Arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen im mitteleuropäischen Vergleich - Holland und Deutschland


Seminararbeit, 2008

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Arbeitsmarktpolitik – eine begriffliche Annäherung
2.1 Aktive Arbeitsmarktpolitik
2.2 Passive Arbeitsmarktpolitik

3. Arbeitsmarktpolitik im Vergleich und die gesellschaftshistorischen Bedingungen vor den anfänglichen arbeitsmarktpolitischen Reformen
3.1 Die Notwendigkeit von frühen arbeitsmarktpolitischen Reformen in den Niederlanden
3.2 Deutschland und die verspäteten Reformbemühungen

4. Arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen der beiden Länder Niederlande und Deutschland
4.1 Das zentrale Leitmotiv „from welfare to work“ und die Abkehr von der kollektiven Solidarität
4.2 Zentrale Paradigmenwechsel in der deutschen Arbeitsmarktpolitik

5. Die arbeitsmarktpolitischen Reformbemühungen von den Niederlanden und Deutschland im Spiegel der wohlfahrtsstaatlichen Typologie von Esping – Andersen
5.1 Sozialpolitik im internationalen Vergleich
5.2 Die wohlfahrtsstaatliche Typologie von Esping – Andersen
5.2.2 Niederlande
5.2.3 Deutschland

6. Persönliche Stellungnahme

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen der vorliegenden Seminararbeit soll die Arbeitsmarktpolitik der zwei mitteleuropäischen Länder Niederlande und Deutschland nebeneinander gestellt und einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden. Diese Betrachtung wird vor allem unter dem Aspekt interessant, dass die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland im europäischen Vergleich in der Vergangenheit wenig erfolgreich gewesen ist (vgl. Mehrländer, Brandherm, 2004, 5) und die Niederlande innerhalb dieses Vergleichs aufgrund ihrer reformfreudigen und erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik der 1980er u. 1990er Jahre bekannt geworden ist. Um einer vergleichenden Länderdarstellung bei einem so komplexen sozialpolitischen Thema wie dem der Arbeitsmarktpolitik Rechnung tragen zu können, soll im Kontext dieser Hausarbeit die vergleichende Betrachtung anhand eines wesentlichen Vergleichspunktes ausgerichtet werden. Nach einer einleitenden Begriffsklärung von Arbeitsmarktpolitik sollen holzschnittartig die anfänglichen arbeitsmarktpolitischen Reformbemühungen der letzten beiden Dekaden und deren gesellschafts-politischen und -historischen Hintergründe bzw. Auslöser benannt und verglichen werden. Auch bei dieser Eingrenzung sei darauf verwiesen, dass die Darstellung nicht den Anspruch auf Vollständigkeit einlösen wird. Vielmehr soll es darum gehen, Erfolgs- bzw. Misserfolgskonzeptionen der beiden Länder herauszufiltern und die Reformbemühungen auch zu der in der Vorlesung thematisierten Typologisierung von Wohlfahrtsstaaten nach Esping-Andersen in Bezug zu setzen. Diese Arbeit abschließend soll im Rahmen einer kritischen Betrachtung heutiger und wie sich herausstellen wird, durchaus der Privatisierung bzw. Liberalisierung verpflichteter wohlfahrtsstaatlicher Gesamtkonzeptionen auch eine Annäherung an die persönliche Meinung des Verfassers zum Thema gelingen.

2. Arbeitsmarktpolitik – eine begriffliche Annäherung

Um Klarheit darüber zu bekommen, worüber wir reden, soll zunächst durch eine begriffliche Annäherung geklärt werden, was unter Arbeitsmarktpolitik zu verstehen ist. Diese begriffliche Darstellung bezieht sich durch das Einbeziehen gesetzlicher Gegebenheiten primär auf die deutsche Arbeitsmarktpolitik. Gleichfalls kann gesagt werden, dass das Verständnis von Arbeitsmarktpolitik internationale Gültigkeit hat, was im Kontext eines Ländervergleiches – wie es in dieser Hausarbeit unternommen wird – von Wichtigkeit ist. Ganz salopp kann man Arbeitsmarktpolitik wie folgt benennen: Arbeitsmarktpolitik beschreibt alle staatlichen bzw. öffentlichen Aktivitäten zur Förderung der Beschäftigung oder Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Bei genauerem Hinsehen lassen sich jedoch zwei Ausrichtungen, die aktive sowie die passive Arbeitsmarktpolitik, unterscheiden. Im Folgenden soll eine detaillierte Begriffsklärung erfolgen, um den Umfang der Arbeitsmarktpolitik und damit schon die Komplexität von nur einem sozialpolitischen Politikfeld zu beschreiben. Im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit wir insbesondere die aktive Arbeitsmarktpolitik als weitere Schwerpunktsetzung Beachtung finden.

2.1 Aktive Arbeitsmarktpolitik

Aktive Arbeitsmarktpolitik lässt sich differenzieren in eine makroökonomische bzw. mikroökonomische Ebene der arbeitsmarktpolitischen Bemühungen.

„Politik auf der Makroebene zielt darauf ab, günstige wirtschaftliche, soziale und institutionelle Bedingungen für Arbeitsmarktpartizipation zu schaffen. Politik auf der Mikroebene hingegen versucht, Qualifikation, Verhalten und Wahlmöglichkeiten individueller Akteure, also sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer, zu beeinflussen“ (Van Oorschot, 2007, 475).

Insgesamt zielen arbeitsmarktpolitische Bemühungen auf die quantitative und qualitative Beeinflussung des Angebots wie der Nachfrage nach Arbeitskräften, um auf diese Weise die Ausgleichprozesse auf dem Arbeitsmarkt zu fördern, die Entstehung von Arbeitslosigkeit zu vermeiden , vorhandene Arbeitslosigkeit abzubauen und die Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Arbeitssuchenden und Arbeitsfähigen zu verbessern (vgl. Bäcker, Naegele, Bispinck, Hofemann, Neubauer, 2008, 534).

Die Arbeitsmarktpolitik ist eine staatliche Aufgabe und liegt in der Verantwortung des Bundes. Hierbei sind die gesetzgeberische Zuständigkeit und dadurch implizit gegebene rechtliche und finanzielle Gegebenheiten von der praktischen Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu unterscheiden. „Die zentrale gesetzliche Grundlage der Arbeitsmarktpolitik ist das Dritte Buch des Sozialgesetzbuches zur Arbeitsförderung (SGBIII)1 mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) als zuständiger Behörde“ (ebd., 534).

Arbeitsmarktpolitische Aktivitäten und damit die Bestrebung Arbeitslosigkeit abzubauen bzw. Beschäftigung zu fördern, werden zudem von weiteren Akteuren betrieben. Hierzu gehören die Bundesländer mit zeitlich befristeten und auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete Sonderprogrammen, die Europäische Union in der Verantwortung die nationalen Beschäftigungspolitiken zu verbessern sowie die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten durch finanzielle Mittel zu erweitern und die Tarifparteien als aktive Gestalter der Arbeitsrahmenbedingungen.

Zusammen mit den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Wohlfahrtsverbänden und örtlichen Trägern und Gruppierungen sind die Kommunen an der Umsetzung der staatlichen Arbeitspolitik beteiligt und/oder ergreifen selbst arbeitsmarktpolitische Initiativen (vgl. ebd., 535).

Die Möglichkeiten der arbeitsmarktpolitischen Akteure sind neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Arbeitsförderung auch auf andere Politikfelder und deren gesetzlichen Gegebenheiten bzw. daraus resultierenden Voraussetzungen angewiesen.

Demnach wirken andere sozialpolitische Politikfelder wie etwa die Familienpolitik, die (Aus)Bildungspolitik sowie auch die Ausländerpolitik indirekt auf die Möglichkeiten und damit die Angebotsseite des Arbeitsmarktes ein (vgl. ebd., 535).

2.2 Passive Arbeitsmarktpolitik

Die passive Arbeitsmarktpolitik umfasst nun insbesondere die materielle bzw. finanzielle Absicherung von erwerbslosen Menschen und deren Angehörigen. Damit wird deutlich, dass die passive Arbeitsmarktpolitik den Bereich der sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit beschreibt. Mit einer internationalen Perspektive kann gesagt werden, „In fast allen Ländern existiert eine Arbeitslosenversicherung als Pflichtversicherung, außer z.B. in skandinavischen Ländern, wo ArbeitnehmerInnen sich selbst versichern können bzw. wo die Versicherung an die Gewerkschaftsmitgliedschaft gebunden ist“ (Bäcker, Naegele, Bispinck, Hofemann, Neubauer, 2008, 534).

Sowohl die Niederlande als auch Deutschland verfügen über eine Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit.

3. Arbeitsmarktpolitik im Vergleich und die gesellschaftshistorischen Bedingungen vor den anfänglichen arbeitsmarktpolitischen Reformen

Wie schon eingangs erwähnt, erscheint die deutsche Arbeitsmarktpolitik im europäischen Vergleich als weniger erfolgreich und macht dadurch eine vergleichende Betrachtung interessant. Die Arbeitslosenstatistik im EU Vergleich von 2006 macht diese Argumentation konkreter zumal die Niederlande die geringste Arbeitslosenquote zu verzeichnen hatte.

Mit einem Blick auf die gesellschaftshistorischen Wandlungsprozesse soll zunächst beschrieben werden, warum u.a. die Niederlande schon in den 80er Jahren Reformbestrebungen (Deutschlands erste arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen lassen sich auf das Jahr 1998 datieren2) umsetzten und insofern im heutigen Vergleich besser abschneiden. In einem weiteren Schritt soll ein kurzer Blick auf die gesellschaftspolitische Lage in Deutschland der 1970er bis 1990er Jahre geworfen werden. Hierbei soll erörtert werden, wieso Deutschland als ein Land, welches in der aktiven Arbeitspolitik als führend galt und auf ausländischen Rat auf diesem Gebiet nicht angewiesen war, doch den Blick nach außen gewagt hat (vgl. Knuth, 2004, 7) und daher u.a. die Niederlande als Orientierungspunkt in der Arbeitsmarktpolitik zu benennen ist.

3.1 Die Notwendigkeit von frühen arbeitsmarktpolitischen Reformen in den Niederlanden

Die unter dem Begriff „dutch diseas“ (Knuth, Schweer, Siemes, 2004, 32) bekannt gewordene Wirtschaftskrise in den 70er u. 80er Jahren führte zu erheblichen sozialpolitischen Handlungsbereitschaft in den Niederlanden. „Das Wirtschaftswachstum kam nahezu zum Stillstand, die Arbeitslosenquote schraubte sich unaufhaltsam nach oben, Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung erreichten Rekordhöhen. Zwischen 1970 und 1982 stieg das Haushaltsdefizit von nahezu 0% auf fast 6%“ (ebd., 32). Das in den Niederlanden großzügig und kollektiv ausgerichtete Sozialversicherungssystem stand im Zuge der Ölkrisen von 1973/1974 und 19793 stark auf der Kippe, zumal das Versicherungssystem aus den Einnahmen der Ölvorkommen bezuschusst wurde und die Anzahl der Leistungsbezieher in dieser Zeit rasant anstieg. Diese gesellschaftshistorische Gegebenheit führte zu starken Umbrüchen und einem enormen Handlungsdruck.

Trotz eines strengen niederländischen Kündigungsschutzes konnten Massenentlassungen in arbeitsintensiven Industriezweigen nicht verhindert werden. Zudem suchte man eine Lösung in der 1967 eingerichteten Möglichkeit „Arbeitnehmer statt in die Arbeitslosigkeit in die Erwerbsunfähigkeitsversicherung zu „entlassen““ (ebd., 32). „Zwischen 1970 und 1980 stieg die Zahl der Invaliden und Arbeitsunfähigen auf 900.000. Zugleich bewegte sich die Beschäftigungsquote mit 49% (1980) auf einem europäischen Vergleich niedrigem Niveau“ (ebd., 32). Die Wende wurde eingeleitet durch einen Regierungswechsel 1982, wodurch grundlegende und strukturelle Veränderungen des Wohlfahrtssystems auf den Weg gebracht wurden. Die arbeitsmarktpolitischen Veränderungen wurden dabei zu einem zentralen Schwerpunkt des niederländischen Wohlfahrtssystems. Bevor diese Reformbemühungen weiterführend unter Punkt (4.1) beschrieben werden sollen, wird der Blick zunächst auf Deutschland und dessen Ursachen für die verspäteten Reformbestrebungen geworfen. Die gesellschaftshistorischen Gegebenheiten in Deutschland stellen in diesem Zusammenhang eine wichtige Erklärung für die im Vergleich mit den Niederlanden spät wirkenden Reformen dar.

[...]


1 Im § 1 Abs.2 des Dritten Sozialgesetzbuches heißt es: „Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen insbesondere 1. den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen, 2. die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen, 3 die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Kenntnissen, Fertigkeiten sowie Fähigkeiten fördern, 4. unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken und zu einer Weiterentwicklung der regionalen Beschäftigungs- und Infrastruktur beitragen „ (Schulin, 2004, 41).

2 Der Übergang vom Arbeitsförderungsgesetz zum SGB III erfolgte 1998. Insofern beginnt die Geschichte der deutschen Arbeitsmarktreformen 1998 (vgl. Knuth, Schweer, Siemes, 2004, 32).

3 In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass insbesondere die zweite Ölkrise die Niederlande stärker getroffen hat als andere europäische Länder (vgl. Stille, 1998, 300)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen im mitteleuropäischen Vergleich - Holland und Deutschland
Hochschule
Katholische Hochschule Freiburg, ehem. Katholische Fachhochschule Freiburg im Breisgau
Veranstaltung
Sozialpolitik im internationalen Vergleich
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V134432
ISBN (eBook)
9783640426232
ISBN (Buch)
9783640423378
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Begriffsklärung passive und aktive Arbeitsmarktpolitik. Übersicht über anfängliche arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen. Einbindung der wohlfahrtsstaatlichen Typisierung nach Esping - Andersen.
Schlagworte
Seminararbeit 2008
Arbeit zitieren
Jan Hochthurn (Autor:in), 2008, Arbeitsmarktpolitische Reformbemühungen im mitteleuropäischen Vergleich - Holland und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134432

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