In meiner Arbeit habe ich den Versuch unternommen, das Skateboarden als Jugendkultur zu subsumieren. Ziel war es hierbei, die jugendkulturellen Aspekte des Skateboardens heraus zu arbeiten und das jeweilige Phänomen als Bestandteil der Jugendkultur zu bestätigen. Hierzu dienten mir die zuvor herausgearbeiteten Kategorien. Beim Abgleich dieser Kategorien sind die Vielfältigkeit sowie Wandlungsfähigkeit der einzelnen Felder deutlich geworden. Die Entwicklung von einer Ausgleichssportart des Surfens, über die Ära der Dogtownboys, mit technischen Innovationen, bis zur heutigen jugendkulturellen Form des Skateboardens mit den unterschiedlichsten Einflüssen, bestätigt dies.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Persönlicher Bezug zum Thema
1.2 Entwicklung der Fragestellung sowie der Vorgehensweise
1.3 Forschungsstand
2. Die Geschichte des Skateboardens als Grundlage einer jugendkulturellen Untersuchung
2.1 Die ersten Rollversuche
2.2 Die Ära der „Clay wheels“ und der darauf basierende erste Rückschlag für die Popularität des Skateboardens
2.3 Die Entwicklung des Urethans als Meilenstein für das Skateboarden
2.4 „Skate and Destroy” oder Skateboarden in den 80er Jahren
2.5 Kleine Rollen, weite Hosen und die neuen Tricks der 90er
3. Skateboarden als Jugendkultur
3.1 Definition des Begriffs Jugendkultur und die Entwicklung eines kategorialen Rahmens
3.2 Untersuchung des Skateboardens anhand der jugendkulturellen Kategorien
3.2.1 Die Sprache der Skateboarder
3.2.2 Künstlerischer Ausdruck des Skateboardens
3.2.3 Das Verhältnis von Musik und Skateboarden
3.2.4 Die Mode der Skater
3.2.5 Skateboarden als Rebellion bzw. Gegenbewegung
3.2.6 Ist Skateboarden selbstbestimmt?
3.2.6.1 Was ist Selbstbestimmtheit?
3.2.6.2 Besitzt Skateboarden Strukturen der Selbstbestimmtheit?
3.2.6.3 Der Einfluss der Medien und der Wirtschaft auf die Selbstbestimmtheit des Skateboardens
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Persönlicher Bezug zum Thema
Mein persönlicher Bezug zum Skateboarden entspringt nicht der eigentli-chen Bewegungsform. Natürlich habe ich als Kind der 80er Jahre früher auf einem Skateboard gestanden, doch handelte es sich hierbei lediglich um ein kurzes Unterfangen. Erst einige Jahre später kam ich wirklich in den Kon-takt mit der Skateboardszene. Aufgewachsen in einer beschaulichen Ge-meinde in der Nähe von Bremen, widmete ich mich zunächst dem Break-dance und der ansässigen Hip Hop- Szene. Man sollte eigentlich denken, dass sich Hip Hop und Skateboarden auf einem Schulhof der Sekundarstufe I nicht besonders vertragen. Dies war aber nicht der Fall, auch wenn die musikalischen Vorlieben, die Bewegungsformen und alle anderen Aspekte des jeweiligen Hobbys konträr waren. Es wurde sich gegenseitig respektiert und man bewunderte sogar die Fähigkeiten der Anderen, auch wenn es sich hierbei nur um relativ einfache „Handglides und Ollis“ handelte.1 Nach ei-nigen Jahren verlor ich das Interesse am Breakdance und begann Musik zu machen. Hierbei kam ich schnell mit einer Schülerband in Verbindung, die alte Punkrock-Klassiker von den Pennywise oder NOFX nachspielte. Durch dieses neue Hobby verstärkte sich noch einmal der Kontakt zur heimischen Skateboardszene die sich stark am Punkrock orientierte. Bis heute bezeich-nen sich noch viele meiner Freunde als Skater und üben diese Tätigkeit auch noch mit einem alter jenseits der 30 aus. Nun stellt sich die Frage, warum ich mich ausgerechnet in meiner Examensarbeit mit dem Thema Skateboar-den beschäftigen möchte. Einerseits ist es das Interesse an einem faszinie-renden Sport mit all seinen Facetten, andererseits das Umfeld des Skatebo-ardens aus dem Blickwinkel eines Lehramtstudenten der Sportwissenschaft zu betrachten.
