reguliert und abschlie-ßend das Lernergebnis und sein Vorgehen evaluiert.7

Die Schicht der Regulation des Selbst hebt ab auf die Motivation des Lernenden. Ein guter selbstregu-lierter Lerner zeichnet sich dadurch aus, dass er sich selbstständig Ziele setzt (z. B. Behalten von Vo-kabeln, Verstehen eines Textes), eigene Ressourcen organisiert (z. B. Lernort, Zeit, Anstrengung), sich motiviert, die Ziele auch tatsächlich zu erreichen und Erfolge bzw. Misserfolge angemessen ver-arbeitet. Nicht allein das Wissen um geeignete Lernstrategien und die Planung und Überwachung des Lernprozesses, sondern auch motivationale und volitionale Kontrolle sind entscheidend, um die Lern-aufgabe zu bewältigen. Die Fähigkeit, das Selbst zu regulieren, ist allerdings stark abhängig vom Selbstkonzept des Lernenden, also dem „mentalen Modell einer Person über ihre Fähigkeiten und Ei- genschaften“ (Hasselhorn & Gold 2006: 102-122; vgl. Moschner & Dickhäuser 2006: 685; Rheinberg 1997: 84ff.).

Mittlerweile gilt Metakognition vielen Forschern als der zentrale Kern des selbstregulierten Lernens (Artelt 2000: 31; Tiaden 2006: 20, 34f.). Zwar ist selbstreguliertes Lernen insgesamt ein psycholo-gisch sehr komplexes Phänomen, das kognitive, metakognitive und motivationale Anforderungen an den Lerner stellt, doch kommt metakognitiver Kompetenz hier offensichtlich eine Schlüsselrolle zu. Einerseits sind auch der innersten Schicht des Boekaertschen Modells (Regulation des Verarbei-tungsmodus) metakognitive Anteile implizit. Denn die bewusste Wahl einer kognitiven Strategie ist Ergebnis des metakognitiven Wissens des Lerners, das es ihm ja erst ermöglicht, eine Evaluation al-ternativer Lernstrategien vorzunehmen, um sich schließlich für die Erfolg versprechendste zu ent-scheiden (Tiaden 2006: 27). Und andererseits ist auch die Sphäre der Regulation des Selbst ohne me-takognitive Fähigkeiten nicht denkbar: Ziele zu definieren, Lernumgebungen zu gestalten oder sich zu zwingen, sich nicht abzulenken, sind Resultate der Fähigkeit, über den Prozess erfolgreichen Lernens selbst nachzudenken. Gerade der Volitionskontrolle kommt eine hohe Bedeutung zu, denn bei gerin-ger Motivation, eine Lernhandlung auszuführen, kann eine starke Kontrolle des Willens dazu führen, den Lernprozess trotzdem zu initiieren, entsprechende Ressourcen bereitzustellen und das Ziel beharr-lich zu verfolgen. Volitionale Kontrolle ist daher in der Forschung mit metakognitiver Regulation verglichen worden; es existiert sogar die Auffassung, Metakognition sei eine Teilmenge der Volition (Hasselhorn & Gold 2006: 114).

Zusammenfassend kann man sagen, dass selbstreguliert Lernende der konstruktivistischen Auffassung vom Lernen in idealer Weise entsprechen: Aktiv und weitgehend selbstbestimmt planen, organisieren, gestalten und überwachen sie ihren eigenen Wissensaufbauprozess; sie stecken sich selbst Ziele und setzen verschiedene kognitive und metakognitive Strategien ein, um diese zu erreichen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Qualität ihrer Lernprodukte aus.

4.2 Lernstrategien

Schon seit den 1960er Jahren konnte empirisch nachgewiesen werden, dass strategisches Vorgehen bei vielen Lernanforderungen das Ergebnis positiv beeinflusst (Artelt 2000: 153-161; Friedrich & Mandl 2006: 12-16; Hasselhorn & Gold 2006: 89). Gerade erfolgreiches selbstreguliertes Lernen kommt ohne den Einsatz von Lernstrategien nicht aus (Artelt 2000: 9ff.). Was aber kann man unter Lernstrategien konkret verstehen?

