Außenpolitisches Agieren Schwedens in der Zwischenkriegszeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitendes

2. Die Situation vor 1933
2.1.Nationalsozialistische „Machtergreifung“ in Deutschland
2.2.Entwicklung der deutsch-schwedischen Beziehung

3. Umbruchphase: Die Jahre 1934 bis 1937
3.1.Nordischer Mythos – Gespräche mit Hitler
3.2.Ab 1938: Wandel der Beziehung

4. Die ersten Kriegsmonate
4.1.Konzessionszwang im ersten Kriegsjahr
4.2.Paradigmenwandel

5. Auswertung

Literaturverzeichnis

Erklärung

1. Einleitendes

Die Zwischenkriegszeit kann in vielerlei Hinsicht als eigene Epoche angesehen werden. Ziel dieser Arbeit ist es, Schwedens außenpolitische Entwicklung in dieser Zeit zu analysieren vor dem Hintergrund seiner Neutralitätspolitik und internationaler Zusammenarbeit im Völkerbund. Hierzu werden die parlamentarische Situation in Schweden sowie seine Regierungszusammensetzungen betrachtet. War das außenpolitische Agieren des Landes für seine skandinavischen Nachbarn und Deutschland antizipierbar und damit kontrollierbar?

Die plakative Behauptung, Schweden sei frei von nationalem Egoismus und daraus resultiere auch eine passive Außenpolitik bzw. tendiere die schwedische Politik zu Unselbständigkeit, da primäres Ziel „fredens bestånd“[1] sei, erscheint plausibel, wenn man berücksichtigt, dass Schweden nach dem heutigen Stand der Forschung nicht wirklich neutral war, sondern vielmehr unter dem Zwang einer „Nachgebe-Politik“ stand, die sich jedoch handelspolitisch finanziell auszahlte und sicherheitspolitisch Vorteile brachte.

Wegen des eingeschränkten Umfangs der Arbeit und dem Fokus auf Schwedens Neutralitätspolitik sind einige Ereignisse, die zwar eine bedeutende Rolle und entwicklungspolitischen Einfluss auf Schweden hatten, hier nur erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Angefangen mit einem Überblick der politischen Situation in Schweden vor 1933 und den folgenden Expansionsbestrebungen des Dritten Reichs, folgt ein Überblick der politischen Ereignisse von 1934 bis 1939 sowie eine Darstellung der ersten Kriegsmonate und den Zwang zu Konzessionen Schwedens. Die Arbeit schließt mit einer Auswertung des Vorangegangen ab.

2. Die Situation vor 1933

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde 1919 die Gründung des so genannten Völkerbundes beschlossen, der auf Anregung des damaligen US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson nach einer internationalen Gemeinschaft zur Sicherung des Friedens zurückzuführen ist. Der Vertrag trat im Januar 1920 in Kraft und die Organisation hatte ihren Hauptsitz in Genf. Mitglieder des Völkerbundes waren zunächst die Siegermächte des Krieges sowie dreizehn neutrale Staaten. Bis 1937 traten 21 weitere Staaten bei. Die USA, durch den Krieg zur führenden Weltmacht aufgestiegen, traten der Organisation nicht bei. Dem Deutschen Reich blieb als besiegtem Land der Zutritt zunächst verwehrt. Die Handlungsfähigkeit des Völkerbundes war sehr eingeschränkt, da jedes Mitgliedsland ein Vetorecht hatte.[2] Der Organisation zueigen war das Prinzip der kollektiven Sicherheit, dies bedeutete, dass alle Mitglieder des Völkerbundes bereit sein mussten, den territorialen Status quo zu akzeptieren und diesen gegen jedwede Aggression zu verteidigen. Bereits an diesem Prinzip scheiterte der Völkerbund schon in seinen Anfängen, da das Deutsche Reich als „Revisionsmacht“ und die Sowjetunion als „bolschewistische“ Macht (beide Mächte stellten den Status quo in Frage) nicht bei seiner Gründung in den Völkerbund aufgenommen wurden. Das größte Defizit bestand jedoch in seiner politisch-militärischen Machtlosigkeit, d.h., dass er über keine „vom Vertragstext ableitbare“ Sanktionsmacht verfügte.[3]

