In der nachfolgenden Arbeit geht es darum wie man Unterricht lerntypengerecht gestalten kann. Dabei ist das Lernfeld 8 im Chemikantenberuf hierzu erprobt worden. Initial befinden sich Angaben zu der Art wie man lernt und worin die Unterschiede begründet liegen. Weiterhin wird die Theorie in die Praxis umgesetzt und zum Schluss kritisch beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wie lernen wir eigentlich?
3 Beschreibung der Lerngruppen
3.1 Vergleichsgruppe 11 CH 05
4 Diagnose der Schülerinnen und Schüler nach Lerntypen
5 Durchführung in den Klassen
6 Strukturplan
7 Lerntypengerechte Zugänge im Unterricht schaffen
8 Ergebnisse
8.1 Beobachtungen in der Klasse
8.2 Klassenarbeit
8.3 Evaluationsbogen
9 Fazit
10 Literaturverzeichnis
11 Anhang
11.1 Übung III: Der lesende Typ
11.2 Lernhilfe
11.3 Fragebogen
11.4 Kleines MSR-Praktikum
11.5 Der Evaluationsbogen
1. Einleitung
Die nachfolgende schriftliche Arbeit befasst sich mit dem Thema, wie man Schülerinnen und Schülern den Zugang zu einem abstrakten Thema erleichtern kann. Hierbei wird das Konzept der Lerntypentheorie nach Vester aufgegriffen und exemplarisch im zweiten Ausbildungsjahr zweier Chemikantenklassen umgesetzt und reflektiert.
Der Ausbildungsberuf zum Chemikant/ zur Chemikantin findet in der dualen Ausbildung der Berufsschule an der Peter-Behrens-Schule in einem so genannten Miniblock statt. Dabei sind die Auszubildenden in einem 14-tägigen Rhythmus drei Tage (Montag-Mittwoch) in der Berufsschule, während sie die restlichen sieben Tage im Betrieb ausgebildet werden. Schwerpunkte in ihrer Ausbildung bilden neben der Chemie auch die Technologie der Produktionsprozesse sowie die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik.
In der Chemikantenausbildung bin ich seit mittlerweile vier Jahren[1] im Lernfeld 8 „Produktionsprozesse fahren und überwachen“[2] eingesetzt. Die wesentlichen Lerninhalte aus dem Lernfeld 8 sind die Bereiche Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Mit Ausnahme der Messtechnik handelt es sich hierbei um abstrakte Themen, zu denen der Zugang für die Schülerinnen und Schüler schwierig ist. Das liegt daran, dass das Bedienen und Überwachen von Anlagen und Maschinen zu ihrem Berufsprofil gehört, nicht jedoch das Erstellen und Ändern von Programmen. Um aber verstehen zu können, wie eingesetzte Steuerungen und Regelungen funktionieren, findet sich die MSR[3] -Technik in zwei Lernfeldern (zusätzlich im Lernfeld 5: „Prozesse beeinflussen“) im Rahmenlehrplan sowie in der Ausbildungsverordnung wieder. Während der Ausbildung erfahren die Auszubildenden im Betrieb über ein begleitendes Praktikum mit Simulationen, wie sie Programme in der SPS[4] prinzipiell erstellen können.
In ihrem späteren betrieblichen Einsatz in den Unternehmen Merck KGaA und Evonik-Röhm finden sich Berührungspunkte zu diesem Themengebiet ausschließlich im MSR-Raum[5], in dem sie über einen Monitor die Produktion überwachen können. Zusätzlich wird von den Schülerinnen und Schülern erwartet, dass sie informatische und elektrotechnische Grundlagen mitbringen, die jedoch bei den meisten fehlen. Trotz aller dieser Schwierigkeiten bildet das Themengebiet der MSR-Technik einen Schwerpunkt in ihrer Abschlussprüfung, so dass Wege gefunden werden müssen, den Lernenden einen leichteren Zugang zum Thema zu verschaffen.