Während meines Studiums an der Universität Bremen habe ich mich viel mit den etablierten Vereinssportarten beschäftigt, sie theoretisch untersucht und ausgeübt. Allerdings habe ich mich kaum mit Sportarten wie der des Skateboardens befasst. Dies möchte ich nun in meiner Examensarbeit nach-holen und wie in den folgenden Punkten beschrieben behandeln.
1.2 Entwicklung der Fragestellung sowie der Vorgehensweise
In meiner Examensarbeit möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, ob Skateboarden als Jugendkultur anzusehen ist oder nicht. Diese Idee basiert auf zwei verschiedenen Aspekten:
Einerseits wollte ich mich mit Skateboarden an sich beschäftigen, denn es liefert eine Vielzahl von verschiedensten interessanten Punkten, wie z.B. Tricks, Medien, Rebellion, urbane Entwicklung oder Skaten als Trendsport-art. Andererseits interessiere ich mich für die Vermarktung von Sportarten und den medialen Einfluss der auf sie wirkt. Bei dem Versuch diese beiden Aspekte zusammen zu behandeln, bemerkte ich, dass sie den Rahmen mei-ner Examensarbeit sprengen würden. Die Überlegungen, nur einen der be-vorzugten Gesichtspunkte zu untersuchen, schienen mir allerdings entweder zu unstrukturiert oder zu wirtschaftswissenschaftlich. Beinahe zufällig erin-nerte ich mich an einen Liedtext aus meiner Zeit als Hip Hopper. Dieser lieferte mir die Idee, viele Facetten des Skateboardens zu behandeln und wenigstens Teilaspekte der marketingtechnischen und medialen Einflüsse auf das Skateboarden mit einzubeziehen.
„Hip Hop ist kein Musikstil, sondern Sprechgesang, nur ein Teil der Kultur, B-Boys nur ein Teil der Kultur, Graffiti nur ein Teil der Kul-tur.“2
Diese Verse sind Teil des von „Cora E“ im Jahr 1994 veröffentlichten Rap-songs „Nur ein Teil der Kultur“. In diesem Song beschreibt die Rapperin die verschiedenen Teile der Jugendkultur Hip Hop. Hintergrund ist die in den Medien stärker werdende Fehlinterpretation des Hip Hops und der für die Szene drohende Ausverkauf.3 Diese Auseinandersetzung lieferte mir die Idee, das Skateboarden als Jugendkultur zu untersuchen und in einem Teil-aspekt dieser Betrachtung das Verhältnis zu den Medien sowie zum Marketing einzubeziehen.
Um das Skateboarden als Jugendkultur zu untersuchen und mich nicht in der Vielfalt des Themas zu verstricken, werde ich nach einer begrifflichen Klä-rung Kategorien erstellen, an denen ich Skateboarden auf jugendkulturelle Aspekte untersuchen kann. Innerhalb dieser Kategorien bleibt mir genügend Spielraum, um viele meiner angestrebten Untersuchungsmerkmale wenigs-tens teilweise einzuarbeiten. Für diese Untersuchung muss aber noch vorab geklärt werden, wie ich Skaten verstehe und auf welches Umfeld ich mich beziehe. Wenn ich von Skatern spreche, beziehe ich mich ausschließlich auf Skateboarden. Hiermit meine ich in erster Linie die Personen, die mit ihrem Skateboard Tricks ausführen. „Downhillskater“, die zum Teil auf ihrem extrem modifizierten Skateboard liegend oder kniend einen Berg herunter fahren, zähle ich z.B. nicht zu meinem zu untersuchenden Feld, da sie mit der Szene an sich nicht viel zu tun haben und Skateboarden eher als eine Art Rennsport betreiben.4
Im Bezug auf das Alter der Skater beziehe ich mich auf Kinder, Jugendli-che und junge Erwachsene. Die Skater sind somit ca. zwischen 10 und 30 Jahre alt. Sicherlich gibt es gerade bei Profiskatern und Skateshopbesitzern Ausnahmen, allerdings sind sie immer noch stark mit den Skateboardern verbunden und üben das Skaten oftmals noch aktiv aus. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass ich mich beim Skateboarden nicht nur auf Deutschland beziehe. Skateboarden ist ein weltweites Phänomen, welches seine Ursprünge in den USA hat. Aus diesem Grund verwende ich amerika-nische und deutsche Quellen, um Skateboarden zu betrachten.
