Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Phraseologie im weiteren und engeren Sinne
2.2 Die Bedeutungskonstitution von Redewendungen
2.3 Einschränkungen und Strategien bei der Übersetzung vulgärer Redewendungen
2.4 Besonderheiten bei der Untertitelung von Filmen
3 Praktischer Teil
3.1 Methodologische Überlegungen
3.1.1 Vorgehen
3.1.2 Das Korpus OpenSubtitles2011
3.2 Analyse der Übersetzung von vulgären spanischen Redewendungen mit „cagar“ und „cojones“ ins Deutsche
3.2.1 Me cago en algo o alguien
3.2.2 Que te cagas
3.2.3 Cagarse encima una persona
3.2.4 De cojones
3.2.5 De los cojones
3.2.6 Faltarle a alguien cojones
3.2.7 Estar [bzw. tener] hasta los cojones
3.3 Gesamtauswertung
4 Fazit
5 Abkürzungsverzeichnis
6 Abbildungsverzeichnis
7 Tabellenverzeichnis
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Vulgärsprache steht für eine Ausdrucksweise, die „auf abstoßender Weise derb und gewöhnlich“ bzw. „ordinär“ ist und häufig „abwertend“ verwendet wird.1 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit vulgären spanischen Redewendungen und mit deren möglichen deutschen Übersetzungen in der Filmuntertitelung. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie sich die Bedeutung von Redewendungen allgemein konstituiert und wie eine geeignete Übersetzungsstrategie von vulgären Redewendungen aussehen könnte. Zudem soll untersucht werden, ob im Deutschen häufig Abschwächungen oder Auslassungen vorkommen, wie in der Arbeit von Schröpf (vgl. 2012: 231), in der ebenso spanisch-deutsche Untertitel analysiert wurden. Bei der Analyse der Redewendungen sollen die impliziten Informationen der Redewendungen, die sogenannten Implikaturen (vgl. Torrent 2012: 276), gefunden werden.
Das gewählte Thema ist aus verschiedenen Gründen interessant. Zum einen scheint die Akzeptanz gegenüber vulgären Redewendungen in Spanien weitaus größer zu sein als in Deutschland (vgl. Torrent et al. 2020: 15). Zum anderen entfalte nach Schröpf (vgl. 2012: 226) das geschriebene Wort eine größere Wirkung als das gesprochene. Für die geeignete Übersetzungsstrategie müssen beide Punkte ausreichend berücksichtigt werden, da Übersetzer*innen eine ethische Verantwortung gegenüber allen Beteiligten haben (vgl. Nord 1993: 18) und sie ungewollte Tabubrüche vermeiden sollten.
Im Theorieteil werden die relevanten Begriffe und mögliche Übersetzungsstrategien bei vulgären Redewendungen und Besonderheiten bei Untertiteln dargestellt. Im Praxisteil wird zunächst das Vorgehen der Analyse erläutert. Kernstück der Arbeit bildet die Analyse von 7 spanischen Redewendungen mit den Lemmata „ cagar “ bzw. „ cojón “. Dazu wurden 10-152 zufällige Beispiele aus dem spanisch-deutschen Korpus OpenSubtitles20113 von Tiedemann (2009), das insgesamt 3 979 alignierte Dokumente bzw. 50,7 Millionen Tokens umfasst, mithilfe des Korpuskompilationswerkzeugs SketchEngine 4 ausgewertet. Für die Analyse wurde das spanisch-deutsche Wörterbuch der Redewendungen von Torrent et al. (2020), kurz SDWDR, sowie das monolinguale Online-Wörterbuch der Real Academia Española (o. J.), kurz RAE, verwendet.
2 Theoretische Grundlagen
Im Theorieteil soll Folgendes beleuchtet werden: die Phraseologie im weiteren und engeren Sinne, die Bedeutungskonstitution bei Redewendungen, mögliche Übersetzungsstrategien und Einschränkungen bei vulgären Redewendungen sowie Besonderheiten bei Untertiteln.