Durch den schwierigen Zugang zu einem relativ abstrakten Themengebiet ist das Lernfeld laut Klassenkonferenzbeschluss auf drei Kollegen aufgeteilt worden. Meine Aufgabe liegt darin, den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse und Fertigkeiten aus dem Bereich der Steuerungstechnik näher zu bringen.
In den ersten beiden Jahren musste ich als neue Lehrkraft feststellen, dass nicht alles das, was im Unterricht behandelt wird, auch gleichzeitig von den Lernern aufgenommen, verarbeitet und behalten werden kann. Obwohl die Schülerinnen und Schüler in der Lage waren Gehörtes wiederzugeben, scheiterten sie schon bei einfachen Aufgabenstellungen, wo sie das erworbene Wissen anwenden mussten. Daher lag meine Vermutung darin, dass die Schülerinnen und Schüler ihr erworbenes Wissen nur bis zur Prüfung memoriert haben, ohne eine Handlungsfähigkeit aus dem Unterricht gezogen zu haben.
Über Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Ausbilderinnen und Ausbildern erfuhr ich, dass auch diese Schwierigkeiten hatten einen Zugang zu diesen Themen zu schaffen. Ich überlegte mir, ob der Zugang durch das Einbinden von Beispielen aus dem persönlichen Alltag einfacher geschafft werden könnte. Außerdem sollten die Motivation und das Interesse gesteigert werden durch ganz unterschiedliche kreative Elemente, wie das Ausfüllen von Lückenrätseln, durch Rollenspiele u.ä. Dadurch sollte versucht werden, den Schülerinnen und Schülern die Angst vor diesem fremden Themengebiet zu nehmen und durch die Alltagsbeispiele einen Anker zu schaffen, um die neuen Informationen mit ihrem aktuellen Wissensstand zu verknüpfen. Diese Umstellung führte ich in meinem dritten Jahr als Lehrkraft durch. Dadurch waren die Schülerinnen und Schüler in der Lage, die Lerninhalte zu verstehen und in den Alltagsbeispielen anzuwenden. Sie erlangten dadurch eine hohe Fachkompetenz, was mir auch die Ausbilderinnen und Ausbilder der verschiedenen Betriebe bestätigten.
Eine Schülerin berichtete mir später jedoch, dass sie durch den praktischen Zugang während des Praktikums in der Firma den Sachverhalt erst richtig verstanden habe. Sie gehörte während des Unterrichts immer zu den Klassenbesten und erzielte sehr gute Noten. Zu erfahren, dass sie erst im Betrieb das Themengebiet verinnerlicht hatte, verwunderte mich und ich fragte sie, woran das lag. Sie erklärte mir, dass sie die zu behandelnden Lerneinheit während des Praktikums über praktische Anwendungen wie Simulationen und digitale Schalteinheiten erlernen würden. Durch die direkte Rückmeldung des Programms oder der Bauteile wussten die Auszubildenden sofort, ob ihr entwickeltes Programm auch ordnungsgemäß ablief. Diese Möglichkeit hatte ich in meinem Unterricht bis zu diesem Zeitpunkt nicht nutzen können, da es mir an den Arbeitsmaterialien fehlte. Trotzdem empfand ich diese Information als wichtig und für den kommenden Unterricht als gewinnbringend.