Unter dem Titel „Skateboarden als Jugendkultur“, werde ich nun eine ju-gendkulturelle Untersuchung durchführen und mich auf das zuvor definierte Feld beziehen. Ziel meiner Arbeit soll es sein, zu belegen, dass es sich beim Skatboarden um eine Jugendkultur handelt, welche Veränderungen sie voll-zogen hat und welche Einflüssen dazu geführt haben. Als Leitfaden sollen hierbei die von mir an späterer Stelle zu entwickelnden jugendkulturellen Kategorien dienen. Um diese verständlich zu vermitteln, werde ich mich aber zunächst mit den historischen Grundlagen des Skateboardens beschäf-tigen, da diese für eine jungenkulturelle Analyse notwendig sind. Ein be-sonderes Augenmerk werde ich hierbei auf die technischen Entwicklungen und die verschiedenen Epochen, wie z.B. die der so genannten Z-boys, le-gen. Ohne die Revolution der Urethanrollen wäre ein aggressiver Skatestil wie der der Z-boys z.B. nicht möglich gewesen.5 Aufbauend auf den histo-rischen und technischen Grundlagen werde ich mich dann mit den Aspekten der Jugendkultur beschäftigen.
Zur Auseinandersetzung mit Skateboarden als Jugendkultur werde ich mich viel mit dem Lebensstil einiger Skater beschäftigen. Ihre Aussagen und ihre Lebensumstände liefern ein Bild, um verschiedenste Aspekt zu untersuchen und in einen jugendkulturellen Kontext einzubetten. Tony Alva, Tony Hawk oder Rodney Mullen sind Ikonen des Skatens, mit denen ich mich während dieser Tätigkeit näher beschäftigen werde. Die folgende Aussage von Tony Alva gibt einen Einblick in die Szene der legendären „Dogtown“- bzw. „Z-boys“:
„You could never find a more agressive, arrogant, rowdy, perhaps ig- norant bunch of people than me and my friends.”6
Um einen genaueren Blick auf die vielen Facetten des Skatens werfen zu können, hatte ich zunächst überlegt qualitative Interviews zu führen. Diese Absicht verwarf ich allerdings wieder, da einerseits die vorhandenen Quel-len als absolut ausreichend zu betrachten sind und die Interviews vermutlich den vorgegebenen Rahmen von 60 Seiten für diese Arbeit sprengen würden. Ein Aspekt ist in Bezug auf meine Examensarbeit zu beachten: Wenn ich von Skatern spreche, beziehe ich mich selbstverständlich auch auf Skaterin-nen. Ich möchte den weiblichen Anteil des zu untersuchenden Feldes nicht außeracht lassen, allerdings ist der überwiegende Teil männlich. Weibliche Skater unterliegen größten Teils den identischen Einflüssen und Strukturen. Mit Sicherheit existieren auch gewisse Unterschiede, die es bestimmt Wert sind untersucht zu werden. Dies kann ich aber aus zeitlichen Gründen nicht an dieser Stelle leisten.
1.3 Forschungsstand
Mein gewähltes Thema fällt in das Stoffgebiet „Sport und Gesellschaft“. In Folge dessen setzte ich mich besonders mit dem Begriff Jugendkultur und verschiedenen Autoren der Soziologie auseinander.
In der allgemeinen Soziologie wird der Begriff Jugendkultur sehr vielfältig benutzt und weist vielschichtige Theorien auf, um sie genau zu definieren.7 Grundlegend wird der zu untersuchende Begriff als Gesellschaftsform von Jugendlichen bezeichnet, in denen sich die Norm- und Wertvorstellungen der Jugendlichen von den Erwachsenen unterscheiden.8 Zum ersten Mal in der Geschichte wird die Jugendkultur Ende des 19. Jahrhunderts als eigene Lebensweise bezeichnet und liefert somit den Anfang für die jugendkultu-relle Forschung. Die ersten Definitionen von Jugendkultur beziehen sich auf Musik, Dichtung und Umgangsformen. Diese Aspekte sind der Forschung noch lange erhalten geblieben.9
Für meine Untersuchung liefern sie trotzdem eine gute Basis, obwohl sie auch wesentliche der heutigen Gesichtspunkte nicht beachten. Die medialen und wirtschaftlichen Aspekte sowie z.B. die Mode oder revolutionäre Tendenzen der Jugend müssen noch ergänzt werden.