2.1 Phraseologie im weiteren und engeren Sinne
Der aus dem griechischen stammende Begriff Phraseologie steht für die Erforschung von Phraseologismen, die von freien Wortverbindungen abgegrenzt werden (vgl. Palm Meister 1997: 1–6).. In der Literatur wird von Autoren wie Palm Meister (1997), Burger (2010) und Torrent (2012) die Phraseologie im engeren und weiteren Sinne unterschieden. Palm Meister (1997) ordnet feste Wortverbindungen und phraseologische Einheiten, also Redewendungen, in die engere Kategorie ein, während die weitere Kategorie zusätzlich Sprichwörter und Lehnsprichwörter umfassen (vgl. Palm Meister 1997: 1–6). In der Arbeit von Burger (vgl. 2010: 14) werden diese Darstellungen anhand von festgelegten Eigenschaften zur Klassifikation beider Kategorien konkretisiert. Für den Autor sind für einen Phraseologismus im weiteren Sinne zwei Eigenschaften relevant (Burger 2010: 14):
„(1) Polylexikalität – der Phraseologismus besteht aus mehr als einem Wort. (2) Festigkeit – wir kennen den Phraseologismus in genau dieser Kombination von Wörtern, und er ist in der Sprachgemeinschaft – ähnlich wie ein Wort – gebräuchlich.“
Liegt zusätzlich zu den beiden ersten Eigenschaften eine dritte vor, nämlich (3) die Idiomatizität, handele es sich um Phraseologie im engeren Sinne. Für die Idiomatizität sei zudem entscheidend, dass die Gesamtbedeutung nicht aus den einzelnen Komponenten abgeleitet werden können (vgl. Burger 2010: 14).
2.2 Die Bedeutungskonstitution von Redewendungen
Redewendungen gehören, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, in die Phraseologie im engeren Sinne. Demnach ist ihre Gesamtbedeutung zu ergründen, nicht die Bedeutung der einzelnen Konstituenten. Gemeint ist also die übertragene Bedeutung (vgl. Torrent 2012: 274f.). Ruggieri (vgl. 2016: 37f.) lehnt dabei die Benennung „übertragene Bedeutung“ bei Redewendungen ab, da diese voraussetze, dass es auch wörtliche Bedeutungen möglich sein müsste, was bei Phraseologismen wie z. B. „aus der Haut fahren“ nicht der Fall sei. Daher spricht sie stattdessen von „lexikalisierter, aktueller Bedeutung“ (Ruggieri 2016: 38). Der Begriff „übertragene Bedeutung“ scheint aber gerade im Kontrast zu der Wort-für-Wort-Bedeutung treffend und beschreibt, dass gerade nicht die Einzelbedeutungen ausschlaggebend sind. Zudem unterstreicht die Benennung die Bedingung der Idiomatizität bei Redewendungen (s. o.).
Torrent (vgl. 2012: 275f.) hält ebenso Polylexikalität, Festigkeit und Idiomatizität für die Phraseologie im engeren Sinne für bedeutend. Die Autorin unterstreicht, dass eine pragmatische Analyse die einzige Möglichkeit sei, die Bedeutung einer Redewendung zu erschließen (vgl. Torrent 2012: 276). Dem ist zuzustimmen, denn die Einbettung in Ko- und Kontext5 sollte berücksichtigt werden. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Die Redewendung „ que te cagas“ kann je nach Kotext eine positive als auch negative Bedeutung haben: ein „ catarro que te cagas“ beschreibt einen „beschissenen Schnupfen“, während „ que te cagas“ in „ marca de helados sabe que te cagas“ für eine „sauleckere Eismarke“ steht (vgl. Torrent et al. 2020: 191). Das Beispiel zeigt auch, dass die wörtliche Bedeutung der einzelnen Konstituenten einer Redewendung für die Gesamtbedeutung nicht ausschlaggebend ist, sondern vielmehr die Aufgliederung der Bedeutung auf alle Konstituenten; auch „funktionelle Transposition“ (vgl. Gak 1981: 67f.) oder „semantische Transposition“ (vgl. Gréciano 1988: 49f.) bezeichnet. Dennoch bleibe eine gewisse Verbindung mit der wörtlichen Bedeutung bzw. der Motivation der Konstituenten bestehen und es komme zu einer Aktualisierung der Referenz (vgl. Torrent 2012: 276). Dies erkläre nach Torrent (vgl. 2012: 276), dass heutzutage Redewendungen wie „ hacer el indio “ oder „ trabajar como un negro “ als rassistisch eingestuft und daher abgelehnt würden. Gleiches gelte für vulgäre Redewendungen wie „ hasta el culo “. Die angeführten Beispiele zeigen, dass über den Text hinausgehende Informationen, z. B. zur Kultur oder Einstellung der AT- und ZT-Rezipienten wichtig sind. Für das Erschließen der Bedeutung ist entscheidend, die Frage nach den durch die Redewendung vermittelten impliziten Informationen, den sogenannten Implikaturen, zu stellen. Torrent unterscheidet zwischen konversationalen, d. h. situationsabhängigen, und konventionellen, d. h. situationsunabhängigen, Implikaturen (vgl. Torrent 2012: 276). Aussagen wie „Du bist nicht allein!