Publius Quintilius Varus und die Frage der Schuld an der Clades Variana


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die römische Präsenz am Rhein vor Varus’ Amtsantritt

3. Begriffsklärung „provincia Germania“

4. Geopolitische Lage Germaniens

5. Bezeichnung der „clades variana“ Der Grabstein des Centurios Marcus Caelius.

6. Das Leben und Wirken des Publius Quintilius Varus Publius Quint. Varus vor dem Jahre 7n. Chr.

Die Persönlichkeit des Publius Quint. Varus

7. Die Quellenlage

8 Die literarische Form des Varusschlachtberichts:
a) Velleius Paterculus – Historia Romana (117-119)
b) Lucius Annaeus Florus – Abriss der römischen Geschichte nach Titus Livius
2,30,21-39
c) Cassius Dio Cocceianus – Römische Geschichte 56,18,1-22,2

9. Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Zeitschriften:

Internet:

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahre 9n. Chr. ereignete sich in der Kalkriese-Niewedder Senke bei Osnabrück eine römische Tragödie, in der die XVII., XVIII. und XIX. Legion mitsamt drei Reiteralen und sechs Kohorten unter der Führung des Legaten Publius Quintilius Varus von germanischen Alliierten unter dem Cheruskerfürsten Arminius vernichtet wurde. Dieses Ereignis versetzte der römischen Germanienpolitik einen harten Schlag mit weitreichenden Folgen. Rund 2 Jahrzehnte zuvor war es den Römern im „immensum bellum“ unter Tiberius und Drusus gelungen, nach der Niederlage des Marcus Lollius (16v. Chr.) mehrere Teile Germaniens zu unterwerfen und Aufstände wie den der Makromannen unter Marbod (9v. Chr.) oder den pannonisch-dalmatischen Aufstand niederzuschlagen, sodass die römische Außenpolitik mit militärischem Kalkül bis an die Weser expandieren konnte. Zur Zeitenwende erlangte das römische Imperium unter Kaiser Augustus eine nie zuvor erreichte Größe und flächenmäßige Ausdehnung.

Aus römischer Perspektive schien Germanien zu jenem Zeitpunkt ein beherrschtes und sicheres Gebiet zu sein, und so trat auf Geheiß des Kaisers Augustus der erfahrene römische Beamte Publius Quint. Varus 7n. Chr. seinen Dienst als Statthalter der Provinz Germanien an, in einer Provinz über dessen Anspruch als einheitlich unterworfenes Gebiet sich heute noch die Gelehrten streiten. Publius Quint. Varus pflegte nicht nur seiner administrativen Aufgabe und Funktion als Statthalter in Germanien nachzukommen, sondern auch den Umgang mit germanischen Offizieren, unterworfene, befriedete und unter Klientelherrschaft gestellte, in Rom ausgebildete Männer, wie den Cheruskerfürsten Arminius. Dessen heimtückischer Hinterhalt war der Anfang vom Ende römischer, rechtsrheinischer Okkupationsbestrebungen und führte Augustus’ Germanienpolitik in eine Krise nie erahnten Ausmaßes. Mehr als die Hälfte der Rheinlegionen waren in dieser tagelangen Schlacht vernichtet worden, weit über 20000 Mann starben. Letztlich griff auch Varus scheinbar in Panik vor einer Gefangenschaft zum Schwert und wählte den Freitod in väterlicher Tradition. Augustus sah sich aus Furcht eines germanischen Einfalls gezwungen, Tiberius als Kommandant der Rheinarmee zu reaktivieren und stattete diesen mit insgesamt acht Legionen aus. Nach dem Tod des Augustus 14n. Chr. erteilte Augustus’ Stiefsohn, Kaiser Tiberius, seinen Feldherrn Germanicus den Oberbefehl über die acht Rheinlegionen, und zumindest 2 verloren gegangene Legionsadler aus der Varusschlacht konnten zu diesem Zeitpunkt wiedererlangt werden. 16n. Chr. wurde Germanicus aus der nördlichen Provinz Germaniens abgezogen, sodass sich das römische Imperium in Folge dessen bis an den Rhein zurückzog und sich auf die Sicherung der Grenze zum rechtsrheinischen Gebiet konzentrierte. Zwar bestand weiterhin ein reger Handel zwischen Römern und Germanen, dennoch war eine Eroberung des rechtsrheinischen Germanenlandes für das römische Imperium unter Tiberius nicht mehr von Interesse, denn Nutzen und Aufwand standen in keinem Verhältnis zueinander.