Wie beim Modell des selbstregulierten Lernens gibt es auch für Lernstrategien verschiedene Definiti­ons- und Klassifikationsansätze (Artelt 2000: 18ff.; Friedrich & Mandl 2006: 1ff.; Hasselhorn & Gold 2006: 89ff.; Spörer 2003: 21ff.; Tiaden 2006: 39ff.; Wild 2006). Hasselhorn & Gold (2006: 90) kom-men zu einer Definition, die aufgrund ihrer Offenheit für den Lernort Schule brauchbar ist:

„Unter Lernstrategien versteht man Prozesse bzw. Aktivitäten, die auf ein Lern- oder Behaltensziel ausgerichtet sind und die über die obligatorischen Vorgänge bei der Bearbeitung einer Lernanforderung hinausgehen. Lern-strategien weisen wenigstens eine zusätzliche akzessorische Eigenschaft auf, indem sie entweder intentional, be-wusst, spontan, selektiv, kontrolliert und/oder kapazitätsbelastend sind bzw. eingesetzt werden.“

Lernende können Strategien demnach sowohl spontan, als auch auf Anordnung des Lehrenden einset-zen; sie können sich ihren Einsatz bewusst machen oder sie als automatisierte Lernroutinen gar nicht mehr wahrnehmen, was schonend für die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ist. In den meisten Fäl-len ist die Fähigkeit zu strategischem Vorgehen von den Lernenden aber erst zu erwerben, was auch die Analyse der Ausgangslage in meinen beiden untersuchten Lerngruppen ergeben hat (s. u., S. 25f.).

Üblicherweise werden drei verschiedene Kategorien von Strategien unterschieden: kognitive Strate-gien, metakognitive Strategien und Stützstrategien. Im Folgenden soll nur kurz auf die erste Kategorie eingegangen werden, da metakognitive Strategien (und die zu ihnen zählenden Stützstrategien) weiter unten im Zusammenhang mit dem Metakognitionsmodell erklärt werden. Als kognitive Strategien werden diejenigen Strategien bezeichnet, die primär der Aufnahme, Verar-beitung und Speicherung von neuen Informationen dienen (Hasselhorn & Gold: 91; Wild 2006: 430; Wild, Hofer & Pekrun 2006: 245). Hierzu zählen insbesondere:

1. Wiederholungsstrategien/Mnemotechniken: Sie sind darauf ausgerichtet, einzelne Informationen auswendig zu lernen, zu behalten bzw. in das Langzeitgedächtnis zu transferieren. Wiederho-lungsstrategien werden oft als Oberflächenstrategien gekennzeichnet, d. h. als eine Form des Ler-nens, mit der nicht notwendigerweise das Durchdringen bzw. semantische Verstehen des Stoffes einhergehen muss. Deswegen werden sie eher negativ konnotiert (Steiner 2006a: 101).8
2. Organisationsstrategien: Diese Strategien zielen darauf ab, neue komplexe Informationen zu or-ganisieren und damit zu reduzieren. Der Lerner arbeitet hier wichtige Gedanken, Fakten oder Zu-sammenhänge heraus und versucht (z. B. mittels Unterstreichen wichtiger Textstellen) das We-sentliche zu erfassen. Dabei können Visualisierungen wie Tabellen, Diagramme, Schaubilder, Mind-Maps oder Concept-Maps angefertigt werden, die den Stoff strukturieren und vereinfachen. Organisationsstrategien sind Tiefenstrategien, zielen auf das Verstehen des Stoffes ab und werden erfolgreich beim Lernen aus Texten angewendet (Ballstaedt 2006; Renkl & Nückles 2006).
3. Elaborationsstrategien: Diese Lernstrategien versuchen, die neue Information in die bestehenden Wissensstrukturen zu integrieren. Der Lerner stellt sich hier Fragen, was er zu diesem Thema schon weiß bzw. in welchem Verhältnis das Neue zum schon Gelernten steht. Dadurch aktiviert er sein Vorwissen und ermöglicht der neuen Information, an das vorhandene Wissensnetz an-knüpfen zu können (Krause & Stark 2006).9 Er erfindet zudem geeignete Beispiele, um sich das gerade Gelesene zu veranschaulichen. Hilfreich kann auch sein, Analogien zu bekannten Wis-sensbeständen herzustellen. Um die neue Information im Gedächtnis erfolgreich zu verankern, kann der Lerner mentale Bilder generieren (Bannert & Schnotz 2006) oder einen zusammenfas-senden Satz bilden. Auch Elaborationsstrategien fördern als Tiefenstrategien ein semantisches Verständnis des zu lernenden Stoffes und werden vor allem beim Textlernen eingesetzt.

