Eine empirische Ausarbeitung
über die Traumaarbeit
von Dr. Nathan Durst.
Dr. Nathan Durst ist klinischer Direktor der Einrichtung AMCHA, dem psychotherapeutischen Zentrum für Holocaustüberlebende und deren Angehörige in Israel. Durst arbeitet seit über 40 Jahren therapeutisch.
Die Autorin möchte anhand dieser Arbeit die Kernelemente der Traumatherapie nach Durst herausarbeiten:
1. Auf welche psychotherapeutischen Konzepte stützt Nathan Durst seine Arbeit?
2. Wie gestaltet er den Prozess in der Traumabehandlung?
3. Wo liegen die Schwerpunkte seiner Arbeit?
4. Welche Schlussfolgerungen können daraus für die Mitarbeiter der Sozialen Arbeit gewonnen werden?
"Im Verlaufe der Interviews mit Nathan Durst erkannte ich eine Vorgehensweise, die wesentlich auf seine individuelle Einstellung zu den Überlebenden in der Therapie zurückzuführen ist.
Neben der praktischen Durchführungsmethode der Traumatherapie mit Holocaustüberlebenden, steht die charakteristische Ideologie Nathan Dursts als Perspektive für die sozialen Berufe gleichermaßen im Mittelpunkt dieser Arbeit."
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
1. Begriffsdefinitionen
1.1 Holocaustüberlebende
1.2 Definition Psychotherapie
1.3 Trauma
1.3.1 Definition Trauma
1.3.2 Historische Entwicklung
1.3.3 Posttraumatische Belastungsstörung in Folge von
Kriegserlebnissen
2. Qualitative Sozialforschung
2.1 Erhebungsverfahren
2.2 System der Bearbeitung
2.2.1 Grounded Theory
2.2.2 Dokumentation der Daten
3. Theoretische Hintergründe der Traumatherapie nach Nathan Durst
3.1 Konzepte der Psychotherapie
3.1.1 Ursprünge der interpersonalen Theorie nach Sullivan
3.1.1.1 Interpersonale Theorie nach Sullivan
3.1.2 Humanistische Psychologie
3.1.2.1 Personenzentrierte Theorie nach Rogers
3.2 Traumatische Störung der Überlebenden des Holocaust
3.2.1 Trauma als Bruch der Identität
3.2.2 Dissoziation
3.2.3 Nichtzugehörigkeit
4. Prozess der Therapie nach Nathan Durst
4.1 Erste Phase: Sicherheit und Symptome
4.1.1 Die therapeutische Beziehung
4.1.1.1 Henri
4.1.1.2 Miriam
4.1.1.3 Mia
4.1.2 Konklusion
4.2 Zweite Phase: Konfrontation mit dem Trauma
4.2.1 Die unverarbeitete Trauer
4.2.2 Trauerarbeit
4.2.2.1 Jakob
4.2.2.2 Joshi
4.3 Dritte Phase: Integration des Traumas in den Lebenszyklus
4.3.1 Jakob
4.3.2 Miriam
4.3.3 Gruppentherapie
4.3.4 Psychosoziale Aktivitäten der Einrichtung AMCHA
5. Schlussfolgerungen für die Soziale Arbeit
5.1 Allgemeine Leitgedanken
5.2 Gesellschaftsbezogene Aufgaben für die Flüchtlings- und Migrantenarbeit
5.3 Persönliche Stellungnahme
Literaturverzeichnis
Anhang
Vorwort
Bevor die Ausarbeitung der empirischen Untersuchung dargestellt werden soll, möchte ich Nathan Durst vorstellen, der mir durch intensive Gespräche eine Woche lang die Möglichkeit gegeben hat, seine Arbeit als Psychologe und Traumatherapeut kennen zu lernen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dr. Nathan Durst arbeitet als klinischer Direktor in der Einrichtung AMCHA, einem psychotherapeutischen Zentrum für Holocaust-überlebende und deren Angehörige in Israel. Doch wir fangen von vorne an und machen in Nathan Dursts Worten „einen enormen Sprung“ in das Jahr 1930.
Im Jahre 1930 wird Nathan Durst als Kind einer jüdischen Familie in Deutschland geboren. Als jüngster Bruder von drei Schwestern wächst er in der Zeit des Nationalsozialismus in Berlin auf, bis er im Januar 1939 durch die Zerstörung des elterlichen Hauses aus seiner Heimat vertrieben wird. Gemeinsam mit seiner älteren Schwester gelingt ihm als 8-jähriger Junge die Flucht nach Holland, wo beide nach sechs Jahren der Verfolgung und Leben im Versteck als einzige der Familie überleben. Nach dem Krieg lebt Nathan Durst weitere 25 Jahre in Holland, absolviert in Amsterdam das Studium der Psychologie und erlangt seine Promotion als klinischer Psychologe in Groningen.
Wir schreiben das Jahr 1970 als Durst sich gemeinsam mit seiner Familie zu einer Immigration nach Israel entschließt, um dort seine Arbeit als Psychologe fortzusetzen. Während der 70er Jahre ist er im Universitätskrankenhaus ‚GEHA’ beschäftigt und behandelt unter anderem Patienten mit Schizophrenieerkrankung und psychisch erkrankte Mütter, die ihre Söhne im sich verschärfenden Nah-Ost-Konflikt im Libanon verloren haben. Nach der Beendigung dieser Tätigkeit im Jahre 1979 nimmt er die Arbeit als Supervisor der Einrichtung ‚ELAH’ auf, einem Zentrum für psychosoziale Begleitung von niederländischen Holocaustüberlebenden und ihren Familien, bis sein Weg ihn zu AMCHA führt.
Das hebräische Wort ‚amcha’ bedeutet übersetzt „dein Volk“ und wurde nach dem 2. Weltkrieg von den jüdischen Überlebenden als Erkennungszeichen verwendet. Auf der Suche nach Unterkunft und Angehörigen wanderten die Überlebenden durch die zerstörten Städte von Europa und sagten zur Begrüssung „amcha“, antwortete der Andere auch mit „amcha“, dann wussten sie beide, dass sie zu den Überlebenden des jüdischen Volkes gehörten.
Heute bezeichnet AMCHA die größte psychosoziale und therapeutische Einrichtung für Überlebende des Holocaust und deren Angehörige in Israel, an deren Gründung Nathan Durst im Jahre 1987 beteiligt war.
An dieser Stelle möchte ich mich von Herzen bei Nathan Durst für seine Offenheit in den Gesprächen bedanken. Er ermöglichte mir einen umfangreichen Einblick in den persönlichen Entwicklungsprozess seiner psychotherapeutischen Arbeit, der im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt werden soll.
Einleitung
„Warum schreibst du deine Diplomarbeit über die Therapie der Überlebenden des Holocaust? Die Generation ist doch schon überholt“, war eine Reaktion über die Thematik meiner Diplomarbeit, die ich auch von sogenannten Profis zu hören bekam. „Wie kannst du nur jetzt nach Israel fahren? Hast du keine Angst, dich alleine auf den Weg zu machen, denn wir machen uns Sorgen um dich“, meinte ein guter Freund zu mir, bevor ich im Juni diesen Jahres meine Reise nach Israel und auch Palästina, dank einer Einladung von einem Freund und ehemaligen Kommilitonen, antrat.
Nein, Angst hatte ich keine. Ich wollte mich nicht von den Medien überzeugen lassen, sondern verspürte ein Gefühl der Neugier über die tatsächliche Situation in Israel und Palästina. So erhielt ich im Rahmen meiner Diplomarbeit die Möglichkeit, beide Seiten des Israel-Palästina Konflikts besuchen zu dürfen und gleichzeitig Nathan Durst und seine Arbeit kennen zulernen. Ich habe bereits im letzten Jahr einer seiner Vorträge in Köln gehört, so dass er mir nicht unbekannt war und ich eine Herausforderung darin sah, meine Arbeit über ihn zu verfassen. Im Verlaufe der Interviews mit Nathan Durst erkannte ich eine Vorgehensweise, die wesentlich auf seine individuelle Einstellung zu den Überlebenden in der Therapie zurückzuführen ist. Und eben dieser Blickwinkel lässt sich auf die soziale Arbeit übertragen, die wie Dursts Traumaarbeit durch den interaktionalen Austausch zu den jeweiligen Hilfesuchenden geprägt ist. Meine Motivation für die vorliegende Arbeit besteht darin, durch das auf den ersten Blick außergewöhnliche und für viele nicht aktuell erscheinende Thema, ein Leitbild für die Sozialpädagogen und -arbeiter zu entwickeln. Neben der praktischen Durchführungsmethode der Traumatherapie mit Holocaustüberlebenden, steht deshalb die charakteristische Ideologie Nathan Dursts als Perspektive für die sozialen Berufe gleichermaßen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Während der Ausarbeitungen haben mich folgende konkrete Fragestellungen geleitet: 1. Auf welche psychotherapeutischen Konzepte stützt Nathan Durst seine Arbeit? 2. Wie gestaltet er den Prozess in der Traumabehandlung? 3. Wo liegen die
Schwerpunkte seiner Arbeit? 4. Welche Schlussfolgerungen können daraus für die soziale Arbeit gewonnen werden?