In der aktuellen Forschung lassen sich die Autoren grundsätzlich in zwei verschiede Strömungen einteilen. Die einen setzen jugendkulturelles Ver-halten innerhalb einer Jugendkultur voraus und suchen nach verschiedenen dafür verantwortlichen Ursachen. An dieser Stelle wäre z.B. Baldo Blinkert zu nennen.10 Blinkert entwickelt verschiedene Stufen, an denen er die Ver-haltensweisen zu analysieren versucht. Hierbei spielen unter anderem hedo-nistische, institutionelle, kulturelle sowie aktions- und medienorientierte Hintergründe eine Rolle, die er in Kategorien festhält.11 Diese Hintergründe bieten einen sehr interessanten Betrachtungsansatz. Allerdings möchte ich, wie erwähnt, analysieren, ob es sich beim Skateboarden um eine Jugendkul-tur handelt. Die zweite Richtung der Forschung bietet mir diesbezüglich mehr Hintergrundwissen und Diskussionspotential. Diese befasst sich mit der Definition von Jugendkultur und der Untersuchung, in wiefern es sich um eine solche handelt. Wilfried Breyvogel betrachtet die verschiedensten jugendlichen Szenen und Strömungen und versucht sie klaren Definitionen zuzuordnen. Hierbei arbeitet er mit Begriffen wie Jugendkultur, Populärkul-tur und Massenkultur.12 Die Trennlinien zwischen diesen Kategorien bilden die Selbstbestimmtheit und der mediale Einfluss, der von außen auf das zu untersuchende Feld wirkt.13 Das bedeutet, dass er die ursprüngliche Form des Hip Hops als Jugendkultur bezeichnet, die in den Medien dargestellte Form allerdings als Populärkultur.
Neben dem jugendkulturellen Forschungsfeld ist der Bereich des marktwirt-schaftlichen Einflusses auf den Sport ein wichtiger Bestandteil. Sammel-bände, wie der von Sven Güldenpfennig mit dem Titel „Marktwirtschaftli-che Intervention in den Sport: Entwicklungshilfe oder Fehlentwicklung?“, dienen gerade bei der Untersuchungsweise unter Betrachtung der definie-renden Jugendkulturrichtung.14 Mit Hilfe dieser Aspekte können die von Breyvogel definierten Kategorien zur Unterscheidung von Sport und Ju-gendkultur hilfreich sein. Die Verbindung und Untersuchung zwischen Sze-nesport, jugendkulturellen Strukturen, Marktwirtschaft und Medien, liefern Autoren wie Tobias Geisler. Geisler untersucht zwar diese Aspekte am Bei-spiel der Freeskier, doch lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Skateboarden feststellen.15
Wenn man sich nun den Forschungsstand zum Skateboarden an sich vor Augen führt, stellt man folgendes fest: Die Literatur zum Skateboarden stammt weniger aus dem sportwissenschaftlichen Bereich. Vielmehr handelt es sich um Literatur, die von aktiven und ehemaligen Skatern verfasst wur-den ist. Die Literatur von Tony Hawk, Rodney Mullen, Jocko Weyland, Glen E. Friedman oder Holger von Krosigk , bieten einen direkten Einblick ins Skateboarden. Dieser Einblick ist einerseits für die Geschichte des Ska-tens von Bedeutung und andererseits für jugendkulturelle Untersuchungs-merkmale, wie z.B. Mode, Sprache und Sozialisation. Holger von Krosigk vollzieht diese Einblicke in Form eines Kenners der Szene, der über das Skateboarden berichtet. Tony Hawk und Rodney Mullen schreiben hingegen eine Art Autobiographie, die jeweils interessante Facetten bietet.
Die Werke dieser Autoren stammen aus Verlagen, die nicht dem sportwis-senschaftlichen Umfeld zuzuordnen sind. Der Tropen Verlag oder Burning Flag Press verdeutlichen dies.16 Somit lassen die Autoren an einigen Stellen wissenschaftliches Arbeiten vermissen, in der Summe ergeben diese Werke allerdings eine Schnittmenge, die viele Gemeinsamkeiten aufweist. Aus diesem Grund ist ein Transfer zwischen der sportwissenschaftlichen und soziologischen Literatur mit der „Skateboardliteratur“ nötig. Sie basiert auf einem wissenschaftlichen Standard, lässt aber genauere Einblicke in die Szene vermissen.
Neben der vorhandenen Literatur ist es außerdem hilfreich, sich in den ver-schiedenen Foren der Skater zu bewegen. Die Skateboardszene ist sehr kommunikativ und benutzt das Internet, um sich über Tricks, Neuheiten und Wettbewerbe auszutauschen und viele Geschehnisse kritisch zu hinter-fragen.
Der Forschungsstand zeigt, dass es sich beim Skateboarden im bezug auf Jugendkultur um ein Feld handelt, welches noch nicht wirklich vielseitig untersucht wurde. Einige Autoren, die sich mit Jugendkulturen auseinander-setzen, lassen das Skateboarden vollkommen außeracht. Das Gesamtgebilde der von mir benannten Forschung liefert hingegen in der Summe sehr gute Möglichkeiten, das Skateboarden als Jugendkultur zu belegen.
