Emotionen als Bestandteil der Informationsverarbeitung: Wechselwirkungen mit neuro-kognitiven Funktionen


Hausarbeit, 2005

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten

3. Die Entwicklung von Emotionen

4. Emotion und Kognition

5. Bewusste vs. unbewusste Verarbeitung emotionaler Information

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

1. Einleitung

Die Auseinandersetzung mit dem Bewusstsein, den Emotionen und der Seele bewegte von jeher das Interesse des Menschen. Täglich kommen wir mehrfach in den Genuss bzw. wir ertragen das Leid mit welchem unsere Gefühle einhergehen. Oftmals erscheint es uns, als wären wir der Willkür unserer Stimmungsschwankungen hilflos ausgeliefert. Doch was steckt hinter dieser Achterbahnfahrt zwischen Freude, Hass, Liebe, Zorn und Angst?

Im Rahmen dieser Hausarbeit wird das Verhältnis von Emotionen und Kognition unter psychologischen Gesichtspunkten eingehender beleuchtet. Die Grundlage bildet in erster Linie „Das Netz der Gefühle“ von Joseph LeDoux. Der Autor ist 1949 geboren und derzeit als Professor am Center for Neural Science an der New York University tätig.

Der Aufbau der Arbeit vollzieht sich in fünf Schritten. Im ersten Kapitel werden die für die Ausarbeitung relevanten Begriffe definiert und voneinander abgegrenzt. Dies ist notwendig um eine einheitliche und verständliche Grundlage zu schaffen, weil die Thematik stark von subjektiven Meinungen, Einstellungen und alltagspsychologischem Wissen geprägt ist. Im anschließenden Abschnitt wird darauf eingegangen, wie sich Emotionen beim Menschen entwickeln. Dies bildet die Grundlage um im 4. Kapitel Emotion und Kognition gegenüberzustellen und die Frage zu klären, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Im Anschluss wird auf die Möglichkeiten der Verarbeitung emotionaler Informationen eingegangen. In diesem Rahmen werden v.a. die von Joseph LeDoux aufgestellten Thesen erläutert. Schließlich folgt im letzten Abschnitt ein Resümee zum Buch „Das Netz der Gefühle“ und mein subjektiver Ausblick zu dieser Thematik.

2. Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, ist die exakte Definition der im folgenden verwendeten Begriffe von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Arbeit. Der Grund für diese besondere Notwendigkeit ist darin zu sehen, dass wir uns seit Menschengedenken mit unserem Bewusstsein auseinandersetzen. Es existiert also eine Vielzahl von Begrifflichkeiten im Alltagsjargon sowie differenzierte Verwendungen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Zusätzlich muss Berücksichtigung finden, dass die evolutionsgeschichtliche Entwicklung des Menschen ebenfalls ihre Spuren in der Betrachtung der Prozesse der Informationsverarbeitung hinterlassen hat.

Was ist überhaupt Informationsverarbeitung und wie funktioniert diese? Im Sinne einer psychologischen Definition handelt es sich dabei um die „Bezeichnung für angenommene oder erschlossene Prozesse, die den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken und Handeln bei der Bewältigung von Erkenntnisdefiziten oder bei der Lösung von Problemen gewährleisten“[1]. Die Prozesse der automatischen (unbewussten) Verarbeitung erfordern keine Aufmerksamkeit und sie sind nicht kapazitätslimitiert. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Automatizität nicht, die zur Erledigung anderer Aufgaben verfügbare Kapazität reduziert werden muss. Ein Nachteil für die alltägliche Auseinandersetzung besteht jedoch darin, dass das automatic processing in sich verändernden Situationen nur schwer modifizierbar ist.[2] Den Gegenpol zur vorgenannten Variante bildet die kontrollierte (bewusste) Verarbeitung (controlled processing). Diese ist von limitierter Kapazität, erfordert unsere Aufmerksamkeit und kann bei sich wandelnden Rahmenbedingungen angepasst werden.[3] Auf die Verarbeitung emotionaler Informationen wird im fünften Kapitel noch detaillierter eingegangen.

