Die vorliegende Arbeit unternimmt einen Versuch, die gesprochene Sprache des
Mittelalters am Beispiel des Helmbrecht Wernhers des Garten#re und der Predigten
Bertholds von Regensburg zu untersuchen.
Eine Untersuchung der gesprochenen Sprache des Mittelalters unterliegt aufgrund
der problematischen Quellenlage einer Reihe von Schwierigkeiten. Da es keine
überlieferten Zeugnisse der gesprochenen Sprache dieser Zeit gibt, ist die Forschung
auf die literarischen Quellen dieser Zeit angewiesen. Diese jedoch werden
mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die gesprochene Sprache des Mittelalters
vermitteln, denn auch in der Gegenwart unterscheidet sich die Sprache der Literatur
von der gesprochenen Sprache des Alltags. Die Diskrepanz zwischen gesprochener
und geschriebener Sprache offenbart sich jedoch nicht nur in literarischen
Werken, sondern in nahezu allen schriftlich niedergelegten Texten. Ein Beispiel,
bei dem dieses nicht der Fall ist, bzw. das einen Versuch darstellt, die gesprochene
Sprache möglichst exakt aufzuzeichnen, bilden Transkriptionen, die aufgrund
von Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen angefertigt wurden. Diese sind
wiederum in den meisten Fällen für den Leser zunächst schwer verständlich, da
die angestrebte präzise schriftliche Umsetzung des Gehörten zu einem ungewohnten
Schriftbild führt. Die Probleme, die hier kurz angerissen wurden, sollen in
einem ersten Schritt genauer erörtert werden, um so einen Rahmen für die Untersuchung
zu setzen.
In der Folge werden beispielhaft einige Dialoge des Helmbrecht analysiert,1 um
einen Eindruck der gesprochenen Sprache des Mittelalters zu erlangen. Es stellt
sich die Frage, ob es sich bei der Sprache, die Wernher der Garten#re in seinem
Werk verwendet, um eine spezifisch höfische Sprache handelt, die ein eigenes
Idiom darstellt. Es wird zu fragen sein, ob es dieses Idiom auch in der gesprochenen
Sprache gegeben hat oder ob es eine „Erfindung“ der Dichter ist, ob es sich
also um eine künstliche Sprache handelt, die in den literarischen Texten des
Hochmittelalters überliefert wird. [...]
1 Textgrundlage für die Untersuchung bilden die Verse 697 bis 838; in: Wernher der Garten#re:
Helmbrecht. Hrsg. von Friedrich Panzer und Kurt Ruh. 10. Aufl., besorgt von Hans-Joachim Ziegeler.
Tübingen 1993.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Versuch einer Definition der gesprochenen Sprache
- 2 Zum Verhältnis von gesprochener zu geschriebener Sprache
- 3.1 Schichtengebundenheit der Sprache
- 3.2 Die Bedeutung der schriftlichen Fixierung und die Folgen für die gesprochene Sprache
- 3 Probleme bei der Erforschung der gesprochenen Sprache des Mittelalters
- 4 Der Helmbrecht Wernhers des Garten#re als Beispiel für eine höfische Sprache
- 5.1 Die höfische Dichtersprache
- 5.2 Helmbrecht v. 697 bis v. 838
- 5.2.1 Verwendung fremder Wörter und Wendungen
- 5.2.2 Anredepronomina
- 5.2.3 Funktion der höfischen Ausdrucksweise
- 5.2.4 Untersuchung der Syntax
- 6 Die volkstümliche Predigt
- 6.1 Berthold von Regensburg
- 6.2 Von zehen koeren der engele unde der kristenheit
- 6.3 Gesprochene Sprache in der volkstümlichen Predigt
- 6.3.1 Wortwahl
- 6.3.2 Syntax
- 7 Fazit
- 8 Literaturverzeichnis
- 8.1 Textgrundlagen
- 8.2 Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die gesprochene Sprache des Mittelalters anhand von zwei Beispielen: dem "Helmbrecht" Wernhers des Garten#re und den Predigten Bertholds von Regensburg. Aufgrund der problematischen Quellenlage, die keine direkten Aufzeichnungen der gesprochenen Sprache liefert, konzentriert sich die Arbeit auf die Analyse literarischer Quellen, um Rückschlüsse auf die Sprachgewohnheiten dieser Zeit zu ziehen. Die Untersuchung betrachtet dabei sowohl die Wortwahl als auch die Syntax, um Unterschiede zwischen der gesprochenen Sprache und der Sprache der Literatur aufzuzeigen.