Eine intensive Literatursichtung verschaffte mir den notwendigen Einblick in die fachtheoretische Auseinandersetzung mit der Traumaarbeit, deren Inhalte in den folgenden Darstellungen eingefügt werden. Daran angelehnt liefert Nathan Durst durch die ausführliche und praxisnahe Schilderung seiner therapeutischen Erfahrung mit Holocaustüberlebenden das Kernstück der Diplomarbeit.
Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in fünf Teile:
Um die prinzipielle Thematik der vorliegenden Arbeit in einem allgemeinen Kontext vorzustellen, werden die Begriffe des Titels zu Anfang definiert und kurz erläutert. Historische Entwicklungsschritte verweisen hier bereits auf entscheidende Gesichtspunkte für die aktuelle Betrachtungsweise der Arbeit mit traumatisierten Menschen (Kap. 1). Im zweiten Teil der Arbeit wird die theoretische Fundierung der empirischen Untersuchung dargestellt (Kap. 2). Die Untersuchungsergebnisse werden in den folgenden Kapiteln beschrieben (Kap. 3 - 5):
Der erste Schwerpunkt der Untersuchung bildet die theoretische Grundlage auf der Nathan Durst seine Arbeitsweise aufbaut. Dazu werden zwei Konzepte der Psychotherapie vorgestellt. Die Heranziehung praktischer Exempel aus Dursts Behandlungszeit in der Psychiatrie soll die Entwicklung seiner individuellen Vorgehensweise verdeutlichen. Um den aktuellen Beitrag Nathan Dursts zu erfassen, erscheint es sinnvoll, die therapeutischen Situationen mit Holocaustüberlebenden nicht losgelöst von den vorangehenden Erfahrungen darzustellen (Kap. 3.1). Nachfolgend wird erklärt, wie sich das Trauma auf die Überlebenden des Holocaust auswirkt (Kap. 3.2). Der vierte Teil enthält das zweite Kernelement dieser Arbeit, den Verlauf der Traumatherapie nach Nathan Durst (Kap. 4). Allgemeine und konkrete Konsequenzen für die soziale Arbeit schließen die Untersuchung im letzten Kapitel ab (Kap. 5).
In der vorliegenden Arbeit stehen die Begriffe „Patient, Hilfesuchender, etc.“ synonym für Frauen und Männer.
1. Begriffsbestimmungen
Eine Erläuterung des Holocaust begriffes und dem der Überlebenden soll den Einstieg in die Thematik der vorliegenden Arbeit geben. Die allgemeine Begriffserklärung des Traumas und der Psychotherapie beschränken sich hier auf eine kurze Abhandlung, da die Thematik im Zusammenhang mit Fallbeispielen von Nathan Durst im dritten Kapitel näher beleuchtet wird. Ein historischer Überblick der Traumaforschung soll im Kontext der gesamten Arbeit darauf aufmerksam machen, warum die Auseinandersetzung mit dem Trauma für soziale und medizinische Berufe nicht zu vernachlässigen ist. Da der Aspekt des Traumas im letzten Jahrhundert immer wieder thematisiert und neu definiert wurde, werden aus Platzgründen nur die wesentlichen Entwicklungsschritte aufgegriffen. Das Kapitel endet mit einem Ausblick auf die diagnostische Einordnung des Traumas nach Kriegserlebnissen.
1.1 Holocaustüberlebende
Der englische Begriff Holocaust ist abgeleitet vom griechischen „holokaustus“ und charakterisiert ein religiöses Opfer, „das vollständig verbrennt, um es Gott zu übereignen“ (http//:www.jerusalem-shalom.de/shoah.htm). Die in den USA geprägte Bedeutung des Wortes ‚Holocaust’ bezeichnet die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus in den Jahren 1933-1945. Der hebräische Ausdruck ‚Shoah’ (= (große) Katastrophe) repräsentiert mittlerweile ebenso den Volkermord der Juden und verkörpert aus der Sicht der Überlebenden die angemessenere Formulierung (vgl. ebd.).
Die Zahl der Opfer während des Holocaust belief sich auf etwa sechs Millionen Menschen, die als nicht lebenswerte Individuen der Gesellschaft betrachtet wurden und sterben sollten, weil sie Juden sind (vgl. Bettelheim 1990: 245). Nach
Beendigung des zweiten Weltkrieges im Mai 1945 konnte eine Befreiung der Juden aus den ehemals gefährdeten europäischen Territorien verzeichnet werden, die infolge der zionistischen Bewegung und der Proklamation des Staates Israels dort im Jahre 1948 eine neue Heimat fanden (vgl. Brockhaus 2003: 1011).
Heute beläuft sich die Gesamtzahl der in Israel lebenden Menschen, die direkt oder indirekt vom Holocaust betroffen sind, auf etwa 1 Million. Hier wird zwischen den Erwachsenen Überlebenden, den sogenannten Child Survivor und den Kindern der Überlebenden in der zweiten und dritten Generation unterschieden (vgl. www.amcha.de/die.htm). Die Child Suvivor bezeichnen alle verfolgten und überlebenden Kinder des Holocaust, die zu der Zeit der Befreiung im Jahre 1945 zwischen einem und 16 Jahre alt waren und sich heute im Alter von Ende 50 bis Anfang 70 befinden (vgl. Dasberg 1994: 115).
1.2 Definition der Psychotherapie
Die Bezeichnung der Psychotherapie leitet sich von den griechischen Begriffen ‚psyché’ (Seele, Atem, Lufthauch) und therapein (Kranke behandeln) her (vgl. Lackinger Karger 1999: 331). Die Psychotherapie ist eine Methode, Störungen und Krankheiten der Psyche mit psychologischen Mitteln zu behandeln, das heißt ohne medizinische Apparate oder Medikamente wie vergleichsweise bei der Psychopharmakotherapie (vgl. ebd ).
Die moderne Psychotherapie entwickelte sich zu unterschiedlichen Therapierichtungen, deren Wurzeln auf die tiefenpsychologische Psychoanalyse nach Freud zurückführen (vgl. Kriz 2001: 16). Zu den wichtigsten Therapieströmungen neben der Tiefenpsychologie zählen heute die Verhaltenstherapie, die Humanistische Psychotherapie und die systemischen Ansätze der Psychotherapie. Ihre gemeinsame Zielsetzung besteht aus der Behebung seelischen und körperlichen Leids und der Auflösung der Symptome. Die humanistische Verfahrensweise beschäftigt sich außerdem mit lebensinhaltlichen Sinnfragen und Selbstfindungsprozessen. Seit alters her ist die Psychotherapie in den gesellschaftlichen Rahmen eingebunden und kann als
Resultat aktueller kultureller und wissenschaftlicher Strömungen bezeichnet werden. Die gesellschaftlichen Idealvorstellungen bilden vermehrt eine Grundlage für die jeweilige Zielrichtung der unterschiedlichen Therapierichtungen (vgl. Lackinger Karger 1999: 332). Der gesellschaftliche Einfluss auf die therapeutische Arbeit soll in Kap. 1.3.2 durch eine historische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Traumas deutlich gemacht werden.
1.3 Trauma
1.3.1 Definition des Traumas
Der Begriff „Trauma“ stammt aus dem Griechischen und definiert eine Wunde, die aufbricht. Ursprünglich versteht man unter einem Trauma die körperlichen Konsequenzen, die nach einem gewaltigen Schlag auf den Organismus wirken (vgl. Lueger-Schuster 2004: 49).
Heute wird das Trauma beschrieben als „ein (kurz oder längerandauerndes) unerwartetes dramatisches äußeres Ereignis, welches beim betroffenen Menschen eine massive, leidvolle seelische Erschütterung nach sich zieht“ (Friedmann 2004: 12) und die Verarbeitungskompetenz des Verstandes oder der Reflexion übertreffen, wie zum Beispiel nach schweren Verkehrsunfällen, sexuellem Missbrauch, Folter- und Kriegserlebnissen. Durch eine reale Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis fühlt sich der Betroffene schutzlos ausgeliefert, da die natürlichen Abwehrmechanismen durch die Intensität des Erlebnisses ausgeschaltet werden. Die Reizüberflutung und Reizüberwältigung führen automatisch zu einer nichtbeherrschbaren Angst, in deren Folge kurz- und langfristige psychische Störungen auftreten (vgl. Kogan 1998: 24).
Als Folge des Traumas kann zusammengefasst werden, dass die Betroffenen ihre positive Vorstellung über die Zukunft verlieren und oftmals mit dem Gefühl der Zerstörung ihrer alten Existenz konfrontiert werden (vgl. Lueger-Schuster 2004: 49).