5. Das Konzept Metakognition

Das begriffliche Denken des Menschen wendet sich auch zurück auf sein eigenes Tun und auf die psychischen Prozesse, die sich im Zuge desselben abspielen. Ja, im Grenzfall wendet sich begriffliches Denken auf sich selbst zurück und versucht, es zu verstehen. Es ist damit „Reflexion“ im strengen Sinn des Wortes, ein Deutungsprozess, der sich auf das Denken

selbst bezieht. Hans Aebli (1981:83)

In den vorangegangenen Kapiteln ist mehrfach von Metakognition, metakognitivem Wissen und me-takognitiven Strategien gesprochen worden, ohne den Begriff und seine Facetten systematisch zu er-läutern. Dies soll an dieser Stelle geschehen.

5.1 Der Metakognitionsbegriff

Die Wurzeln der Metakognition (oder besser: des Nachdenkens über sie) reichen weit in die Ge-schichte zurück. Schon Platon und Aristoteles haben die genuin menschliche Fähigkeit beschrieben, sich vom eigenen Denken zu distanzieren und über den Denkprozess selbst zu reflektieren, also ge-wissermaßen Kognitionen über Kognitionen anzustellen (Brown 1984: 65). In der Neuzeit sind die Wurzeln dieser Denkprozesse zweiter Ordnung vielfältig; im 20. Jahrhundert sind sie in der Entwick-lungspsychologie z. B. in Piagets Theorie des Selbststeuerungsmechanismus oder Wygotskis Konzept der Internalisierung auszumachen (Brown 1984: 84-98).

Den eigentlichen Begriff der Metakognition hat jedoch der amerikanische Entwicklungspsychologe John H. Flavell Mitte der 1970er Jahre eingeführt. Ausgehend von seinen früheren Studien zum „Me-tagedächtnis“ (metamemory), beschrieb er 1976 eine diesem übergeordnete Instanz und nannte sie metacognition. Diesen Begriff definierte Flavell (1976: 232) folgendermaßen:

“’Metacognition’ refers to one’s knowledge concerning one’s own cognitive processes and products or anything related to them, e.g. the learning-relevant properties of information and data. [...] Metacognition refers, among other things, to the active monitoring and consequent regulation and orchestration of these processes in relation to the cognitive objects or data on which they bear, usually in the service of some concrete goal or objective.”

Bereits in dieser frühen – und relativ allgemeinen – Definition sind schon die beiden Komponenten angesprochen, die die Metakognitionsforschung im Kern heute immer noch bestimmen: 1. der dekla-rative Wissensaspekt, der das Wissen über die eigenen kognitiven Funktionen, Denkprodukte und Zie-le beschreibt, die im Zusammenhang mit einem Lerngegenstand wichtig sind, und 2. der prozedurale bzw. exekutive Kontrollaspekt, der auf die Überwachung und Steuerung eben dieser mentalen Prozes-se abhebt. Während sich Flavell selbst in den folgenden Jahren bemühte, vor allem die deklarative Wissenskomponente genauer zu untersuchen, haben andere Forscher wie Ann L. Brown versucht, die exekutive Kontrollkomponente näher zu bestimmen (Artelt 2000: 40).