Im Studienseminar hörte ich dann von der Theorie der Lerntypen nach Vester. Diese Theorie und das Gespräch mit der Schülerin brachten mich auf die Idee, den Unterricht lerntypengerecht aufzubauen. Ich erkundigte mich zunächst bei meinen Kolleginnen und Kollegen, ob jemand damit schon Erfahrung gesammelt hatte. Ein junger Kollege, der kurz vor dem Ende seines Referendariats stand, berichtete mir, dass er gute Erfahrung mit dieser Methode gemacht hätte. Zur Diagnose verwendete er den HALB-Test[6] und gab mir die Auswertung von verschiedenen Klassen. Allerdings war aus diesen Auswertungen nicht ersichtlich, welcher Auszubildende welchem Lerntyp zugeordnet werden konnte. Es war vielmehr ein Klassenprofil auf den Auswertungen abgebildet. In Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern teilten mir diese mit, dass auch sie nicht im Unterricht erfahren hätten, welchem Lerntyp sie zuzuordnen seien. In einem weiteren Gespräch teilte der Kollege mir mit, dass er die Ergebnisse dahingehend nutzte, um festzustellen, wie viele Schülerinnen und Schüler prozentual einem bestimmten Lerntyp angehören. Je nach dem, ob es in der Klasse mehr haptische, auditive, visuelle oder lesende Lerntypen gab, entwickelte mein Kollege diesbezüglich seinen Unterricht.
Mein Ziel hingegen war es, den Unterricht individuell lerntypengerecht zu entwickeln. Daher entschloss ich mich erneut einen Lerntypentest durchzuführen, in dem die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit bekommen sollten, zu erfahren, welchem Lerntyp sie zugehören und ihnen mit gezielten Lernhilfen zu zeigen, wie sie ihr Lernen verbessern können.
2. Wie lernen wir eigentlich?
Auf der Suche nach einem geeigneten Lerntypentest fiel mir auf, dass diese sehr unterschiedlich aufgebaut waren. Während einige aus einem Fragebogen bestanden, der im Schnitt nicht länger als fünf Minuten dauerte, gab es andere Lerntypentests, die drei Stunden in Anspruch nahmen. Auch die Einteilung der Lerntypen war nicht einheitlich. Es gibt sogar konkurrierende Lerntypentheorien, die eine Auswahl zusätzlich erschwerten. Daher beschäftigte ich mich zunächst mit der Frage, wie der Mensch eigentlich lernt; also neue Informationen abspeichern kann.
Biologisch betrachtet braucht der Mensch Sinneseindrücke und –reize, aus denen er Informationen aus der Umwelt beziehen kann. Diese werden von unseren Sinnesorganen (Auge, Nase, Mund, Haut usw.) aufgenommen und über chemische Botenstoffe in elektrische Impulse umgewandelt, die dann in unserem Gehirn verarbeitet werden. Aber nicht alle Informationen werden dabei langfristig abgespeichert.
Vester[7] beschreibt diesen Zustand als einen Regelkreis, den er „Flaschenmodell der Wahrnehmung“ nennt. Nach diesem Modell trifft über unsere Sinnesorgane eine Informationsmenge von 109 bit/s auf uns ein. Diese Informationsflut wird dann auf den zehnmillionsten Teil (also 102 bits/s) reduziert, die dann im Gehirn weiterverarbeitet werden kann. Durch das Verknüpfen der neuen Informationsmenge mit bereits im Gehirn vorhandenen Informationen sowie den dazugehörigen Assoziationen kommt es im letzten Schritt zu einer Anreicherung von 107bits/s. Dabei wird die ankommende externe Information „erst entkleidet und dann durch im Gehirn vorhandene Informationen unbewusst mit einem neuen Outfit versehen, sozusagen „personalisiert“.“[8] Diese neuen Informationen geben wir dann durch unser Denken und Handeln an die Umwelt wieder zurück und damit schließt sich der oben beschriebene Regelkreis. Diese Auslese der Informationen ist eine wichtige Funktion für den Menschen, da er sonst an Reizüberflutung erkranken würde. Die interessante Frage lautet also, wann merken wir uns etwas bzw. wann vergessen wir? Ausschlaggebend darüber ob wir uns etwas merken oder nicht, dafür sind viele Einflussfaktoren verantwortlich. Spitzer[9] nennt dabei insbesondere drei wichtige Bereiche: Die Aufmerksamkeit, die Motivation sowie die Emotion.
