»"20 Jahre Runder Tisch in Polen und Deutschland - Demokratie und Freiheit in Europa" - Außenminister Steinmeier am 9. Februar 2009 in Berlin:
Vor zwei Jahrzehnten - am 6. Februar 1989 - fand in Warschau die erste Sitzung des Runden Tisches in Polen statt. Die Bilder und die Botschaft dieses Treffens gingen um die Welt.
Direkte Gespräche zwischen Vertretern der Regierung Jaruzelski und der Opposition um die „Solidarität"! Diese Nachricht ließ damals die Welt - und vor allem Osteuropa - aufhorchen.
Niemand, der die Symbolik des „Runden Tisches" - er war damals übrigens wirklich rund - übersehen konnte. (...)
Wir spürten die Kraft der demokratischen Idee, wir bewunderten die polnischen Arbeiter und Intellektuellen für den Mut, mit dem sie den verkrusteten Autoritäten entgegen traten. Das Ganze erinnerte an den demokratischen Aufbruch in Deutschland, der nach 1848 so plötzlich abgebrochen ist. In ihm schwang aber auch die Hoffnung auf eine neue demokratische Ordnung nach der Zeit der großen Ideologien. Aber dass diese Bewegung ein ganzes System zum Einsturz bringen könnte, dass aus diesem „Runden Tisch" das Epizentrum eines politischen Erdbebens werden sollte, das 1989 nicht nur Polen verändert hat, sondern auch Deutschland, Europa und die Welt - das überstieg nicht nur mein damaliges Vorstellungsvermögen. (...)« (www.berlin.polemb.net vom 20.02.2009) Frank Walter Steinmeiers Rede endet mit den Worten »Behutsamkeit« und »Sensibilität« im Hinblick auf den Umgang miteinander. Das ist auch erforderlich, wenn man das deutsch-polnische Verhältnis der letzten sechzig Jahre betrachtet. Belastet durch die Verbrechen des Nazi-Regimes, Flucht und Vertreibung beider Völker. Trotzdem ist dieses Verhältnis in seiner Entwicklung modellhaft, haben beide Staaten, besonders nach dem Systemwechsel Anfang der neunziger Jahre, viel unternommen sich einander zu nähern. Mittlerweile sind sie NATO-Bündnispartner, Handelspartner oder haben Beziehungen außerhalb der staatlichen Ebene geknüpft – die Zusammenarbeit auf diesen Ebenen lässt die Nachbarn zusammenwachsen. Ein Grund zur Euphorie? Mitnichten. Wie labil diese Partnerschaft ist, zeigt sich an der Integration deutscher Aussiedler oder der Rolle der Vertriebenenverbände in der Zukunft. Weiter offen ist die Frage über Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung. (Eberwein/Kerski 2001:8) Der Weg ist geebnet und der Frage nach der Stabilität dieser Beziehung möchte ich in der vorliegenden Arbeit nachgehen.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Deutschland und Polen – Raum, Bevölkerung, Struktur, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft
2.1 Geographische Grundlagen und demographische Faktoren
2.2 Wirtschaft und politisches System
2.3 Gesellschaft
3. Ein Blick auf die deutsch-polnischen Beziehungen 1949-2000
3.1 Die ersten Jahre - Handel statt Diplomatie? 1949 - 1955
3.2 Hindernisse und gesellschaftliche Annäherungen 1956 – 1966
3.3 Jahre des Übergangs und der Normalisierung 1966 - 1972
3.4 Was ist eine »normale« Beziehung? Stabilisierung und Diplomatie in Zeiten des Umbruchs 1973 – 1989
3.5 Paradigmenwechsel 1989/1990
4. Die europäische Sicherheit zwischen Zwist und Eintracht
4.1 Unstimmigkeiten nach 1990/1991
4.2 Die deutsch-polnische Beziehung – Ambivalenz für Europa
5. Schlussbetrachtung
6. Quellenangabe
Internetquellen:
1. Einleitung
»"20 Jahre Runder Tisch in Polen und Deutschland - Demokratie und Freiheit in Europa" - Außenminister Steinmeier am 9. Februar 2009 in Berlin:
Vor zwei Jahrzehnten - am 6. Februar 1989 - fand in Warschau die erste Sitzung des Runden Tisches in Polen statt. Die Bilder und die Botschaft dieses Treffens gingen um die Welt.
Direkte Gespräche zwischen Vertretern der Regierung Jaruzelski und der Opposition um die „Solidarität"! Diese Nachricht ließ damals die Welt - und vor allem Osteuropa - aufhorchen.
Niemand, der die Symbolik des „Runden Tisches" - er war damals übrigens wirklich rund - übersehen konnte. (...)