1.3.2 Historische Entwicklung
Die Erforschung psychischer Traumata zieht sich bereits durch die vergangenen hundert Jahre und ist, wie eingangs erwähnt, nicht losgelöst von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen oder Bewegungen zu betrachten. Die Forschungsansätze wurden immer wieder unterbrochen und mussten später neu bearbeitet werden. Der Grund für die schleppenden Fortschritte lag nicht an mangelndem Interesse der Wissenschaftler, sondern vielmehr führte ein moralischer Konflikt zu einer stets wiederkehrenden Tabuisierung der Thematik. Die Last der Schmerzen, die zum Beispiel nach Kriegserlebnissen zu tragen war, wollten vergessen werden und blieben oftmals unausgesprochen (Herman 2003: 19f). Erich Fromm spricht in diesem Zusammenhang von dem Begriff des „gesellschaftlich Unbewussten“, der den Verdrängungsprozess der Gesellschaft kennzeichnet, da eine bewusste Wahrnehmung der verdrängten Inhalte „das reibungslose Funktionieren und somit den Bestand der gesellschaftlichen Ordnung gefährden würde“ (Schmidt 2000: 4). Gabriele Rosenthal, die einen Aufsatz über ‚das kollektive Schweigen zu den Nazi- Verbrechen’ verfasste, begründet die Tabuisierung der Ereignisse und Folgen für die Betroffenen mit einer „institutionellen Abwehrhaltung“, die durch eine unreflektierte und unbewusste Übernahme „von Strategien im Umgang mit sozialer Wirklichkeit“ entsteht sowie „als vorgegebene, soziale und kollektiv geteilte Realitäten“ erlebt und unbewusst an die nächste Generation weitergegeben werden (vgl. Rosenthal 1992: 22). Diese Erklärungsansätze sollen hier einen kurzen Einblick in die Ursachen der verzögerten Entwicklung der psychologisch medizinischen Forschungsarbeit über die Traumaentstehung verleihen, die an dieser Stelle jedoch aus Platzgründen nicht weiter ausgeführt werden können. Es folgt eine kurze Darstellung darüber, welche Erkenntnisse im letzten Jahrhundert letztendlich zum aktuellen Verständnis des Traumas führten.
Die ersten Schritte zur Analyse der Entstehung traumatischer seelischer Störungen wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch den französischen Psychiater Charcot eingeleitet, der während der Erforschung der Hysterie erstmalig von der traumatischen Hysterie sprach. Die hysterischen Patienten wurden bislang als Simulanten einer Krankheit angesehen, da ihre Störung nicht auf äußere Gegebenheiten zurückgeführt wurde. In Hinblick auf einen traumatischen Hintergrund stellte Charcot die Thematik in einen wissenschaftlichen Kontext, wodurch den Patienten die Glaubwürdigkeit ihrer Leiden zurückgegeben wurde. Seinen Fokus richtete er jedoch lediglich auf die Symptome der Patienten.
Es war Pierre Janet, der sich mit den seelischen Vorgängen der Hysterie und anderen Formen der Psychopathologie beschäftigte. Janet und Freud kamen unabhängig voneinander durch ihre Forschungsarbeiten zu der Erkenntnis, dass der hysterische Zustand durch ein psychisches Trauma verursacht wird: Bewusstseinveränderungen, die hysterische Symptome hervorrufen, werden durch unerträgliche Gefühlsreaktionen auf traumatische Ereignisse verursacht. Janet nannte den veränderten Bewusstseinszustand ‚Dissoziation’ (vgl. Kap. 3.1.2). Außerdem erkannten die psychologischen Forscher Janet, Freud und Breuer während dieser Zeit, dass die hysterischen Symptome gelindert werden, wenn die traumatischen Erinnerungen sowie die damit verbundenen intensiven Gefühle wieder erlebt und in Worten ausgedrückt werden. Diese Methode stellt die Grundlage der modernen Psychotherapie dar. Janet sprach von der ‚psychologischen Analyse’. Breuer und Freud nannten die Technik ‚Katharsis’ oder ‚Abreaktion’. Später gab Freud der Behandlungsmethode den Namen der ‚Psychoanalyse’ (vgl. Herman 2003: 21ff).
Während des ersten Weltkrieges wurde bei den Soldaten ähnliche Symptome erkannt wie bei einer Hysterie. Doch um die Männer vor psychischer Anfälligkeit zu schützen, wurden organische Ursachen für das Zusammenbrechen während oder nach den Kampfeinsätzen gefunden (vgl. Butollo 1999: 18). Mit Beginn des zweiten Weltkrieges lebte erneut das medizinische Interesse auf, die neurotischen Folgen des Krieges zu bearbeiten. Doch mit Kriegsende verlor das psychische Befinden der Soldaten erneut an medizinischem und öffentlichen Interesse, da der bereits erwähnte Verdrängungsprozess einsetzte und die Folgen des nachhaltigen Kriegstraumas in Vergessenheit gerieten. Erst durch die Überzeugungskraft einer Selbsthilfegruppe von Soldaten aus dem Vietnamkrieg wurden im Jahre 1980 psychische Traumata als dauerhafte und unvermeidliche Spätfolgen des Krieges anerkannt. Das Syndrom des psychischen Traumas wurde als neue Kategorie in das offizielle Handbuch seelischer Erkrankungen aufgenommen (vgl. Hermann 2003: 44).
1.3.3 Posttraumatische Belastungsstörung in der Folge von Kriegserlebnissen
Erstmals wurde das Trauma als eigenständige Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Jahr 1980 in das Klassifikationssystem DSM III (Diagnostic and Statistical Manual) aufgenommen. Demzufolge liegt eine PTBS dann vor „wenn sich in der Folge eines traumatischen Ereignisses, das im allgemeinen außerhalb des menschlichen Erfahrungsbereiches liegt, bestimmte charakteristische Symptome entwickeln“ (vgl. Saigh 1995: 18).
Nach Definition von Judith Herman ist die Diagnose der PTBS für schwerwiegende Folgen lang andauernder, massiver Traumata nach Kriegserlebnissen nicht zutreffend. Weder die Vielfalt und Schwere der Symptome noch die tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderungen der Opfer werden in der derzeitigen Formulierung des PTBS erfasst. Herman erkannte die Notwendigkeit der Entstehung einer neuen Kategorie, um einer Unterscheidung der Störungen gerecht zu werden und bezeichnet das neue Syndrom als K omplexe posttraumatische Belastungsstörung, welches nach einem langanhaltenden, wiederholten Trauma auftritt und in seiner Formulierung das breite Spektrum der traumatischen Reaktionen erfasst (vgl. Herman 2003: 166ff). Das komplexe traumatische Syndrom wurde u.a. von der ‚International Classification of Diseases’ (ICD) anerkannt und unter dem Namen ‚Persönlichkeitsveränderung durch katastrophische Erfahrung’ als Kategorie aufgenommen. Die unterschiedlichen Symptome der komplexen traumatischen Belastungsstörung unterteilen sich in sieben diagnostische Kriterien (vgl. Anh.: IV), welche momentan in der Diskussion stehen, in die vierte Auflage des Diagnosehandbuchs der American Psychiatric Association aufgenommen zu werden (vgl. Herman 2003: 168).
Durch die Namensgebung für die traumatische Störung wird versucht, die moralischen Bedürfnisse der traumatisierten Menschen zu berücksichtigen und eine verdiente Anerkennung für das langanhaltende Leiden zu finden (vgl. ebd.). Herman spricht von dem Versuch, „von den Opfern zu lernen, die besser als alle Forscher wissen, welche Auswirkungen Gefangenschaft haben kann“ (ebd.).
2. Qualitative Sozialforschung
Die qualitative Sozialforschung ist eine Methode und Denkhaltung, die versucht, sich Schritt für Schritt einem Forschungsgegenstand anzunähern und durch Interpretation seine Qualität zu erfassen. Ziel ist die Entdeckung sozialer Strukturen, die durch den dynamischen Forschungsprozess offen gelegt werden und weniger die Verifizierung bzw. Falsifizierung einer Hypothese, wie vergleichsweise in der quantitativen Sozialforschung (vgl. Heinze 2001: 41ff). Die qualitative Methodik zeichnet sich durch folgende Aspekte in ihrer Zielsetzung aus: 1. Das Erleben und Verhalten des Menschen soll erklärt werden, 2. die Erklärung des individuellen Verhaltens soll für möglichst viele Individuen Validität besitzen und 3. sollen die Erkenntnisse anschaulich und lebensnah sein (vgl. Wittkowski 1994: 7f).
Die Schritte des Forschungsablaufes vollziehen sich von der Erhebung über die Interpretation und der Absicherung bis hin zur Darstellung der Ergebnisse (vgl. Flick 2002: 11f). In der vorliegenden Untersuchung wurde das narrative Interview als Erhebungsmethode verwendet, welches in der Sozialforschung als die Idealform eines qualitativen Verfahrens der Informationsgewinnung betrachtet wird (vgl. Wittkowski 1994: 12). Die Grounded Theory (vgl. 2.2.1) stellt die Grundlage für die Analyse und Interpretation der Daten dar, die durch eine Transkription gesichert wurden. Um den Entwicklungsverlauf von der Erhebung der Daten bis zur endgültigen Darstellung der Ergebnisse transparent zu machen, werden die einzelnen Schritte des Forschungsablaufes im Folgenden näher erklärt.
2.1 Erhebungsverfahren
Zur Erhebung der empirischen Daten wurde die Methode des narrativen Interviews gewählt, die hier erklärt und mit dem situativen Kontext verknüpft werden soll. Bei dem narrativen Interview als bevorzugtes Instrument biographischer Forschung wird die befragte Person darum gebeten, seine selbsterlebten Erfahrungen als Geschichte zu erzählen, welche als Datenmaterial für die sozialwissenschaftliche Untersuchung verwendet wird. Es handelt sich zum Beispiel um lebensgeschichtliche, alltägliche, situative und/ oder kollektiv-historische Erfahrungen (vgl. Glinka 1998: 9). Die Ereignisabläufe werden in einer Stehgreiferzählung aus der momentanen Situation heraus verbalisiert, ohne zuvor systematische Vorbereitungen auf die Thematik getroffen zu haben. Eine allgemein gehaltene Fragestellung des Interviewers, die lediglich eine Erzählaufforderung darstellt, lässt den Befragten die Struktur und Relevanz seiner Geschichte und Themen selbst bestimmen (vgl. Maindok 1996: 111). Damit liefert dieser den entscheidenden Charakter seiner Erzählung, in der „seine Relevanzgesichtspunkte“ erfasst werden sollen (vgl. Lamnek 1989: 374). Um die Echtheit der Ergebnisse zu wahren, sollte die Durchführung der Forschung in möglichst natürlicher alltäglicher Umgebung stattfinden. Durch die Anknüpfung an die reale Lebenssituation sollen Verzerrungen möglichst gering gehalten werden (vgl. Mayring 2002: 19ff).