Damit aus einer Information ein Lernprozess aktiviert werden kann, müssen wir dieser Information zunächst einmal unsere Aufmerksamkeit widmen. Diese Aufmerksamkeit gliedert sich dabei in zwei Teilbereiche: die Vigilanz und die selektive Wahrnehmung. Unter Vigilanz versteht Spitzer einen Zustand der Bewusstseinswachheit. Damit meint er in welchem Zustand wir uns befinden: Ob wir hellwach, dösig oder im Extremfall komatös sind. Durch die Vigilanz werden unsere Gehirnareale aktiviert, die die neue Information verarbeiten sollen. Eine Zunahme der Aktivität erfahren wir hingegen durch die selektive Aufmerksamkeit. Jeder wird schon einmal die Erfahrung gemacht haben, dass wenn er sich mit einem bestimmten Thema beschäftigt, dieses im Verhältnis auch häufiger wahrnimmt. Sei es eine junge Frau, die schwanger ist und auf der Straße plötzlich viele andere werdende Mütter wahrnimmt oder ein Manager, dem es vorkommt, dass gerade er im Straßenverkehr alle roten Ampeln erwischt, weil er unter Zeitdruck steht.
Unter dem Begriff der Motivation versteht er nicht, wie man meinen könnte, dass man die Schülerinnen und Schüler erst in einen motivierten Zustand bringen müsste, sondern vielmehr zu erkunden, warum unsere Schülerinnen und Schüler sowie unsere Auszubildenden in der Schule demotiviert erscheinen. Der Mensch ist nämlich bei allem was er macht, ständig in einen aktiven Lernprozess verwickelt. Deswegen können wir nicht - auch wenn wir es wollen - nicht lernen. Das Problem sieht Spitzer eher darin, dass durch die Leistungsbewertung nur die Besten ein Lob erfahren und sich dadurch „alle anderen mies fühlen“[10]. Aufgabe der Lehrkraft sollte es sein, allen Schülerinnen und Schülern einen wertschätzenden Umgang zu erweisen, ohne dass man den einen oder anderen mit Lob und Zuwendung überschüttet. Außerdem ist es dienlich, wenn man sich neben der fachlichen Kompetenz in seinem Fach oder Lernfeld, selber für die Themen begeistern kann. Wenn diese Begeisterung fehlt, kann der berühmte Funke auch nicht überspringen.
Auch die Beziehung, die zwischen den Lernenden bzw. zwischen den Lernenden und der Lehrkraft besteht, beeinflusst unser Lernen in besonderer Weise. So wird ein Schüler, der mit einem mulmigen Gefühl in den Unterricht geht, seine Konzentration und damit seine selektive Aufmerksamkeit eher darin äußern, möglichst unauffällig den Unterricht über sich ergehen zu lassen, als dass er sich den zu vermittelnden Inhalten zuwenden kann. Angst kann dazu führen, dass man sich kurzfristig schnell Informationen einprägt, dies aber eher im Sinne von Verhaltensregeln in Stresssituationen (wie z.B. Flucht). Dabei werden neben der Ausschüttung von Hormonen (Adrenalin u.ä.) auch die Muskeln angespannt, um ein mögliches Wegrennen innerhalb kürzester Zeit ausführen zu können. In einer solchen Stresssituation wäre es eher hinderlich, wenn man überlegen würde, ob man jetzt lieber weglaufen oder stehen bleiben sollte oder ob es noch weitere Alternativen gibt. In der Schule jedoch wünscht man sich gerade diesen Zustand des aktiven Lernprozesses. Aber genau dieser Effekt ist in der Schule oder beim Lernen eher hinderlich. Konkret bedeutet das, dass bevor man beginnt Inhalte zu vermitteln, an der Beziehungsebene gearbeitet werden muss. Zum Lernklima gehören neben der angstfreien Atmosphäre, die es erlaubt, durch Fehler zu lernen auch die räumliche Begebenheit. Wir erlernen Themeninhalte nicht getrennt und abstrakt voneinander, sondern verknüpfen diese auch mit räumlichen Strukturen. So erinnern wir uns durch Gerüche oder Klänge an bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit. Dieser Prozess funktioniert aber auch anders