Schweden und die anderen nordischen Staaten traten 1920 mit dem Status der Neutralität dem Völkerbund bei. Schweden wollte jedoch weiterhin selbst über militärische Angelegenheiten entscheiden und keine Verpflichtungen eingehen, da es dem Völkerbund an machtpolitischer Effektivität mangelte. Zudem war der Eintritt in die Organisation geprägt von internen Politkontroversen, die Zeit zwischen 1920 bis 1933 war in Schweden innenpolitisch durch Minoritäts- und Ausschussparlamente geprägt. Innerhalb des politischen Lagers wurde moniert, dass die größte Schwäche der Organisation „dess bristande universalitet“[4] sei. So wurde konstatiert, dass die USA nicht beigetreten seien, und dass es Nationen in Europa gäbe, welche nicht das Recht erhielten, beizutreten (allerdings hatte diese „unzureichende Universalität“ seine realpolitischen Gründe, wie eingangs erwähnt). Dieser rein quantitative Vorwurf speiste sich aus dem Vergleich, der Völkerbund habe „mera karaktären av en allians under ledning av de segrande stormakterna än av ett nationernas förbund till mänsklighetens bästa“[5]. Schwedens Eintritt unter Vorbehalt in die Organisation resultierte aus den internen Kontroversen, dass zum Einen als Schwäche des Völkerbundes galt, dass in bestimmten Fällen eine Kriegsführung weiterhin zulässig sei, zum Anderen als Stärke konzediert wurde, Sanktionen gegen Friedensbrecher verhängen zu können.[6] Darüber hinaus argumentierten Befürworter, wie der damalige schwedische Außenminister Johannes Hellner[7], dass die schwedische Neutralitätspolitik ohne die Mitgliedschaft im Kriegsfalle kaum Bewegungsfreiheit gehabt hätte und Schweden seinen Neutralitätskurs demnach nicht hätte fortführen, stattdessen gefährlich isoliert werden können.[8] Die Berührungspunkte mit Deutschland traten in dem auf den Ersten Weltkrieg folgenden Jahrzehnt hinter „gelegentlichen diplomatischen Unterstützungen bei Reparations- und Minderheitenfragen im Völkerbund, […] dem Deutschland seit 1926 angehörte“ zurück. Die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund ging einher mit einem ständigen Sitz im Völkerbundsrat, den Schweden an seiner statt zur Verfügung stellte. Insgesamt kam es ab 1920 zu evidenten Veränderungen der politischen und seemilitärischen Lage im Ostseegebiet, nicht zuletzt durch die in Genf am 20. Oktober 1921 unterzeichnete Åland-Konvention, welche die Neutralität und Entfestigung dieser strategisch signifikanten Inselgruppe konstatierte.[9]

Die nach dem Ersten Weltkrieg wieder langsam prosperierende Seehandelswirtschaft zwischen Deutschland und Schweden bzw. Skandinavien spielte vor allem bei schwedischem Eisenerz für Deutschland eine wesentliche Rolle. Noch 1917 hatte Deutschland fast 17% des schwedischen Außenhandels abgenommen, wohingegen lediglich 3% des deutschen Gesamthandels nach Schweden gingen. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich eine rege Eisenerzindustrie, von dem deutschen Eisenerzbedarf kamen jährlich ca. 15 Millionen Tonnen Erz, und damit 60-70% des Gesamtbedarfs, aus Schweden. Davon wurden ca. 11 Millionen Tonnen über die schwedischen Ostseehäfen verschifft.[10] Mit der politischen Machtübernahme der Nationalsozialisten unter Hitler als Reichskanzler gewann der Eisenerzhandel zunehmend an Bedeutung, darüber hinaus machte Deutschland wenige Jahre darauf keinen Hehl daraus, aufzurüsten und das Militär auszubauen.

2.1. Nationalsozialistische „Machtergreifung“ in Deutschland

Politik, Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Schweden zeigten noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Stabilität aufgrund des 1933 eingeführten sozialdemokratischen Beschäftigungsprogramms und der Einführung von Subventionen in der Landwirtschaft sowie des Aufschwungs der Weltwirtschaft ab 1933 und der Erholung der schwedischen Wirtschaft durch das Saltsjöbaden-Abkommen 1938.[11] Somit war das Land 1939 innenpolitisch gefestigt. Der Zeitraum 1931 bis 1933 war jedoch durch eine steigende Arbeitslosigkeit von 10,9% auf 20,8% geprägt, ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise 1929. Nur langsam erholte sich der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat von der wirtschaftlichen Krise in den dreißiger Jahren durch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Reformen.[12] Schwedens Premierminister von 1932 bis zu seinem Tod 1946 war Per Albin Hansson, er war Nachfolger Hjalmar Brantings, des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, und leitete die Koalition während des Zweiten Weltkrieges.