Die globale Fragestellung der Untersuchung lautet: Welche Erfahrungen liefert Nathan Durst für die therapeutische Arbeit mit traumatisierten Holocaustüberlebenden. Durch eine Kontaktaufnahme über das Internet wurden die Informationen an Durst weitergegeben, ohne ihn durch einen gezielten Fragebogenkatalog in der Thematik einzuschränken. Dank einer persönlichen Einladung nach Israel wurden die Interviews bei ihm zu Hause in seiner alltäglichen Umgebung unter Verwendung eines Diktiergerätes durchgeführt.
Nachdem die Erzählthematik ausgehandelt ist, beginnt der Befragte in der Haupterzählphase mit seiner Geschichte. Das bedeutet für den Interviewer nicht lediglich Zurückhaltung während der Erzählung, sondern gleichzeitig ein explizit strategisches Verhalten. Er muss den Informanten darin unterstützen, seine Geschichte zu erzählen, indem er alles tut, was den Erzählfluss fördert und alles unterlässt, was den Interviewten unterbrechen, ablenken oder stören könnte. Gleichzeitig ist eine Zurückhaltung gefordert, um den Erzählfluss nicht durch unterstützende Signale in eine neue Richtung zu lenken. Damit sind professionelle, soziale und psychische Kompetenzen des Interviewers gefragt (vgl. Maindok 1996: 98ff). Es wird hierbei deutlich, dass es sich auch bei der monologen Erzählform um eine kommunikative, soziale Situation handelt (vgl. Glinka 1998: 14). Die Phase der Haupterzählung wird solange aufrechterhalten, bis der Befragte das Ende seiner Darstellung explizit und von sich aus zu erkennen gibt (vgl. Maindok 1996: 112).
Durch einen sehr breit gefächerten und umfangreichen Erfahrungsschatz in der therapeutischen Arbeit, verbunden mit zahlreichen internationalen Vorträgen über die Traumaarbeit, berichtete Nathan Durst in einer fließenden Darstellung über seine Erfahrungen. Die Haupterzählphase erstreckte sich über einige Tage und wurde durch äußere Umstände beendet, nicht jedoch, weil Nathan Durst nichts mehr zu erzählen hatte.
An die Haupterzählung schließt sich der Nachfrageteil an und abschließend die Bilanzierungsphase des Interviews. Der Nachfrageteil besteht ausschließlich darin, neue Sequenzen der Erzählung hervorzulocken und damit neue Geschichten aus den Erfahrungen in Gang zu bringen. Das Erzählpotential soll durch die Nachfragen weiter ausgeschöpft werden, indem thematische Aspekte des Erzählers von dem Interviewer aufgegriffen werden können. Die Fragen in der Bilanzierungsphase zielen zunehmend auf Beschreibungen und Argumentationen der vorausgehenden Erzählung (vgl. Flick 2002: 149). Diese Methode beschreibt den strukturierenden Anteil des Interviewers, der sowohl in der Eröffnungsfrage als auch am Ende des Interviews erforderlich ist (vgl. ebd.: 155).
Die Interviewaufnahmen wurden nach einer dreitägigen Arbeitsunterbrechung fortgesetzt, nachdem ein Resümee der bereits erhaltenen Daten angefertigt worden war. In diesem Zusammenhang konnte festgestellt werden, dass die Antworten auf die allgemein gehaltene Einstiegsfrage den Inhalt einer Diplomarbeit überschreiten würden. Es erfolgte eine Themeneingrenzung der Interviewerin, die dabei relevante Fragen für den Nachfrageteil und die Bilanzierungsfrage formulierte. Im folgenden Gespräch stellte sich zum Beispiel die Frage, ob Durst den Aspekt der Integration des Traumas in den Lebenszyklus, den er bereits angesprochen hatte, noch einmal an einem Fallbeispiel deutlich machen könne. Er schilderte daraufhin den ausführlichen Fall „Jakob“, um die angesprochene Thematik zu spezifizieren. Die Frage danach, wie er erneut eine Balance in der therapeutischen Situation herstellte, in der Durst sich selbst von der Hilfesuchenden kontrolliert fühlte, stellte sich in der Bilanzierungsphase. In den Abschlussfragen wurden Themenschwerpunkte der vorausgehenden Erzählung aufgegriffen, um den weiteren Erzählfluss auf die wesentliche Elemente seiner Arbeit zu begrenzen und eine weitere Themenüberschreitung zu verhindern.
2.1 System der Bearbeitung
Der nachstehende Abschnitt beschreibt den Umgang und den Gebrauch der empirischen Daten. Für die Interpretation des narrativen Datenmaterials wurde das Analyseverfahren der „Grounded Theory“ verwendet, die bezugnehmend auf die praktische Durchführung anstehend erläutert wird. Diese berücksichtigend folgt eine Darstellung der Datendokumentation.
2.2.1 Grounded Theory
Zur Analyse und Aufbereitung der empirischen Daten wurde das Verfahren der gegenstandsbezogenen Theoriebildung, die Grounded Theory, herangezogen. GLASER und STRAUSS entwickelten die Theorie Anfang der 1960er Jahre, um Interaktionen und soziale Prozesse zu begreifen, die als komplexe Phänomene verstanden werden (vgl. Strauss 1994: 30). Die Erhebung von Daten, deren Aufbereitung und Auswertung sind am Gegenstand orientiert und finden zeitgleich in einem stetig ineinandergreifenden Prozess statt. In diesem Prozess entwickelt sich der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung. Die Ordnung der mannigfaltigen Gedanken, die beim Forscher während der Analyse entstehen, bilden den Schwerpunkt des Vorgehens (vgl. Mayring 2002: 104). Im Grundgedanken geht die gegenstandsbezogene Theoriebildung „ (...) davon aus, dass der Forscher während der Datensammlung theoretische Konzepte, Konstrukte, Hypothesen entwickelt, verfeinert und verknüpft, so dass Erhebung und Auswertung sich überschneiden.“ (Mayring 2002: 105).
Die Untersuchung im Rahmen der Grounded Theory wird als eine Suchaktion bezeichnet, die den Ausgangspunkt einer globalen Zielsetzung beschreibt. Der Weg der Suche wird bestimmt durch die Frage, wie am besten Einblick in Bezug auf den Versuchsgegenstand gewonnen werden kann. Im Verlaufe der Untersuchung wird sich der Zielsetzung prozessartig durch sich ständig wiederholendes Sammeln von Daten, Kodieren, Analysieren und Interpretieren genähert. Das Fundament der Grounded Theory liegt in den gesammelten Daten, die kontinuierlich miteinander verglichen werden. Die globale Zielsetzung und die Fragen bilden den Ausgangspunkt für Konzepte, die sich in den Bedeutungen der Daten wiederfinden. Die Konzepte werden miteinander verglichen und in Kategorien eingeteilt. Die einzelnen Daten entwickeln sich durch diesen Prozess zu einem sinnvollen Ganzen, welches Einsicht in die Situation verschafft, sie erkennbar und verständlich macht (vgl. Bosch et al.1991: 15f).
Die Ausarbeitung der vorliegenden Arbeit vollzog sich durch eine Entwicklung, die nach den Regeln der Grounded Theory zu dem hier vorliegenden Ergebnis gelang. Der Ausgangspunkt für den Untersuchungsgegenstand waren folgende Fragen: Wer ist Nathan Durst und über welche Erfahrungen aus der (Trauma-) Therapie kann er berichten? Diese biographischen Fragen bildeten die globale Zielsetzung der Untersuchung. Im Verlaufe der Interviewdurchführung wurde erkannt, dass die umfangreichen Darstellungen des Interviews den Rahmen einer Diplomarbeit übertreffen. Die gesammelten Daten wurden daraufhin verglichen, um das Grobziel der vorliegenden Arbeit zu verfeinern. Nach einer stichwortartigen Abschrift der ersten Interviews wurde während der 3-tägigen Interviewpause beschlossen, erhaltene Daten für den Untersuchungsgegenstand zu selektieren, um eine neue globale Zielsetzung zu formulieren. Erst daraufhin wurde der Titel dieser Arbeit verfasst, der die neue Zielsetzung für die Untersuchung ausdrückt: Welchen Beitrag liefert Nathan Durst in der Traumaarbeit mit Holocaustüberlebenden. Auf eine komplexe biographische Ausarbeitung im Zusammenhang mit Dursts eigener Holocausterfahrung konnte demnach nicht eingegangen werden.