Anlässlich des baldigen 2000jährigen Jubiläums der Varusschlacht und dem weitreichenden Interesse an diesem Forschungsgebiet lässt sich eine Vielzahl an Sekundärliteratur finden, dennoch scheint die Person des Varus in Bezug auf die Frage der Schuld im Gesamtkomplex der Sachverhalte und Meinungen in der Forschung unterzugehen. Daher soll diese Arbeit nun im weiteren Verlauf die Position des Varus und dessen Schuldfrage behandeln, da sein Verschulden offenkundig in den antiken literarischen Quellen als Ursache für die Zäsur in der Germanienpolitik des Augustus benannt wird. War es allein Varus’ Schuld, dass weit über 3 Legionen in Germanien den Tod fanden? Diese Frage soll als Leitfaden in der Analyse der Quellen dienen, nachdem die römisch-politische Lage in Germanien und die Person des Varus näher durchleuchtet wurden. Hierbei steht nicht der genuin militärische Anspruch der Niederlage im Vordergrund, sondern das scheinbare Scheitern der Führungselite der Rheinlegionen, bevor es zu den vernichtenden Kämpfen in der heutigen Region um Osnabrück kam. Die Untersuchung einer militärischen Verfehlungen wird in dieser Arbeit weitgehend im Hintergrund stehen und beanspruchen eine eigene Analyse.