“ sind beispielsweise situationsabhängig. Beim Wandern kann durch die Aussage z. B. der implizite Wunsch geäußert werden, dass der andere anhalten soll; wenn jemand hingegen traurig ist, kann damit Mitleid geäußert werden. Die konventionellen, situationsunabhängigen Implikaturen, spielen bei Redewendungen eine bedeutende Rolle. Denn äußert eine Person z. B. die Redewendung „Ich habe die Nase voll!“, dann verstehen alle Zuhörer*innen unabhängig von der Situation, dass der*die Sprecher*in von etwas genervt ist bzw. genug von etwas hat. Nach Torrent (vgl. 2012: 276f.) sind die Hauptimplikaturen bei Redewendungen daher konventioneller Art, wobei eine kontextuelle und pragmatische Analyse für das Finden einer geeigneten Übersetzungsstrategie wichtig ist.
2.3 Einschränkungen und Strategien bei der Übersetzung vulgärer Redewendungen
Schröpf (vgl. 2012: 231) untersuchte in ihrer Arbeit Wutmarker in spanisch-deutschen Untertiteln und kommt dabei zum Ergebnis, dass im Deutschen häufig Abschwächungen und Auslassungen von vulgären spanischen Wortfolgen auftraten, die sich auch nicht mit räumlichen oder zeitlichen Einschränkungen erklären ließen. Die Autorin lässt hier die Frage offen, ob diese Unterschiede auf interkulturell unterschiedlichen Normen beruhen.
In den vorigen Kapiteln wurde deutlich, dass es grundsätzlich nicht auf die wörtliche Bedeutung oder gar das Bild einer Redewendung ankommt, die in die Zielsprache übertragen werden muss, sondern auf die übertragene Bedeutung. Für vulgäre Redewendungen bedeutet das also, dass vor allem die vermittelten Implikaturen erforscht werden müssen. Die Aktualisierung der Referenz erklärt jedoch, warum manche Sprecher*innen trotzdem lieber auf Redewendungen mit vulgären Konstituenten verzichten (vgl. Kapitel 2.2). Das bedeutet, dass man sich als Übersetzer*in fragen muss, wie sich die Vulgarität einer AT-Redewendung auf die Implikaturen auswirken.
Relevant für die Übersetzungsstrategie ist zudem der Hauptgedanke des seit den 1980er Jahren dominierenden Funktionalismus, wonach Übersetzungen nicht nur Sprach- sondern immer auch Kulturtransfers sind und pragmatische Aspekte immer berücksichtigt werden müssen (vgl. Van Vaernbergh 2012: 275). Dazu zählen z. B. Empfänger*innen, Ort oder Zeit. Ein bloßes Übertragen der sprachlichen Oberflächenstruktur, wie zu Zeiten der sprachenpaarbezogenen Translationswissenschaft in den 1950er Jahren üblich war, ist also keinesfalls ausreichend (vgl. Härtinger 2020: 6). Die Gründe für oder gegen vulgäre Redewendungen sind weiter offengeblieben und sollen beleuchtet werden. Jay (2000) untersuchte die Verwendung von pejorativer Sprache. Er ist davon überzeugt, dass kulturelle Normen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen die Verwendung von pejorativer Sprache spielen, da bestimmte linguistische und semantische Einschränkungen je nach Sprache und Kultur vorliegen können (vgl. Jay 2000: 20). Anhand des sogenannten neuro-psychologisch-sozialen-Modells (NPS) versucht er zu erklären, unter welchen Bedingungen die Verwendung von pejorativer Sprache wahrscheinlich ist. Folgende Faktoren sind nach Jay (2000: 81) entscheidend: Neben dem beschriebenen a) „soziokulturellen Faktor“ gebe es b) „psychologische Gründe und Einschränkungen“ sowie eine sogenannte c) „neurologische Kontrolle“.