herum, wenn wir uns an bestimmte Ereignisse erinnern, können wir zum Teil die Gerüche wahrnehmen oder uns fällt spontan eine Melodie ein. Wenn man dieses Wissen dazu nutzt, den Unterricht auch vom Lernklima interessanter zu gestalten, wird man bald feststellen, dass das Lernen einfacher von statten gehen wird oder dass sich dieses Gefühl bei den Schülerinnen und Schüler unbewusst einstellen wird. Ein weiterer wichtiger Umstand bezieht sich darauf, wie wir neue Informationen präsentiert bekommen. Laut lernpsychologischen Erkenntnissen ist die Erinnerungsquote umso höher je mehr Sinneskanäle angesprochen werden[11]:
Wir erinnern uns an
20% von dem was wir sehen
30% von dem was wir hören
50% von dem was wir sehen und hören
70% von dem was wir sehen, hören und diskutieren
90% von dem was wir sehen, hören, diskutieren und selbstbearbeiten
Je mehr unsere Schülerinnen und Schüler im Unterricht die Möglichkeit erhalten, die Sachverhalte selbst zu erarbeiten und somit alle Sinneskanäle zu nutzen, umso besser können sie sich später daran erinnern. Trotzdem gibt es auch hierbei Unterschiede. Während ein Teil der Auszubildenden besonders gut lernt, wenn man ihnen etwas mündlich erklärt (sei es von Lehrern, Freunden oder Eltern), so lernen andere wiederum besser, wenn sie sich Mitschriften anfertigen, praktisch handeln oder ihnen visuelles Material in Form von Bildern, Diagrammen u.ä. zur Verfügung gestellt wird.
Vester beschreibt in seinem Buch „Denken, Lernen, Vergessen“, dass dieses Verhalten mit dem Grundmuster eines jeden von uns zusammenhängt. Unter dem Grundmuster versteht er das, was wir in unserer frühesten Kindheit kennen gelernt haben. Angefangen mit den Tatsachen, wie oft uns unsere Eltern in den Arm genommen haben, mit uns geredet, wir Musik hörten oder unter Menschen waren. Daraus prägen sich nach Vester unterschiedliche Vorlieben Informationen aufzunehmen. Diese fasst er in so genannte Grundlerntypen zusammen, nämlich: Den auditiven, den haptischen, den visuellen und den lesenden Lerntyp. Eine kurze Beschreibung der genannten Lerntypen findet sich in der Tabelle 1 wieder. Diese Grundlerntypen werden jedoch nicht streng einzeln betrachtet, sondern in der Regel liegen bei vielen Menschen Mischformen vor. Allerdings haben wir eine besondere Vorliebe oder Ausprägung für den einen oder anderen Grundlerntyp und dadurch fällt es uns leichter, über diesen Kanal Informationen zu verarbeiten. Aber auch wenn der Unterricht so gestaltet wird, dass jeder Schüler und jede Schülerin Beachtung findet in der Form, wie sie oder er am effektivsten lernen kann, gibt es weitere Faktoren, die Denkblockaden verursachen oder lernhinderlich sind. So ist es schwierig zu lernen, wenn man nicht weiß, welches Ziel verfolgt wird. Je mehr Transparenz die Schülerinnen und Schüler erhalten und erfahren, was sie am Ende des Lernfeldes gelernt haben sollen und wie bzw. wo sie dieses Wissen verwenden können, um so leichter können sie sich auf etwas Neues einlassen. Daher sollte man zu Beginn einer jeden Unterrichtseinheit oder –reihe den Schülerinnen und Schüler den Nutzen sowie das Ziel deutlich machen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Grundlerntypen und ihre Ausprägung[13]
Neben diesen aufgeführten Punkten beeinflussen auch andere Variablen das Lernen wie z.B. die Tagesform, familiäre und soziale Probleme u.a. Allerdings können hier nicht alle Punkte näher betrachtet werden, da sie ansonsten den Rahmen der schriftlichen Arbeit sprengen würden. Für die Konzeption der Unterrichtseinheiten sollen jedoch die vorher betrachteten Einflussfaktoren beachtet werden, so dass eine lernfreundliche Umgebung geschaffen werden kann.