Allerdings war Metakognition von Anfang an ein schillernder, nur schwer zu fassender Begriff. Die Problematik besteht darin, dass sich das Konzept aus unterschiedlichen Forschungstraditionen entwi-ckelt hat und sich in ihm kognitive, metakognitive und motivationale Aspekte überlagern. Zugleich treffend und ironisch bemerkt Ann Brown (1984: 99), eine der ersten Forscherinnen auf diesen Ge-biet, dass „Metakognition nicht nur ein Monstrum ungeklärter Elternschaft ist, sondern zudem ein vielköpfiges Monstrum.“ Außerdem ist es in der empirischen Praxis oft schwierig, eine trennscharfe Unterscheidung zwischen kognitiven und metakognitiven Denkprozessen vorzunehmen (Brown 1984: 61; Hasselhorn 2006: 481f.; Weinert 1984: 14f.), ganz abgesehen von der Problematik, die metakog-nitive Fähigkeit eines Individuums, z. B. eines Schülers, überhaupt zu messen (Artelt 2000: 75-106; Hasselhorn 2006: 481f.; Veenman 2005).10 Und auch nach 30 Jahren wird das Konzept immer noch nicht einheitlich gefasst, gibt es verschiedene Interpretationen und Definitionen dieses komplexen Phänomens (Artelt 2000: 32-40; Tiaden 2006: 47-60).

Marcus Hasselhorn hat sich bemüht, verschiedene Ansätze zu integrieren und schlägt eine m.E. brauchbare Definition vor. Nach Hasselhorn (1992: 36; Herv. i. O.) hat Metakognition

„mit dem Wissen und der Kontrolle über das eigene kognitive System zu tun. Metakognitive Aktivitäten heben sich von den übrigen mentalen Aktivitäten dadurch ab, dass kognitive Zustände oder Prozesse die Objekte sind, über die reflektiert wird. Metakognitionen können daher Kommandofunktionen der Kontrolle, Steuerung und Regulation während des Lernens übernehmen.“

Mit dieser Definition übernimmt Hasselhorn nicht nur die beiden Komponenten Wissen und Kontrol-le, er entscheidet sich auch dafür, Metakognition als bewussten Vorgang aufzufassen, wenn er hervor-hebt, dass über kognitive Zustände oder Prozesse reflektiert wird.11

Was genau aber wird unter diesen beiden Komponenten verstanden? Im Folgenden soll zunächst das ursprüngliche Konzept, das Flavell und Brown geprägt haben, beschrieben werden. Danach wird ein knapper Überblick über ein differenzierteres Metakognitionsmodell gegeben, aus dem ich die Fragen für die schulische Untersuchung abgeleitet habe.

5.2 Metakognitives Wissen – die erste Komponente der Metakognition (Flavell)

Flavell selbst (1979b) erläutert in einem kurzen Beitrag, was für ihn metakognitives Wissen bedeutet.

Er gliedert es in drei verschiedene Bereiche:

1. Wissen über Personvariablen bzw. Wissen über sich selbst – Darunter versteht Flavell die Kennt-nis und angemessene Einschätzung der eigenen Lern- und Erinnerungsmöglichkeiten. Der Lerner weiß aus Erfahrung, wo seine spezifischen Stärken und Schwächen liegen, er weiß z. B., dass ihm Lernen aus Texten eher gelingt, als ein mathematisches Problem zu lösen (intra individuelle Un-terschiede). Darüber hinaus kennt er seine Lernleistungen im Vergleich zu anderen Lernern, de-nen seiner Klasse oder seiner Peer-Group (inter individuelle Unterschiede). Schließlich fallen in diese Kategorie auch allgemeine Kenntnisse über das Lernen selbst: Der Lerner weiß z. B., dass Lernen anstrengend ist und Konzentration sowie Aufmerksamkeit erfordert.
2. Wissen über Aufgabenvariablen – Hiermit ist das Wissen des Lerners über die Anforderungen gemeint, die er für ein erfolgreiches Lösen der Lernaufgabe erfüllen muss. Darunter fällt z. B., das Ziel der Aufgabe zu kennen. Dieser Bereich ist sehr wichtig, denn kognitive und metakogniti-ve Tätigkeiten stehen in starker Abhängigkeit vom Ziel der Aufgabe. Beispielsweise macht es für die Lernaktivität einen erheblichen Unterschied, ob das Ziel darin besteht, einen Text durchzule-sen oder ihn zu verstehen.
3. Wissen über Strategievariablen – Hierunter fällt das Wissen, das der Lerner über die (allgemeinen und bereichsspezifischen) kognitiven Strategien erworben hat, mit denen eine Lernaufgabe erfolg-reich bewältigt werden kann. Er wird beispielsweise andere Strategien einsetzen, wenn er eine Liste lateinischer Vokabeln behalten will, als wenn das Ziel darin besteht, einen Text über die Theorie des gerechten Krieges von Augustinus zu verstehen und die neuen Informationen auf den Ersten Kreuzzug anzuwenden.

5.3 Metakognitive Kontrolle – die zweite Komponente der Metakognition (Brown)

Schon früh hat Brown (1978) den exekutiven Kontrollaspekt der Metakognition differenziert. Zu-sammengefasst (nach: Hasselhorn 1992: 38; González Weil 2006: 30) unterscheidet sie Analyse-, Planungs-, Überwachungs- und Bewertungsprozesse. Analyseprozesse sind auf die Identifizierung und Charakterisierung von Lernanforderungen gerichtet. Planungsprozesse beziehen sich auf die Pla-nung des Strategieeinsatzes, sagen z. B. Ergebnisse ihres Einsatzes voraus oder spielen unterschiedli-che Möglichkeiten von Strategien durch. Diese beiden Prozesse finden vor der eigentlichen Aufga-benbearbeitung statt. Überwachungsprozesse sorgen während der Aufgabenbearbeitung für eine „Su- pervision“ der eingesetzten Strategien: Hier werden die Lernstrategien gesteuert, geprüft, ggf. abge-ändert und neu geplant. Schließlich kommt es nach Beendigung des Lernens zu Bewertungsprozessen, in denen sowohl der Einsatz der verschiedenen Strategien im Hinblick auf ihre Effektivität als auch das erzielte Lernergebnis selbst evaluiert werden.

5.4 Eine Weiterentwicklung – Das Metakognitionsmodell von Pintrich et al. (2000)

Im Kern ist diese ursprüngliche Auffassung von Metakognition in der Forschung erhalten geblieben, sie wurde aber differenziert und erweitert. Eine für meine Untersuchung brauchbare Weiterentwick-lung des Metakognitionsmodells ist das von Pintrich, Wolters & Baxter (2000).12 Ihr Metakogniti-onsmodell besteht aus insgesamt drei Komponenten.

Metakognitives Wissen a) Das Aufgabenwissen ist mit der Vorstellung von Flavell identisch. b) Das Strategiewissen differenzieren die Autoren. Sie unterscheiden

