„Die Eichmann-Kontroverse, ausgelöst durch Hannah Arendts fünfteilige Serie, die vom 16. Februar bis zum 16. März 1963 im New Yorker erschien, war der erste und mit Sicherheit bitterste öffentliche Disput unter Intellektuellen und Wissenschaftlern, der jemals über den Holocaust geführt wurde“, schreibt der Historiker Anson G. Rabinbach in einem Aufsatz über das kurz nach der Artikelserie von Hannah Arendt veröffentlichte Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“.
In dieser Hausarbeit geht es um die Frage, warum das Buch eine derart heftige und bis in die Gegenwart reichende Kontroverse auslösen konnte, und worin diese genau bestand.
Zuerst wird das Buch „Eichmann in Jerusalem“ von Hannah Arendt vorgestellt. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf die strittigsten Thesen des Werkes gelegt und der Begriff von der „Banalität des Bösen“, der Vorwurf der Kooperation von Judenräten mit den Nationalsozialisten, sowie die Bedeutung des Eichmann-Prozesses für den Staat Israel analysiert.
Danach wird in die Kontroverse um das Buch eingeführt. Nach einem Blick auf die unmittelbar an die Veröffentlichung im Jahr 1963 anschließende Kritik anhand des Beispieles eines Briefwechsels zwischen Hannah Arendt und Gershom Scholem, richtet sich der Focus dieser Arbeit auf die gegenwärtigen Diskussionen über „Eichmann in Jerusalem“. Als Grundlage hierfür dient eine Aufsatzsammlung verschiedener Autoren, die im Rahmen der Tagung „Zur Historiographie des Holocaust. Hannah Arendts >Eichmann in Jerusalem< Revisited“ 1997 in Potsdam stattgefunden hat.
Auf die Analyse der Kontroverse erfolgt eine Beurteilung der Kritiken durch den Autor.
Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst, wobei die Frage beantwortet wird, inwieweit „Eichmann in Jerusalem“ heute noch relevant ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Buch „Eichmann in Jerusalem"
- Hannah Arendt und der Auftrag des „New Yorker"
- Aufbau und Inhalt
- Die Thesen aus „Eichmann in Jerusalem"
- Die „Banalität des Bösen"
- Die Verantwortung der Judenräte
- Der „Schauprozess" gegen Adolf Eichmann
- Die Kontroverse
- Gershom Scholem und Hannah Arendt: Ein Briefwechsel
- Stéphane Moses: Das Recht zu urteilen
- Dana R. Villa: Das Gewissen, die Banalität des Bösen und der repräsentative Täter
- Annette Wieviorka: Die Entstehung des Zeugen
- Beurteilung der Kontroverse
- Schlussbemerkungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Kontroverse um Hannah Arendts Buch „Eichmann in Jerusalem", die unmittelbar nach seiner Veröffentlichung entstand und bis heute anhält. Dabei wird das Buch selbst vorgestellt, die wichtigsten Thesen erläutert und die Kritik an Arendts Arbeit anhand von Beispielen aus den 1960er Jahren und der Gegenwart dargestellt. Die Arbeit untersucht, warum das Buch eine derart heftige und nachhaltige Kontroverse auslösen konnte und welche Kritikpunkte im Zentrum der Debatte stehen.
- Die „Banalität des Bösen" als Konzept zur Beschreibung von Adolf Eichmanns Motivation und Gewissen
- Die Rolle der Judenräte im Holocaust und deren Kooperation mit den Nationalsozialisten
- Der „Schauprozess"-Charakter des Eichmann-Prozesses in Jerusalem und die politischen Absichten des Staates Israel
- Die Legitimität von Hannah Arendts Urteil über das Verhalten der Judenräte und ihre Kritik an der israelischen Justiz
- Die Bedeutung von „Eichmann in Jerusalem" für die Holocaust-Forschung und die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit
Zusammenfassung der Kapitel
Das Buch „Eichmann in Jerusalem" gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil befasst sich mit den näheren Umständen des Eichmann-Prozesses in Jerusalem, während der zweite Teil die Person Adolf Eichmanns und seine Rolle in der „Endlösung der Judenfrage" beleuchtet. Hannah Arendt beschreibt Eichmann als einen „Verwaltungsmassenmörder", der seine Taten nicht aus Fanatismus oder Hass, sondern aus einem „Bestreben, beruflich aufzusteigen" beging. Sie stellt die These auf, dass Eichmanns Gewissen durch die „Banalität des Bösen" geprägt war, und kritisiert das Verhalten der Judenräte, die ihrer Meinung nach mit den Nazis kooperierten und somit den Holocaust ermöglichten. Arendt wirft dem Staat Israel vor, den Eichmann-Prozess als „Schauprozess" inszeniert zu haben, um politische Ziele zu verfolgen.
Die Kontroverse um „Eichmann in Jerusalem" begann unmittelbar nach der Veröffentlichung des Buches und wurde vor allem von Intellektuellen und Journalisten geführt. Gershom Scholem, ein Freund Hannah Arendts, kritisierte sie in einem Briefwechsel für ihren „herzlosen Ton" und ihren Mangel an „Ahabath Israel". Stéphane Moses untersucht den Briefwechsel und zeigt, dass Scholems Kritik auf einem Missverständnis von Arendts Argumentation beruht. Dana R. Villa setzt sich mit dem Konzept der „Banalität des Bösen" auseinander und argumentiert, dass Arendts Analyse von Eichmanns Gewissen nicht als eine Generalisierung für alle Täter des Holocausts verstanden werden darf. Annette Wieviorka untersucht die Entstehung der Figur des Zeugen im Kontext des Eichmann-Prozesses und kommt zu dem Schluss, dass der Prozess in der Tat ein „Schauprozess" war, der politische Ziele verfolgte.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem, Banalität des Bösen, Judenräte, Schauprozess, Holocaust, Kontroverse, Geschichtsforschung, deutsche Vergangenheit, politische Verantwortung, Gewissen, Moral, jüdische Identität, Israel, Antisemitismus, Totalitarismus, Verwaltungsmassemord.
- Arbeit zitieren
- Diplom Sozialwissenschaftler Tammo Grabbert (Autor:in), 2004, Hannah Arendts 'Eichmann in Jerusalem', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133828