- Untersuchung der sprachlichen Besonderheiten des "Helmbrecht" im Hinblick auf eine mögliche höfische Sprache
- Analyse von Bertholds Predigten als Beispiel für eine volkstümliche Sprache
- Vergleich zwischen der Sprache in literarischen Texten und der vermuteten gesprochenen Sprache
- Diskussion der Problematik der Rekonstruktion der gesprochenen Sprache anhand schriftlicher Quellen
- Bedeutung der schriftlichen Fixierung und ihre Auswirkungen auf die gesprochene Sprache
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit skizziert die Herausforderungen der Erforschung der gesprochenen Sprache des Mittelalters und die Notwendigkeit, literarische Quellen als Indiz für die Sprache dieser Zeit zu nutzen. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse des "Helmbrecht" und der Predigten Bertholds von Regensburg, um die sprachlichen Unterschiede zwischen höfischer und volkstümlicher Sprache zu beleuchten.
- Versuch einer Definition der gesprochenen Sprache: Dieses Kapitel definiert den Begriff "gesprochene Sprache" im Kontext der Arbeit und beleuchtet die Problematik der Rekonstruktion der gesprochenen Sprache anhand schriftlicher Quellen. Es wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Sprache in literarischen Texten der tatsächlichen gesprochenen Sprache entspricht.
- Zum Verhältnis von gesprochener zu geschriebener Sprache: Dieses Kapitel diskutiert die Schichtengebundenheit der Sprache und die Bedeutung der schriftlichen Fixierung für die Entwicklung der gesprochenen Sprache. Es werden verschiedene Beispiele für die Diskrepanz zwischen gesprochener und geschriebener Sprache aufgezeigt.
- Probleme bei der Erforschung der gesprochenen Sprache des Mittelalters: Hier werden die Schwierigkeiten bei der Erforschung der gesprochenen Sprache des Mittelalters aufgrund der fehlenden direkten Quellen erläutert. Die Arbeit betont die Notwendigkeit, literarische Quellen mit Vorsicht zu interpretieren und ihre potenziellen Abweichungen von der tatsächlichen gesprochenen Sprache zu berücksichtigen.
- Der Helmbrecht Wernhers des Garten#re als Beispiel für eine höfische Sprache: Dieses Kapitel analysiert ausgewählte Dialoge aus dem "Helmbrecht" mit dem Fokus auf die Wortwahl und Syntax, um herauszufinden, ob sich in der Sprache des Werkes ein spezifisches höfisches Idiom manifestiert. Die Analyse untersucht, ob dieses Idiom auch in der tatsächlichen gesprochenen Sprache existiert hat oder ob es sich um eine künstlerische Konstruktion handelt.
- Die volkstümliche Predigt: Dieses Kapitel widmet sich den Predigten Bertholds von Regensburg und untersucht, inwieweit sich die in ihnen verwendete Sprache als gesprochene Sprache interpretieren lässt. Die Arbeit analysiert die Wortwahl und Syntax der Predigten und diskutiert die Frage, ob sie tatsächlich ein unverfälschtes Bild der gesprochenen Sprache vermitteln.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der gesprochenen Sprache des Mittelalters und beleuchtet die Problematik der Rekonstruktion dieser Sprache anhand schriftlicher Quellen. Die Analyse konzentriert sich auf den "Helmbrecht" Wernhers des Garten#re als Beispiel für eine höfische Sprache und die Predigten Bertholds von Regensburg als Beispiel für eine volkstümliche Sprache. Die Arbeit behandelt die Sprachgeschichte, die Syntax, die Wortwahl und die literarische Sprache des Mittelalters sowie die Frage nach der Relevanz literarischer Texte für die Erforschung der gesprochenen Sprache.
- Arbeit zitieren
- Evelyn Overhoff (Autor:in), 2001, Gesprochene Sprache im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13376