- deklaratives Wissen als das Wissen, welche verschiedenen Strategietypen für das Behalten, Denken, Problemlösen usw. überhaupt zur Verfügung stehen und heben damit auf das Strate-gierepertoire des Lerners ab;
- prozedurales Wissen als das Wissen, wie verschiedene kognitive Strategien genutzt und ein-gesetzt werden;
- konditionales Wissen als das Wissen, wann und warum es hilfreich ist, verschiedene kognitive Strategien einzusetzen13 (Tiaden 2006: 52). c) Das Wissen über das Selbst kennzeichnen Pintrich und Kollegen als „hot cognitions“; diese Kognitionen begreifen sie im Unterschied zu Flavell nicht als rein metakognitive, sondern als motivationale Konstrukte (González Weil 2006: 31). Auch andere Autoren sehen dieses Wissen als den zentralen Teil eines Konzepts, das in den Bereich der Motivation fällt – das Selbstkonzept.14 Browns Auffassung der zweiten Komponente – metakognitive Kontrolle – haben Pintrich, Wolters & Baxter (2000) im Kern zwar übernommen, sie schlagen aber auch hier eine präzisierende Differenzie-rung vor. Diese ursprünglich als Einheit aufgefasste Komponente spalten sie in zwei auf: in eine Komponente der metakognitiven Einschätzung und Überwachung und in eine Komponente der Selbstregulation und Kontrolle. Die beiden letzten werden ihrerseits in je vier metakognitive Teilpro-zesse gegliedert, die im Folgenden kurz beschrieben werden (nach Tiaden 2006: 54ff.).

Metakognitive Einschätzung (judgement) und Überwachung a) Einschätzung der Aufgabenschwierigkeit (task difficulty/ease of learning) – Diese subjektiven Ur- teile ergeben sich durch einen Abgleich zwischen dem metakognitiven Aufgabenwissen („Was ist hier zu tun?“) und dem Wissen über das Selbst („Wie gut kann ich so etwas?“). Steht am Anfang des Lernens eine solche Einschätzung, kann der Lerner seine ihm zur Verfügung stehenden Res-sourcen (z. B. Lernzeit, Lernort, Lernmittel, Anstrengungsbereitschaft) besser organisieren.

[...]


1 Die in den hochkomplexen Bereich der Motivation fallenden Konzepte der Erfolgsmotivation/Misserfolgsängstlichkeit und der Selbstwirksamkeit (self efficacy, zurückgehend auf den kanadischen Psychologen Albert Bandura) werden im Kap. On-togenetische Bedingungen der Metakognition ab S. 16 skizziert; zum Selbstkonzept siehe auch unten S. 7.

2 Zur Unterscheidung von deklarativem und prozeduralem Wissen vgl. Dubs (2006: 19). Unter deklarativem Wissen wird (gut strukturiertes und nicht träges!) Basiswissen verstanden, unter prozeduralem Wissen vor allem die (kognitiven und me-takognitiven) Techniken und Strategien, die die Lernenden befähigen, möglichst selbstständig Aufgaben und Problemstel-lungen zu lösen. Dubs fasst hier – in Anlehnung an Weinert (2001) – metakognitive Strategien als einen Teil des prozedura-len Wissens auf.

3 Für eine aktuelle und informative Übersicht über Geschichte, Gegenstandsbereich und Aufgaben der Pädagogischen Psy-chologie siehe das gleichnamige Kapitel von Krapp, Prenzel & Weidenmann (2006).

4 Das sind die komplementären Prozesse, die von Piaget als Assimilation und Akkommodation beschrieben worden sind.

5 In der Forschung werden mehrere Adjektive zur Kennzeichnung dieser Lernform verwendet: selbstreguliert, selbstgesteu-ert, selbstständig, selbstbestimmt, selbstorganisiert, eigenständig. Da bei dieser Lernform kognitive, metakognitive und mo-tivationale Prozesse der Regulation eine wichtige Rolle spielen und Regulation zudem eine bedeutende Komponente von Metakognition ist, erscheint es mir im Zusammenhang dieser Arbeit sinnvoll, von selbstreguliertem Lernen zu sprechen.