Die Konzepte für die Theorieentwicklung wurden anhand der geschilderten Fallbeispiele und einfließender theoretischer Gedanken Dursts erstellt. Aus den Konzepten wurden Kategorien ersichtlich, die miteinander verglichen und verknüpft wurden. In den Fallbeispielen sprach Durst beispielsweise über die Phasen der Therapie. Weitere Fallbeispiele wurden daraufhin untersucht, in welche Phase sie einzuordnen sind. Durch Analysieren und Interpretieren des Datenmaterials konnten neue Kategorien innerhalb der verschiedenen Phasen entwickelt werden. Die Konzepte wurden nach qualitativen Gesichtspunkten untersucht, um zu erkennen, welche Akzente Nathan Durst in seiner Arbeit setzt. In diesem Prozess wurde aus höchst umfangreichen empirischen Daten ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt, um die elementaren Aspekte der psychotherapeutischen Arbeit nach Nathan Durst im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit darzustellen.
2.2.2 Dokumentation der Daten
Nach Durchführung der Interviews wurde das gesammelte Datenmaterial niedergeschrieben. Diese schriftliche Aufzeichnung von Interviewmaterial nennt man Transkription (vgl. Mayring 2002: 89).
Bei psychologischen Untersuchungen, in denen der sprachliche Austausch das Medium der Inhaltsuntersuchung ist, ist der Anspruch auf eine präzise Genauigkeit der Äusserungen, Pausen und ihrer Darstellung nur in Sonderfällen gerechtfertigt. Es erscheint sinnvoller, nur die Inhalte zu transkribieren, die für die Fragestellung erforderlich sind. Erstens kann die Zeit und die Energie einer genauen Transkription besser für die Interpretation der Daten verwendet werden. Zweitens erscheinen Aussage und Sinn des transkribierten Textes durch eine resultierende Unübersichtlichkeit eher unzugänglich (vgl. ebd.: 253).
In der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine Analyse der psychologischen Erfahrungen Nathan Dursts, so dass in Anlehnung an Mayring auf eine präzise Genauigkeit der Transkription verzichtet wurde. Sprechpausen und para-verbale Äusserungen des Interviewten wurden nur bei thematischen Bezügen in der Dokumentation kommentiert, nicht jedoch bei Wortfindungsschwierigkeiten auf Grund sprachlicher Barrieren, da dies den Lesefluss behindern würde. Fehler in der Grammatik oder in der Aussprache sind in der Abschrift nicht verbessert worden, da sie den inhaltlichen Sinngehalt nicht beeinträchtigen und den Charakter des Interviewten authentisch wiedergeben. Aufgrund der sehr allgemein gehaltenen Eingangsfrage des Interviews liegt im Resultat eine umfangreiche Datensammlung vor. Erzählabschnitte, die den Schwerpunkt der Untersuchung überschreiten, wurden zwar stichwortartig notiert, jedoch nicht transkribiert, wie zum Beispiel die Lebensgeschichte Dursts. Gelegentliche Kürzungen der transkribierten Darstellungen wurden nur vorgenommen, wenn es sich um wiederholende oder ausschweifende Inhalte handelte. Dies erfolgte jedoch nur in Ausnahmefällen, da es für die Anwendung der Grounded Theory vordergründig erscheint, einen umfangreichen Einblick in die therapeutische Arbeit Nathan Dursts zu gewinnen. Im Ergebnis beziehen sich alle transkribierten Texte auf den Inhalt der Frage, welchen Beitrag Durst für die Traumaarbeit mit Holocaustüberlebenden leisten kann. Jedoch konnten nicht alle Inhalte des transkribierten Materials thematisiert werden, da dies den Rahmen einer Diplomarbeit überschreiten würde. Einzelne Fallbeispiele, die den Inhalt der psychiatrischen Tätigkeit Dursts wiedergeben, sollen zum Verständnis seiner individuellen Entwicklung dienen und deutlich machen, auf welchem Wege er zu den aktuellen Erkenntnissen der Traumatherapie gelangte.
Die transkribierten Texte wurden vom Verfasser in einzelne Kapitel eingeteilt und mit einem Titel versehen, die dem Anhang zu entnehmen sind. Sie erscheinen in einer neuen Reihenfolge, kohärent zum Aufbau dieser Arbeit und die Abfolge stimmt daher nicht mit dem tatsächlichen Gesprächsablauf überein. Die Fragestellungen des Interviewers werden nur dann hinzugefügt, wenn sie im Verlaufe der neuen Gliederung der Texte notwendig erscheinen. Die Abweichung von der ursprünglichen Transkriptvorlage wurde vorgenommen, da die neue Systematisierung der Inhalte übersichtlicher auf den Leser wirkt.
Die ersten Kapitel des Anhangs behandeln die theoretischen Gesprächsinhalte des Interviews. Darauf folgen die einzelnen Fallbeispiele aus den therapeutischen Begegnungen. Die Inhalte der einzelnen Kapitel werden als Unterpunkte im Inhaltsverzeichnis des Anhangs genannt, damit sie für den Leser leichter zu erfassen sind.
Eine Anonymisierung der Namensangaben der Patienten wurde bereits von Nathan Durst vorgenommen. Verzichtete er auf eine Namenserwähnung, so wurde dies lediglich im Rahmen der Arbeit nachgeholt, um sich nicht in Formulierungen wie Patient oder Überlebender zu wiederholen. Kommentare, die vom Verfasser in die Transkription eingefügt worden sind, werden im Anhang erläutert. Alle transkribierten Texte sind von Nathan Durst gegengelesen und bestätigt.
3. Theoretische Hintergründe der Traumatherapie nach Nathan Durst
Im Folgenden werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Zuerst werden zwei Therapiekonzepte vorgestellt, auf die Nathan Durst seine eigene therapeutische Arbeit stützte. Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, wie sich die traumatische Erkrankung bei Holocaustüberlebenden beschreiben lässt. Die wesentlichen Auswirkungen sollen dazu zusammengefasst werden. Themenbezogene Fallbeispiele aus der psychiatrischen Tätigkeit und der Traumatherapie mit Überlebenden werden herangezogen, um die Ergebnisse der Untersuchung in einem praktischen Kontext zu präsentieren. Die Verwendung von langen Zitaten erscheint in einigen Fällen sinnvoll, um die Darstellung Nathan Dursts nicht durch eine Neuformulierung der Verfasserin zu verfälschen.
3.1 Konzepte der Psychotherapie
Nathan Durst stützt seine Arbeit auf unterschiedliche theoretische Grundgedanken. Er wollte während seines Studiums und in seiner praktischen Tätigkeit als Therapeut den Blick nicht auf ein Therapiekonzept beschränken, sondern vertrat die Meinung: „Ich möchte es so machen wie im Restaurant, ich will von jeder Speise etwas probieren und kosten, und nachdem kann ich sagen, was mir am besten schmeckt“ (Durst: LIII). Da sich die therapeutische Arbeit nach Durst nicht in eine spezifische Kategorie ordnen lässt, werden zwei theoretische Grundprinzipien dargestellt, von denen sich Durst selbst wesentlich geprägt fühlt.
Durch die Forschungsarbeiten Sullivans soll die Ätiologie seelischer Krankheiten verdeutlicht werden, auf deren Grundlage er den Aspekt der zwischenmenschlichen Beziehung in der Psychotherapie und die interpersonale Theorie entwickelte. Diese wird im Anschluss erläutert, da sie essentielle Motive für die vorliegende Arbeit beinhaltet. Die darauf folgende Betrachtung der humanistischen Grundannahmen bildet die Basis für die personenzentrierte Theorie nach Rogers.
Hierbei soll deutlich werden, welche Leitgedanken Nathan Durst aus der psychiatrischen Arbeit sammeln konnte. Um die theoretischen Grundannahmen seiner Arbeit zu erfassen, erscheint es hilfreich, seine therapeutische Tätigkeit insgesamt zu betrachten, da wesentliche Elemente der Traumatherapie auf seine Erfahrungen mit psychisch erkrankten Menschen gründen.
3.1.1 Die Ursprünge der interpersonalen Theorie nach Sullivan
„Er ist nie müde geworden, die groJ3artige Fähigkeit des Menschen zu bewundern und implizit oder explizit als Bezugsrahmen von der Vorstellung auszugehen, dass ‚Wir alle in sehr viel stärkerem MaJ3e menschlich sind als alles andere, ob wir nun glücklich und erfolgreich sind, selbstgenügsam und alleinstehend, unglücklich und psychisch gestört oder was immer.’“ (Sullivan 1980: 22).
Der amerikanische Psychiater und Analytiker Harry Stack Sullivan, (21.02.189214.01.1949), ausgebildet im Sinne der psychoanalytischen Schule nach Freud, wird heute in die Gruppe der großen Pioniere der Tiefenpsychologie gereiht. Aktuelle Theorien der Entwicklungspsychologie sowie Auffassungen über das Beziehungsmuster in einer psychotherapeutischen Situation wurden in den Ursprüngen erstmals von Sullivan formuliert. Erich Fromm bezeichnet ihn als „einer der tiefgründigsten und glänzendsten Psychoanalytiker unserer Zeit“ (Fromm 1981: 185). Sein Name gehörte in Deutschland lange Zeit zu den unbekannten, da tiefenpsychologischen und neopsychoanalytischen Forschungen nach den ersten Weltkriegen wenig Beachtung geschenkt wurde (Bacal 1990: 28).