2. Die römische Präsenz am Rhein vor Varus’ Amtsantritt

Nach der Niederlage des Marcus Lollius und der 5.Legion (16v. Chr.) gegen verbündete Sugambrer, Usipiter und Tenkterer, begab sich Augustus selbst bis 13v. Chr. nach Gallien um die gallisch/germanischen Verhältnisse zu ordnen.[1] Augustus Stiefsöhne, Tiberius und Drusus sicherten durch ihre Alpenfeldzüge 15v. Chr. das Alpenvorland mit dem rätischen und vindelikischen Stammesgebiet samt Noricum und Helvetien bis zum Hochrhein.[2] Grundlegende Vorraussetzungen für diese militärische Operationen waren die Errichtung der Lager bei Noviomagus, Vetera und Mogontiacum, seit etwa 13v. Chr., und mehrere kleinere Lager bei Fectio, Novaesium oder Bonna.[3] Hoch- und Oberrhein waren seit Caesar nicht mehr gefährdet, germanische Vorstöße hatten sich nach Norden verlagert. Die römische Gesamttruppenstärke betrug rund 5 bis 6 Legionen und eine nicht geringe Zahl von Auxiliareinheiten und Kohorten am Rhein.[4] Der kaiserliche Prinz Nero Drusus Claudius sollte mit seinen Feldzügen im Jahre 12v. Chr. die schwierige Aufgabe übernehmen, die Germanenkonflikte und Übergriffe militärisch zu lösen. Von Vetera ausgehend bekämpfte er die Sugambrer, Usipiter und Tenkterer. Der Versuch mit Hilfe einer Flottenstärke gleichzeitig die Chauken und Friesen zu bekämpfen scheiterte an mangelnder Kenntnis der Gezeiten, so dass die Idee eines kombinierten Germanienfeldzuges[5] zu Wasser und zu Lande verworfen werden musste.[6] Drusus Vorstoß bis zur Weser in das Gebiet der Cherusker scheiterte an Versorgungsengpässen. Als jedoch die neutralgebliebenen Chatten der romfreundlichen Allianz einwilligten, verlagerte sich der militärische Vorstoß des Drusus nach Süden mit Ausgangspunkt Mogontiacum und der Marschrichtung nach Nordhessen ins Gebiet der Makromannen und der Cherusker bis schließlich zur Elbe.[7] Hier wurde ein Siegesdenkmal errichtet. Auf dem Rückzug nach Mogontiacum stürzte Drusus jedoch unglücklich vom Pferd und starb an der tödlichen Verletzung.[8] Tiberius eilte nach der Nachricht über das Unglück seines Bruders an den Rhein, um die Feldzüge zu beenden. 8/7v. Chr. überwältigte er endgültig die Sugambrer und ließ große Teile der Bevölkerung ins linksrheinische Gebiet übersiedeln. Somit war Germanien bis zur Elbe zur fast tributpflichtigen Provinz geworden.[9] Augustus’ siegreicher Stiefsohn Tiberius kehrte 6v. Chr. nach Rom zurück und feierte den verdienten Triumph, jedoch fiel er beim Kaiser Augustus in Ungnade und floh auf Rhodos ins Exil bis 2n. Chr. Militärischer Oberbefehlshaber und Kommandeur der Rheinarmee war nun Gneaus Domitius Ahenobarbus, der Großvater des späteren Kaisers Nero, der bis 1n. Chr. herumirrende Hermunduren im ehemaligen Gebiet der Makromannen – wohl zwischen Main und Elbe – ansiedelte.[10] Er überschritt zudem als erster Feldherr die Elbe, schloss dort mit den niedergelassenen Völkern Frieden und errichtete ein Denkmal für Augustus.[11]

Schon hier zeigen sich unter Domitius Ahenobarbus Anzeichen einer Provinzbildung zwischen Rhein und Elbe. Publius Quintilius Varus, der Nachfolger von M. Vinicius und C. Sentius Saturnius führte die Romanisierungsprozesse in Germanien konsequent weiter. Nicht nur die Steuererhebung und Gerichtsbarkeit nach römischem Vorbild wurden unter Varus eingeführt, auch der militärische Ausbau der Lagern in zentrallokalisierter Funktion waren seine Verdienste.[12] Cassius Dio spricht in dem Zusammenhang bereits von heranwachsenden Städten.[13]

3. Begriffsklärung „provincia Germania“

Um einen umfassenden Einblick in die Gesamtlage der schwierigen römischen Germanien-Situation zu gewährleisten, in denen sich die Römer im Norden ihres Reiches gegenübergestellt sahen, müssen wir den Focus zunächst auf Augustus’ Vorgänger und Adoptivvater richten. Gaius Julius Caesar machte in seinem Werk „de bello Gallico“, welches zweifelsohne von politischer Tendenz durchdrungen ist, zunächst die Germanen für den Helvetierauszug verantwortlich. Das germanische Vordringen führte zur Auswanderung gallischer Stämme.[14] So geschah es im Jahre 55v. Chr.[15], dass Caesar gegen Ariovist zu Felde zog, denn in den Germanen sah Caesar den Unruheherd an der Nordgrenze des Römischen Reiches, welcher nicht nur Gallien, sondern scheinbar auch Rom bedrohte.[16] Ob Caesars Interesse nun in der Reichsexpansion Richtung Nordosten/Osten oder in der Sicherung der Provinz Gallien lag ist meiner Meinung nach weder exakt fassbar noch in dieser Untersuchung besonders evident. Sicher ist, dass die Rheinlinie nun eine weitreichende Besetzung verlangte, um die Grenze zwischen Gallien und Germanien zu behaupten.[17] Leider ist Caesars Bericht in Hinblick auf den Germanenbegriff nicht ausreichend, denn politische Tendenzen und Rücksichten tränken jenes Werk und machen ihn als objektives Referat eines Augenzeugens für unsere Untersuchung nur schwer brauchbar und zugänglich. Zwar werden bereits im ersten Buch des „bello Gallico“ die Germanen als offensive Macht östliche des Rheines benannt und auf die militärische Tüchtigkeit verwiesen, jedoch fehlt die Detailfülle und Sachlichkeit seitens Caesars über dieses „Eroberervolk“. Die Haupttendenz lag zur Zeit Caesars sicherlich in der Notwendigkeit und Berechtigung für den gallischen Krieg.[18]