3 Beschreibung der Lerngruppen
In der Klasse 11 CH 06 befinden sich eine Schülerin und 18 Schüler. Alle Lerner befinden sich im zweiten Ausbildungsjahr bei dem Unternehmen Merck KGaA. Sie sind zwischen 17 und 26 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 20 Jahren. In der Klasse hat ein Schüler den Hauptschulabschluss, 14 den Realschulabschluss, drei die Fachhochschulreife und ein Schüler das Abitur erworben.
Bei den Auszubildenden handelt es sich um eine sehr aktive und aufgeschlossene Klasse. Ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten ist nur möglich, wenn die Lernenden eigenständig Aufgaben bearbeiten sollen. Nur dann haben die Lernenden das Gefühl
auch in ihrem Lernen voranzuschreiten. Die Auszubildenden sind sehr zielgerichtet in ihrem Arbeiten und möchten eine möglichst gute Ausbildung mit den dazu entsprechenden Noten erreichen. Das äußert sich auch in ihrem untereinander entgegengebrachten Verhalten. Statt sich gegenseitig zu unterstützen und dadurch ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, ist ein eher konkurrierendes Verhalten sichtbar. Dieses Verhalten äußert sich dadurch, dass sie sich bei der Lehrkraft profilieren müssen, indem sie ihr über die Fehler ihrer Mitlernenden berichten, um dabei selber in einem besseren Licht dazustehen. Durch dieses Verhalten reichen oft Kleinigkeiten wie eine unbedachte Bemerkung oder eine falsch interpretierte Geste, um Streitigkeiten auszulösen. Diese wiederum bedingen Interventionen seitens der Lehrkraft, damit Lernprozesse im Anschluss wieder initiiert werden können. In der Klasse haben sich im Verlauf des letzten Jahres Kleingruppen herausgebildet, deren Mitglieder sich untereinander gut verstehen. Eine Gruppe (Mesut, Akif, Witali) fällt dabei besonders auf. Während des Unterrichts unterhalten sie sich zumeist gerne untereinander und versuchen, die Aufmerksamkeit durch Witze auf sich zu ziehen, die nicht selten auf Kosten anderer gehen. Dabei möchten sie die anderen an sich nicht verletzten, sondern vielmehr Beachtung von ihren Mitschülern und der Lehrkraft erhalten. Im Unterricht zeigen sie eine hohe Fachkompetenz, jedoch mangelt es ihnen im Großen und Ganzen an Sozialkompetenz.