Im Jahre 1930 begann Sullivan als einer der ersten, Schizophrenie-Erkrankungen psychotherapeutisch zu analysieren und behandeln, die laut Freud im psychotherapeutischen Sinne als unbeeinflussbar galten. Durch die langjährige praktische Erfahrung stellte Sullivan die These auf, dass Psychosen und Neurosen als Entwicklungsdefizite und daraus resultierende Störungen im zwischenmenschlichen Bereich zu begreifen sind. Die Entstehung einer psychischen Erkrankung führte Sullivan zurück auf eine Traumatisierung im frühkindlichen Entwicklungsstadium (vgl. Rattner 1969: S.13).
Es wurde behauptet, dass die Persönlichkeit, das Ich des Kranken bei der Schizophrenie zersplittert sei. Er könne nicht mehr logisch denken und reden, sein Ich sei lückenhaft und wackelig. Sullivan ging davon aus, dass das Ich überhaupt nicht entwickelt ist (Sullivan 1976: 74).
Nach der Entwicklungspsychologie bildet sich das Ich des Kindes im Alter von 3 Jahren aus. Zuvor sprechen Kinder in der 3. Person und sagen ‚Lisa will’ anstatt ‚ich’. Die Traumatisierung in der Zeit vor der Ich- Entstehung führt Sullivan auf eine gestörte Interaktion zwischen Mutter und Kind zurück. Er nennt die emotionale Beziehung zwischen Mutter und Kind ‚Empathie’. Das Kind lebt in einer emphatischen Einheit mit der Mutter. Ein Gefühl der Mutter überträgt sich unmittelbar auf das Kind und umgekehrt. Ist die Mutter unglücklich, neurotisch oder psychotisch, so nimmt ein Kind diese Stimmungen bereits im ersten Lebensjahr wahr und integriert diese in das eigene Selbstkonzept. Durch eine gestörte Beziehung zu der Mutter kann sich das Ich des Kindes nicht auf gesunder Weise ausbilden (vgl. Rattner 1974: 34):
„Aus der heutigen Erziehung gehen die Menschen als Karikatur dessen hervor, was sie sein können. Sie müssen erst zu ichstarken, geordneten, progressiven Persönlichkeiten entwickelt werden. Sie haben einen grossen Entwicklungsrückstand nachzuholen“ (ebd. 71).
Sullivan erkannte durch seine Forschungsarbeit mit Schizophrenie- Erkrankten, dass die zwischenmenschliche Beziehung in der Therapie wesentlichen Einfluss auf die Genesung der Patienten hatte. Die Aufgabe des Therapeuten besteht nach Sullivan darin, sich in den Seelenzustand des frühen Kindesalters der erwachsenen Patienten einzufühlen. Durch sein Verhalten, seine Äußerungen und seine Bedürfnisse kann der Therapeut eine lebendige Einfühlung entwickeln und sich mit dem Patienten identifizieren. Die Annahme des Patienten gleicht der Beziehung zwischen Mutter und Kind, so dass während der Therapie eine Neuerziehung stattfindet, die ihn letztendlich zur Heilung führen (vgl. Rattner 1969: 119ff).
Auf Grundlage der entwicklungspsychologischen und tiefenpsychologischen Erkenntnisse gründete Sullivan die interpersonale Theorie, die folglich dargestellt wird.
3.1.1.1 Inhalte der interpersonalen Theorie
Die interpersonale Beziehung, auch zu bezeichnen als die Erforschung zwischenmenschlicher Kommunikation, wird als Kernstück der Arbeiten Sullivans bezeichnet (vgl. Sullivan 1980: 16). In der Erläuterung sollen wesentliche theoretische Inhalte der Therapieform nach Durst wiedergeben werden.
Die Aufgabe des Therapeuten besteht demnach in dem Aufbau einer intakten Beziehung, die den Patienten durch „echte Zuwendung, echte Gespräche, echte Kommunikation“ (Rattner 1974: 15) heilen soll. Sullivan bezeichnet den Therapeuten als den ‚teilhabenden Beobachter’ in der Therapie (vgl. Rattner 1969: 161). Was ist darunter zu verstehen?
Die psychotherapeutische Profession zeichnet sich nicht nur durch intellektuelle Fähigkeiten aus, sondern legt den Schwerpunkt vielmehr auf die Gefühlsebene. Die Psychotherapie beschreibt „eine intensive Beziehung zweier Menschen, die sich wechselseitig miteinander identifizieren“ (Rattner 1969: 161). Die gegenseitige Identifikation ist nur dann möglich, wenn der Therapeut mit einer „warmherzigen Anteilnahme“ auf die Problematik des Patienten eingeht. Die Sympathie, die ihm gegenüber geäußert wird, ist einer der wichtigsten Faktoren für die Dynamik der Heilung (vgl. ebd. 164ff).
Das empathische Verhalten drückt sich jedoch nicht lediglich durch die Einfühlung in die Emotionen des Anderen aus, denn nur wenn er selbst Menschlichkeit, d.h. Persönlichkeit, zeigt, kann er dem Hilfesuchenden begegnen und dadurch helfen. Seine innere Beteiligung wirkt bestätigend und beruhigend auf den Patienten, der selber mit Gefühlen der Unsicherheit und Angst in die Therapie kommt (vgl. Rattner 1969: 158).
Der Therapeut ist aktiv daran beteiligt, sich in die zwischenmenschliche Situation zu integrieren, um eine lebendige Beziehung aufzubauen. Nicht die Fragen des Therapeuten und die Antworten des Patienten liefern notwendiges Material in der Psychotherapie, sondern die stimmliche Kommunikation ist entscheidend für Sullivan. Neben der verbalen Kommunikation erfährt der Therapeut ebenso wertvolle Informationen durch die Aufnahme nonverbaler Signale, durch welche Emotionen effektiver vermittelt werden können, als durch verbale Äußerungen (vgl. Forgas 1995: 128). Entscheidend für den therapeutischen
Kommunikationsprozess ist demnach nicht alleine, was der Patient antwortet. Wie etwas gesagt wird, wann etwas nicht gesagt wird und wie betont wird stellen hier bedeutsame kommunikative Elemente dar, durch die der Therapeut Reaktionen und Verhaltensweisen seines Gegenübers erfährt, die für seine Analyse von hoher Bedeutung sind. Die Mimik, Gestik, Intonation, Wortwahl, um einige der nonverbalen Signale zu nennen, geben Informationen über die Charakterzüge des Patienten mit seinen Schwierigkeiten und Vorzügen (vgl. Sullivan 1976: 48f).
Auch dem Therapeut ist Vorsicht geboten, unbewusste Gefühlsäußerungen in Form der nonverbalen Sprache zu tätigen, da ein Stirnrunzeln bereits Unsicherheit bei den zumeist sehr sensiblen Patienten erzeugen kann. Der Therapeut muss mit voller Aufmerksamkeit in die Begegnung treten, um alle Signale des Patienten zu registrieren. Der Aufbau einer lebendigen, zwischenmenschlichen Beziehung lässt sich schwerlich als Regelwerk umschreiben, sondern entwickelt sich unvorhergesehen durch eine innerpsychische Kompetenz des ‚Profis’ (vgl. Rattner 1969: 169f).
Sullivan zieht aus seiner Theorie die Schlussfolgerung, dass Menschen mit einer Klarheit über ihre mitmenschlichen Beziehungen nicht seelisch erkranken werden, selbst wenn sie unter außerordentlicher Belastung leben. Durch die echte Begegnung in der Therapie findet der Patient sein inneres Gleichgewicht, um zur psychotherapeutischen Heilung zu gelangen (vgl. ebd.: 170ff).
Um die Gedanken Sullivans im Lichte der Praxis zu verdeutlichen, wird ein Beispiel aus der psychiatrischen Tätigkeit Dursts herangezogen. Hier soll deutlich werden, wie die Grundannahmen Sullivans von Durst in der Praxis umgesetzt werden. Weitere Therapiebeispiele der Holocaustüberlebenden, die in der Fortsetzung der vorliegenden Arbeit und im Anhang zu lesen sind, werden die inhaltlichen Schwerpunkte der interpersonalen Theorie aufgreifen (vgl. Fall Mia, Fall Henri, Fall Joshi).
- Alfred
Die folgende Darstellung berichtet über den 20-jährigen Alfred, der bereits mehrere erfolglose Therapien durchlaufen hat. Seine Diagnose konnte nicht konkretisiert werden. Nathan Durst erhält die Nachricht, dass Alfred unter der Schizophrenie- oder Borderline- Erkrankung leide „und es ist ein unmöglicher Fall, ob ich bitte, bitte diesen übernehmen könnte“ (Durst: XXXVIII).
Auf eine Erläuterung der psychiatrischen Erkrankungen wird hier nicht näher eingegangen, da der therapeutische Vorgang und nicht die Krankheit selbst als Schwerpunkt dieser Arbeit betrachtet wird. Dennoch soll ein Zitat von Durst einen kurzen Einblick darüber geben:
„Wir haben über Schizophrenieerkrankte gelernt, dass sie in den Gefühlskontakten sehr kalt sind und dass sie keine Emotionen zeigen können oder sie nicht haben oder verloren gegangen sind. Es ist mir deutlich geworden, dass die Beschreibung in den Fachbüchern sich schön anhört, aber in der Wirklichkeit habe ich das anders mitgemacht“ (Durst:XIV).
Wie ging Nathan Durst vor, um den Heilungsprozess eines Patienten mit der Diagnose Schizophrenie oder Borderline einzuleiten?