Ich denke Caesar Eroberung Galliens ermöglichte einen weitsichtigen und prägnanten taktischen Punkt, der es erlaubte, Germanien auf der gesamten Rheinlinie zu Nachbarn des Römischen Reiches zu machen, indem Gallien als Vorposten geschaltet wurde. So lag das rechtsrheinische Gebiet stets im Blickpunkt der Römer. Was aber unweigerlich aus den caesarischen Berichten erkenntlich wird, ist das kämpferische Wesen der germanischen Stämme, welches in bezug auf deren Selbstverständnis einen kleinen Einblick gewährt. Letztlich war es nicht nur Caesar, der mit dem steten Eindringen der Germanen über den Rhein zu kämpfen hatte. Auch Augustus selbst beorderte sich nach der Niederlage des Marcus Lollius (16v. Chr.) an den Rhein um für geordnete Zustände zu sorgen.[19] Ich denke, unter diesem Aspekt lässt sich eindeutig sagen, dass einige germanische Stämme die Auseinandersetzungen mit römischen Okkupationsbestrebungen nicht scheuten, somit als kriegerisch bezeichnet werden können.[20] Ich setzte selbstverständlich voraus, dass sich jedes von außen bedrohte Volk zur wehr setzt, jedoch scheinen die von römischer Seite fokussierten Attribute der Germanen besonders auf deren Kampfeslust zu verweisen.

Charakteristisch für die damalige Zeit ist, dass die traditionell eingestellte antike Geschichtsschreibung nicht nur an Caesars Überlieferungen zur römischen Orientierung des Begriffes „Germania“ festhielt, sondern auch dessen Germanenbild übernahm.[21] So bezeichnete der Begriff Germania wie wir ihn bei Pomponius Mela finden, das germanische Siedlungsgebiet zwischen Galliern, Römern und Sarmaten, demzufolge das Gebiet zwischen dem Rhein im Westen, der Donau oder Alpen im Süden, der Nord- und Ostsee im Norden und der Weichsel im Westen.[22] Weiterhin finden wir in den antiken Quellen zur Germania-Definition verschiedene begriffliche Perspektiven. Zum einen wird mit Germania das römische Provinzgebiet links des Rheines mit dessen wechselnden Organisationsformen benannt, zum anderen das rechtsrheinische germanisch besiegelte Terrain, wobei jedoch in den Quellen niemals das Adjektiv „libera“ erscheint.[23] Somit werden die germanischen Provinzen in den Inschriften ihrem Status entsprechend wie folgt genannt: Germania utraque[24], duae Germaniae[25], oder Germania superior bzw. Germania inferior[26].

Der Begriff Germania war für den Römer, sofern es sich nicht um die Provinz handelte, das von Germanen besiedelte Gebiet. Demnach bestand in antiker Rezeption kein einheitliches Germanien.[27]

Meiner Meinung nach konnte Germanien im Sinne einer geografischen Erkundung nur in den militärischen Zügen erschlossen werden, zumal das römische Heer für Straßenbau und Infrastruktur unerlässlich war.[28] Selbst bei Plinius finden wir die Aussage, Germanien sei nie als Ganzes bekannt geworden.[29] Der Germania Begriff der im weiteren Verlauf der Hausarbeit verwendet werden soll, ist gegenüber dem allgemeinen ethnisch-geographischen Germania Begriff folgerichtig abzugrenzen.