Damit wir uns weiter der Aufgabenstellung nähern, möchte ich nun darauf eingehen, was mit dem Begriff der neuro-kognitiven Funktionen gemeint ist. Unter kognitiver Neurowissenschaft werden „Ansätze zusammengefasst, die sich auf Wahrnehmungs-, Denk-, Gedächtnis- und Sprachfunktionen sowie ihre Nachbildung durch Computerprogramme beziehen“[4]. Das Bewusstsein beschreibt das „individuelle Erleben mentaler Repräsentationen. Seine Erklärung ist problematisch, da es sich um ein nur subjektiv erfahrbares Phänomen handelt.“[5] Der Begriff Emotion stammt aus dem lateinisch ab und bedeutet aufwühlen bzw. heraustreiben. Es ist die „Bezeichnung für psychophysiologische Zustandsveränderungen, ausgelöst durch äußere Reize (Sinnenempfindungen), innere Reize (Körperempfindungen) und / oder kognitive Prozesse (Bewertungen, Vorstellungen, Erwartungen) im Situationsbezug“[6]. „Gewöhnlich werden Emotionen als Gefühle erlebt und manchmal sind wir auch Willens oder in der Lage diese Gefühlserlebnisse anderen mitzuteilen.“[7] Die Kognitionswissenschaft selbst ist eine sehr junge Wissenschaft, die erst Mitte diesen Jahrhunderts entstanden ist.[8]

3. Die Entwicklung von Emotionen

Bei der Erklärung der Entstehung bzw. Entwicklung von Emotionen lassen sich im Wesentlichen zwei Ansätze unterscheiden:

Die einen nehmen an, dass sich die einzelnen Emotionen aus einem undifferenzierten, unspezifischen Erregungszustand des Säuglings allmählich entwickeln,

die anderen nehmen an, dass die grundlegenden Emotionen als angeborene neurale Mechanismen von Geburt an als qualitativ unterschiedliche Erlebnisweisen vorhanden sind.

Nach der zweiten Auffassung ist das Gefühlsleben in erster Linie durch die angeborenen neuralen Mechanismen determiniert, und das bewusste subjektive Erleben von Gefühlen kommt erst dadurch zustande, dass Veränderungen in der Gesichtsmuskulatur vom Gehirn zurückgemeldet werden. Lernen und Erfahrung seien erst in zweiter Linie wichtig für die Ontogenese der grundlegenden Emotionen.[9] Nach Ansicht der Psychologin Sylvan Tomkins existieren acht unterschiedliche Gefühle, die auf der ganzen Welt, in jeder Kultur vorkommen: Überraschung, Interesse, Freude, Wut, Furcht, Ekel, Scham und Angst.[10]

Grundsätzlich lässt sich nicht eindeutig klären, welche Gefühle angeboren und welche erworben oder später erlernt sind, aber es gibt grundlegende Gefühle, die in jeder Kultur und zu allen Zeiten existieren, an bestimmte neurale Prozesse gebunden sind, zum gleichen Zeitpunkt auftreten und die gleichen biologischen Rückmeldungsmuster verwenden. Bei der Untersuchung von fundamentalen Emotionen geht man davon aus, dass es zwischen einem bestimmten Gefühl und dem dazugehörigen Gesichtsausdruck eine enge Beziehung geben muss. So sei z. B. Zorn immer und überall gekoppelt mit einem Senken und Zusammenziehen der Augenbrauen, schlitzförmigen Augen und einem zusammengepressten Mund. Die Untersuchung in unterschiedlichen Kulturen erbrachte ähnliche Ergebnisse. Auf die Vorlage von Photographien, die bestimmte Gesichtsaudrücke zeigten, reagierten, die Versuchspersonen in allen Kulturen gleichartig.[11]