Im Verlaufe der Therapie wird deutlich, dass Durst sich bemüht, den Menschen Alfred kennen zu lernen. Er richtet seinen Blick auf die Person, die vor ihm sitzt und nicht auf die ihm aufgedrückten Stigmata der Diagnose. Er fragt nicht nach Alfreds Krankengeschichte, sondern möchte gerne seine Interessen und Vorlieben des alltäglichen Lebens in Erfahrung bringen: „Kannst du mir vielleicht erzählen, was du heute so alles getan hast? (...) Und du hast gegessen, was hast du denn heute gegessen? (...) Alfred, hast du heute die Zeitung gelesen?“ (Durst: XXVIIIf).
Um die Worte Sullivans aufzugreifen, versucht Durst sich durch seine Fragen in die individuelle Welt von Alfred einzuleben und eine lebendige Beziehung zu ihm zu entwickeln. Jemand, der sich zuvor von jeglichen Kontakten abgekapselt hat und sich nicht sicher darüber ist, ob er Halluzinationen hat oder nicht, wird auf einmal als Mensch betrachtet, dem Interesse für seine persönlichen Aktivitäten entgegengebracht wird. Alfreds Erwartung, die Krankheit zum Thema der Therapie zu machen, wird von Durst enttäuscht:
„In den Beispiel von Alfred habe ich gemerkt, dass er von mir die Aufstellung des Psychologen erwartet und in ihm den Patienten sehe.
Na, wir können doch auch mal was anderes ausprobieren. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass 4 die Antwort auf die Frage ‚Was ist 2 x 2 ?’ ist. Aber 4 könnte doch auch die Antwort auf die Frage ‚Wie viel ist 100 weniger 96?’ sein. Oder 2000 weniger 1996. Oder 48 geteilt durch 12. Es muss nicht immer 2 x 2 sein. Für die meisten Menschen gibt es aber ganz deutliche Ursachen und Folgen. Das ist öfter wahr. Man braucht aber nicht von diesen verallgemeinerten Wahrheiten auszugehen. Man sollte auch die Realität probieren, von anderen Seiten zu sehen.
Was ich auch irgendwie ihm gegenüber gefühlt habe, das war eine väterliche Aufstellung. Alfred, we will make it. Geduld. Es kommt schon etwas.
Alfred will, dass ich ihn als schizophren sehe, ich will ihn sehen als Alfred, ich will mich nicht von den Akten überzeugen lassen. Und ich habe mich von Anfang an geweigert, seine Akten zu lesen. Erst später vor dem Vortrag habe ich sie gesehen und gesagt: ‚Oh Gott, wie habe ich das überhaupt anfangen können“ (Durst: XLf).
Als Ergebnis der folgenden Therapie lässt sich festhalten, dass Alfreds psychische Situation verbessert werden konnte. Er wurde Mitglied im Kibbuz, wo er seine spätere Frau kennen lernt, mit der er drei Kinder bekommt, und den Beruf des Masseurs erlernt.
Die Einzelheiten des Therapieverlaufs können hier nicht festgehalten werden, da sich aus dem Interview keine signifikanten Details entnehmen lassen. Der Schwerpunkt dieser Fallschilderung liegt auf der Betrachtungsweise der therapeutischen Aufstellung gegenüber dem Patienten, die ausschlaggebend für den Heilungserfolg ist. Der Fokus wird nicht auf die Rolle des Patienten gerichtet, sondern der Mensch selbst wird durch ein einfühlsames, väterliches Empfinden wahrgenommen. Durch diese intensive Beziehung kann Alfred Selbstvertrauen, Zuversicht und eine individuelle Handlungskompetenz entwickeln, um Veränderungen in seinem Leben eigenständig durchsetzen zu können. Die Handlungsmethode Dursts könnte hier auch mit dem Begriff Empowerment bezeichnet werden (vgl. Quindel 2000: 99). Das Konzept des Empowerment wird an dieser Stelle nicht näher erläutert, da in Kapitel 4.3.4 eine ausführlichere Beleuchtung folgen wird. Weitere Einzelheiten des Fallbeispiels sind dem Anhang zu entnehmen (vgl. Durst: XXXVIIIff).
3.1.2 Humanistische Psychologie
Die Humanistische Psychologie entwickelte sich in den 1960iger Jahren als Gegenbewegung zu der tiefenpsychologischen und verhaltenstherapeutischen Strömung (Lackinger Karger 1999: 332). Im Gegensatz zu deren Vorstellung, die Psyche des Menschen in beobachtbare und zu deutende, krankhafte Funktionen zu zerlegen, strebt die Humanistische Psychologie danach, gesundheitsfördernde und gesunde Prozesse in den Vordergrund zu holen (vgl. Butollo u. a. 1998: 63). Die Zielsetzung liegt in „einem sinnhaften Streben in Richtung existentieller Freiheit und Selbstverwirklichung“ (ebd.). Zur Bewältigung psychischer und zwischenmenschlicher Probleme wird der Fokus auf das Leben im Hier und Jetzt und auf die Entwicklung menschlicher Kreativität gerichtet. Um diese Eigenschaften zu entwickeln, ist der Mensch auf interaktionales Handeln angewiesen. Die Begegnung und die Entwicklung der Fähigkeit dessen stehen deshalb im Vordergrund der Humanistische Psychologie und Therapie. Neben der Gestalttherapie, der Logotherapie und dem Psychodrama orientiert sich gleichermassen die personenzentrierte Therapie an dem Grundkonzept der Humanistischen Psychologie (vgl. Kriz 2001: 159ff). Die letztgenannte Therapie entwickelte sich auf der Grundlage der Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers (1902–1987), der heute zu den bekanntesten Hauptvertreters der Humanistischen Psychologie zählt (vgl. Suter 1986: 58).
3.1.2.1 Personenzentrierte Theorie nach Rogers
“Wenn ich Menschen nicht dazwischenfahre, passen sie auf sich selbst auf.
Wenn ich Menschen nicht befehle, verhalten sie sich von selbst richtig. Wenn ich Menschen nicht predige, werden sie von selbst besser, Wenn ich mich Menschen nicht aufdränge, werden sie sie selbst.“ (Lao-tse)(Rogers 1980: 196).
In den vier Zeilen des Zitats, welches Carl Rogers zu seinen Lieblingssprüchen zählt, wird ein zentraler Aspekt ausgedrückt, auf welchen er Anfang der 50er Jahre den personenzentrierten Ansatz entwickelte: „Der innerste Kern der menschlichen Natur, die am tiefsten liegenden Schichten seiner Persönlichkeit, (...) ist (!) von Natur aus positiv“ (Rogers 1979: 99).
Rogers vertraut auf das Gute und die eigene Kraft im Menschen. In der Therapie soll der Patient zur Selbsthilfe motiviert werden, indem die eigene Selbstwahrnehmung durch das Verhalten des Therapeuten positiv beeinflusst wird (vgl. Lackinger Karger 1999: 359). Die zwischenmenschliche Beziehung ist das zentrale Element in der Therapie, die durch eine nicht-direktive Haltung des Therapeuten bestimmt ist. Durch Gewährung der äußeren Freiheit soll die Erlangung der inneren Freiheit zur Genesung verhelfen (vgl. Suter 1986: 98f).
Drei Grundprinzipien der personenzentrierten Therapie werden hier beschrieben, durch die der Patient in der therapeutischen Begegnung eine sichere und geborgene Atmosphäre erfährt.
1.Akzeptanz:
Der Therapeut muss lernen, den Patienten frei von Beurteilungen und Bewertung zu akzeptieren. Dadurch wird ihm das Vertrauen geschenkt, auch sich selber, einschließlich aller bisher abgewehrten und verdrängten Gefühle, annehmen zu können. Sich selber ernst nehmen und wertschätzen lernen, gehört zu den wichtigsten Zielen in der Psychotherapie Rogers (vgl. Rogers 1980: 88).
2. Empathie:
Das empathische Verhalten des Therapeuten beschreibt Rogers als eine „Seinsweise“, in der es sich mehr um einen Prozess als einen Zustand handelt. „Empathie bedeutet, die private Wahrnehmungswelt des anderen zu betreten und darin ganz und gar heimisch zu werden und (...) zeitweilig das Leben dieser Person zu leben“ (Rogers 1980: 79). Der Prozess drückt sich dadurch aus, dass der Therapeut den Patient in seiner inneren Welt im Verlaufe der Therapie begleitet und dabei seine eigenen Wertvorstellungen beiseite legt (vgl. ebd.).
3.Kongruenz:
Eine notwendige und schwierige Voraussetzung für die wirkliche Begegnung zwischen Therapeut und Patient ist die Kongruenz. Damit appelliert Rogers an die eigene Offenheit und Echtheit des Therapeuten, dessen Aufgabe sich nicht darauf beschränkt, die Gefühle des Patienten wahrzunehmen. Nur durch die Wahrnehmung und Akzeptanz, unter Umständen auch das Aussprechen der eigenen Gefühle, ist er kongruent und schafft eine glaubwürdige Atmosphäre in der Beziehung. Der Therapeut bringt sich ergo in seiner Ganzheit in die Therapie ein.
Hier stellt sich eine Frage für Rogers, die für ihn nicht abschließend geklärt werden konnte: Wo liegen die Grenzen auf Seiten des Therapeuten, sich in seiner Ganzheit zu präsentieren und offen seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen? (vgl. Rogers 1991: 41f). Unter Betrachtung der individuellen therapeutischen Handlungsschritte und Methoden Dursts wird im Anschluss versucht, eine Antwort auf Rogers Frage zu formulieren.