6 Was genau unter kognitiven Strategien verstanden wird, wird im nächsten Kapitel geklärt.

7 Die einzelnen Komponenten der Metakognition werden genauer ab Seite 11 beschrieben.

8 Eine differenzierte Sichtweise bietet Steiner (2006a), der Wiederholungsstrategien eine wichtige Bedeutung im Lernpro-zess zumisst, weil sie den Lerner Informationen wiederholt enkodieren, abrufen und anwenden lassen; außerdem fördern Wiederholungen den Aufbau des Wissens und können Ergebnis metakognitiver Regulation sein. Vgl. auch Aebli (2003: Kap. XII. Grundform 11: Üben und Wiederholen). Allerdings zielt Aeblis Grundform Üben und Wiederholen eher auf eine Automatisierung und Konsolidierung von Handlungen, Operationen und Begriffen (nach dem „Durcharbeiten“) als auf die Vermittlung von Techniken, die (isolierte) Fakten besser behalten lassen.

9 Wie wichtig das Vorwissen für die Konstruktion neuer Bedeutung ist, konnte mittlerweile auch aus neurobiologischer Sicht bestätigt werden: „Dinge, die für den Lernenden neu, d.h. nicht anschlussfähig sind, fallen durch die Gedächtnisnetze hin-durch, weil sie nirgendwo Brücken zu bereits vorhandenem Wissen bilden können.“ (Roth 2006: 66). Die Aktivierung des Vorwissens mit Hilfe von Elaborationsstrategien dient genau dieser Brückenbildung.

10 Zum Problem der Fragebogenerhebung siehe unten Seite 18f.

11 In der kognitiven Psychologie ist umstritten, ob Bewusstheit ein notwendiges Merkmal von Metakognition ist. Weinert (1984: 15) bringt ein Beispiel: Soll einem Kind, das mehr Lernzeit für schwierige als für leichte Wörter einer Wortliste auf-wendet, sich dessen aber anscheinend nicht bewusst ist und auch keinerlei verbale Auskunft darüber geben kann, metakogni-tives Wissen attestiert werden? Zum Bewusstseinsproblem in der Psychologie vgl. auch Brown (1984: 76f.). Ich habe mich aus pragmatischen Gründen für den Ansatz von Hasselhorn entschieden. Zum einen geht es mir ja darum, metakognitive Ak-tivitäten bewusst zu fördern bzw. in den Zustand des Bewusstseins zu bringen, zum anderen bin ich auf die Lerntagebuch-protokolle, Lernprodukte und (Selbst)Berichte der Schüler im Unterricht angewiesen, und das sind ja zumeist Ergebnisse bewussten Handelns.

12 Da es mir leider nicht möglich war, das Buch, indem sich ihr Aufsatz befindet, in Berlin aufzutreiben, muss ich auf ande-re, diese Publikation zitierende Autoren zurückgreifen (Tiaden 2006; González Weil 2006).

13 Dabei lehnen sich die Autoren an einer weiteren Komponente an, die Flavell „Sensitivität“ genannt hatte – hiermit meinte er das Gespür dafür, in einer bestimmten Lernsituation eine spezifische Strategie einzusetzen (Flavell 1979a: 254ff.).

14 Das generelle Selbstkonzept des Menschen zerfällt in Partialbereiche; die Selbsteinschätzung von schulischen Fähigkeiten wird als „akademisches Selbstkonzept“ bezeichnet. Wie wichtig das Selbstkonzept für die Lernbiographie ist, zeigen viele empirische Studien, die eine signifikant hohe Korrelation zwischen positivem akademischem Selbstkonzept und schulischen Leistungen nachgewiesen haben (Moschner & Dickhäuser 2006: 688). Zur Ausprägung des Selbstkonzepts und Leistungs-motivs s.u. ab Seite 16 dieser Arbeit.

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Metakognition als Mittel der Lernförderung
Untertitel
Beispiele aus dem selbstständigen Unterricht
Hochschule
Schulpraktisches Seminar (S) Charlottenburg-Wilmersdorf
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
55
Katalognummer
V133504
ISBN (eBook)
9783640400881
ISBN (Buch)
9783640400539
Dateigröße
4244 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Metakognition, Mittel, Lernförderung, Beispiele, Unterricht
Arbeit zitieren
Roman Shahriari (Autor:in), 2007, Metakognition als Mittel der Lernförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133504

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