Nach der Auffassung von Damasio (2000) sind Emotionen komplizierte Kombinationen von chemischen und neuralen Reaktionen des Gehirns, die eine regulatorische Rolle spielen mit dem ursprünglichen biologischen Zweck, günstige Umstände für das Überleben des Organismus zu schaffen. Emotionen benutzen den Körper (Eingeweide, Muskel-Sklett-System) als ihr Theater, haben aber auch einen Einfluss auf diverse Gehirnfunktionen. Emotionen beruhen auf angeborenen Gehirnfunktionen, die einer langen evolutionären Entwicklung entstammen. Individuelle Lernprozesse und kulturelle Einflüsse verändern jedoch die Emotionen hinsichtlich ihrer Auslöser und ihres Ausdrucks.[12]

Der eher lerntheoretisch orientierte Erklärungsversuch geht eher davon aus, dass sich aus einer undifferenzierten Erregung im Laufe der Zeit spezifische Gefühlsregungen entwickeln. Ein Säugling reagiert z.B. auf jede Art des Unwohlseins mit Weinen. Das acht Monate alte Kind reagiert zwar immer noch häufig mit Weinen, die Mutter ist aber schon in der Lage zu unterscheiden, ob es die Windeln voll hat oder Hunger oder Angst. So wird aus dem Weinen zu jeder Gelegenheit eine gezielte Willensäußerung, die entsprechend eingesetzt wird. Die amerikanische Psychologin Katherine M. Bridges hat diese Theorie in den dreißiger Jahren entwickelt und kam mit Rene Spitz nach ihren Beobachtungen zu folgenden Erkenntnissen: Beim Neugeborenen ist lediglich eine allgemeine Störbarkeit bzw. Erregbarkeit, die sehr diffus und ungerichtet ist, zu beobachten. Aus diesem anfänglichen Erregungszustand entwickeln sich in den ersten Wochen zwei Grundtendenzen emotionalen Verhaltens heraus: Lust und Unlust. Die unlustbetonte Tendenz tritt etwas früher hervor und lässt auch zuerst eine Differenzierung in spezifischere Gefühlsreaktionen erkennen, wie Angst, Ekel, Wut, Zorn.[13]

Als ein deutliches Zeichen der Erkennbarkeit von positiven Gefühlsäußerungen benennen Entwicklungspsychologen das soziale Lächeln, das durch bestimmte Reize wie Anschauen oder Ansprechen des Säuglings hervorgerufen wird. Zwar kann das Kind vermutlich schon sehr früh Angst und Furcht empfinden, doch am deutlichsten erkennbar treten sie auf, wenn das Kind gelernt hat, zwischen vertrauten und fremden Personen zu unterscheiden. Im Laufe der Entwicklung eröffnen sich dem Kind immer wieder neue Ereignisse und Situationen, die neue Ängste entstehen lassen. In diesen Veränderungen spiegelt sich der Einfluss der Umwelt, insbesondere seiner Bezugspersonen, auf das Erleben des Kindes wieder.

Ärger und Wut lassen sich, ähnlich wie die Furcht, schon sehr früh erkennen, und zwar als Reaktion auf Bedrohungen oder bei Versagung von Wünschen und Bedürfnissen. Liebe und emotionale Zuwendung werden in den ersten Lebensjahren in der engen Beziehung zu festen Bezugspersonen grundgelegt. Die meisten Entwicklungstheorien betonen die Wichtigkeit von intensiven emotionalen Kommunikationsprozessen nicht nur für die Entwicklung von Liebe und Zuwendung, sondern für die weitere Entwicklung alle psychischen Funktionen, Fähigkeiten und Kräfte.[14]