Jennifer, das einzige Mädchen in der Klasse, fühlt sich oft nicht wohl und wird in der letzten Zeit immer ruhiger. Nach dem Verlust ihrer Großmutter und nach mehreren auftretenden Krankheiten, ist sie sehr sensibel und introvertiert geworden. Im vergangenen Jahr war sie mit ihrem Klassenkameraden Sebastian liiert. Seitdem diese Beziehung in die Brüche gegangen ist, herrscht eine distanzierte Atmosphäre zwischen den beiden. Jennifer versteht sich allerdings gut mit Andreas und versucht, sich trotz ihrer Schicksalsschläge so gut wie möglich in der Klasse zu behaupten und eine gute Ausbildung abzulegen. Andreas ist ein sehr fleißiger und charmanter Schüler. Im Unterricht arbeitet er immer aktiv mit und liefert qualitativ gute Beiträge. Durch seine Lese-Rechtschreibschwäche fällt es ihm jedoch schwer, Texte allein durch das Lesen zu erschließen. Er liebt Harmonie und versucht zu intervenieren, wenn sich Streitigkeiten anbahnen. Er bildet in der Klasse einen Ruhepol und wird von seinen Mitlernenden akzeptiert und gemocht. Neben Andreas ist auch Fabian Legastheniker. Obwohl Fabian Probleme hat Texte zu erfassen und hier die wichtigen von den unwichtigen Aspekten zu unterscheiden, ist er ein leidenschaftlicher Leser. Nach Klassenarbeiten oder in den Pausen ist er meistens mit einem Buch in der Klasse anzutreffen. Das Lesen ist für ihn wie ein Abschalten und Abdriften in eine andere Welt. In der Klasse ist er eher ein Einzelgänger und pflegt nicht viele soziale Kontakte. In Gruppenarbeiten hingegen erweist er sich als teamfähig und ist in der Lage sein Wissen anderen mitzuteilen. Da er sich in seiner Freizeit viel mit Computern, ihrem Aufbau und der Funktionsweise beschäftigt, hat er im Vergleich zu seiner Kollegin und seinen Kollegen ein fundiertes Grundwissen bezogen auf das Lernfeld, welches er auch im Unterricht miteinfließen lässt. Durch seine mündlichen Beiträge schätze ich Fabian fachlich als sehr kompetent ein. Sebastian, Riccardo und Julian hingegen bilden in der Klasse die Nesthäkchen. Sie zeigen kindliche Züge und sind zum Teil noch sehr naiv in ihrem Verhalten. In den Unterrichtsstunden erkennt man sie daran, dass sie durch Kommentare und Gesten positiv auffallen wollen, um dadurch von ihren fachlichen Defiziten abzulenken. Daher stellen sie bei Verständnisschwierigkeiten keine Fragen, so dass dieser Mangel an Fachwissen erst nach der Abgabe einer schriftlichen Arbeit ersichtlich wird. Ihnen fehlt auch eine gewisse Reife, wenn es um die Bearbeitung von Aufgaben geht. Ihre Sozialkompetenz hingegen erachte ich als gut ausgeprägt, da sie bei Gruppenarbeiten durchaus Teamgeist zeigen. In Kleingruppen gehen sie in einem freundschaftlichen Ton miteinander um, sind hilfsbereit und arbeiten gewissenhaft.
[...]
[1] Zwei Jahre über einem Lehrauftrag und (fast) zwei im Referendariat
[2] vgl. http://www.kmk.org/beruf/rlpl/rlpchemikant.pdf (01.02.2009)
[3] Unter MSR sind die Begriffe Messen-Steuern-Regeln zusammengefasst.
[4] Unter SPS ist die speicherprogrammierbare Steuerung gemeint. Sie dient zur Erstellung von Programmablaufplänen, die in den Firmen zur Prozessüberwachung eingesetzt wird.
[5] Unter MSR-Raum ist der Messen-Steuern-Regeln-Raum gemeint, indem die Produktionsprozesse überwacht werden.
[6] Der HALB-Test wird in Kapitel 3 näher erläutert.
[7] vgl. S. 90ff, Vester: Denken, Lernen, Vergessen (2007)
[8] S.91, Vester: Denken, Lernen, Vergessen (2007)
[9] vgl. S-141-196, Spitzer: Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens (2007)
[10] vgl. S. 193, Spitzer: Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens (2007)
[11] vgl. S.57, Griesbeck/Teicher: Pimp your Brain (2008)
[12] Unter dem haptischen Lerntyp verbirgt sich der haptische und kinästhetische Lerner, da eine Abgrenzung der beiden Lerntypen sehr schwierig ist. Daher bezieht sich der haptische Lerner nicht nur auf das Fühlen, sondern auch auf das praktische Umsetzen der neuen Information.
[13] vgl. S. 102ff, Geuenich et al. : Das große Buch der Lerntechniken (2006)
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- Cinzia Onnis (Autor:in), 2009, Unterricht lerntypengerecht gestalten am Beispiel des Unterrichts im Lernfeld 8 in der Ausbildung zur Chemikantin/zum Chemikant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134046