Im Jahr 1839 erschien in Karl Gutzkows „Telegraphen für Deutschland“ erstmalig Georg Büchners Erzählung „Lenz“. Dieses Novellenfragment verdankt seine bis heute andauernde Bedeutung dem Nebeneinander von dichterischem Werk und klinisch genauem Krankheitsbericht. „Lenz“ hat nach Meinung vieler Literaturwissenschaftler und Psychiater, „die Konstituierung des Krankheitsbildes der Schizophrenie vorweggenommen“ .
Die historische Figur, die als Vorbild für diese Novelle dient, ist der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz, ein ehemaliger Freund Goethes und neben diesem die auffälligste literarische Begabung der jungen Generation der 1770er Jahre. Nachdem er immer häufiger durch sein abnormales Verhalten auf sich aufmerksam machte, wurde Lenz als „krank“ etikettiert und als nicht anpassungs- und leistungsfähig aus der für ihn so bedeutsamen Gesellschaft ausgeschlossen. Er kam nach Waldersbach, wo er bei dem bekannten Pfarrer Johann Friedrich Oberlin Hilfe suchte. Dieser nahm ihn zunächst bei sich auf, musste aber bald feststellen, dass auch er gegen Lenz’ Leiden nichts ausrichten konnte. Daher schickte er den Unglücklichen wieder fort. Um sich vor seinen Freunden und Bekannten für seine Entscheidung zu rechtfertigen, verfasste Oberlin einen detaillierten Bericht über dessen Aufenthalt. Eben jene Aufzeichnungen dienten Büchner als Ausgangspunkt für weitere Nachforschungen. Er verarbeitete sie zu einem „Dokument einer geschlossenen Schizophreniedarstellung“ , mit dem er den Diskussions- und Wissensstand der zeitgenössischen Psychiatrie und Psychologie bei Weitem übertraf.
Dennoch ist diese Novelle nicht nur eine realitätsnahe Fallstudie, sondern weit mehr als das. Im Mittelpunkt des Interesses des Autors steht nicht die Schizophrenie, sondern der Mensch und dessen individuelles Leiden. Büchners Novelle zeigt auf den ersten Blick einen Kranken, der „halb verrückt wurde“ , zugleich jedoch, in etwas subtilerer Form, den verzweifelten Menschen, der sich dahinter verbirgt, den „unglücklichen Poeten“ . Der Krankheit ist eine metaphorische Bedeutung immanent, die nicht nur die Entfremdung eines Individuums von sich selbst widerspiegelt, sondern darüber hinaus Kritik an dem patriarchalischen Gefüge von Familie, Religion und Gesellschaft übt.
Ziel der Abhandlung ist es, Büchners detaillierte Beschreibung einer Schizophrenieerkrankung anhand der einzelnen Symptome zu analysieren und darüber hinaus die der Krankheit inhärente metaphorische Bedeutung zu untersuchen.
Gliederung
1. Einleitung
1.1 Untersuchungsgegenstand
1.2 Vorgehensweise
2. Wahnsinn zu Georg Büchners Lebzeiten
2.1 Zeitgenössische Wissenschaft
2.1.1 Die Psychologie – Entstehung einer akademischen Disziplin
2.1.2 Psychiatriereformen in Frankreich und Deutschland
2.2 Bürger und Irre
2.2.1 Das Verhältnis von Gesellschaft und Geisteskranken
2.2.2 Michel Foucaults „Archäologie des Schweigens“
3. Das Schizophreniesyndrom
3.1 Historie der Krankheit und Ursachenforschung
3.1.1 Schizophreniegeschichte
3.1.2 Mögliche Ursachen
3.2 Die Symptome
3.2.1 Die Grundsymptome
3.2.2 Die akzessorischen Symptome
3.3 Der Verlauf der Krankheit
3.3.1 Frühe Phase
3.3.2 Akute Psychose und aktive Phase
3.3.3 Konsolidierung und Chronizität
4. Die Autoren Büchner und Lenz – Zwei kranke Seelen?
4.1 Der historische Lenz
4.1.1 Biografischer Überblick
4.1.2 Lenz’ Erkrankung
4.2 Der Autor Georg Büchner
4.2.1 Lebensdaten und psychopathologischer Kenntnisstand
4.2.2 Versuch einer Pathografie
5. Schizophrenie in Georg Büchners „Lenz“
5.1 Darstellung der Krankheit
5.1.1 Nachweis der charakteristischen Symptome
5.1.2 Phasen der psychischen Destruktion
5.2 Zentrale Motive und deren Bezug zu Lenz’ Erkrankung
5.2.1 Vaterproblematik und zwischenmenschliche Beziehungen
5.2.2 Religion und Schuld
5.2.3 Angst und Leiden an der Welt
5.2.4 Die Problematik des Künstlers – Das Kunstgespräch
5.2.5 Identitätssuche und Scheitern an der Gesellschaft
5.3 Schizophrenie als Metapher
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Siglenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Im Jahr 1839 erschien in Karl Gutzkows „Telegraphen für Deutschland“ erstmalig Georg Büchners Erzählung „Lenz“. Dieses Novellenfragment[1] verdankt seine bis heute nicht nachlassende Bedeutung dem Nebeneinander von dichterischem Werk und klinisch genauem Krankheitsbericht. „Lenz“ hat nach Meinung vieler Literaturwissenschaftler und Psychiater, „die Konstituierung des Krankheitsbildes der Schizophrenie vorweggenommen“[2].
Die historische Figur, die als Vorbild für diese Novelle dient, ist der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz, ein ehemaliger Freund Goethes und neben diesem die auffälligste literarische Begabung der jungen Generation der 1770er Jahre.[3] Nachdem er immer häufiger durch sein abnormales Verhalten auf sich aufmerksam machte, wurde Lenz von seinen ehemaligen Freunden als „krank“ etikettiert und als nicht anpassungs- und leistungsfähig aus der für ihn so bedeutsamen Gesellschaft ausgeschlossen. Von einem Großteil seiner Bekannten im Stich gelassen, floh Lenz nach Waldersbach, wo er bei dem für seine Frömmigkeit bekannten Pfarrer Johann Friedrich Oberlin Hilfe suchte. Dieser nahm ihn zunächst mit besten Absichten bei sich auf, musste aber bald feststellen, dass auch er gegen Lenz’ Leiden nichts ausrichten konnte. Daher schickte er den Unglücklichen nach wenigen Tagen wieder fort nach Straßburg. Um sich vor seinen Freunden und Bekannten für seine Entscheidung, den jungen Dichter nicht weiter zu betreuen, zu rechtfertigen, verfasste Oberlin einen detaillierten Bericht über dessen Aufenthalt und die Begebenheiten, die sich währenddessen ereignet hatten.[4] Eben jene Aufzeichnungen, die ihm sein Freund August Stöber übermittelte, dienten Büchner als Ausgangspunkt für weitere Nachforschungen. Er verarbeitete sie zu einem „Dokument einer geschlossenen Schizophreniedarstellung“[5], mit dem er den Diskussions- und Wissensstand der zeitgenössischen Psychiatrie und Psychologie bei Weitem übertraf.
Dennoch ist diese Novelle nicht nur eine realitätsnahe Fallstudie, sondern weit mehr als das. Im Mittelpunkt des Interesses des Autors steht nicht die Schizophrenie, sondern der Mensch und dessen individuelles Leiden. Büchners Novelle zeigt auf den ersten Blick einen Kranken, der „halb verrückt wurde“[6], zugleich jedoch, in etwas subtilerer Form, den verzweifelten Menschen, der sich dahinter verbirgt, den „unglücklichen Poeten“[7]. Der Krankheit ist eine metaphorische Bedeutung immanent, die nicht nur die Entfremdung eines Individuums von sich selbst widerspiegelt, sondern darüber hinaus Kritik an dem patriarchalischen Gefüge von Familie, Religion und Gesellschaft übt.
Ziel der vorliegenden Abhandlung ist es, Büchners detaillierte Beschreibung einer Schizophrenieerkrankung anhand der einzelnen Symptome zu analysieren und darüber hinaus die der Krankheit inhärente metaphorische Bedeutung zu untersuchen.
1.1 Untersuchungsgegenstand
Wann genau die „Lenz“-Erzählung entstanden ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Georg Büchner bereits im Frühjahr 1835 damit begann, sich mit dem Dichter Lenz zu beschäftigen und biografisches Material von ihm zu sammeln. Die tatsächliche Ausarbeitung der Novelle ist schwerpunktmäßig etwa in die Zeit zwischen Sommer 1835 und Frühjahr 1836 in Straßburg gefallen. Eine genauere Datierung ist aufgrund mangelnder Dokumente nicht möglich. Erwiesen ist jedoch, dass Büchners Freund und späterer Herausgeber des fertigen Werkes, Karl Gutzkow, seit Mai 1835 wiederholt nach dem Lenz-Text gefragt hatte:
Ihre Novelle Lenz soll jedenfalls, weil Straßburg dazu anregt, den gestrandeten Poeten zum Vorwurf haben? Ich freue mich, wenn Sie schaffen. Einen Verleger geb’ ich Ihnen sogleich.[8]
Einen weiteren deutlichen Hinweis auf die Beschäftigung mit der Erzählung gibt ein Brief, den Büchner im Oktober 1835 seiner Familie zukommen ließ:
Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen über einen Freund Goethes, einen unglücklichen Poeten Namens Lenz verschafft, der sich gleichzeitig mit Goethe hier [in Straßburg, Anm. U.L.] aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen Aufsatz in der deutschen Revue erscheinen zu lassen.[9]
Obwohl sich der Autor schon seit dem Frühjahr 1835 mit dem Material für den „Lenz“ beschäftigte, erschien die Novelle erst 1839, zwei Jahre nach seinem Tod unter dem Titel „Lenz. Eine Reliquie von Georg Büchner“. Der Erstdruck beruhte auf einer Abschrift von Wilhelmine Jaeglé, die sie Karl Gutzkow zur Verfügung gestellt hatte. Zunächst wurde die
Erzählung nur wenig beachtet, erst als sie auch in Büchners „Nachgelassenen Schriften“ abgedruckt wurde, nahm die Resonanz zu.[10]
Der „Lenz“-Erzählung wird von den meisten Büchner-Forschern ein Fragmentcharakter zugesprochen. Dies hängt vor allem mit der Tatsache zusammen, dass einige Passagen des Textes wörtliche Zitate des Oberlin-Berichtes sind. Auch Gerhard Knapp hält es für erwiesen, dass die Novelle ein Arbeitsentwurf ist und deutliche Lücken enthält, vor allem das letzte Drittel des Werkes scheint unvollendet zu sein.[11] Auf welcher Entwurfsstufe sich die vorliegende Fassung tatsächlich befindet, ist umstritten, eine exakte Bestimmung des Grades der Fertigstellung scheint nur sehr schwer möglich. Burghard Dedner und Hubert Gersch gehen in ihrer textkritischen Untersuchungen von drei Arbeitsstufen des Textes aus.[12] Vor der letzten Stufe, in der die Lücken von Büchner geschlossen worden wären, hat dieser die Arbeit an der Erzählung vermutlich abgebrochen.[13]
In meiner Abhandlung werde ich den Fragmentcharakter der Erzählung weitgehend unberücksichtig lassen, da es sich nicht eindeutig nachvollziehen lässt, welche Passagen tatsächlich noch einmal vom Autor verändert worden wären und welche er bewusst im entsprechenden Wortlaut aus dem Oberlinbericht übernommen hat. In meiner Analyse folge ich der Textfassung der Münchner Ausgabe von Büchners Werken und Briefen[14], die auf dem Gutzkowschen Erstdruck aus dem Jahr 1839 beruht.
Die Novelle beginnt mit Lenz’ Wanderung durch das Gebirge. Der Protagonist ist einsam und am Ende seiner geistigen und körperlichen Kräfte. Sein Weg führt ihn zu Pfarrer Oberlin, von dessen Obhut er sich verspricht, Ruhe und Rettung vor dem ausbrechenden Wahnsinn finden. Zunächst scheint diese Hoffnung erfüllt zu werden und der Dichter beginnt sich in die Gemeinde im Steintal zu integrieren. Jedoch zeigt sich bereits sehr schnell, dass die Besserung seines Zustandes nur vorübergehend ist und er seine psychotischen Anfälle nicht bezwingen kann. Eher das Gegenteil ist der Fall, der Wahnsinn scheint immer mehr Besitz von ihm zu ergreifen, sein Verhalten wird zunehmend wirr und unberechenbar. Der Protagonist ist kaum noch in der Lage mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren und zieht sich in seine eigene Gedankenwelt zurück. Schließlich schickt ihn der offensichtlich überforderte Oberlin wieder fort. Bar jeder Handlungsfähigkeit wird der Poet abtransportiert, ohne noch irgendeine Gemütsbewegung zu zeigen.
Zwischen der hoffnungsvollen Wanderung in das Steintal zum Beginn der Novelle und dem Abtransport des geistig umnachteten Dichters zum Schluss gestaltet Büchner die Progression eines seelischen Verfalls.
1.2 Vorgehensweise
Der im ersten Teil der Ausarbeitung angelegte kurze wissenschaftshistorische Abriss der akademischen Sicht auf Geisteskrankheiten und die davon betroffenen Menschen, soll einen Überblick über den psychologischen und psychiatrischen Kenntnisstand zu Georg Büchners Lebzeiten geben. Dem schließt sich – unter besonderer Berücksichtigung von Michel Foucaults Abhandlung „Wahnsinn und Gesellschaft“ – eine Untersuchung der gesellschaftlichen Relevanz des Wahnsinns zu jener Zeit an. Im weiteren Verlauf folgt eine umfassende Veranschaulichung des Krankheitsbildes der Schizophrenie. Die ausführliche Beschreibung der wesentlichen Symptome und die Skizzierung eines typischen Krankheitsverlaufs dienen als Grundlage für die Betrachtung der Krankheitsdarstellung in Büchners Erzählung. Im dritten Teil der Arbeit werden die Lebensläufe der Autoren Lenz und Büchner näher beleuchtet. Neben einem jeweiligen kurzen biografischen Überblick sind dabei der psychopathologische Kenntnisstand Büchners und die Krankheitsgeschichten der beiden Schriftsteller von besonderem Interesse.
Für die Analyse der Novelle hinsichtlich der Schizophreniedarstellung wird zunächst ein detaillierter Vergleich zwischen dem zuvor definierten Krankheitsbild und der Beschreibung des geistigen Verfalls des Protagonisten im „Lenz“ angestellt. Dem schließt sich eine Untersuchung der Leitmotive und der metaphorischen Bedeutung des Wahnsinns innerhalb der Erzählung an.
2. Wahnsinn zu Georg Büchners Lebzeiten
Die Beschäftigung mit dem Seelenleben des Menschen rückte zu Georg Büchners Lebzeiten zunehmend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Psychologie[15] und Psychiatrie[16] standen am Beginn ihrer Entwicklung zu eigenständigen Wissenschaften und auch in der Bevölkerung nahm das Interesse an der eigenen Psyche und dem emotionalen Innenleben der Mitmenschen zu. Im Zusammenhang mit der Aufklärung konnte die wissenschaftliche Autorität der Kirche abgeschüttelt und die experimentelle Erforschung des Menschen und seines Geistes vorangetrieben werden. Die säkularisierte Version der menschlichen Introspektive sah den Bürger in einem Wechselverhältnis zwischen Kultur und Gesellschaft und interpretierte die Seele nicht mehr nur als „göttlichen Funken“, sondern als das sich entwickelnde „Innere“ des Menschen. Die philanthropische Prägung der Aufklärung machte zudem eine modifizierte Wahrnehmung und infolge dessen eine humanere Behandlung der sozialen Randgruppen innerhalb der sich neu entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft geradezu unumgänglich. Zu diesen Randgruppen zählten seit jeher auch die Wahnsinnigen.
2.1 Zeitgenössische Wissenschaft
2.1.1 Die Psychologie – Entstehung einer akademischen Disziplin
Als anerkannte eigenständige Wissenschaft existiert die Psychologie erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Dennoch ist die Beschäftigung mit dem Inneren, der Seele und der Gefühlswelt des Menschen so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in der Antike setzten sich die Philosophen mit der Bedeutung und der Beschaffenheit der Seele, den menschlichen Geistern und Dämonen und ihrer eigenen Psyche auseinander.[17]
Über alle geschichtlichen Epochen hinweg finden sich psychologische Betrachtungen der Philosophen. Aristoteles und Thomas von Aquin, René Descartes und Spinoza, Gottfried Wilhelm Leibniz, Jean-Jacques Rousseau und viele weitere bekannte Größen der Philosophie haben sich mehr oder weniger intensiv mit der Existenz und dem Wesen der Seele beschäftigt.[18] Bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts stand im Mittelpunkt des psychologischen Interesses immer die Psyche als allgemeiner Gegenstand. Erst mit dem Beginn der Entwicklung der Psychologie zu einer autarken akademischen Fachrichtung wurde auch der Individualcharakter der menschlichen Psyche wahrgenommen.
Der deutsche Aufklärer Christian Wolff (1679-1754) gilt heute als Wegbereiter der neuzeitlichen, wissenschaftlichen Psychologie. Er war der erste Philosoph, der die Seele als eine eigenständige Materie definierte. Für ihn entsprach die Psyche einer Kraft, die es dem Menschen ermöglicht, sich die Welt vorzustellen.[19] In seinen Hauptwerken „Psychologie empirica“ und „Psychologie rationalis“ hat Wolff im Jahr 1732 zwei unterschiedliche psychologische Methoden definiert, die empirische und die rationale Psychologie.
Die empirische Psychologie, die später unter dem Begriff „Erfahrungsseelenkunde“ weitergeführt wurde, bezeichnet die Sammlung und Beschreibung psychischer Phänomene, wie zum Beispiel Sinnesempfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen, Einbildungen und Träume, Lust und Schmerz, Gefühle und Sprache. Diese Fähigkeiten der menschlichen Seele charakterisiert Wolff als „Seelenvermögen“. Die Seele kann jedes dieser „Vermögen“ nach Bedarf nutzen, sie muss dafür aber eine innere Kraft aufbringen, sonst bleiben die Vermögen ungenutzt. Auf Grund dieser Theorie Wolffs wird die Psychologie jener Zeit heute auch als „Vermögenspsychologie“ bezeichnet.[20]
Die Psyche des Menschen sollte bei Wolff aber nicht nur beschrieben, sondern mit Hilfe der rationalen Psychologie darüber hinaus erklärt werden. Mit den Mitteln der vernünftigen Spekulation, in Anlehnung an mathematische Methoden, versuchte er das Wesen der Seele und des Geistes aufzuschlüsseln: „Auf diese Weise wird die Psychologie bei Wolff zu einer empirischen Wissenschaft, die im Grundsätzlichen dem Paradigma der Naturwissenschaften folgt.“[21]
Mit seiner Vorgehensweise hat Wolff die Psychologie des achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jahrhunderts nachhaltig geprägt, denn aufgrund seiner Schriften wurde die Möglichkeit in Erwägung gezogen, diese akademische Disziplin nach den Mustern der Naturwissenschaften zu konzipieren. Gleichwohl hat das Wolffsche Vorbild der Trennung von empirischer und rationaler Psychologie dem Fach eine Spaltung vorgegeben, die nicht nur die Entfremdung von der Philosophie verursachte, sondern auch eine innerdisziplinäre Zersplitterung in zwei konträre Strömungen hervorrief.[22]
Die theoretischen Ansätze von Christian Wolff fanden in der Folgezeit nicht nur Anhänger. Der Aufklärungsphilosoph Immanuel Kant (1724-1804) kritisierte vor allem die Idee der rationalen Psychologie scharf, da er die Ansicht vertrat, dass Psychologie immer empirisch sein müsse, im Sinne einer „inneren Empirie“.[23] Zudem hielt er es für unmöglich, die Erscheinungen des inneren Sinnes zu beobachten, weil sich diese in einem ständigen Wechsel befänden und allein durch das Beobachten bei Anderen oder der eigenen Person Veränderungen im Verhalten auftreten würden.[24]
Kant lehnte die Konstituierung einer psychologischen Wissenschaft kategorisch ab. Er bezweifelte die Existenz der Seele als solche und hielt daher eine Erörterung des Seelenlebens für undenkbar. Die Seele war für ihn nur eine Verknüpfung von Vorstellungen des inneren Sinnes mit den Modifikationen der äußerlichen Sinnlichkeit.[25]
Auch Friedrich Wilhelm Josef Schelling (1775-1854) äußerte sich kritisch zur empirischen Psychologie seiner Zeit und trug damit zur Weiterentwicklung dieser Disziplin bei. Das Denken Schellings wurde von einer Polarität von Geist und Natur dominiert, die seines Erachtens nur scheinbare Gegensätze darstellten. Schließlich sei der Geist ein Erzeugnis der Natur und dementsprechend würde sich die Natur des Menschen im Geist erst bewusst. Besonders in seinen späten Werken beschäftigte sich Schelling ausführlich mit dem Begriff des Unbewussten.[26]
Ebenfalls bedeutend für die Entwicklung der Psychologie war Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1831). Er definierte die Seele als eine neu entstandene und wieder vorübergehende Substanz, die als Übergangsstadium zum absoluten Werden fungiert. In seinen Abhandlungen beschränkte sich Hegel ausschließlich auf die rationale Psychologie, eine empirische Herangehensweise lehnte er entschieden ab.[27]
Ungeachtet der zahlreichen psychologischen Ausführungen der einzelnen Philosophen in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts mangelte es der Psychologie weiterhin an einem wissenschaftlichen Austausch der Informationen und einem Forum für eben diesen Austausch, der auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil einer ernstzunehmenden Wissenschaft ist. Erst zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts entstand ein derartiges Forum, das „Magazin zur Erfahrungsseelenkunde“. Gegründet und herausgegeben wurde das Magazin von Karl Philipp Moritz (1756-1793), der als einer der frühen Sozialpsychologen und Theoretiker der gesellschafts-lebensgeschichtlichen Subjektivität und Identität gilt und eine wichtige Stellung in der Geschichte der Psychologie inne hat.[28]
Nicht nur etablierten Wissenschaftlern aus den Bereichen Psychologie, Pädagogik, Philosophie und Medizin bot Moritz in den Jahren von 1783 bis 1793 eine Plattform, auch Laien konnten Beiträge veröffentlichen, so dass neben wissenschaftlichen Essays auch Tagebucheinträge, Berichte über Traumsequenzen und individuelle Krankheitsgeschichten aus der Sicht des Betroffenen zu finden waren. Das Magazin war in erster Linie als Sammlung von Lebens- und Erfahrungsberichten sozialer Außenseiter angelegt, mit deren Hilfe zum einen die Selbst- und Fremderkenntnis gefördert werden und zum anderen Material für psychologische Theorienbildung und die Entwicklung psychotherapeutischer Strategien zusammengetragen werden sollte.[29] Moritz’ erklärtes Ziel war es, die Erfahrungsseelenkunde zu fördern und zu verbreiten, über psychologische Phänomene und Entwicklungen aufzuklären und eine breit angelegte Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Psychologie seiner Zeit zu schaffen.[30]
Der tatsächliche Beginn der Psychologie als anerkannte, unabhängige und akademische Wissenschaft wird in der Regel in der Geschichtsforschung mit den Werken Johann Friedrich Herbarts (1776-1841) in Verbindung gebracht. Jenem wird die erstmalige Ausformulierung und damit die Etablierung der Psychologie als wissenschaftliche Einzeldisziplin zugeschrieben. Herbart gilt als erster großer Psychologe nach Christian Wolff, zudem war er ein Nachfolger Kants auf dessen Lehrstuhl in Königsberg.[31]
In seinem 1816 veröffentlichten „Lehrbuch zur Psychologie“ beschäftigte sich Herbart nicht nur am Rande seiner philosophischen Betrachtungen mit dem Wesen der Seele, wie es die Philosophen vor ihm taten, sondern legte auf diesen Aspekt den Schwerpunkt seiner Überlegungen. Dabei lehnte er die zu diesem Zeitpunkt weit verbreiteten Psychopathologien ab, denn er sah in der reinen Wiedergabe von Fallstudien keinen Nutzen, wenn diese dem Forscher keine neuen Erkenntnisse bringen. In seinen Werken beschäftigte sich Herbart zunächst mit den Phänomenen des Wahnsinns und der Geisteszerrüttungen, davon ausgehend dann aber hauptsächlich mit den alltäglichen psychologischen Erscheinungen, wie zum Beispiel der Entstehung von menschlichen Gefühlen.[32]
Die von Christian Wolff konstituierte Vermögenspsychologie lehnte Herbart ab, er bestritt die Existenz der von Wolff definierten „Seelenvermögen“. Darüber hinaus hielt er die Annahme latenter Vermögen zur Erklärung von erfahrbaren Zuständen und Fähigkeiten für unzureichend.[33] Gleichzeitig widersprach Herbart Kants Behauptung, dass eine wissenschaftliche Erforschung der Seele ausgeschlossen sei. Im Jahre 1824 erklärte Herbart in seinem zweibändigen Hauptwerk „Psychologie als Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik“ die Psychologie entgegen Kants Vorbehalten zu einem eigenständigen wissenschaftlichen Teilbereich der Medizin. Er glaubte, Kants Kritik an der Beschränkung auf Selbsterfahrung begegnen zu können, indem er die Gesetzmäßigkeiten des Psychischen mit mathematischen Methoden bestimmte.[34]
Die zentralen Kategorien in Herbarts Psychologie sind das „Bewusstsein“, das die Gesamtheit aller gleichzeitig wirklichen Vorstellungen umfasst, und das „Unterbewusstsein“, das die Virtualität des Bewusstseins bezeichnet.[35] Die innere Erfahrung begründet sich primär auf Vorstellungen, deren einheitlicher Träger die Seele als immaterielle und unsterbliche Substanz ist. Reines Vorstellen erfolgt, wenn ein Gedanke oder Bild ungehemmt im Bewusstsein ist. Verschmilzt eine Vorstellung mit mehreren anderen und wird dadurch in ein bestimmtes Gleichgewicht gebracht, dann entsteht nach Herbarts Ansicht ein Gefühl.[36] Die Vorstellungen befinden sich in einer ständigen Bewegung zwischen dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein. Ausgangspunkt für diese Bewegungen ist ein dynamisches Modell, das Energien postuliert, welche die Bewegungen der Vorstellungen bewirken und von deren Kräfteverhältnis untereinander die jeweilige Richtung der Vorstellungen abhängt: „In der Dynamisierung des Bewusstseins und der Konzipierung eines energetischen Modells wird Herbarts große Errungenschaft gesehen.“[37]
Entscheidend für Herbarts Idee von der Psychologie als Wissenschaft ist das Verhältnis zwischen Erfahrung und Metaphysik beziehungsweise Mathematik. Erfahrung wird in wissenschaftliche Erkenntnis überführt, indem eine erklärende Theorie hinzutritt. Ausgangspunkt für die Forschung müssen dabei die unmittelbaren Erfahrungen sein, die als empirische Fakten festgehalten werden. Diese Vorgehensweise muss durch eine spekulative Psychologie ergänzt werden, die das hinter den erfahrbaren Tatsachen Verborgene aufdeckt und den Zusammenhang des Wahrgenommenen nachweist.[38] Die Spekulationen basieren auf Metaphysik und mathematischen Methoden, die psychischen Elemente, speziell die Vorstellungen, werden von Herbart dabei wie Zahlenwerte behandelt.[39]
Herbarts wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung liegt in der Entschlossenheit begründet, mit der er die Psychologie zu einer Wissenschaft erklärt, die sich in ihren methodischen Prinzipien in keiner Weise von den anderen etablierten Naturwissenschaften unterscheidet. Zudem gelang es ihm, Kants Ablehnung der Psychologie als akademische Disziplin zu überwinden und der Forschung damit neuen Schwung zu verleihen:
Herbart war überzeugt, Kants Skepsis gegen die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Psychologie widerlegt zu haben, denn er verstand seine Vorstellungstheorie als Angabe der Bedingungen für die Möglichkeit der Einheit der inneren Erfahrung.[40]
Ein weiterer fortschrittlicher und wichtiger Psychologe jener Zeit war Friedrich Eduard Beneke (1798-1854), der viel zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Psychologie zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts beitrug. In seinen vier Hauptwerken zur Psychologie, die zwischen 1820 und 1827 erschienen sind, entwickelt er ebenso wie Herbart ein System, das Kants Vorbehalte widerlegen sollte. Auch für ihn entsprachen die Methoden der Psychologie denen der Naturwissenschaften. Das zu erforschende Material stammte hauptsächlich aus Beobachtungen Anderer und Selbstbeobachtungen.[41]
Beneke vertrat den Standpunkt, dass die Psychologie die Grundlage der Philosophie sei und schlussfolgerte daraus, dass sie nicht in der Metaphysik verankert werden könne, wie Herbart es verlangt hatte. Psychologie sei also keine angewandte Metaphysik, allenfalls sei die Metaphysik eine Form der angewandten Psychologie. Eine spekulative Theorienbildung war für Beneke bei weitem nicht ausreichend, er bestand auf umfangreichen empirischen Erhebungen, um die Theorien auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen.[42] Die Verbannung der Metaphysik aus der Psychologie und die Wertschätzung der Empirie sind zwei Aspekte, mit denen Beneke die Psychologie in ihrer weiteren Entwicklung langfristig prägte.
An der Wende vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert steckte die Psychologie als Wissenschaft noch in den Kinderschuhen, sie stand gerade am Beginn einer Entwicklung, die bis weit in das zwanzigste Jahrhundert hinein nicht an Tempo verlieren sollte. Dennoch wurden bereits in den Jahrzehnten um 1800 einige bedeutende Schritte in der Geschichte der Psychologie getan und die Exploration der menschlichen Seele erlangte zunehmend an Bedeutung. Nicht zuletzt die Konstituierung des Individuums in der aufkommenden bürgerlichen Gesellschaft trug einen wesentlichen Teil dazu bei, dass die Psychologie in jener Zeit verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses rückte – sowohl bei den Akademikern, als auch bei den übrigen Teilen der Bevölkerung.[43]
2.1.2 Psychiatriereformen in Frankreich und Deutschland
Ähnlich wie in der Psychologie fanden zu Georg Büchners Lebzeiten in Deutschland auch in der Psychiatrie einige bedeutende Veränderungen statt. Wesentliche Reformimpulse gingen dabei gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts von Frankreich aus.
Die Entstehung der Psychiatrie als eigenständiger medizinischer Fachbereich begann erst Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Die Mediziner haben sich zwar schon seit der Antike mit Geisteskrankheiten beschäftigt, die Behandlung der Irren war aber keine autarke Fachdisziplin. Bis zur Gründung der Internierungshäuser Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurden die Wahnsinnigen oftmals brutal und äußerst gefühllos behandelt. Der größte Teil der psychisch kranken Menschen wurde von den Familien versorgt, allerdings in den meisten Fällen nicht viel besser als die Haustiere. Viele als wahnsinnig geltende Personen waren in engen Verließen eingesperrt oder an Ketten gefesselt, die sie ihr Leben lang nicht ablegen durften.[44] Zum Teil wurden die „gefährlichen Irren“, also vor allem die Rasenden und Tobenden, in Käfigen gegen Entgelt dem Publikum vorgeführt. Diese Maßnahme diente hauptsächlich der Abschreckung und der „Erziehung“ der Menschen zur Einhaltung der Regeln und einem gesellschaftskonformen Leben.[45]
Neben der Betreuung der Geisteskranken in ihren Familien gab es seit dem Mittelalter auch die Möglichkeit, sie in von den Städten und Gemeinden gegründeten Asylen, Hospizen, Gefängnissen, Armenhäusern oder ähnlichen Institutionen unterzubringen. Diese Form der Internierung nahm im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts deutlich zu. Dort wurden die Wahnsinnigen gemeinsam mit Bettlern und Vagabunden, Kriminellen, politisch Auffälligen, Besitzlosen und Arbeitslosen, Alkoholikern, aber auch missliebigen Ehefrauen, entjungferten Töchtern und verschwenderischen Söhnen untergebracht. Wer nicht der Norm entsprach, wurde im Zeitalter der aufkommenden Vernunft auf diese Weise schnell und unkompliziert „unschädlich“ und vor allem unsichtbar gemacht. Klaus Dörner bezeichnet diese Zeit als „Epoche der administrativen Ausgrenzung“, in der die Armen und Irren von der Kirche nicht mehr und von der bürgerlichen Gesellschaft noch nicht umgriffen werden konnten.[46]
Unabhängig davon, wie die Unterbringung der Irren geregelt war, ob in der Familie, in einem Internierungshaus oder in ganz seltenen Fällen im Krankenhaus, ging es zunächst immer nur um die Verwahrung und niemals um die Möglichkeit einer Therapie. Bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts änderte sich an diesem Zustand nichts.[47] Ab etwa 1750 häuften sich Lehrbücher, die im Falle von Geisteskrankheiten verschiedene Therapien empfahlen, die Methoden waren allerdings zunächst eher fragwürdig. Es gab verschiedene Schock- und Angstverfahren, aber auch eine ganze Reihe von körperlichen Anwendungen, wie zum Beispiel Prügel, Aderlass oder das plötzliche Untertauchen in ein kaltes Wasserbad. Ein besonders brutales „Instrument“ war der Darwinsche Stuhl, auf dem der Patient solange gedreht wurde, bis ihm das Blut aus Mund, Nase und Ohren lief. Auch Hungerkuren und Kastrationen wurden angewendet und die Elektrizität wurde als Behandlungsmethode eingeführt.[48]
Zu dieser Zeit wurden Geisteskrankheiten oftmals als Strafe für begangene Sünden oder als Besessenheit von Dämonen interpretiert, der Wahnsinn blieb lange im Dunkel irrationaler Mystifizierungen verhüllt. Erst die Säkularisierung und Hinwendung zum Vernunftgedanken im Zeitalter der Aufklärung konnten den Aberglauben und religiöse Überzeugungen in Bezug auf die Ursachen der psychischen Krankheiten ein wenig in den Hintergrund drängen.[49]
Infolgedessen setzte am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Europa ein intensiver Diskurs über den Wahnsinn ein. Sowohl in Frankreich, als auch in England und Deutschland wurde das „Irrenproblem“ von den Psychiatern rege diskutiert, die es als ihre historische Aufgabe ansahen, „die analog zu den Hexenverfolgungen gebildete und lange praktizierte Behandlung der Wahnsinnigen zu beseitigen und das Erbe der Psychiatrie, die vernichtenden Verfahren, durch ausgliedernde zu ersetzen.“[50] Die Philosophie der Aufklärung verwarf den Gedanken des Besessenheitswahns und der unsterblichen Seele und ermöglichte so erstmals das wissenschaftliche Studium von Geisteskrankheiten als Erkrankungen des sterblichen Denkapparats. Im gleichen Atemzug überwanden die Psychiater der Aufklärung den Glauben an die Unheilbarkeit der Irren und schufen so die Voraussetzung dafür, dass Geisteskranke nicht nur interniert, sondern auch therapeutisch behandelt werden konnten.[51] Die Betonung der Vernunft als „Fähigkeit“ hatte zur Folge, dass der Wahnsinn als eine krankhafte Störung der Vernunft gesehen wurde, deren Auslöser entweder in physischen Verletzungen des Gehirns oder in der Wirkung unbeherrschbarer Leidenschaften gesehen wurde und die mit Hilfe der richtigen Mittel geheilt werden konnte.[52]
Mit der Anerkennung der Irren als geistig kranke Personen gerieten die historisch gewachsenen Mischformen der Unterbringung in den kombinierten Zucht- und Tollhäusern zunehmend in Kritik. Im Rahmen der philanthropischen Bewegung der Aufklärung wurde die Forderung nach Anerkennung der Geisteskranken als empfindsame menschliche Wesen immer lauter. Die Reformer verlangten eigene Kliniken zur Verwahrung und Behandlung der Wahnsinnigen, da sich schnell die Auffassung durchsetzte, dass die Internierung in den bisherigen Institutionen einschließlich der dort üblichen Zwangsbehandlungen den Zustand der Kranken verfestigte oder sogar verschlimmerte.[53] Als Folge wurden überall in Europa Anstalten gegründet, die ausschließlich für die Verwahrung der Geisteskranken gedacht waren. Dennoch war die Behandlungsweise innerhalb dieser Anstalten noch immer selten menschenwürdig. In den meisten Internierungshäusern waren die Insassen auch weiterhin an Ketten gefesselt oder in engen Räumen eingesperrt, obwohl sie als krank anerkannt waren und sich verschiedenen Behandlungen zur Heilung unterziehen mussten:
Die Anstalten [...] sollten also modernen Staatszwecken dienen, die Betroffenen beaufsichtigen und die Gemeinschaft schützen, dabei günstigstenfalls Profit abwerfen und medizinische Behandlungen ermöglichen.[54]
Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass zu jener Zeit bei den drei Aufgabenbereichen der Anstaltspsychiatrie die Heilung der Geisteskranken tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle spielte und nach wie vor der Schutz der Bevölkerung vor den Irren an erster Stelle stand. Dieser Umstand macht sehr deutlich, dass die Wahnsinnigen damals noch weit davon entfernt waren, als vollwertige Mitmenschen mit eigenen Rechten betrachtet zu werden.
Eine entscheidende Wende in der Geschichte der Psychiatrie vollzog sich am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich und strahlte in der Folgezeit nach ganz Europa aus. Im Jahr 1793 übernahm der bekannte Psychiater Philippe Pinel (1745-1826) die Leitung der Pariser Irrenanstalten Bicêtre und Salpêtrière. Er war der erste europäische Psychiater, der die Insassen einer Anstalt aus ihren Ketten befreite, ihnen innerhalb des Internierungshauses völlige Bewegungsfreiheit einräumte und sie als gleichwertige Personen behandelte. Diesem Beispiel sollte in den darauf folgenden Jahren eine große Zahl weiterer Psychiater folgen, wie zum Beispiel William Tuke in York (1796), Vincent Chiarugi in der Toskana (1798) und Johann Gottfried Langermann in Bayreuth (1805).[55]
Obwohl die „Befreiung der Irren“ aus ihren Ketten eine große gesellschaftliche und humanitäre Errungenschaft darstellte, verdankt Pinel seine bleibende Bedeutung für die Psychiatrie hauptsächlich seiner 1801 erstmals veröffentlichten „Philosophisch-medicinische[n] Abhandlung über Geistesverwirrungen oder Manie“. In diesem Lehrbuch kritisiert er seine Zeitgenossen vor allem, weil diese sich hauptsächlich auf besondere Geschichten des Wahnsinns beschränkten, die zwar die öffentliche Aufmerksamkeit erregten, aber nicht zur Fortentwicklung der psychiatrischen Medizin beitrugen. Pinel selbst hatte es sich dagegen zur Aufgabe gemacht, die Wissenschaft des Wahnsinns gänzlich aus der Verbindung mit Zauberei und Aberglauben zu lösen.[56] Des Weiteren prangerte er mit deutlichen Worten die in seinen Augen unwürdigen Zustände in den Irrenanstalten an und verlangte eine Veränderung im Umgang mit den Geisteskranken:
Die ausschweifenden Wahnsinnigen immer eingesperrt zu halten, sie ohne Schutz, unter dem Vorwand von Gefahren, in die sie kommen können, der Brutalität der Dienstleute preiszugeben [...] ist ohne Zweifel eine sehr bequeme Art von Aufsicht, aber auch der Jahrhunderte der Unwissenheit und der Barbarey würdig. Nicht weniger stehet sie mit den Resultaten der Erfahrung in Widerspruch, welche bestättigt, dass dieser Zustand der Manie, besonders wenn sie periodisch ist, geheilt werden kann, indem man dem Wahnsinnigen eine unbeschränkte Freyheit in dem Inneren des Irrenhauses gestattet [...], ohne die Regeln der moralischen Behandlung, deren sein Zustand fähig ist, aus den Augen zu setzen.[57]
Es war Pinels Bestreben, ein humanes Verhältnis zwischen Arzt und psychisch Krankem herzustellen, denn er war der Ansicht, dass eine Anstalt durchaus therapeutische Wirkung haben könne, wenn der Geisteskranke dort richtig behandelt würde. Behandlungsmethoden wie Prügel, Aderlass oder den Darwinschen Stuhl lehnte Pinel grundsätzlich als unwirksam und unmenschlich ab. Als einzige Zwangsmaßnahme verwendete er Zwangsjacken, vor deren andauernder Benutzung er allerdings warnte.[58] Der französische Psychiater war eher ein Freund beruhigender Heil- und Kurbäder. Es war seine Überzeugung, dass sich psychisch kranke Menschen mit sanften Methoden heilen und wieder in die Gesellschaft integrieren lassen würden.[59]
Von größter Wichtigkeit waren für Pinel die Regeln, nach denen eine Irrenanstalt organisiert werden sollte. Er hielt entschlossenes, aber liberales und vertrauensvolles Verhalten der Ärzte und Pfleger für ein essentielles Erfordernis im Umgang mit psychisch Kranken. Zudem erschien es ihm unerlässlich, den Charakter und das Umfeld beziehungsweise die Vergangenheit der Patienten zu analysieren.[60] Die Pionierarbeit des französischen Psychiaters besteht in seiner Befürwortung des humanen Umgangs mit den Irren und seinem Glauben an die Heilbarkeit der Geisteskrankheiten. Aufgrund seiner vielzähligen Neuerungen und Reformen gilt er heute als Begründer der modernen Psychiatrie.[61]
Die französische „Irrenbewegung“, in deren Zusammenhang die Geisteskranken von ihren physischen Fesseln befreit wurden, wirkte sich auch auf Deutschland aus, wo die staatlichen Stellen sich bis dahin nur begrenzt mit den Wahnsinnigen in ihrer Gesellschaft auseinandergesetzt und um eine humane Unterbringung bemüht hatten.[62] Die Welle der Gründung von Irrenanstalten, die auch in Deutschland zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts begonnen hatte, setzte sich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts fort. Zunächst wurden die Insassen jedoch weiter in Ketten und Verliesen festgehalten. Die tatsächliche Befreiung der Geisteskranken wurde erstmals von Johann Gottfried Langermann (1768-1832) vollzogen. 1803 wurde er dazu berufen, die Zustände in einer Bayreuther Anstalt zu untersuchen und die dort vorgefundenen Mängel zu dokumentieren. Des Weiteren sollte er einen Plan zur Behebung dieser Mängel entwerfen. Am Ende seiner Untersuchungen wandelte er 1805 das Bayreuther „Tollhaus“ in eine „psychische Heilanstalt für Geisteskranke“ um und leitete damit die deutsche Irrenreform ein.[63]
Das theoretische Fundament für diesen „Befreiungsakt“ hatte jedoch bereits ein anderer deutscher Psychiater geschaffen. Johann Christian Reil (1759-1813) verfasste 1803 mit seinen „Rhapsodien über die Anwendung der psychischen Kurmethode auf die Geisteszerrüttungen“ das erste deutsche Lehrbuch für Psychiatrie. Darin beschäftigt sich der Arzt und Psychiater weniger mit der Erforschung des Wahnsinns als mit seiner detaillierten Darstellung. Darüber hinaus beinhaltet diese Schrift eine Vielzahl von Vorschlägen zu einer klinischen Neuordnung im Bereich der Psychiatrie, wobei es vor allem um die Versorgung der unheilbar Kranken geht, bei deren Unterbringung und Betreuung die Achtung der Menschenwürde wesentlich sei.[64] Werner Obermeit vertritt die Ansicht, dass es bei diesen Forderungen nicht primär um die Irren selbst gehe, sondern eher um die „Vernünftigen“, die zur Achtung und Wahrung der Menschenwürde fähig seien und dies auch den in ihren Augen „minderwertigen“ Mitmenschen gegenüber beweisen müssten.
Reil forderte eine klare Differenzierung der Institutionen für Geisteskranke in Anstalten für unheilbare und für heilbare Fälle. Für die heilbaren Patienten entwickelte er ein Behandlungssystem, das sowohl psychische als auch physische Methoden beinhaltete. Allerdings blieben viele dieser Therapien bloßes Wunschdenken.[65] Im Gegensatz zu Pinel konnte Reil seine Theorien und Methoden nämlich nicht auf einen jahrelangen Umgang mit den psychisch Kranken stützen, da er so gut wie keine Erfahrung im klinischen Bereich hatte. Er kümmerte sich auch nicht um eine realistische Adaption. Seine Vorschläge wurden oftmals erst wesentlich später erprobt und angewendet, sofern dies überhaupt möglich war.[66] Dessen ungeachtet war Reil ein fortschrittlich denkender Kritiker seiner Zeit. Er leitete mit seinen theoretischen Ausführungen die Entstehung der deutschen Psychiatrie ein. Seine These, dass es für den Wahnsinn sowohl psychische als auch physische Ursachen gibt, war der Ausgangspunkt für die Entwicklung zweier konträrer Psychiatrie-Strömungen in den folgenden Jahrzehnten.
Die Psychiatrie in Deutschland war von Beginn an in zwei Richtungen gespalten. Von den „Psychikern“ wurden vor allem die psychosozialen Zusammenhänge im Leben des Patienten als wichtiger Aspekt einer Erkrankung betont. Sie führten die Symptome auf soziale Probleme oder unbewältigte Stress-Situationen zurück. Die andere Richtung verfolgte einen neurowissenschaftlichen Ansatz, wobei der Schwerpunkt auf der Chemie und der Anatomie des Gehirns lag. Ursachen psychischer Störungen wurden von den Vertretern dieser Richtung, den „Somatikern“, vor allem in der Biologie des Gehirns gesucht.[67]
Zu Beginn der Psychiatriegeschichte dominierte zunächst die biologische Sichtweise. Später, im Rahmen der aufkommenden Romantik, orientierten sich immer mehr Psychiater an der
Theorie, dass die seelischen Nöte des Patienten mit seiner persönlichen Geschichte und dem individuellen sozialen Umfeld zusammenhängen.
Als einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Psychiker gilt Johann Christian Heinroth (1773-1843), der als erster einen eigenständigen Lehrstuhl für „psychologische Therapie“ an der Universität Leipzig innehatte. Seine psychosoziale Sichtweise entwickelte Heinroth aus einer Fixierung auf Moral und die Sünde, die er in seinem 1823 erschienenen „Lehrbuch der Seelenheilkunde“ als Hauptgrund für die Entstehung von Geisteskrankheiten nannte. Seine Ausführungen und Vermutungen bezüglich der Erkrankung der Seele beruhen hauptsächlich auf einem fundamentalistisch-protestantischen Pietismus.[68] Für Heinroth war Gesundheit gleichbedeutend mit Freiheit. Psychische Krankheiten waren eine Einschränkung oder der Verlust der Freiheit aufgrund von Sünden, die Gott auf diesem Weg bestrafte.[69] Dies veranlasste den Psychiker zu dem Schluss, dass Wahnsinnige selbst für ihren Zustand verantwortlich sind. Zudem schloss er erbliche Faktoren mit der Begründung aus, dass die Seele unsterblich sei und immer wieder neu vergeben würde.[70]
Die eigentliche seelische Störung war für Heinroth die Hemmung des gewissenhaften Verhältnisses zu Gott. Da der Wahnsinn durch die falsche Lebensweise und übermäßige sinnliche Begierden hervorgerufen wird, kann nur Selbsterkenntnis, die auf dem Prinzip der religiösen Ermutigung basiert, zur Heilung führen. Sowohl die äußere Lebensführung als auch die innere Orientierung des Patienten müssen daher geändert werden.[71] Aufgrund seines frömmelnden Pietismus wurden Heinroths Theorien von seinen Zeitgenossen wenig ernst genommen. Trotzdem war er der erste deutsche Psychiater, der nicht nur einen engen Zusammenhang zwischen den individuellen Lebensumständen und einer psychischen Störung vermutete, sondern darauf auch seine Heilmethoden begründete.[72]
Neben streng religiösen gab es auch ethische Psychiker. Karl Wilhelm Ideler (1795-1860) war ein wichtiger Repräsentant dieser Strömung; er erweiterte Heinroths Lehre von der überragenden Relevanz der maßlosen Leidenschaften als Auslöser von Geisteskrankheiten. Um psychisch gesund zu bleiben, waren für Ideler sittliche Einsicht und Handeln unerlässlich. Jede Leidenschaft markiert den Beginn einer Geisteskrankheit, so dass eine Psychotherapie an diesem Punkt ansetzen sollte. Der Psychiker ging von einer Ambivalenz des Menschen als Trieb- und Kulturwesen aus, der Irre war für ihn ein Opfer seiner Triebe, dessen Verstand von den ausufernden Passionen überwältigt wird und dadurch die Orientierung verliert.[73]
Weitaus nüchterner betrachteten die Somatiker die Frage nach den Geisteskrankheiten. Einer der bekanntesten war Carl Wiegand Maximilian Jacobi (1775-1858), der sich vor allem für die körperlichen Erscheinungen im Kontext von psychischen Störungen interessierte und die von ihm gemachten Beobachtungen 1830 veröffentlichte. Psychische Krankheiten sind nach Jacobi immer auf eine physische Störung zurückzuführen und können aus diesem Grund auf keinen Fall selbstverschuldet sein. Welche Symptomatik überwiegt, die körperliche oder die geistige, hängt laut Jacobi vom Charakter und vom Temperament eines Menschen ab.[74]
Die Einteilung der frühen Psychiater in Psychiker und Somatiker wird vor allem in der neueren Geschichtsschreibung der Psychiatrie in Frage gestellt. Die Somatiker hatten letztlich auch romantisch-idealistische Züge. Sie wendeten sich nur deshalb dem Somatismus zu, weil sie glaubten, dass die unsterbliche Seele nicht erkranken könnte. Es bestand zwischen den beiden psychiatrischen Strömungen somit zwar ein Dualismus in der methodischen, aber nicht unbedingt in der essentiell-philosophischen Betrachtungsweise.[75]
Edward Shorter bezeichnet die Zeit um 1800 als die „Geburtsstunde der wissenschaftlichen Psychiatrie“[76]. Anders als in der Psychologie handelt es sich hier nicht um eine Abspaltung einer bereits bestehenden Wissenschaft als eigenständige Disziplin, sondern um die Entstehung eines ganz neuen wissenschaftlichen Faches. Allein durch die Philosophie der Aufklärung und den damit verbundenen Wunsch des Menschen nach der „Befreiung aus seiner Unmündigkeit“, war es überhaupt erst möglich, den Versuch zu unternehmen, die Wahnsinnigen und Irren aus ihrer Situation zu erlösen und auch ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Der Glaube an die Heilkraft der Vernunft bewirkte einen therapeutischen Optimismus, der für die Gründung der Psychiatrie von großer Bedeutung war.
2.2 Bürger und Irre
2.2.1 Das Verhältnis von Gesellschaft und Geisteskranken
Innerhalb der Gesellschaft erfreuten sich der Wahnsinn und dessen wissenschaftliche Betrachtung in den Jahrzehnten um 1800 eines wachsenden öffentlichen Interesses. Die Werke der großen Psychologen und Psychiater kamen diesem Interesse entgegen und versorgten die Bevölkerung mit Fakten zur Forschung rund um die Geisteskrankheiten.
Es gab eine ganze Reihe von Ursachen, die dazu führten, dass der Wahnsinn und die davon betroffenen Personen zunehmend Aufmerksamkeit innerhalb der Bevölkerung erhielten. In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts wurden viele Klöster, Stifte und andere geistige Besitztümer aufgelöst und konnten nicht mehr wie zuvor die Armen, Ausgestoßenen und psychisch Kranken versorgen. Gleichzeitig verloren auch andere gesellschaftliche Strukturen ihre Funktion als Stützen in Notsituationen und bei Unglücksfällen, wie zum Beispiel Zünfte oder die Nachbarschaft, und es entwickelte sich allmählich jenes „Familienbewusstsein“, infolgedessen die Menschen sich nur noch für die engsten Verwandten verantwortlich fühlten.[77] Für die Irren wirkte sich das insofern aus, als dass sie jetzt unter die Zuständigkeit der staatlichen Obrigkeiten fielen und von ihnen in verschiedenen ordnungsstiftenden Verwahranstalten untergebracht wurden. Die Wahnsinnigen wurden auf diesem Weg aus der Mitte der Gesellschaft entfernt und gut sichtbar, aber dennoch fernab der übrigen Bevölkerung, in den Internierungshäusern einquartiert.
Das „Herauslösen“ aus der Gesellschaft allein war jedoch nicht der Grund für das steigende Interesse der Menschen an ihren Geisteskranken. Ein wesentlicher Auslöser war die Philosophie der Aufklärung, die mit Kant den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit propagierte und einen Kult der Vernunft ins Leben rief. Der idealtypische Mensch der Aufklärung gehörte dem Bürgertum oder dem Adel an und führte ein Leben im Einklang mit den Forderungen nach Vernunft und Orientierung an den Erfordernissen der Gesellschaft.[78] Die Aufklärer zeichneten sich durch ihr großes philanthropisches Interesse und ihren Glauben daran aus, dass es möglich sei, den Menschen zu vervollkommnen. Diesem Glauben widersprach die Existenz des Wahnsinns, von dem bis dahin angenommen wurde, dass er unheilbar sei: „Für jene, denen die Vernunft das höchste aller Güter, die menschlichste aller Eigenschaften war, muß jener, der sie verloren, besonders bemitleidenswert sein.“[79]
Für die sich gerade herausbildende bürgerliche Gesellschaft stellte der Irre somit eine besondere Herausforderung dar. Die Betonung der Vernunft und die Hinwendung zur Philanthropie machte die Frage nach dem Umgang mit den Geisteskranken innerhalb der Gesellschaft zu einer Testfrage für die Reichweite der Menschenrechte und begründete eine Veränderung im Umgang mit den psychisch Kranken, auch innerhalb der Anstalten:
Der Optimismus der Aufklärung, den Menschen aus seiner Unmündigkeit herausführen zu können, hatte sich in einen 'Mythos der Heilbarkeit' von Irresein umgewandelt, dem sowohl die politisch Verantwortlichen wie besonders die nach politischer Verantwortung strebenden bürgerlichen Mittelschichten anhingen.[80]
Die Wahnsinnigen sollten nicht mehr nur verwahrt werden, sondern auch geheilt. Dabei ging es tatsächlich weniger darum, die psychisch Kranken wirklich zu verstehen oder ihnen zu helfen, der Schwerpunkt lag eher darauf, die Wirksamkeit des Vernunftgesetzes zu beweisen. Innerhalb der Anstalten wurde versucht, eine auf Vernunft basierende Ordnungsstruktur zu schaffen, ohne dabei die Menschenwürde und die Rechte der Irren zu verletzen. Der Wahnsinn selbst wurde nicht als (Denk-)Alternative zur Vernunft gesehen, da er keiner gesetzmäßigen Struktur folgt. Die Geisteskranken wurden als Gruppe primitiver Personen wahrgenommen, deren Denken mit Hilfe der Vernunft wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden sollte.[81]
Die Relevanz der Psychologie und Psychiatrie für die Bevölkerung nahm auch zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts nicht ab. Es war eher das Gegenteil der Fall. Die Menschen interessierten sich bald nicht mehr nur für die Wahnsinnigen als Gegenpol zur Vernunft, sondern auch für ihr eigenes Innen- und Seelenleben sowie für das ihrer Mitmenschen. Mit der zu jener Zeit aufkommenden Romantik lebte der Kult des Individuums und des Irrationalen wieder auf. Hinter der sichtbaren Hülle suchten die Romantiker die Geheimnisse des Ursprungs ihrer Natur, den sie für das Fundament ihrer eigenen Seele hielten. Dieser Ursprung ließ sich nicht mit Hilfe der Vernunft, sondern nur mit dem Gemüt ergründen. Es galt, die innersten Eigenschaften des emotionalen Lebens zu analysieren, sowohl bei sich selbst als auch bei denen, deren emotionales Leben gestört schien.[82]
In den Jahren um 1800 wurden die Geisteskranken zwar aus den Gefängnissen und Armenhäusern in eigene Anstalten überführt, ihre Stigmatisierung als unmoralisch und befremdlich blieb jedoch bestehen. Das Sichtbarwerden hatte für die Irren keine effiziente Verbesserung ihres gesellschaftlichen Status’ mit sich geführt, es hatte lediglich einen anderen Umgang mit ihnen innerhalb der Internierungshäuser und die Anerkennung als kranke Persönlichkeiten bewirkt. Zudem fielen im Zeitalter der Vernunft immer mehr Menschen durch das Raster der bürgerlichen Gesellschaft und die neu gegründeten Irrenanstalten waren schnell überfüllt. Je weiter die zivilisatorische Evolution voranschritt, umso mehr Gesetzmäßigkeiten entstanden und umso eher konnte man diesen gesellschaftlichen Bestimmungen nicht entsprechen.
Das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Irren zeichnete sich zu jener Zeit durch eine ambivalente Entwicklung aus. Auf der einen Seite verhalfen vor allem die Aufklärung und das damit verbundene aufkommende philanthropische Interesse den Geisteskranken zu mehr Aufmerksamkeit als jemals zuvor. Menschen mit psychischen Störungen wurden von der sich neu konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft endlich als Kranke anerkannt und nicht mehr länger als Sünder, Besessene oder tierische Wesen behandelt. Auf der anderen Seite wurden sie trotzdem noch nicht als gleichwertige Individuen angesehen, sondern vom Rest der Gesellschaft entfernt und gesondert interniert.
2.2.2 Michel Foucaults „Archäologie des Schweigens“
Eine umfassende kritische Abhandlung über die Geschichte und Bedeutung der Psychologie und Psychiatrie in der Zeit um 1800 veröffentlichte der französische Philosoph und Diplompsychologe Michel Foucault. In seinem 1961 erstmals in Paris erschienenen Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“[83] legt Foucault ausführlich sein Verständnis von der Psychologie und seine Phänomenologie des Wahnsinns dar. Thematische Schwerpunkte sind dabei die Problematisierung der psychischen Nonkonformität innerhalb der Gesellschaft vom siebzehnten bis neunzehnten Jahrhundert und die Machtpraktiken jener Zeit, die das Abnormale unterdrückten und an das gegenwärtige Normalisierungsprofil anpassen wollten.[84] Besonderes Augenmerk legt Foucault in „Wahnsinn und Gesellschaft“ auf zwei geschichtliche Momente: die Gründung und Etablierung der gemischten Internierungshäuser Ende des siebzehnten Jahrhunderts, die er als Beginn der „großen Gefangenschaft“ der Irren bezeichnet, und die „Befreiung des Wahnsinns“ aus eben jenen Anstalten durch Pinel ein Jahrhundert später.[85]
Michel Foucault sieht den Wahnsinn als „das Andere der Vernunft“ und diese wiederum als einen Prozess des Ausschließens, der den Irrsinn zum Schweigen bringt.[86] Die Wahrnehmung des Wahnsinns war nach Meinung des Philosophen einst eine fundamentale und tragische Erfahrung. Seit dem Aufkommen der Aufklärung wurde diese Erfahrung im Lichte der Vernunft vollkommen nichtig und diskreditiert, unzugänglich und abwesend. Danach hat nur noch die Vernunft agiert, die das Bild vom Wahnsinn ihren Regeln anglich und „seine Subjekte in die psychologische Verantwortung“ zog.[87] Das aufklärerische Konzept des Geisteskranken als Nicht-Vernünftigen konstruierte die betreffenden Menschen nicht nur als Fremde, sondern zugleich auch als Entfremdete, die dem natürlichen Determinismus einer Krankheit erlagen und zugleich als Subjekte moralisch geläutert werden sollten. Diese Art der Entfremdung entspricht für Foucault einem abgebrochenen Dialog zwischen Vernunft und Wahnsinn. Für ihn ist die Archäologie der neuzeitlichen Vernunft im Verhältnis zur Unvernunft eine „Archäologie des Schweigens“[88]. Nur als Gegenpol zur Vernunft kann die Nicht-Vernunft existieren, zugleich schließen sich die beiden wechselseitig aus:
Alles in dem, was der Wahnsinn von sich selber sagen kann, ist Vernunft, während er doch Negation der Vernunft ist. Kurz, ein rationales Erfassen des Wahnsinns ist möglich und notwendig in dem Maße, in dem er selbst Nicht-Vernunft ist.[89]
Die Aufklärung und das damit in Zusammenhang stehende zunehmende Interesse an den Geisteskranken fundieren nach Foucault den Beginn einer großen Verschwörung der Vernünftigen gegen die Geisteskranken. Die Vernunft, die Foucault beschreibt, ist für ihn nichts anderes als eine andere Art des Wahnsinns, „in der die Menschen miteinander in der Haltung überlegener Vernunft verkehren, die ihren Nachbarn einsperrt, und in der sie an der gnadenlosen Sprache des Nicht-Wahnsinns einander erkennen.“[90]
Eine elementare Problematik bezüglich der Gegenüberstellung von Wahnsinn und Vernunft ergibt sich in Foucaults Analyse daraus, dass er jeweils das Eine anhand des Anderen zu erklären versucht, dabei aber Beides nicht theoretisch fundiert elaborieren kann, da er alle Prämissen der geläufigen Rede über den Wahnsinn ablehnt. Er selbst schließt in seiner Einleitung zu „Wahnsinn und Gesellschaft“ aus, dass es möglich sei den Wahnsinn als solchen zu erfassen, da er für Außenstehende nicht zugänglich sein könne. Foucaults Ausführungen gehen zwar über die Selbstvergewisserungssysteme der klassifizierenden Vernunft hinaus, können aber nicht bis in die reelle Lebenswelt des Wahnsinnigen hervordringen.[91]
Das erste zentrale Motiv der späteren Psychiatriegeschichtsschreibung ist laut Foucault der Beginn der „großen Gefangenschaft“ des Wahnsinns gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, in deren Zusammenhang die Gleichbehandlung von Verbrechen und Irrsinn steht. Die gemischten Institutionen, in denen nicht nur Kriminelle, sondern auch anderweitig sozial deklassierte Menschen untergebracht wurden, sieht der Philosoph als einen Versuch der Menschen jener Zeit, sich der diffusen Masse der Abnormalen und Asozialen zu entledigen, welche die öffentliche Ordnung zu bedrohen schienen.[92] Die gemeinsame Internierung von Wahnsinnigen und Strafgefangenen kam für Foucault eine unrechtmäßige Kriminalisierung der Geisteskranken gleich, da sie auf diese Weise mit Verbrechern auf eine Stufe gestellt wurden.[93]
Der französische Philosoph vertritt die Ansicht, dass sich der Wahnsinn vor seiner Internierung in diesen gemischten Anstalten frei entfalten konnte und frei von jeder Form der Moralisierung oder Anti-Moralisierung war. Diesen Umstand erwähnt er bereits in „Psychologie und Geisteskrankheit“, seinem ersten Buch über den Wahnsinn:
Im Wesentlichen ist der Wahnsinn ein Erlebnis im Zustand der Freiheit; er bewegt sich ungehemmt, er ist ein Teil des Schauplatzes und der Sprache aller, er ist für jeden eine alltägliche Erfahrung, die man mehr auf die Spitze treiben als zu meistern sucht.[94]
In „Wahnsinn und Gesellschaft“ verweist Foucault zur Unterstützung seiner These, dass der Irrsinn vor der Gründung der Internierungshäuser in vollkommener Freiheit existierte, zusätzlich auf die Literatur:
Noch vor kurzer Zeit erging er [der Wahnsinn, Anm. U.L.] sich in hellem Tageslicht: im König Lear, im Don Quichotte. Aber in weniger als einem halben Jahrhundert fand er sich eingeschlossen und in der Festung der Internierung mit der Vernunft, den Regeln und der Moral und ihren monotonen Nächten verbunden.[95]
Der Rückgriff auf die Literatur macht an dieser Stelle auf das Problem aufmerksam, welches dieser Theorie immanent ist. Erwiesenermaßen ist Foucaults romantische Vorstellung von den innerhalb der Gesellschaft frei lebenden Wahnsinnigen nicht ganz richtig. Es gibt zahlreiche dokumentierte Fälle, die das Gegenteil beweisen, nämlich, dass die Irren vor der Zeit der Internierung von ihren Familien oder an den Orten ihrer Unterbringung in Ketten lagen, oftmals gequält und schwer misshandelt wurden und äußerst selten frei leben durften.[96] Den „armen Irren“, der auf den Dorfplätzen unbehelligt sein Unwesen treiben durfte und ansonsten vollkommen in die Gemeinschaft integriert war, gab es auch schon zu dieser Zeit nur in den seltensten Fällen. In der Regel waren die Geisteskranken schon immer in Gefangenschaft, erst in den Häusern ihrer Familien und später gemeinsam mit den anderen Ausgestoßenen in den gemischten Internierungshäusern.
Die Trennung der Wahnsinnigen von den anderen Gefangenen, die etwa Mitte des achtzehnten Jahrhunderts einsetzte, ihre Unterbringung in eigenen „Irrenanstalten“ und ihre Anerkennung als kranke Personen verdankten die Wahnsinnigen laut Foucault nicht den Aufklärern und deren philanthropischer Einstellung. Hauptsächlich initiiert wurde dieser Prozess von den anderen Gefangenen in den Internierungshäusern, die sich gegen eine gemeinsame Verwahrung mit den Irren wehrten und lautstark bei Ministern, Polizeichefs und Beamten jeder Couleur protestierten:
[Bei der Trennung von Geisteskranken und Kriminellen handelt es sich] in einem viel stärkerem Maße um ein politisches als um ein philanthropisches Bewußtsein, denn wenn man im achtzehnten Jahrhundert bemerkt, daß es unter den Internierten [...] Menschen gibt, deren Ordnungslosigkeit von anderer Natur und deren Unruhe irreduzibel ist, verdankt man es gerade jenen Internierten. Sie protestieren als erste und mit größter Heftigkeit.[97]
Es wurde also auch zu dieser Zeit nicht als Unrecht empfunden, dass die Geisteskranken wie Verbrecher gefangen gehalten wurden, sondern vielmehr, dass die Strafgefangenen mit Wahnsinnigen zusammenleben mussten. Die Separation der Irren von den Kriminellen war demzufolge kein Akt der Nächstenliebe, stattdessen handelte es sich um eine politische Entscheidung.
Die neu entstandenen Anstalten für Geisteskranke dienten nicht nur dazu, die Irren von dem Rest der Gesellschaft fernzuhalten, sondern auch der Therapie, mit der auf die Heilung der Kranken abgezielt wurde. Der Wahnsinn sollte sich „in einer Art autochthonen Mechanismus [...] von selbst auslöschen [...]“[98]. Allerdings war der Versuch der Heilung nach Foucault von Beginn an zum Scheitern verurteilt, da es sich bei den Irrenanstalten um in sich geschlossene Institutionen handelte, die keine Kommunikation nach außen zuließen. Diese wäre aber notwendig gewesen, um einen Heilungserfolg und vor allem eine spätere Reintegration gewährleisten zu können. Der Schutz der Gesellschaft vor den Irren und deren gleichzeitige Heilung stellen für Foucault außerdem zwei widersprüchliche Funktionen dar, die in den Irrenanstalten zwangsweise miteinander harmonisiert werden sollten. Dies konnte nach Überzeugung des Philosophen nur durch einen Gewaltakt geschehen, der die „verschiedenen Themen der Alienation und jene vielfältigen Gesichter des Wahnsinns“, die vor seiner Internierung stets in ihren unterschiedlichen Formen erscheinen durften, zu einer „konfusen Einheit“ reduziert hat.[99]
Durch die Trennung der Geisteskranken von den anderen Internierten änderte sich die Perspektive auf die Irren, sie wurden erstmals als krank betrachtet. Der Wahnsinn wurde auf diese Weise isoliert und der Vernunft direkt gegenüber gestellt. Dennoch konnte der Kreis der Gefangenschaft auch zu dieser Zeit nicht durchbrochen werden, es änderte sich lediglich der Stellenwert der Geisteskranken und es entstand sukzessive eine deutliche Distanz zur übrigen Bevölkerung, die sich in der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte widerspiegelte.[100] Die gesunden und vernünftigen Menschen jener Zeit rückten immer weiter von ihren Irren ab und erhielten zugleich aus der neu entstandenen Entfernung einen schärferen Blick auf die Dispositionen des Wahnsinns:
Wenn das achtzehnte Jahrhundert allmählich dem Wahnsinn einen Platz eingeräumt hat, wenn es bestimmte seiner Gesichter differenziert hat, so geschah dies nicht in einer Annährung, sondern indem es sich davon entfernte.[101]
Als einen zweiten wesentlichen Aspekt in der Geschichte des Wahnsinns identifiziert Foucault die „Befreiung der Irren aus ihren Ketten“, die Ende des achtzehnten Jahrhunderts von Pinel eingeleitet und von seinen Zeitgenossen in ganz Europa weitergeführt wurde. Diese Befreiung wird von Foucault besonders stark kritisiert, da sie für ihn keine wirkliche Dispensation darstellte. Die Irren wurden nach Ansicht des Philosophen zwar von ihren physischen Fesseln befreit, dafür baute man im gleichen Moment aber moralische Fesseln um sie herum auf, die das Irrenasyl zu einer permanent sittlich urteilenden Instanz machten. Die Wahnsinnigen sollten in ihrem täglichen Handeln überwacht, in ihren Ansprüchen unterdrückt und in ihren Wahnideen widerlegt werden. Einem Abweichen vom Normalen sollte die Strafe auf dem Fuße folgen.[102] Der körperlichen Freiheit stand demzufolge die psychisch-moralische Versklavung gegenüber:
Es handelt sich nicht um eine Befreiung der Irren am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, sondern um eine Objektivierung des Begriffs ihrer Freiheit.[103]
Der Wahnsinn wurde in den Anstalten zwar als Krankheit wahrgenommen, dennoch mussten sich die Geisteskranken einer ständigen moralischen Bewertung unterwerfen und sich für ihr krankhaftes Handeln rechtfertigen. Als unmoralisch geltendes Verhalten wurde in der Zeit der Vernunft in jedem Fall sanktioniert, egal ob es im Zusammenhang mit einer Krankheit stand oder nicht. Auf diese Weise veränderte sich das Internierungshaus in den Händen Pinels zu einem Instrument moralischer Gleichschaltung und gesellschaftlicher Denunziation:
Einst wurde die Unvernunft von einer Verurteilung freigestellt, um willkürlich den Kräften der Vernunft ausgeliefert zu werden. Jetzt wird sie beurteilt, und zwar nicht nur einmal, beim Eintritt in das Asyl [...], sondern sie ist in einer ständigen Beurteilung gefangen, von der sie unaufhörlich verfolgt und gestraft wird, die ständig ihre Verfehlungen erklärt und angemessene Strafen verlangt. [...] Der Wahnsinn wird im Asyl bestraft, selbst wenn er außerhalb freigesprochen wird.[104]
Die neue Form der Internierung, die von Pinel ins Leben gerufen wurde, offenbarte laut Foucault nicht mehr nur eine Gegenüberstellung von Vernunft und Unvernunft, sie war zugleich auch eine Art Spiel zwischen der Freiheit und ihren Grenzen, was sich an den Belohnungs- und Bestrafungssystemen innerhalb der Anstalten ablesen lässt.[105] Die Internierten befanden sich in einem unüberwindbaren Raum, der ihre Abnormalität gleichzeitig darstellen und heilen sollte. Die klassische, gemischte Internierung hatte einen Zustand der Entfremdung geschaffen, der nur außerhalb und für diejenigen existierte, die den Wahnsinnigen als Fremden oder als Tier einsperrten. Pinel und seine Zeitgenossen haben nach Foucaults Ansicht diese Entfremdung nach innen verlegt und so eine distanzierte Haltung der Geisteskranken zu sich selbst und ihrem eigenen Handeln forciert.[106]
Die viel gepriesene und bis heute als Anfang des humanen Umgangs mit den Wahnsinnigen gelobte „Befreiung“ der Geisteskranken durch Pinel und seine Kollegen wird von Foucault als negativ bewertet, da er darin keine menschlichere Behandlung des Wahnsinns, sondern nur eine andere, subtilere Art der Repression und Verurteilung sieht.
3. Das Schizophreniesyndrom
Der Begriff „Schizophrenie“ ist ein Lehnwort aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt „Spaltung der Seele“.[107] Damit ist allerdings nicht die Spaltung des Menschen in zwei Persönlichkeiten gemeint, wie häufig fälschlicherweise angenommen wird, sondern die Tatsache, dass sich der Betroffene in zwei verschiedenen „Realitäten“ wähnt. In der realen Wirklichkeit, die dem normalen Verständnis und der Wahrnehmung der Durchschnittsbevölkerung entspricht und in einer zweiten „Wirklichkeit“, die der Gesunde weder beobachten noch nachvollziehen kann.[108]
Es handelt sich bei dieser Krankheit um eine psychische Veränderung, die dem Grad und dem Charakter einer Psychose entspricht und im schlimmsten Fall zu Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Illusionen führen kann.[109] Genau genommen gehört die Schizophrenie zu den endogenen Psychosen, die im Inneren des Organismus der Erkrankten ausgelöst werden. Ob es sich dabei um psychische oder physische Ursachen handelt, ist für die Einordnung irrelevant.[110]
Das Hauptmerkmal der Schizophrenie sind massive Störungen der Selbst- und Umweltwahrnehmung, hinzu kommt eine völlige Desorganisation von Teilen der Persönlichkeitsfunktionen. Wesentliche Kennzeichen sind hierbei die Zerfahrenheit des Denkens und des Gefühlslebens, sowie die Unmöglichkeit, sich als eine einheitliche Person zu empfinden. Tony Eggel beschreibt diesen Zustand als Störung des Einheitslebens einer Person: “In der Schizophrenie stehen These und Antithese in derselben Person als selbstständige Einheiten einander gegenüber, so dass es nicht zu einer Synthese und somit nicht zu einer Wiederherstellung der Einheit kommt.“[111]
Für einen Menschen, der von dieser Krankheit betroffen ist, ändert sich die Beziehung zu seiner Umgebung in einer Art und Weise, die er selbst nicht oder nur zu einem geringen Teil beeinflussen kann. Schizophreniepatienten ziehen sich oft aus interpersonellen Kontakten in eine subjektive, innere Welt voller Wahnideen und Halluzinationen zurück.[112] Dennoch befinden sich Personen, die unter Schizophrenie leiden, nicht unbedingt in einem Zustand völliger Verwirrung. Das Gedächtnis, die Orientierung und die Intelligenz sind oft noch voll funktionsfähig oder zumindest nur vorübergehend außer Kraft gesetzt. Gesundes und krankes Empfinden existieren parallel zueinander, die Betroffenen sind bei klarem Bewusstsein und dennoch denken, fühlen und handeln sie auf eine befremdende, Anderen unverständliche Art und Weise.[113] Diese Parallelität wird auch als „doppelte Buchführung“[114] bezeichnet.
Silvano Arieti, ein Psychiater und Psychoanalytiker, der seit mehreren Jahrzehnten mit Schizophreniepatienten arbeitet, beschreibt diese als Menschen, die die Welt ernst nehmen und nichts akzeptieren können, was ihnen im Leben als unannehmbar erscheint. Im Gegensatz zum Gesunden passen sie sich nicht an, sondern protestieren gegen die Norm. Mit der Schizophrenie wird nach Arietis Ansicht eine Welt der Imagination erforscht, in der nicht die Realität die Oberhand gewinnt, sondern ein Universum aus Metaphern. Der Kranke flüchtet aus der Wirklichkeit, „er ist wie ein Astronaut, der sich aufmacht, bessere Welten zu erkunden, aber im Gegensatz zu wirklichen Astronauten hat der Schizophrene ernste Schwierigkeiten, zu unseren bescheidenen Planeten, in die Realität zurückzukehren.“[115]
Schizophrenie ist eine Krankheit, die sich durch vier verschiedene Unterformen mit unterschiedlich ausgeprägten Symptomatiken auszeichnet. Die korrekte wissenschaftliche Krankheitsbezeichnung, die aber aus Gründen der Vereinfachung selten verwendet wird, lautet infolgedessen „Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis“. Die erste und häufigste Variante, die paranoide Schizophrenie, ist vor allem gekennzeichnet durch eine gestörte Wahrnehmung. Verfolgungswahn und Halluzinationen sind bei den Betroffenen besonders häufig zu beobachten. Hebephrene Schizophreniepatienten leiden hingegen meist unter Störungen der Affekte, die sich vor allem durch extreme Antriebs- und Ziellosigkeit, formale Denkstörungen[116] und inadäquate Emotionen äußern. Eine dritte Art der Schizophrenie ist die katatone Form, die durch starke Schwankungen der Intentionalität gekennzeichnet ist. Die Erkrankten befinden sich oft in einem permanenten Wechsel zwischen extremer Erregtheit und totaler seelischer und körperlicher Starre. Diese Art der Schizophrenie kommt allerdings relativ selten vor. Die letzte Unterform ist die so genannte einfache Schizophrenie, die vor allem anhand eines sehr starken emotionalen Rückzugs und einer Verflachung der Affekte erkennbar ist. Oft zeigen sich bei den entsprechenden Personen deutliche Verhaltensauffälligkeiten, die von ihrer Umgebung als unangenehm empfunden werden.[117]
Weltweit gibt es etwa 45 Millionen Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind. Damit steht die Erkrankung laut „World Health Report“ von 2003 an vierter Stelle der häufigsten psychischen Krankheiten. Aufgrund der großen Vielfalt der Symptome und der unterschiedlichen Formen der Erkrankung wird der schleichende Einbruch einer Schizophrenie häufig erst sehr spät und manchmal überhaupt nicht erkannt. Das liegt nicht zuletzt an einer weit verbreiteten Unkenntnis über die Schizophrenie und den negativen Vorurteilen gegenüber ihrer Folgen.[118]
3.1 Historie der Krankheit und Ursachenforschung
3.1.1 Schizophreniegeschichte
Der Ursprung des Schizophreniebegriffs liegt in der so genannten „Dementia praecox“, der frühzeitigen Demenz. Diese Geisteskrankheit wurde 1896 das erste Mal von dem deutschen Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926) in seinem Psychiatrielehrbuch beschrieben. Die Komponenten, die er zu einer Krankheitseinheit zusammenfasste, waren die hebephrene Demenz, die sich durch ein inadäquates Verhalten, zunehmende Gefühlsabstumpfung und Antriebsmangel auszeichnet, und die katatonische Demenz, die mit motorischer Erregung oder Erstarrung einhergeht. Hinzu kam noch die paranoide Demenz, die sich durch paranoiden Wahn und Halluzinationen auszeichnet. Alle drei Formen der psychischen Störung waren zu diesem Zeitpunkt bereits als eigenständige Krankheiten bekannt. Hinsichtlich der gemeinsamen Verlaufstendenzen und Endzustände zog Kraepelin jedoch den Schluss, dass sich die einzelnen Komponenten gegenseitig bedingen und zusammengehören und dementsprechend Teile ein und derselben Krankheit sein müssten.[119]
Kraepelin teilte die endogenen Psychosen, das heißt Psychosen mit vererbter oder unbekannter Ursache, in zwei Gruppen ein: Die manisch-depressiven Erkrankungen, die als heilbar betrachtet werden könnten und „Dementia praecox“, die nicht selten zur völligen Demenz führen würden.[120] Er sagte den Betroffen der zweiten Gruppe einen negativen Verlauf der Krankheit voraus und schloss jede Aussicht auf Besserung oder gar Heilung aus. Es stellte sich aber relativ schnell heraus, dass diese Einschätzung nicht richtig war und die Krankheit weder nur in sehr jungen Jahren auftritt, wie die Bezeichnung vermuten lässt, noch typischerweise in einem dementen Zustand enden muss.
Aus diesem Grund ersetzte Eugen Bleuler (1857-1939), ein Arzt und Forscher aus Zürich, im Jahre 1911 in seiner Arbeit „Dementia praecox oder Die Gruppe der Schizophrenien“ den Begriff der „Dementia praecox“ mit dem der „Schizophrenie“. Dieser Ausdruck und die damit verbundene Definition der Erkrankung sind bis heute erhalten geblieben. Die von Bleuler gewählte Bezeichnung bezieht sich auf die Annahme, dass Assoziationsstörungen die Grundstörungen der Krankheit sind, also das Auseinanderfallen gedanklicher Verbindungen, das mit einer Spaltung der Realitätswahrnehmung und der Lockerung natürlicher Verknüpfungen von Ausdruck, Gefühl und Inhalten einhergeht.[121]
Obwohl die Schizophrenie als eigenständige Krankheit erst von Kraepelin benannt wurde, gab es laut Edward Shorter bereits um 1800 verschiedenen Fallstudien, die den Geisteszustand einer Schizophrenie beschreiben könnten. Unter anderem von Philippe Pinel stammen Schilderungen von jungen Erwachsenen, die mit einer Psychose in die Psychiatrie eingeliefert wurden, welche sich im Laufe der Zeit zu chronischem Irrsinn entwickelte. In der damaligen Zeit wurde die Erkrankung als „Schwachsinn“ oder „Narrheit“ bezeichnet.[122] Ob es sich dabei aber tatsächlich um Schizophreniebeschreibungen handelte, lässt sich nicht abschließend klären.
[...]
[1] Mit der Frage, ob „Lenz“ tatsächlich eine Novelle ist, beschäftigt sich unter anderem Georg Reuschlein genauer. Vgl. Reuschlein, Georg: "... als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm her." Zur Geschichtlichkeit von Georg Büchners Modernität: Eine Archäologie der Darstellung seelischen Leidens im „Lenz". In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 28 (1996) H. 1, S. 62-72 und 91ff.
[2] Irle, Gerhard: Der psychiatrische Roman. Stuttgart: Hippokrates-Verlag 1965, S. 83.
[3] Vgl. Dedner, Burghard: Georg Büchner. Lenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1998, S. 43f.
[4] Vgl. Oberlin, Johann Friedrich: Der Dichter Lenz, im Steintale. In: Georg Büchner. Werke und Briefe. Münchner Ausgabe. Hrsg. von Karl Pörnbacher [u.a]. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1988, S. 520-530.
[5] Irle (1965) S. 74.
[6] Brief von Büchner an die Familie, Oktober 1835. Zitiert nach: Büchner, Georg: Werke und Briefe. Münchner Ausgabe. Hrsg. von Karl Pörnbacher [u.a]. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1988, S. 310.
[7] Ebd., S. 310.
[8] Brief von Gutzkow an Büchner, Mai 1835. Zitiert nach: Büchner (1988) S. 339.
[9] Brief von Büchner an die Familie, Oktober 1835. Zitiert nach: Büchner (1988) S. 310.
[10] Vgl. Hauschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Biografie. Stuttgart, Weimar: Metzler Verlag 1993, S. 516f.
[11] Vgl. Knapp, Gerhard: Georg Büchner. Stuttgart: Metzler Verlag 2000, S. 127.
[12] Vgl. dazu Dedner, Burghard/Gersch, Hubert (Hg.): Georg Büchner. „Lenz“. In: Georg Büchner. Sämtliche Werke und Schriften. Historisch-kritische Ausgabe mit Quellendokumentation und Kommentar. Band V. Marburg: Jonas Verlag 2001, S. 6ff.
[13] Vgl. Knapp (2000) S. 128.
[14] Georg Büchner. Werke und Briefe. Münchner Ausgabe. Hrsg. von Karl Pörnbacher [u.a]. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1988.
[15] Psychologie ist die Wissenschaft von den subjektiven Lebensvorgängen, die gesetzmäßig mit den objektiven verknüpft sind. Sie untersucht damit Vorgänge, die von ihrem Träger, dem Subjekt, erfahren werden. Es handelt sich bei diesen Vorgängen um das Erleben und Verhalten (Handeln), das mit körperlichen und anderen äußeren Erscheinungen eng zusammenhängt. Vgl. dazu Novak, Felix / Michel, Christian (Hg.): Kleines psychologisches Wörterbuch. Freiburg, Basel, Wien: Verlag Herder 1991, S. 318.
[16] Die Psychiatrie ist als Fachgebiet der Medizin eine Wissenschaft, die sich mit der Erkennung und Behandlung des krankhaft veränderten oder anormalen Seelenlebens beschäftigt. Vgl. dazu Peters, Uwe Henrik (Hg.): Lexikon der Psychiatrie, Psychotherapie und medizinischen Psychologie. München, Jena: Urban & Fischer Verlag 2007, S. 426.
[17] Vgl. Dessoir, Max: Abriß einer Geschichte der Psychologie. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung 1911, S. 4ff.
[18] Vgl. ebd.: S. 101ff.
[19] Vgl. Engfer, Hans-Jürgen: Konzeptionen des Psychischen und der Psychologie zwischen Leibniz und Wolff. In: Wegbereiter der Historischen Psychologie. Hg. von Gerd Jüttemann. München, Weinheim: Psychologie Verlags Union 1988, S. 25.
[20] Vgl. Schönpflug, Wolfgang: Geschichte und Systematik der Psychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union 2000, S. 129.
[21] Engfer (1988) S. 25.
[22] Vgl. Schönpflug (2000) S. 128.
[23] Vgl. Dessoir (1911) S. 142.
[24] Vgl. Prinz, Wolfgang: Geschichte der Psychologie des deutschsprachigen Raumes im 19. Jahrhundert. Bochum: ohne Verlag 1973, S. 2f.
[25] Vgl. Dessoir (1911) S. 143.
[26] Vgl. Bengesser, Gerhard: Wechselbeziehungen zwischen Psychiatrie, Psychologie und Philosophie. Ein Leitfaden durch die Geistesgeschichte aus psychiatrischer und psychologischer Sicht. Band I. Bern, Frankfurt a.M., Las Vegas: Verlag Peter Lang 1980, S. 107.
[27] Vgl. ebd., S. 107.
[28] Vgl. Herrmann, Ulrich: Karl Philipp Moritz – Die „innere Geschichte“ des Menschen. In: Wegbereiter der Historischen Psychologie. Hg. von Gerd Jüttemann. München, Weinheim: Psychologie Verlags Union 1988, S. 50.
[29] Vgl. Staeuble, Irmingard: Entstehen der Psychologie als Wissenschaft. In: Geschichte der Psychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Hrsg. von Helmut E. Lück, Rudolf Miller, Wolfgang Rechtien. München, Wien: Urban & Schwarzenberg 1984, S. 13.
[30] Vgl. Schönpflug (2000) S. 208f.
[31] Vgl. ebd., S. 159.
[32] Vgl. Bengesser (1980a) S. 159ff.
[33] Vgl. Staeuble (1984) S. 13.
[34] Vgl. Schönpflug (2000) S. 283.
[35] Vgl. Prinz (1980) S. 12.
[36] Vgl. Galliker, Mark (Hg.): Meilensteine der Psychologie. Die Geschichte der Psychologie nach Personen, Werk und Wirkung. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2007, S. 137.
[37] Obermeit, Werner: Psychologie um 1800. Diss. med. Berlin 1978, S. 166.
[38] Vgl. ebd.: S. 176f.
[39] Vgl. Prinz (1973) S. 13f.
[40] Staeuble (1984) S. 14.
[41] Vgl. Prinz (1973) S. 23.
[42] Vgl. Schönpflug (2000) S. 284.
[43] Vgl. Obermeit (1978) S. 230.
[44] Vgl. Shorter, Edward: Geschichte der Psychologie. Berlin: Alexander Fest Verlag 1999, S. 13ff.
[45] Vgl. Dörner, Klaus: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt 1969, S. 22.
[46] Vgl. ebd., S. 20f.
[47] Vgl. Shorter (1999) S. 19.
[48] Vgl. Ackerknecht, Erwin H.: Kurze Geschichte der Psychiatrie. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag 1967, S. 38.
[49] Vgl. Blasius, Dirk: „Einfache Seelenstörung“. Geschichte der deutschen Psychiatrie 1800-1945. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1994, S. 15.
[50] Obermeit (1978) S. 87.
[51] Vgl. Ackerknecht (1967) S. 34.
[52] Vgl. Ellenberger, Henry F.: Die Entdeckung der Unbewussten. Band I. Bern: Hans Huber Verlag 1973, S.278.
[53] Vgl. Schönpflug (2000) S. 181.
[54] Brückner, Burkhart: Delirium und Wahn. Geschichte, Selbstzeugnisse und Theorien von der Antike bis 1900. Band II: 19. Jahrhundert – Deutschland. Hürtgenwald: Guido Pressler Verlag 2007b, S. 28.
[55] Vgl. Ackerknecht (1967) S. 35.
[56] Vgl. Obermeit (1978) S. 96ff.
[57] Pinel, Philippe: Philosophisch-medicinische Abhandlung über Geistesverwirrungen oder Manie. Wien: Carl Schaumburg und Compagnie 1801. Zitiert nach: Fichtner, Gerhard (Hg.): Psychiatrie zur Zeit Hölderlins. Ausstellung anläßlich der 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, der Naturwissenschaften und der Technik. Tübingen: Universitätsbibliothek 1980, S. 8.
[58] Vgl. Ackerknecht (1967) S. 38.
[59] Vgl. Shorter (1999) S. 28.
[60] Vgl. Ackerknecht (1967) S. 44.
[61] Vgl. Obermeit (1978) S. 99.
[62] Vgl. Hauss, Friedrich: Von der Zwangsjacke zur Fördergruppe. Geistig Behinderte in der Geschichte der Psychiatrie. Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang 1989, S. 10.
[63] Vgl. Blasius (1994) S. 22.
[64] Vgl. Obermeit (1978) S. 80ff.
[65] Vgl. Shorter (1999) S. 32f.
[66] Vgl. Dörner (1969) S. 218ff.
[67] Vgl. Shorter (1999) S. 50ff.
[68] Vgl. ebd., S. 57.
[69] Vgl. Ellenberger (1973) S. 300.
[70] Vgl. Ackerknecht (1967) S. 60.
[71] Vgl. Brückner (2007b) S. 60f.
[72] Vgl. Shorter (1999) S. 57.
[73] Vgl. Ellenberger (1973) S. 301.
[74] Vgl. ebd., S. 279.
[75] Vgl. ebd., S. 134.
[76] Shorter (1999) S. 9.
[77] Vgl. Dörner (1969) S. 186.
[78] Vgl. Ellenberger (1973) S. 275f.
[79] Ackerknecht (1967) S. 34.
[80] Blasius (1994) S. 19.
[81] Vgl. Obermeit (1978) S. 91f.
[82] Vgl. Ellenberger (1973) S. 282f.
[83] Der Originaltitel lautet „Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique“.
[84] Vgl. Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag 1997, S. 33.
[85] Vgl. auch Punkt 2.1.2 dieser Arbeit, S.16ff.
[86] Vgl. Fink-Eitel (1997) S. 24.
[87] Vgl. Brückner, Burkhart: Delirium und Wahn. Geschichte, Selbstzeugnisse und Theorien von der Antike bis 1900. Band I: Vom Altertum bis zur Aufklärung. Hürtgenwald: Guido Pressler Verlag 2007a, S. 269.
[88] Foucault, Michel: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Paris, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag 1969, S. 8.
[89] Ebd., S. 246.
[90] Ebd., S. 7.
[91] Vgl. Brückner (2007a) S. 270f.
[92] Vgl. Fink-Eitel (1997) S. 26.
[93] Vgl. Foucault (1969) S. 92.
[94] Foucault, Michel: Psychologie und Geisteskrankheit. Paris, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag 1968, S. 103.
[95] Foucault (1969) S. 98.
[96] Vgl. auch Punkt 2.1.2 dieser Arbeit, S.14.
[97] Foucault (1969) S. 411.
[98] Ebd., S. 454.
[99] Vgl. ebd., S. 128.
[100] Vgl. ebd., S. 125.
[101] Ebd., S. 407.
[102] Foucault (1968) S. 109.
[103] Foucault (1969) S. 542.
[104] Ebd., S. 527.
[105] Vgl. dazu Punkt 2.1.2 dieser Arbeit, S. 18.
[106] Vgl. Foucault (1969) S. 479ff.
[107] Der Begriff setzt sich zusammen aus schízein (gr.: „spalten“) und phrēn (gr.: „Zwerchfell“, „Geist“, „Seele“).
[108] Vgl. Bäuml, Josef: Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag 1994, S. 3.
[109] Vgl. Finzen, Asmus: Schizophrenie. Die Krankheit verstehen. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2000, S. 20ff.
[110] Vgl. Bäuml (1994) S. 8.
[111] Eggel, Tony: Traumleben und Schizophrenie. Ein phänomenologischer Vergleich schizophrenen und träumenden Daseins. Zürich: aku - Fotodruck 1976, S. 9.
[112] Vgl. Alanen, Yrjö O.: Schizophrenie. Entstehung, Erscheinungsformen und die bedürfnisangepasste Behandlung. London, Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2001, S. 41.
[113] Vgl. Eggel (1976) S. 28f.
[114] Gansert, Horst: Die Genese der Schizophrenie aus der Sicht der materialistischen Psychologie. Stuttgart: Silberburg-Verlag 1990, S. 54.
[115] Arieti, Silvano: Schizophrenie. Ursachen – Verlauf – Therapie. München, Zürich: Piper Verlag 1986, S. 29f.
[116] Unter dem Begriff „formale Denkstörung“ werden die Störungen des Denkprozesses, Störungen des ihm zugrunde liegenden semantischen Prinzips des sinnvollen sukzessiven Ablaufs und Störungen der Logik des Denkens zusammengefasst. Vgl dazu Häfner, Heinz: Das Rätsel Schizophrenie. Eine Krankheit wird entschlüsselt. München: Verlag C.H. Beck 2000, S. 92.
[117] Vgl. Häfner (2000) S. 48.
[118] Vgl. ebd., S. 13.
[119] Vgl. Häfner (2000) S. 53f.
[120] Vgl. Eggel (1976) S. 8f.
[121] Vgl. Häfner (2000) S. 18.
[122] Vgl. Shorter (1999) S. 101f.
- Arbeit zitieren
- M.A. Uta Leonhardt (Autor:in), 2008, Progression eines geistigen Verfalls - Schizophrenie in Georg Büchners „Lenz“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134314