Bereits bis zum 2. Lebensjahr zeigt das Kleinkind alle Grundemotionen, wie Interesse, Leid, Widerwillen, Freude, Zorn, Überraschung, Scham, Furcht, Verachtung und Schuldgefühl. In den folgenden Jahren setzt sich die Differenzierung der Gefühle fort. Dabei ändert sich sowohl der Bereich der die Emotionen auslösenden Reize und Situationen als auch die Form des Ausdrucks dieser Emotionen und die Art des Reagierens auf diese Gefühle. Während zum Beispiel der Säugling auf Angst auslösende Reize mit Schreien reagiert, sucht der Zweijährige Schutz bei der Mutter oder er läuft davon. Das Kind lernt, welche Gefühle und Arten des Gefühlsausdrucks von der Gesellschaft akzeptiert werden, und es lernt dadurch, welche Gefühle es zeigen darf und welche nicht. Mit derartigen Verhaltensnormen, die dem Menschen sagen, welches Gefühl er wie und mit welcher Intensität äußern darf, ist der Mensch auch als Jugendlicher, Erwachsener und alter Mensch konfrontiert. Bridges Theorie zeigt die Entstehung von Gefühlen bis zum zweiten Lebensjahr. Damit ist der Entwicklungsprozess allerdings nicht beendet, selbst ein Erwachsener kann noch neue Gefühle empfinden und erleben.[15]

Daraus kann man schließen, dass die Entwicklung der Gefühle in den ersten Lebensjahren angelegt wird und sich im Laufe der Jahre eine Differenzierung sowohl der Gefühle als auch der auslösenden Reize und Reaktionen vollzieht. Die Entwicklung von Emotionen verläuft vermutlich in jeder Gesellschaft unterschiedlich, wobei das Gefühl als solches nicht erlernt wird, sondern vielmehr die Art und Weise, es zu äußern, und der Zeitpunkt, es zu zeigen. Trotz der Annahme fundamentaler und angeborener Gefühlsregungen ist daher der Grossteil der Gefühle kulturspezifisch überformt, das heißt, dass jede Kultur andere Ausdrucksformen oder Anlässe für Gefühle entwickelt hat.[16]

Gefühlsregungen fundamentaler Art sind deshalb am besten bei Säuglingen zu beobachten. Bereits im Kleinkindalter sind Kinder allerdings in der Lage, Gefühle zu verbergen oder zu unterdrücken und damit einen Beobachter zu falschen Ergebnissen zu führen. In den asiatischen Ländern gilt das Lächeln als eine Form der Höflichkeit. In den Ländern der westlichen Welt gilt Lächeln als Form der Freude und als Ausdruck von Glück.

[...]


[1] Fröhlich, W. D. (2002), S. 239 f.

[2] Vgl. Müller, H. J. und Krummenacher, J. (2002), S. 159.

[3] Vgl. Müller, H. J. und Krummenacher, J. (2002), S. 166 und Zimbardo, P. G. (1995), S. 230.

[4] Fröhlich, W. D. (2002), S. 314.

[5] Müller, H. J. und Krummenacher, J. (2002), S. 216.

[6] Fröhlich, W. D. (2002), S. 148.

[7] Hamm A. O. (2003), S. 559.

[8] Vgl. LeDoux, J. (1996, 1998), S. 28.

[9] Vgl. Internetquelle 1.

[10] Vgl. LeDoux, J. (1996, 1998), S. 121.

[11] Vgl. LeDoux, J. (1996, 1998), S. 64 ff.

[12] Vgl. LeDoux, J. (1996, 1998), S. 315 ff. und Müller, H. J. und Krummenacher, J. (2002), S. 362 f.

[13] Vgl. Internetquelle 1.

[14] Vgl. Internetquelle 1.

[15] Vgl. Internetquelle 2.

[16] Vgl. Internetquelle 1.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Emotionen als Bestandteil der Informationsverarbeitung: Wechselwirkungen mit neuro-kognitiven Funktionen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Department Psychologie)
Veranstaltung
Allgemeine Psychologie I
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V133963
ISBN (eBook)
9783640416240
ISBN (Buch)
9783640412518
Dateigröße
394 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emotion, Information, Informationsverarbeitung, neurokognitiv, Kognition, bewusst, unbewusst
Arbeit zitieren
Antje Reichert (Autor:in), 2005, Emotionen als Bestandteil der Informationsverarbeitung: Wechselwirkungen mit neuro-kognitiven Funktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133963

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