Mit der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ in Deutschland am 30. Januar 1933 trat in Europa ein Zustand ständig steigender Spannung ein, zeitgleich trat das Land aus dem Völkerbund aus und rüstete ab 1935 eklatant auf.[13] Der von den Nationalsozialisten geprägte und negativ konnotierte Begriff der „Machtergreifung“ ist insofern inadäquat, als Hitler auf legalem Wege Reichskanzler durch einen normalen Regierungswechsel innerhalb des Präsidialregimes der Weimarer Republik wurde. Was die Nationalsozialisten als „Machtergreifung“ feierten, war in Wahrheit ein Machtkartell. Sowohl die alte Rechte als auch die Linke unterschätzten die Dynamik, die von der NSDAP ausgehen sollte. Hitler hat die Macht im Januar 1933 nicht ergriffen, aber die Voraussetzungen für den in der Folgezeit stattfindenden Prozess der „Machtergreifung“ waren geschaffen.[14]

Der Kanzlerwechsel in Deutschland mit Adolf Hitler wurde in Schweden, besonders von der Presse, geteilt aufgenommen. Während die sozialdemokratische Regierung unter Per Albin Hansson als Staatsminister und Rickard Sandler als Außenminister diese machtpolitische Wendung zunächst noch ohne Reaktion aufnahmen, kam es innerhalb der schwedischen Presse schon bald zu einer Gruppierung ideologischer Lager. So nahm das rechtskonservative Lager „en långt mera förstående hållning till den nya ordningen än inom andra större partier” ein[15].

Eine gewisse Naivität kann man den Rechtsgesinnten in Schweden nicht ganz absprechen, wenn es heißt „[…] såg man i nazismen övervinnaren av den tyska socialismen och kommunismen och trodde på många håll, att den nya regimen, efter ett kort skede av beklagliga överdrifter, skulle konsolideras i fredens och samhällsbevarandets tecken.”[16]

Der nationalsozialistische Einfluss implementierte zwar eine gewisse Schutzmentalität und täuschte Friedensabsichten vor, doch mussten die davon beeinflussten Gruppierungen in Schweden, insbesondere solch bedeutenden Tageszeitungen wie Sydsvenska Dagbladet, Norrköpings Tidningar und Östergötlands Dagblad, die Augen vor Diktatur, Gleichschaltung und Übergriffen verschließen, um offen ihre Sympathie zeigen zu können. Doch selbst in Tageszeitungen moderater und im Prinzip klar demokratischer Couleur, wie Svenska Dagbladet, blieb der nationalsozialistische Einfluss nicht aus.

Es erschienen darin Artikel, welche „[…] mer eller mindre uttryckligt prisade nazismen.“[17], nicht zuletzt durch organisierte NS-Propaganda. Erst wenige Jahre später distanzierte sich ein Teil der schwedischen Presse deutlich von der deutschen Diktaturpolitik, trotz der interdependenten deutsch-schwedischen Beziehung. Es kam zu gegenseitigen Verunglimpfungen durch die Presseorgane, woraufhin sich das deutsch-schwedische Verhältnis zuspitzte und die schwedische Regierung Kurs auf eine „Entspannungspolitik“ zur Vermeidung neutralitätsgefährdender Einflüsse nahm.

[...]


[1] Tingsten, S. 418.

[2] Schubert/ Klein, S. 318.

[3] Woyke, S. 212-213.

[4] Tingsten, S. 27.

[5] Tingsten, S. 28.

[6] Ebenda, S. 30.

[7] Schwedischer Außenminister 1917-1920.

[8] Lönnroth, S. 32.

[9] Gerhardt/ Hubatsch, S. 416.

[10] Ebenda, S. 419.

[11] Setzen, S. 58.

[12] Findeisen, S. 230.

[13] Tingsten, S. 243.

[14] Niedhart, S. 261.

[15] Tingsten, S. 244-245.

[16] Tingsten, S. 245.

[17] Ebenda, S. 245.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Außenpolitisches Agieren Schwedens in der Zwischenkriegszeit
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Nordisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar: Nordeuropa in der Zwischenkriegszeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V134203
ISBN (eBook)
9783640417063
ISBN (Buch)
9783640412440
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Außenpolitisches, Agieren, Schwedens, Zwischenkriegszeit
Arbeit zitieren
Melanie Baschin (Autor:in), 2006, Außenpolitisches Agieren Schwedens in der Zwischenkriegszeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134203

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Außenpolitisches Agieren Schwedens in der Zwischenkriegszeit



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden