Sozialpolitik soll dem Entstehen sozialer Risiken vorbeugen, soziale Risiken ausgleichen
und ein Minimum an sozialer Sicherung im Einkommens-, Versorgungs- und Lebensniveau
einzelner Personen gewährleisten. Diese Sicherung wird staatlich gelenkt (Sozialstaat) und
beinhaltet Regelungen des Arbeitsmarktes, der Arbeitsverhältnisse und -bedingungen, der
schulischen und beruflichen Ausbildung, sie reglementiert die soziale Ausgestaltung des
Steuersystems, die Wohnungspolitik und die Gesundheitspolitik. (Vgl. Bäcker u. a., S. 21 u.
36) Die Sozialpolitik gewann im frühen 19. Jahrhundert erstmalig enorm an Bedeutung.
Was vorher die Familie regelte, die Großfamilie oder der Lebenspartner, musste im Zuge
einer völligen Neuorientierung und Strukturierung der Arbeitswelt, der Berufsfelder und
Betriebe staatliche Lenkung erhalten.
Wie veränderte sich die Gesellschaft, der Arbeitsmarkt zu dieser Zeit?
Die Gründung der SPD, vormals SAP und ADAP schien eine logische Konsequenz aus der
Notwendigkeit einer neuen Form der sozialen Politik. Welche Werte im Bezug auf soziale
Sicherung und Sozialstaat entwickelten sich aus der Gründung der Partei 1890? Was ist bis
heute erhalten geblieben, was hat sich und musste sich aufgrund geschichtspolitischer
Entwicklungen ändern?
Um diesen Fragekomplex zu beantworten, ist es zunächst einmal erforderlich, die
Entstehungsgeschichte der SPD nachzuvollziehen und das erste Grundsatzprogramm im
Bezug auf sozial-politische Inhalte zu untersuchen. Am 23. Mai 1863 wurde vom Ferdinand Lassalle die erste selbständige Arbeiterpartei
Deutschlands ins Leben gerufen, genannt ADAV. (Allgemeiner deutscher Arbeiterverein)
Wie kam es dazu?
Nicht nur die Industrialisierung, die in Deutschland 1848 noch gar nicht so weit
fortgeschritten war, wie in anderen europäischen Ländern, z. B. in England, sondern ebenso
andere Faktoren begünstigten die Entstehung einer neuen Bevölkerungsschicht. Durch
allgemein verbesserte Lebensumstände kam es in dieser Zeit zu einer Bevölkerungsexplosion. Es prägte sich der Begriff des Pauperismus, da eine zahlenmäßig große,
vornehmlich ländliche Unterschicht entstand, die sich gerade notdürftig am Leben halten
konnte. Nahezu 50 % der Bevölkerung gehörten zu dem so genannten Proletariat. (Vgl.
Miller/Potthoff, S. 20) [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Frühindustrialisierung und die daraus entstehenden Arbeiterbewegungen
2. Das Erfurter Programm
3. Die SPD in der Weimarer Republik
4. Wichtige Errungenschaften der Sozialpolitik nach dem 2. Weltkrieg
5. Das Godesberger Programm – Neuorientierung der Partei
6. Sozialpolitik unter der großen Koalition und unter der sozial-liberalen Koalition
6.1. Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur
7. Das Berliner Programm
8. Die Programme im Vergleich
9. Fazit
Literaturliste
Sozialpolitik im Wandel.
Am Beispiel der geschichtlichen Entwicklung der SPD und
ihrer Grundsatzprogramme.
Einleitung
Sozialpolitik soll dem Entstehen sozialer Risiken vorbeugen, soziale Risiken ausgleichen und ein Minimum an sozialer Sicherung im Einkommens-, Versorgungs- und Lebensniveau einzelner Personen gewährleisten. Diese Sicherung wird staatlich gelenkt (Sozialstaat) und beinhaltet Regelungen des Arbeitsmarktes, der Arbeitsverhältnisse und -bedingungen, der schulischen und beruflichen Ausbildung, sie reglementiert die soziale Ausgestaltung des Steuersystems, die Wohnungspolitik und die Gesundheitspolitik. (Vgl. Bäcker u. a., S. 21 u. 36) Die Sozialpolitik gewann im frühen 19. Jahrhundert erstmalig enorm an Bedeutung.
Was vorher die Familie regelte, die Großfamilie oder der Lebenspartner, musste im Zuge einer völligen Neuorientierung und Strukturierung der Arbeitswelt, der Berufsfelder und Betriebe staatliche Lenkung erhalten.
Wie veränderte sich die Gesellschaft, der Arbeitsmarkt zu dieser Zeit?
Die Gründung der SPD, vormals SAP und ADAP schien eine logische Konsequenz aus der Notwendigkeit einer neuen Form der sozialen Politik. Welche Werte im Bezug auf soziale Sicherung und Sozialstaat entwickelten sich aus der Gründung der Partei 1890? Was ist bis heute erhalten geblieben, was hat sich und musste sich aufgrund geschichtspolitischer Entwicklungen ändern?
Um diesen Fragekomplex zu beantworten, ist es zunächst einmal erforderlich, die Entstehungsgeschichte der SPD nachzuvollziehen und das erste Grundsatzprogramm im Bezug auf sozial-politische Inhalte zu untersuchen.
1. Die Frühindustrialisierung und die daraus entstehenden Arbeiterbewegungen
Am 23. Mai 1863 wurde vom Ferdinand Lassalle die erste selbständige Arbeiterpartei
Deutschlands ins Leben gerufen, genannt ADAV. (Allgemeiner deutscher Arbeiterverein)
Wie kam es dazu?
Nicht nur die Industrialisierung, die in Deutschland 1848 noch gar nicht so weit fortgeschritten war, wie in anderen europäischen Ländern, z. B. in England, sondern ebenso andere Faktoren begünstigten die Entstehung einer neuen Bevölkerungsschicht. Durch allgemein verbesserte Lebensumstände kam es in dieser Zeit zu einer Bevölkerungs-explosion. Es prägte sich der Begriff des Pauperismus, da eine zahlenmäßig große, vornehmlich ländliche Unterschicht entstand, die sich gerade notdürftig am Leben halten konnte. Nahezu 50 % der Bevölkerung gehörten zu dem so genannten Proletariat. (Vgl. Miller/Potthoff, S. 20)
Gleichzeitig war das politische System was Sozialstaatlichkeit anging unterentwickelt, es herrschte in Deutschland der damals auch in England verbreitete Manchesterliberalismus der nur für minimale Fürsorge eintrat und auch nur bei sehr großem, akutem Elend. Kinder-schutzbestimmungen gab es deshalb auch nur um befürchteten Rekrutierungslücken ent-gegenzuwirken.
Um 1850 und den nachfolgenden Jahren nahm die Industrialisierung einen immer schnelleren, unaufhaltsamen Lauf. Es gab ein Überangebot an ungelernten Arbeitskräften, die Gewinne der Unternehmen wurden auf wenige, Privilegierte verteilt, die Arbeiterschaft blieb besitzlos. Arbeitstage von 13, 14 Stunden und mehr waren normal, die Arbeits- und Wohnverhältnisse waren katastrophal. Noch billigere Arbeit von Kindern und Frauen ließen die Löhne sinken, es gab weder Krankenversorgung, noch Unfall- oder Altersvorsorge.
Karl Marx erkannte und benannte erstmals die Zustände in Deutschland sowie im gesamten Europa. Er prophezeite eine aufkommende Massenarbeitslosigkeit und beschrieb die Ent-fremdung des Arbeiters von seiner Arbeit, dadurch, dass er nicht mehr besitzt, was er produziert, somit kein Eigentum mehr an den Produktionsmitteln hat. Im Februar 1848 erschien das Manifest der Kommunistischen Partei.
Viele Thesen von Karl Marx und dem mit ihm befreundeten Friedrich Engels finden sich im Erfurter Programm der SPD später wieder.
Nach Gründung einiger Arbeiterorganisationen, wie z. B. der Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung im September 1848; diese forderten bereits zu dieser Zeit ein vom Volk gewähltes Reichsparlament, Koalitionsfreiheit- und Arbeitsnachweis, Gesundheitsein-richtungen und Krankenunterstützungskassen, sowie gesetzlichen Arbeitsschutz und Mitbe-stimmung bei Arbeitszeit und Löhnen, gründete Ferdinand Lassalle im Mai 1863 den Allgemeiner deutscher Arbeiterverein, der sich 1891 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands umbenannte und es bis heute blieb.
Die SPD war erstmalig in der deutschen Geschichte, und aus politischer Entwicklungs-geschichte notwendig, eine Partei, die für Sozialpolitik eintrat und sozialpolitische Maßnahmen forderte.
Am Rande sei erwähnt, dass sich die sozialdemokratischen Strömungen bis 1890 nicht ungehindert ausbreiten konnten, denn im Oktober 1878 erließ Bismarck die Sozialisten-gesetze. Darin wurden für die Dauer von erst einmal 30 Jahren alle sozialistischen und sozialdemokratischen Bestrebungen verboten, welche den Umsturz der Staats- und Gesellschaftsordnung bezweckten. (vgl. Miller/Potthoff, S. 46) Die Sozialdemokraten hatten jedoch weiterhin bestand als Reichstagsfraktion und erlangten durch freie Wahlen einen enormen Zuwachs an Wählerstimmen. Am 30. September 1890 wurde das Sozialistengesetz aufgehoben.
Auf ihrem Parteitag als neu benannte SPD stellte die Partei ihr Erfurter Programm vor. Es spaltet sich, aus allgemeiner politischer Sicht in zwei Teile. Einen theoretischen (an Karl Marx orientierten) und einen praktisch-politischen Teil.
2. Das Erfurter Programm.
Die SPD war eine Partei der Arbeiterklasse, folglich kämpferisch und teilweise kommunistisch orientiert liest sich das Erfurter Parteiprogramm. Jedoch ließen sich zu dieser Zeit Arbeiterpolitik und Sozialpolitik kaum voneinander trennen. Denn gerade diese Bevöl-kerungsschicht hatte unter katastrophalen sozialen Zuständen zu leiden und Forderungen, die uns heute selbstverständlich vorkommen, waren zu dieser Zeit noch nicht einmal umgesetzt. Dazu ein Auszug aus den sozialpolitisch relevanten Texten des Programms: „Immer größer wird die Zahl der Proletarier, immer massenhafter die Zahl der überschüssigen Arbeiter, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten (…) Ausgehend von diesen Grundsätzen fordert die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zunächst (…) obligatorischer Besuch der öffentlichen Volksschulen, Unentgeltlichkeit des Unterrichts, der Lehrmittel und der Verpflegung (…) Unentgeltlichkeit der Rechtspflege und des Rechts-beistandes (…) Unentgeltlichkeit der ärztlichen Hilfeleistung einschließlich der Geburtshilfe und der Heilmittel. Unentgeltlichkeit der Totenbestattung (…) Einkommens- und Vermö-genssteuer zur Bestreitung aller öffentlichen Ausgaben….“ (Programm der Sozialdemo-kratischen Partei Deutschlands, Erfurt 1891)
Weitere Forderungen zum Schutz der Arbeiterklasse waren u. a.
- eine Arbeitszeit von höchstens acht Stunden pro Tag
- das Verbot von Kinderarbeit
- das Verbot von Nachtarbeit, außer aus technischen Gründen oder bei Leistungen zur
öffentlichen Wohlfahrt
- der besondere Schutz der Frau in der Arbeitswelt und in der Familie
- eine Ruhepause von 36 Stunden pro Woche für jeden Arbeiter
- die Übernahme der gesamten Arbeitsversicherung durch das Reich
- die Schaffung von Bezirksarbeitsämtern und einer Arbeitskammer
In Kapitel „IV. Der Zukunftsstaat“ im Erfurter Programm heißt es:
„Nur die Verwandlung des Kapitalistischen Privateigenthums an Produktionsmitteln (…) in gesellschaftliches Eigenthum, und die Umwandlung der Waarenproduktion in sozialistische, für und durch die Gesellschaft betriebene Produktion, kann es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger, harmonischer Vervollkommnung werde.“ (Kautsky, 1892, S. 104)
Dieses Zitat zeigt nicht nur eine politische Neigung in Richtung Soziaismus, sondern auch die grobe Vorstellung eines Sozialstaates, welche die SPD zu dieser Zeit hatte. Die Bedeutung der höchsten Wohlfahrt für alle hat bis in die heutige Zeit einen hohen Stellenwert im Gesellschaftsbild der SPD für einen vollkommenen Sozialstaat.
Das Privateigentum sollte somit allen zugeführt werden und soziale Sicherheit für bedürftige und Wohlstand für alle herbeiführen. Die SPD kritisierte in ihrem Programm auch die Sozialgesetze Bismarcks, die lediglich dazu dienten, die bestehende Eigentumsordnung zu erhalten, und die Arbeiter durch schützende Gesetze zu beschwichtigen. (Kautsky, 1892, S. 105)
Bereits bei den Reichstagswahlen 1890 wurden die Sozialdemokraten mit 19, 7 % der Stimmen die stärkste Partei in Deutschland. Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges begann die Partei sich strukturell und organisatorisch zu formieren. So wirkten ihre Mitglieder in Einrichtungen der Sozialversicherung und des Arbeitsrechts mit. Die Mitgliederzahlen wuchsen von 384.327 in 1905/06 auf 1.085.905 im Jahre 1913/14 an. (Vgl. Miller/Potthoff, S. 62)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Arbeit zitieren
- Jessica Ben Lasfar (Autor:in), 2003, Sozialpolitik im Wandel. Am Beispiel der geschichtlichen Entwicklung der SPD und ihrer Grundsatzprogramme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13429
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