Zu den soziokulturellen Faktoren zählen z. B. Religion, Tabus, Geschlecht, vorherrschende Zensur und Machtverhältnisse. Während der psychologischen Entwicklung erfahre der Mensch, was in der Gemeinschaft anerkannt und vermieden werden müsse, also die psychologischen Gründe und Einschränkungen, die auch sozio-kulturell bedingt seien. Unter neurologischer Kontrolle versteht der Autor, wie gut sich ein Mensch beherrschen kann und in wie schnell dieser die Beherrschung verliert. Dabei spielten alle drei Faktoren eine Rolle, auch wenn die Gewichtung variieren könne (vgl. Jay 2000: 81).
Die spanische Sprache ist bekanntlich reich an vulgären Redewendungen, die auch in verschiedenen Schichten verwendet werden, also sozio-kulturell akzeptiert werden (vgl. Torrent et al. 2020: XVIII). Ganz anders sieht es bei der Akzeptanz vulgärer Redewendungen im deutschsprachigen Raum aus, was die Arbeit von Schröpf (2012) bestätigte (s. o.). Um ungewollte Tabubrüche zu vermeiden, ist die Frage nach der richtigen Strategie bei der Übersetzung solcher Redewendungen ins Deutsche entscheidend. Um die Bedeutung zu erschließen und in eine andere Sprache übertragen zu können ist es daher relevant, zunächst die Implikaturen in der Ausgangssprache zu ergründen (s. o.). Zwar erscheint es zunächst logisch, dass das Register möglichst beibehalten werden sollte (vgl. Torrent et al. 2020: XVIII), also ein vulgärer Ausdruck auch in die Zielsprache übertragen werden sollte. Würde jedoch ein*e Muttersprachler*in im gegebenen Kontext keine Vulgärsprache verwenden bzw. für diese Person aufgrund ihrer sozio-kulturellen Erfahrungen sogar ein Tabubruch darstellen, sollte besser keine eine vulgäre Übersetzung verwendet werden. Daher ist dem Vorschlag der Autoren Torrent et al. (vgl. 2020: XVIII) zuzustimmen, also sollte man in diesen Fällen besser eine umgangssprachliche Übersetzung suchen. Die Implikaturen anhand des Ko- und Kontexts sollten stets analysiert werden. Torrent & Uría (2020: XVIII) fügen zusätzlich an, dass im Deutschen auch aufgrund einer geringeren Vielfalt an vulgären Ausdrücken, die Vulgärsprache nicht immer übertragen werden könne.
2.4 Besonderheiten bei der Untertitelung von Filmen
Filme bestehen aus komplexen Konstrukten verschiedener Codes. Nicht nur verbale Zeichen, wie Filmdialoge, Lieder, Einblendungen, Bildschirmtexte, sondern auch nonverbale Zeichen, wie Musik, Geräusche, bewegte Bilder spielen für die Bedeutung einer Szene eine Rolle (vgl. Baumann 2016) und müssen bei der Übersetzung von Untertiteln berücksichtigt werden. Gottlieb (1998: 248) unterscheidet dabei vier grundlegende Übertragungskanäle in Filmen.
Die Übertragungskanäle sind:
1. der verbal-auditive Kanal (Dialoge, Hintergrundstimmen, ggf. Liedtexte),
2. der nonverbal-auditiver Kanal (Musik und Geräusche),
3. der verbal-visuelle Kanal (Schriftzeichen im Bild) und
4. der nonverbal-visuelle Kanal (Bildzusammensetzung und -flus).
Schröpf (2012: 225) fügt dem hinzu, dass bei Untertiteln noch ein fünfter Kanal hinzukäme, nämlich der der Untertitel. Da aber die Untertitel inhaltlich mit dem ersten Kanal (verbal-auditiver Kanal) und durch den dritten Kanal (verbal-visueller Kanal) in Erscheinung tritt, scheint es nicht notwendig, einen weiteren Kanal hinzuzufügen. Man kann die Untertitel schlicht in den verbal-visuellen Kanal einordnen.
Dabei können die einzelnen Kanäle je nach Filmgenre für die Bedeutungskonstitution unterschiedlich wichtig sein. Gleiches gilt für verbale und nonverbale Elemente. So ist in Musikfilmen der nonverbale-auditive Kanal für die Semantik besonders relevant, während in Dokumentarfilmen besonders der nonverbal-visuelle Kanal betont ist. Gerade für die Filmübersetzung spielt die Überlegung der Wichtigkeit der einzelnen bedeutungstragenden Komponenten eine wichtige Rolle und die Gewichtungen sollten bei der Überlegung einer Übersetzungsstrategie berücksichtigt werden. Wenn also in Naturdokumentationen besonders die visuelle-nonverbale Komponente betont ist, so sollte besonderes auf den Bildfluss, die gezeigte Tier- und Pflanzenwelt ein besonderes Augenmerk gesetzt werden. Zudem muss beachtet werden, dass vulgäre Ausdrücke nach Schröpf (2012: 226) häufig in Untertiteln abgeschwächt würden, da das geschriebene Wort größere Wirkung entfalte. Nach der Diskussion in Kapitel 2.3 sollte auch immer berücksichtigt werden, ob es aus Sicht von deutschen Muttersprachler*innen überhaupt angemessen erscheint, eine vulgäre Redewendung in einem bestimmten Ko- und Kontext im Deutschen zu verwenden, Die Texttypologie von Reiß & Snell-Hornby (1995: 81-85) kann auch bei der Überlegung der Makrostruktur von multimodalen Texten hilfreich sein. Die Autoren unterscheiden zwischen informativen, operativen und expressiven Texttypen, wobei auch Mischtypen vorkommen können (vgl. Reiß 1976: 84). Diese Einordnung kann Übersetzer*innen dabei unterstützen, eine texttypische Sprache zu wählen. In Untertiteln kommt es zusätzlich vor, dass typische Markierungen der gesprochenen Sprache nicht abgebildet werden, z. B. Häsitationsmerkmale, Ellipsen oder umgangssprachliche Ausdrücke. Da in einer Zeile Text nur begrenzt Platz ist, spielen Kürzungsverfahren oder Verdichtungsverfahren eine Rolle. Auch wenn diese Aspekte der Sprachökonomie in der Untertitelung relevant sind, sollten diese nicht dazu führen, dass die Bedeutung in der Zielsprache verändert wird. Christiane Nord, die auch Funktionalistin ist, prägte den Begriff der Loyalität beim Übersetzen und unterstrich die ethische Verantwortung, die Übersetzer*innen gegenüber allen Beteiligten haben (vgl. Nord 1993: 18). Diese Loyalität sollten auch interlinguale Untertitler*innen wahren.
3 Praktischer Teil
Die vorgenommene Analyse basiert auf der Annahme, dass Untertitel nicht nur als Unterstützung des Verstehens eines Films relevant sind, sondern vielmehr eine wichtige kommunikative Funktion für das Verständnis übernehmen (vgl. Baumann 2016: 18). Zunächst soll das Vorgehen und das verwendete Korpus erläutert werden. Der Fokus dieses Praxisteil liegt auf der Analyse von 7 vulgären spanischen Redewendungen mit den Lemmata „ cagar “ bzw. „ cojón “. Die gesamte Analyse ist in einer Exceldatei beigefügt.
3.1 Methodologische Überlegungen
Zunächst soll das Vorgehen der Analyse der Redewendungen und das verwendete spanisch-deutsche Korpus OpenSubititles2011 vorgestellt werden.
3.1.1 Vorgehen
Das Kapitel 2.4 hat verdeutlicht, das verschiedene nonverbale und verbale Komponenten für die Bedeutungskonstitution in Filmen in verschiedener Gewichtung grundsätzlich relevant sind. Bei der vorliegenden Analyse geht es jedoch nicht darum, alle bedeutungstragenden Elemente der verschiedenen Kanäle zu identifizieren oder deren Gewichtung festzulegen. Es geht vielmehr darum, vulgäre spanische Redewendungen mit den Lemmata „ cagar“ und „ cojón“ aus dem Spanischen mit dem zugehörigen deutschen Segment zu vergleichen. Mithilfe von SketchEngine wurden ca. 10-15 zweisprachige Beispiele6 aus dem Korpus OpenSubtitles2011 zu 7 spanischen Redewendungen zufällig7 generiert, extrahiert und in einer Excel-Datei gespeichert. Analysiert wurden zunächst die Implikaturen der spanischen Redewendungen anhand des spanisch-deutschen Wörterbuch der Redewendungen von Torrent et al. 2020, nachfolgend kurz SDWR, und bei vorhandenem Eintrag mithilfe des einsprachigen Online-Wörterbuchs der Real Academia Española (RAE)8. Gegenüber anderen Wörterbüchern ist der Vorteil des SDWR, dass gerade diese konventionellen Implikaturen im sog. Definiens aufgeführt sind, in dem die Erläuterung der Bedeutung der Redewendung bzw. einer Variante kontextunabhängig aufgeführt ist (vgl. Torrent & Lucía Uría 2020: X, XXIII). Durch die Angabe der kontextunabhängigen Bedeutung entsteht ein umfassendes Bild der Bedeutung (vgl. Kapitel 2.2). Das Wörterbuch der RAE wurde hinzugezogen, um mögliche weitere AT-Bedeutungen zu identifizieren. Generische bilinguale Wörterbücher wurden nicht konsultiert, da bei diesen die Übersetzungsvorschläge zumeist kontextabhängig sind und daher kein umfassendes Bild der Implikaturen entsteht. Betrachtet wurde stets auch der umgebende Text, also der Kotext. Der Kontext im weiteren Sinne, z. B. räumliche oder zeitliche Charakteristika oder die Einstellung der Sprecher*innen, konnte anhand der Textausschnitte meist nicht analysiert werden. Es wurde untersucht, ob die ermittelten Implikaturen der Redewendung innerhalb eines spezifischen Kotexts auch in den deutschen Untertiteln vorhanden waren. Untersucht wurde auch, wie häufig die Segmente im Deutschen ebenso vulgäre bzw. anstößig waren. Unter „anstößig“ sind „Ärgernis erregende“ bzw. „unschickliche“ Wendungen gemeint, während das Adjektiv „vulgär“ stärker ist und einen „obszönen, unangemessenen bis beleidigenden“ Sprachstil meint.9 Dank der Größe des Korpus konnte so ein repräsentativeres Bild der Strategien von verschiedenen Übersetzer*innen analysiert werden als dies bei der Analyse von Beispielen aus nur einem Film möglich gewesen wäre.
3.1.2 Das Korpus OpenSubtitles2011
Im alignierten deutsch-spanischen Subkorpus des Korpus OpenSubtitles2011 von Tiedemann (2009), auf das über SketchEngine online zugriffen wurde, befinden sich 3 979 alignierte Dokumente bzw. 50,7 Millionen Tokens aus Filmen und Serien10. Der Kontext links und rechts kann durch Klick auf das entsprechende deutsche oder spanische Segment angeschaut werden. Dabei können ca. 100 Wörter vor und hinter den gefundenen Wörtern angezeigt werden.
[...]
1 vgl. Dudenredaktion (o. J.), https://www.duden.de/node/713429/revisions/1380643/view.
2 In manchen Fällen waren weniger Beispiele verfügbar.
3 https://opus.nlpl.eu/OpenSubtitles2011.php.
4 https://www.sketchengine.eu/.
5 In der Linguistik wird zwischen „Kotext“ und „Kontext“ unterschieden. Mit Kotext ist der „umgebende Text einer sprachlichen Einheit“ (enger gefasster Begriff) gemeint. Der Begriff ist abzugrenzen vom Begriff „Kontext“ (weiter gefasster Begriff, der auch die Redesituation einbeziehen kann.) https://www.duden.de/rechtschreibung/Kotext.
6 Je nach Verfügbarkeit waren es zum Teil weniger Beispiele.
7 Die Beispiele wurden mit der Funktion „random sample“ in SketchEngine erstellt. https://www.sketchengine.eu/documentation/methods-documentation/.
8 Redaktion der Real Academia Española (o.J.) https://dle.rae.es/.
9 vgl. https://www.dwds.de/wb/vulg%C3%A4r, https://www.dwds.de/wb/anst%C3%B6%C3%9Fig.
10 https://opus.nlpl.eu/OpenSubtitles2011.php.