Germania im Sinne eines ethnisch-geographischen Gebietes umfasste für die römischen Gelehrten und Historiographienschreiber eine Fläche vom Rhein bis zur Weichsel und von der Nord- bzw. Ostsee bis zu den Alpen. Dem gegenüber stand die politische Konnotation des Wortes Germania, die das Gebiet zwischen Rhein und Elbe beschrieb.[30]

Quellen die folglich nicht wörtlich zu nehmen sind, beispielsweise die des Velleius Paterculus, berichten, Tiberius habe alle Teile Germaniens durchzogen. Dadurch verkleinert Paterculus die Bedeutung des Wortes Germania auf das politisch definierte Germanien, gegen dass die Römer kämpften.

Die Begriffsverwendung „provincia“ als römisch eingerichtete Verwaltungseinheit finden wir in den literarischen Quellen lediglich bei Florus.[31] Velleius Paterculus hingegen bezeichnet den germanischen Raum als unterworfenes Gebiet im Sinne eines militärischen Kommandobereiches.[32] Cassius Dio, der wohl hierfür den ausführlichsten Bericht liefert, beschreibt ebenfalls die Form der römischen Herrschaft im Germanien und verweist auf die römischen Teilgebiete. Germanien sei lediglich flächenweise und unzusammenhängend unter römischem Protektorat.[33] In den Quellen finden wir weder bei Velleius Paterculus noch bei Cassius Dio eine eindeutige Aussage über den provinzialen Anspruch eines rechtsrheinisch-germanischen Verwaltungsapparats. Augustus selbst spricht in seinen „res gestae“ lediglich von einem Herrschaftsanspruch über Germanien, benutzt hierfür jedoch nicht die Verwendung des Begriffes der provincia:

Gallias et Hispanias provincias item Germaniam, qua includit Oceanus a Gadibus ad ostium Albis fluminis pacavi.[34]

Meiner Meinung nach benutzte Augustus den ambivalenten Termini „Germania“ in seinen „res gestae“ als Gebiet zwischen Rhein und Elbe, da seine Adoptivsöhne Drusus und Tiberius mit ihren Feldzügen bis zur Elbe vorstießen. Das Gebiet zwischen Elbe und Weichsel jedoch lag außerhalb römischen Okkupationsanspruches.

Anhand der Quellen erkennen wir den doppeldeutigen Germania-Begriff, welcher zur Zeit Augustus’ zwei Gebiete konstatierte. Einerseits bezeichnete Germania das Land zwischen Rhein und Elbe, nicht aber das Land zwischen Elbe und Weichsel. Das Rom in vielen Teilen Germaniens einen Herrschaftsanspruch hegte ist sicher, dass sich dieser aber auch in den rechtsrheinischen Gebieten durchsetzte ist eher unwahrscheinlich. Ich bin der Ansicht, römische Kastelle und Standorte übten in rechtsrheinischen Gebieten lediglich auf die direkte Peripherie Einfluss aus. Solange es noch militärisch fremde Zonen und Landabschnitte im Gebiet zwischen Elbe und Weichsel gab, konnte aufgrund der mangelhaften Gebietskenntnis über Lage und Bevölkerung keine echte Herrschaft über ganz Germanien beansprucht werden.

4. Geopolitische Lage Germaniens

Die Geopolitik bezeichnet den Politikbereich, der sich mittel- oder langfristig mit räumlich strategischen Zielen befasst. Dabei werden Faktoren wie Geographie, Ökonomie und Bevölkerungszahl auf die Politik, hier besonders auf die Außenpolitik untersucht.