Wir spürten die Kraft der demokratischen Idee, wir bewunderten die polnischen Arbeiter und Intellektuellen für den Mut, mit dem sie den verkrusteten Autoritäten entgegen traten. Das Ganze erinnerte an den demokratischen Aufbruch in Deutschland, der nach 1848 so plötzlich abgebrochen ist. In ihm schwang aber auch die Hoffnung auf eine neue demokratische Ordnung nach der Zeit der großen Ideologien. Aber dass diese Bewegung ein ganzes System zum Einsturz bringen könnte, dass aus diesem „Runden Tisch" das Epizentrum eines politischen Erdbebens werden sollte, das 1989 nicht nur Polen verändert hat, sondern auch Deutschland, Europa und die Welt - das überstieg nicht nur mein damaliges Vorstellungsvermögen. (...)« (www.berlin.polemb.net vom 20.02.2009) Frank Walter Steinmeiers Rede endet mit den Worten »Behutsamkeit« und »Sensibilität« im Hinblick auf den Umgang miteinander. Das ist auch erforderlich, wenn man das deutsch-polnische Verhältnis der letzten sechzig Jahre betrachtet. Belastet durch die Verbrechen des Nazi-Regimes, Flucht und Vertreibung beider Völker – die Wunden sind noch lange nicht verheilt. Trotzdem ist dieses Verhältnis in seiner Entwicklung modellhaft, haben beide Staaten, besonders nach dem Systemwechsel Anfang der neunziger Jahre, viel unternommen sich einander zu nähern. Mittlerweile sind sie NATO-Bündnispartner, Handelspartner oder haben Beziehungen außerhalb der staatlichen Ebene geknüpft – die Zusammenarbeit auf diesen Ebenen lässt die Nachbarn zusammenwachsen. Ein Grund zur Euphorie? Mitnichten. Wie labil diese Partnerschaft ist, zeigt sich an der Integration deutscher Aussiedler oder der Rolle der Vertriebenenverbände in der Zukunft. Weiter offen ist die Frage über Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung. (Eberwein/Kerski 2001:8) Hier werden die bilateralen Beziehungen der beiden Demokratien auf eine harte Probe gestellt und es stellt sich die Frage, ob die Konflikte unüberwindbar sind oder ob es sich hier um eine Partnerschaft mit Zukunft handelt, die einfach noch Zeit braucht um sich zu festigen. Der Weg ist geebnet und der Frage nach der Stabilität dieser Beziehung möchte ich in der vorliegenden Arbeit nachgehen. Dazu stelle ich im ersten Kapitel beide Staaten erst einmal vor, im Hinblick auf ihren Raum, die Bevölkerung, die Struktur, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, um dem Leser eine Basis zu geben, die ihn durch die Arbeit begleitet. Anschließend zeigt ein Rückblick auf die deutsch-polnischen Beziehungen von 1949 bis ins Jahr 2000 wie die Annäherung sich vollzog und warum sie letztendlich so fragil ist. Ich untersuche, ob es eine gemeinsame Werte- und Interessengemeinschaft gibt und zeige die Rolle nichtstaatlicher Akteure vor 1990 auf. Das vierte Kapitel beschreibt den außenpolitischen Konsens, den Handlungsspielraum und die gemeinsamen Interessen der jetzigen Außenpolitik. Im fünften Kapitel steht die europäische Integration der Nachbarn Deutschland und Polen und deren Paradigmenwechsel in der gegenseitigen Außenpolitik zur Debatte. Im Raum stehen die Vorstellungen Polens und Deutschlands in ihrer bilateralen Beziehung im Kontext mit der EU. Also ein kleiner Ausblick in die Zukunft.
2. Deutschland und Polen – Raum, Bevölkerung, Struktur, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft
Im folgenden Kapitel werden Deutschland und Polen im direkten Vergleich betrachtet. Neben dem Staatsapparat gebe ich auch einen Einblick in die Wirtschaft und Gesellschaft beider Staaten.
2.1 Geographische Grundlagen und demographische Faktoren
Die Bundesrepublik Deutschland hat seit der Wiedervereinigung im Jahre 1989 eine Gesamtfläche von 357 092 km². Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz und die Tschechische Republik bilden die direkten Nachbarn. (http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de, vom 20.02.2009)
Polen hingegen hat sein heutiges Gebiet seit dem Ende des 2.Weltkrieges nicht mehr verändert. Das Staatsgebiet hat eine Fläche von 313 000 km². Die Begrenzung im Norden bildet die Ostsee, im Osten Litauen und Weißrussland, im Südosten Ukraine und im Südosten die Ukraine und die Tschechische Republik. Im Westen wird Polen entlang den Flüssen Oder und Neiße durch die Bundesrepublik Deutschland begrenzt und wurde mit dem »Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze« vom 14.11.1990 besiegelt. (Wochenschau Verlag, 1996: 58)
Die Einwohnerzahlen beider Länder sehen wie folgt aus: Bundesrepublik Deutschland verfügt über 82,3 Millionen Einwohnern (davon 42,0 Mio. Frauen) und ist somit das bevölkerungsreichste Land der EU. Etwa 7,3 Millionen Ausländer leben in Deutschland (8,8 Prozent der Gesamtbevölkerung). (http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de, 20.02.2009) In Polen leben 38,6 Mio. Menschen, davon 97,6% Polen, 1,3% Deutsche, 0,6% Ukrainer und 0,5% Weißenrussen. (http://www.berlin.polemb.net, 20.02.2009)
Die Bevölkerungsentwicklung in Polen wurde durch den 2.Weltkrieg drastisch beeinflusst. 1939 zählte Polen 34,8 Mio. Einwohner und war ein Nationalitätenstaat, indem die Polen 69% der Bevölkerung ausmachten. Zwischen 1939 und 1945 starben ca. 6 Millionen Menschen. Diese Kriegsverluste konnten durch hohe Geburtenziffern in den ersten Nachkriegsjahren und Anfang der 1980er Jahre wieder angeglichen werden. (Wochenschau Verlag, 1996: 59)
2.2 Wirtschaft und politisches System
Deutschland ist eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt und erwirtschaftete ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2423 Milliarden Euro im Jahre 2007. Das ist hauptsächlich auf den Außenhandel zurückzuführen. Die wichtigsten Wirtschaftszentren in Deutschland sind das Ruhrgebiet (Industrieregion im Wandel zum Hightech- und Dienstleistungszentrum), die Großräume München und Stuttgart (Hightech, Automobil), Rhein-Neckar (Chemie), Frankfurt am Main (Finanzen), Köln, Hamburg (Hafen, Airbus-Flugzeugbau, Medien), Berlin und Leipzig. (http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de, 20.02.2009)
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion befand sich auch die polnische Wirtschaft in einem Wandel. Mittlerweile können aber auch hier stabile Daten angegeben werden.
Beachtlich ist Polens Wirtschaftsentwicklung, die seit 1990 stetig wächst. Heute spiegelt die Wirtschaftsstruktur große Fortschritte in Polen wieder und nähert sich sogar der Wirtschaftsstruktur der alten EU-15-Mitgliedsstaaten an. Die Bruttowertschöpfung erfolgt inzwischen fast auf 56% im Bereich der Dienstleistung und nur noch zu 21% in der Industrie. Mit über sechs Prozent entstehen in der Bauwirtschaft und knapp vier Prozent in der Landwirtschaft. Auf den privaten Bereich fallen ungefähr 70 %, der fast 75 % der Arbeitnehmer beschäftigt. Bruttoinlandsprodukt: 271,2 Mrd. EUR (2006) (http://www.auswaertiges-amt.de, 20.02.2009)
Politisches System
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
http://www.chr.mergler.bnv-bamberg.de/initiativkreis/bilder/staatssystem-bilder/deutsches_staatssystem.JPG
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratisch-parlamentarischer Bundesstaat aufgeteilt in 16 Bundesländer.
Der Regierungschef, im heutigen Fall Regierungschefin, also die Bundeskanzlerin, wird direkt durch das Bundesparlament, den Bundestag gewählt. Der Bundespräsident genehmigt eine Geschäftsordnung, nach der der Bundeskanzler die Bundesregierung leitet. Er trägt die Regierungsverantwortung gegenüber dem Bundestag und besitzt im Verteidigungsfall die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte.
Das Grundgesetz stellt die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland dar. Ursprünglich sollte es nur eine vorläufige Lösung sein. Am 1. Juli 1948 übergaben die Militärgouverneure den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder die "Frankfurter Dokumente". Darin war auch eine Aufforderung enthalten, durch eine verfassunggebende Versammlung eine Verfassung auszuarbeiten.
Die Ministerpräsidenten gaben dieser Versammlung den Namen »Parlamentarischer Rat« und schufen keine Verfassung, sondern das Grundgesetz. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in Bonn feierlich verkündet, unterzeichnet und trat am folgenden Tag in Kraft. Aus der sogenannten »vorläufigen Lösung« wurde ein Grundgesetz geschaffen, was sich im Laufe der Jahrzehnte festigte und bewährte. (http://www.auswaertiges-amt.de, 20.02.2009)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Republik Polen ist eine Parlamentarische Demokratie mit Zweikammerparlament und hat 16 »Woiwodschaften«. Die Verfassung besteht seit dem 22. September 1952. Die Bildung des »Runden Tisches«, an dem sich Vertreter des alten Regimes und Oppositionsgruppen gegenüber saßen, ist auf die Freiheitsbewegung der 1980er Jahre zurückzuführen. Dort traf man von Februar bis April 1989 Abmachungen, die die Bildung der Demokratie im Land bereiteten. So fand die erste freie Wahl zum Sejm am 27. Oktober 1991 statt. Die zwei Kammern sind Sejm und der Senat. Sejm mit 460 Abgeordneten, gewählt aus einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, jeweils gewählt für 4 Jahre. Der Senat besteht aus 100 Senatoren, gewählt mit Mehrheitswahlrecht. Staatsorgane sind Staatspräsident, Ministerrat und Parlament. Der Staatspräsident, in direkter Wahl für fünf Jahre gewählt, ist oberster Befehlshaber der Streitkräfte, hat bestimmte Mitwirkungsrechte in der Außenpolitik und bei Personalbesetzungen in Armee und Außenpolitik. (Wochenschau Verlag, 1996: 74-78)
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- Arbeit zitieren
- Dipl.-Des. Marion Schoenfeld (Autor:in), 2009, Deutschland und Polen – ewiger Konflikt oder Partnerschaft mit Zukunft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133682
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