Zu vermerken sei zusätzlich die Einstellung Rogers, den Ansatz der personenzentrierten Therapie nicht als neue ‚Methode’ zu bezeichnen. Er selbst spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen Lebens- und Beziehungsphilosophie (vgl. Rogers 1980: 192). Um erfolgreiche Arbeit zu leisten, muss die eigene Grundeinstellung des Therapeuten kongruent zu der Systematik der Arbeit sein. Als entscheidendes Element nennt er den Respekt gegenüber den Patienten, der als Teil der Persönlichkeitsstruktur entwickelt sein muss (vgl. Rogers 1981: 34ff).
Nathan Dursts Anlehnung an die humanistische Psychologie und Rogers Theorie insbesondere soll erneut im Lichte seiner psychiatrischen Arbeit dargestellt werden. In der Gruppentherapie mit Schizophrenie- Erkrankten wird Durst während seiner Zeit im psychiatrischen Krankenhaus in den 80er Jahren aufmerksam auf die erfolgreichen Resultate seiner therapeutischen Vorgehensweise (vgl. Durst: XIV).
Zuerst soll festgestellt werden, dass eine außergewöhnliche Art und Weise der Begegnung zwischen den Gruppenteilnehmern und Nathan Durst zu einer erfolgreichen Annäherung während der Maßnahme führte. Durst, der sich schlecht an die einzelnen Namen der Patienten erinnern konnte, sprach diese direkt mit der Diagnose oder anderen persönlichen Auffälligkeiten an:
„Sag mal, du Paranoider, was hast du denn jetzt wieder für blöde
Sachen gemeint, die du gehört hast, was gar nicht wahr ist? Na, du unkontrollierbare Hand, wie ist es dir denn heute so?“ (Durst: XV).
Indem Durst sie auf etwas ansprach, worüber sie sich schämten oder was sie nicht akzeptieren konnten, versuchte er genau diese Defizite zu neutralisieren. Insoweit entspricht seine Handlungsweise nicht der Tatsache, gesunde Aspekte in den Vordergrund zu stellen, wie von der humanistischen Psychologie verlangt. Jedoch erzielt Durst, durch das Aufzeigen seiner eigenen Schwäche, gesundheitsfördernde Elemente der Therapie:
„Das Wort Schizophrenie oder paranoide Schizophrenie oder Gott-weiss-was wurde nicht mehr als etwas Verbotenes gesehen. Etwas, was der Arzt mir aufgeklebt hat (...). Der Mann wurde auf eine Realität angesprochen, und er akzeptierte die Realität. Und ich kann sagen, dass gefühlsmässig ich irgendwo, irgendwie durch dieses Tutorieren, nicht durch Namensgebung, aber auf tieferer Ebene, mich sehr nahe zu diesen Leuten gefühlt habe“ (Durst: XVI).
Auch Durst selbst überließ den Teilnehmern die Wahl, wie sie ihn ansprechen wollten und verlangte nicht den Titel des Doktors, wie es sonst in Krankenhäusern üblich ist. Er zeigte sich als Mensch und wollte selbst als Mensch gesehen werden. Es fanden Tanzabende bei den Teilnehmern zu Hause statt oder sportliche Aktivitäten, durch die nicht nur eine intensive Interaktion zwischen Therapeut und Patienten, sondern auch zwischen den Teilnehmern resultierte (vgl. ebd.). Durst setzte der Kreativität keine Grenzen, um den Freiheitsaspekt der Therapie zu unterstützen:
„Ey, Dummer, wenn du deinen Ball zu ihm wirfst, dann könnt ihr vielleicht zusammen ein Goal machen. Also, währenddessen ein kleine Stückchen Therapie betreiben. Leute, die sonst ganz sonderlich sind und ganz von der Gesellschaft abgeschlossen sind und voneinander abgeschlossen sind. Dort in diesem Spiel haben sie gelernt, dass es noch andere gibt.
Meine Erfahrung, die ich durch die schwerbelasteten Menschen gelernt habe, war für mich sehr bereichernd. Denn diese Akten konnte ich nicht akzeptieren. Menschen waren zu Akten geworden. Hinter der Fassade von Krankheit und schrecklicher Diagnose findet man auch den Menschen, wenn man danach sucht. Und diese Menschen findet man, wenn man sich selbst auch als Mensch zeigt. Und ich muss sagen, dass ich diesen Leuten nicht weniger dankbar bin, als sie mir waren. (...) Was ich zeigen konnte, dass die Leute der Gruppe dramatisch weniger hospitalisiert wurden und die Suizidalität bei den Suizidgefährdeten herunterging. Denn sie hatten jetzt das erste Mal in ihrem Leben einen Ansprechpartner, es war jemand da, der nicht nur etwas versprochen hatte, sondern er hat es auch gehalten“ (ebd.).
Die praktische Umsetzung der zuvor beschriebenen Handlungskonzepte lässt sich hier nur sehr zwiespältig erläutern. Die Art und Weise der Interaktion in der Gruppe kennzeichnet eine empathische und akzeptierende Grundhaltung Dursts. Indem er keine Scheu vor offenen Worten zeigt, kann er die notwendige Nähe zu den Patienten aufbauen. Doch hier zeigt Durst keineswegs eine nicht-direktive Haltung, wie von Rogers verlangt, sondern er gibt vielmehr eine Kommunikationsbasis vor. Mit ehrlichen und auf den ersten Blick sonderbaren Anreden, die er sich für die Patienten einfallen lässt, spricht er sie auf ihre Schwächen und Peinlichkeiten an, die sie dadurch lernen, selbst zu akzeptieren. Vermerkt werden soll an dieser Stelle, dass seine Patienten sich nicht an den von Durst ausgewählten Namen störten. Durch sein Einfühlungsvermögen wird ihm die Kompetenz zugesprochen, gleichermaßen ein Gefühl der ausdrücklichen Akzeptanz und der Liebe auf die Patienten zu übertragen, so dass für diese kein Anlass für eine Verletzbarkeit bezüglich seiner Verhaltensweise gesehen werden konnte.
In diesem Zusammenhang soll ein Versuch gemacht werden, die eingangs von Rogers offengelassene Frage im Ansatz zu erläutern. Er fragte nach den Grenzen des Therapeuten, sich in seiner Ganzheit zu präsentieren. Anhand der Vorgehensweise Nathan Dursts soll seine individuelle Handlungsmethodik in den Vordergrund gestellt werden, die für die vorliegende Arbeit vordergründig erscheint.
In Anlehnung an Dursts Verhalten, sich neue Namen für seine Patienten einfallen zu lassen, erscheint er sich die Freiheit zu nehmen, das auszusprechen, was er gerade denkt. Er präsentiert sich selbst dadurch als Mensch, wie er selbst behauptet; als Mensch mit Schwächen, der sich keine Namen merken kann.
Aus professioneller Sichtweise mag Durst die Grenzen bereits überschritten haben, da es als respektlos bezeichnet werden könnte, jemanden mit „Ey Dummer“ anzusprechen. Doch Rogers scheint selbst die Antwort auf seine Frage bereits genannt zu haben, indem er sagt, dass die eigene Grundeinstellung des Therapeuten mit der Systematik der Arbeit übereinstimmen muss, um einen Erfolg zu erzielen. Gleichzeitig wird der Respekt gegenüber den Patienten als Teil seiner Persönlichkeit angesehen (vgl. Rogers 1981: 34ff).
Die Grundeinstellung Dursts könnte mit seiner humanisierenden Haltung beschrieben werden. Indem er den Patienten als Mensch mit seinen eigenen Schwächen begegnet, sieht er auch den wirklichen Menschen in den Kranken. Die Freiheit und Offenheit, die sich in Dursts Verhaltensweise zeigt, spiegelt sich gleichzeitig in seiner therapeutischen Vorgehensweise wider: Er veranstaltet zum
Beispiel Tanzabende bei den Patienten zu Hause. Auch hiermit könnte erneut die Grenze der professionellen Distanz überschritten werden.
Doch drückt er seinen Respekt gegenüber seinen Patienten nicht gerade dadurch aus, dass „Grenzen“ überschritten werden können, indem er nicht den herkömmlichen Weg der Therapie einleitet, sondern die Menschlichkeit in den Vordergrund stellt?
Als Ergebnis soll festgehalten werden, dass Grenzen, sich als Therapeut in seiner Ganzheit zu präsentieren, insoweit überschritten werden könnten, wenn die respektvolle Haltung seinerseits als wesentliches Merkmal seiner Person hervortritt und die Konzeption der Arbeit mehr eine persönliche Ideologie als einen theoretischen Programmablauf verkörpert. Bereits Sullivan verneint die Ausübung eines Regelwerks, sondern stellt die innerpsychische Kompetenz in den Vordergrund. Aus diesem Grunde sei das grenzenüberschreitende Verhalten Dursts hier nicht als neue Arbeitsmethode angepriesen. Es geht vielmehr darum, sich seiner eigenen Kapazitäten und Kompetenzen bewusst zu werden, um dann entscheiden zu können, wie sehr man sich selbst als Mensch zeigen kann oder „nur“ die Rolle des Therapeuten oder Beraters übernimmt.
[...]
- Quote paper
- Dipl. Sozialpädagogin Sabine Becker (Author), 2004, Traumatherapie mit Holocaustüberlebenden. Der Beitrag von Nathan Durst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133860