Durch langjährige militärische Expeditionen und Erkundungen in Nordwestdeutschland und durch politische Kontakte mit einheimischen Stämmen konnten, insbesondere für das Gebiet zwischen Rhein und Elbe, wichtige Einblicke in die germanischen Verhältnisse wie landschaftliche Begebenheiten und Verkehrsverhältnisse gewonnen werden. So lassen sich beispielsweise in den Commentarien des Agrippa enorme Kenntnisse über die Nordseeküste oder die Abfolge der Strommündungen finden.[35] Sicherlich kannten die Römer Schneisen, Passwege, Stammesgrenzen und Zentralplätze in Germanien.[36] Doch genau dieses Wissen über geografische und topographische Einzelheiten entkräftete nicht das Wissen über die naturbedingten Tatsachen unzugänglicher Sumpf- und Moorrefugien, sondern präzisierte sie nur. Dadurch wurde paradoxerweise das Wissen der germanischen Geographie zum Wissen des Nichtwissens. Die Römer konnten, je besser sie Germanien erfuhren sagen, dass sie Germanien nicht kannten.[37] Ein Beweis für diese Annahme ist meiner Meinung nach, dass immer wieder schwer kontrollierbare Gebiete, welche große Teile Germaniens einnahmen, zu Brennpunkten militärischer Konflikte wurden. Rechtsrheinische Gefechte fanden stets in der unmittelbaren Umgebung von Sümpfen und Schluchten statt, damit die in ihrer Kampfkraft und Stärke unterlegenen germanischen Angreifer ihren Vorteil in der Umgehung einer offenen Feldschlacht nutzen konnten. Doch auch die Öffnung „unwegsamen Geländes“ wie es beispielsweise bei Tacitus beschrieben wird, barg Hindernisse und stellte stets eine Gefährdung dar.[38] Die Bahnung strategisch wichtiger und sicherer Wege war der Schlüssel zur Beherrschung des rechtrheinischen Gebietes, doch nicht nur das Land und seine Topographie waren ein Problem, auch die Versorgungsmöglichkeiten und Nachschubvoraussetzungen waren enormen Gefährdungen ausgesetzt.[39] Tacitus berichtet über die schwierige Lage während den Feldzügen des Germanicus 16n. Chr, in dem dieser sagte:

[...]


[1] Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland Pfalz, S. 52 und Cass.Dio.: 54,20,4.

[2] Ebd. Cüppers, S. 53.

[3] Ebd. S. 53.

[4] Ebd. S. 54.

[5] Siehe Abbildung 01.

[6] Ebd. S. 54.

[7] Ebd. S. 55.

[8] In Mainz befindet sich das Kenotaph als Denkmal des Drusus, da sein Leichnam nach Rom überführt wurde.

[9] Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland Pfalz, S. 55.

[10] Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland Pfalz, S. 55.

[11] Ebd. S. 56.

[12] Ebd. S. 56.

[13] Cass. Dio. 18,2.

[14] Walser, Gerold: Caesar und die Germanen, S. 86.

[15] Koepp, Friedrich: Die Römer in Deutschland, S. 5.

[16] bell.Gall. Kap. I, 30ff.

[17] Hachmann, Rolf: Die Germanen, S. 36.

[18] Walser, Gerold: Caesar und die Germanen, S. 86.

[19] Siehe Abbildung 02.

[20] Ich beziehe mich hier auf die Germanenwanderungen im 1. Jhd.v. Chr., auf das stete Eindringen der Germanen in linksrheinische Gebiete zur Zeit Caesars und Augustus. Siehe hierzu: Tackenberg, Kurt: Die Wanderungen der Germanen im ersten Jahrhundert vor Chr. Geburt, S. 234 –257, in: Stiehl, Ruth Prof. Dr. und Lehmann, Gustaf Adolf Prof. Dr.(Hrsg.): Antike und Universalgeschichte, Schriftenreihe des Institutes für Epigrafik an der Universität Münster, Aschenberg Verlag, Münster 1972.

[21] Jahn, Ralf, G.: Der römisch-germanische Krieg, S. 18.

[22] Pomponius Mela: De chorographia libri tres, lib. III, 25-35.

[23] Neumaier, H.: Germania 75, 1(1997), S. 66f.

[24] CIL II 4114; III 5215.

[25] CIL III 1456.

[26] Siehe Abbildung 03.

[27] Jahn: Ralf G.: Der römisch-germanische Krieg, S.20.

[28] Erdmann, Elisabeth: Leben unter römischer Herrschaft, die Römer im heutigen Baden-Württemberg, S. 30ff.

[29] Plin. nat. hist., lib. IV, 98, 100.

[30] Wolters, Rainer: Herrschaftsorganisation, S. 202f.

[31] Flor. II 30,22-29.

[32] Vell. II 97,4.

[33] Dio. 56,18,1.

[34] Aug. res. gest., lib. V, 11-12. und Gage, Jean: Res gestae divi Augusti, 26.2, S 126.

[35] Plin. nat. hist., lib. IV, 81,98,99.

[36] Timpe, Dieter: Geografische Faktoren und politische Entscheidungen in der Geschichte der Vausschlacht, S.17.

[37] Ebd.: Timpe, Dieter: Geografische Faktoren, S. 17.

[38] Gruber, Joachim: Tacitus und der Ort der Varusschlacht, Vom Zeugniswert der literarischen Quellen, S. 3.

[39] Jahn, Ralf G.: Der römisch-germanische Krieg, S. 24f.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Publius Quintilius Varus und die Frage der Schuld an der Clades Variana
Hochschule
Universität Mannheim  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Augustus und seine Zeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
34
Katalognummer
V133654
ISBN (eBook)
9783640415601
ISBN (Buch)
9783640407323
Dateigröße
794 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im Jahre 9n. Chr. ereignete sich in der Kalkriese-Niewedder Senke bei Osnabrück eine römische Tragödie, in der die XVII., XVIII. und XIX. Legion mitsamt drei Reiteralen und sechs Kohorten unter der Führung des Legaten Publius Quintilius Varus von germanischen Alliierten unter dem Cheruskerfürsten Arminius vernichtet wurde. Dieses Ereignis versetzte der römischen Germanienpolitik einen harten Schlag mit weitreichenden Folgen. Anlässlich des baldigen 2000jährigen Jubiläums der Varusschlacht und dem weitreichenden Interesse an diesem Forschungsgebiet lässt sich eine Vielzahl an Sekundärliteratur finden, dennoch scheint die Person des Varus in Bezug auf die Frage der Schuld im Gesamtkomplex der Sachverhalte und Meinungen in der Forschung unterzugehen. Daher soll diese Arbeit nun im weiteren Verlauf die Position des Varus und dessen Schuldfrage behandeln, da sein Verschulden offenkundig in den antiken literarischen Quellen als Ursache für die Zäsur in der Germanienpolitik des Augustus benannt wird. War es allein Varus’ Schuld, dass weit über 3 Legionen in Germanien den Tod fanden? Diese Frage soll als Leitfaden in der Analyse der Quellen dienen, nachdem die römisch-politische Lage in Germanien und die Person des Varus näher durchleuchtet wurden. Hierbei steht nicht der genuin militärische Anspruch der Niederlage im Vordergrund, sondern das scheinbare Scheitern der Führungselite der Rheinlegionen, bevor es zu den vernichtenden Kämpfen in der heutigen Region um Osnabrück kam. Die Untersuchung einer militärischen Verfehlungen wird in dieser Arbeit weitgehend im Hintergrund stehen und beanspruchen eine eigene Analyse
Schlagworte
Publius, Quintilius, Varus, Frage, Schuld, Clades, Variana
Arbeit zitieren
Alexander Begerl (Autor:in), 2008, Publius Quintilius Varus und die Frage der Schuld an der Clades Variana, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133654

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