2. Die Geschichte des Skateboardens als Grundlage einer jugendkultu-rellen Untersuchung
In diesem Teil meiner Arbeit möchte ich den Hintergrund meiner späteren Forschung aufhellen, in dem die Geschichte, Entwicklung und Veränderung des Skatens verdeutlicht wird. Dies ist sehr wichtig, weil es sehr schwierig ist, in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung grundlegende Aspekte des Skatens zu erklären. Des Weiteren kann ich mich leichter auf bereits behandelte Epochen des Skatens beziehen und dadurch ein besseres Ver-ständnis gewährleisten.
2.1 Die ersten Rollversuche
Anders als viele andere Trendsportarten hat Skateboarden eine lang zurück-liegende Geschichte. Lediglich der Startpunkt dieser Bewegungsform lässt sich relativ schwer einschätzen. Für die einen liegt er ca. im Jahre 3000 v. Chr., andere sehen das Jahr 1760 als Startpunkt für das Skaten. Der belgi-sche Hersteller von Musikinstrumenten, der unter seine Schlittschuhe Rollen montierte und somit 1760 eine Grundlage für die weitere Entwicklung der Rollschuhe sowie des Skateboards lieferte17, spielt meiner Ansicht nach keine allzu große Rolle. Viel wichtiger scheint mir das ca. 3000 v. Chr. ent-standene Surfen.18 Der ehemalige Sport der polynesischen Könige wurde durch die vielen Reisen der Polynesier schließlich nach Hawaii gebracht, dort erlebte das Surfen seine erste Blütezeit und war voll in die Gesellschaft integriert.19 Durch die zunehmende Christianisierung Hawaiis galt Surfen allerdings immer mehr als heidnisch und unsittlich. Diese Ansichten führten schließlich 1823 zu einem Verbot dieses Sportes und ließen das Surfen fast vollständig verschwinden. Erst im 20. Jahrhundert wurde es wieder neu ent-deckt. Fraglich dürfte sein, inwiefern das Surfen das Skateboarden beein-flusste.20
Auch wenn es verschiedene Vorläufer des Skateboards in Form von umge-bauten Milchwagen, kleinen Rollern und Brettern mit Rollschuhrädern ge-geben hat, so wurde das Skateboarden maßgeblich durch den in den späten 50er Jahren neu aufkommenden Surfboom beeinflusst.21
Wie so häufig, wurde der Boom durch eine technische Entwicklung mit ini-tiiert. Jake O`Neill erfand im Jahre 1952 den Neoprenanzug für Surfer. Un-ter dem Slogan „It`s always summer on the inside“ sorgte somit der Anzug für die starke Verbreitung des Surfens.22 Von diesem Surfboom profitierte auch das Skateboarden. Bei schlechtem Wellengang suchten die Surfer nach einer anderen Beschäftigung. Ziemlich schnell wurde hierbei das Skateboard als gelungene Nebenbeschäftigung entdeckt. 1959 wurde dieses Sportgerät zum ersten Mal maschinell gefertigt. Das so genannte „Roller Derby Skateboard“ eroberte die einzelnen Kaufhäuser. Allerdings darf man dieses Skateboard nicht mit den uns heute bekannten vergleichen, es handel-te sich lediglich um ein Brett mit Stahlrollen, das über keinerlei Haftung verfügte.23 Durch die enge Verbindung von Skaten und Surfen wurden die Skater auch oftmals „Sidewalk Surfer“ genannt.24
2.2 Die Ära der „Clay wheels“ und der darauf basierende erste Rückschlag für die Popularität des Skateboardens
1963 gründete Larry Stevenson „Makaha Skateboards“, der Name dieser Firma stammte von dem bekannten Surfspot Makaha auf Hawaii.25 Dies verdeutlicht noch einmal die Verbindung des Skatens mit dem Surfen. Eine weitere technische Entwicklung verstärkte die Verbreitung des Skatens. Die so genannten „Clay wheels“ bestanden aus Ton und boten eine wesentlich besseren Fahrkomfort gegenüber der Stahlrollen. Skaten wurde immer po-pulärer und schaffte es sogar im Mai `65 auf die Titelseite des „Life“ Maga-zine.26 Dieser Boom war aber schnell beendet. Zunächst durch die vielen Surfsendungen im TV, mit skatenden Moderatoren weiter die und verschie-denen Magazinen, Wettbewerben usw. stark verbreitet, wurden die „Clay wheels“ dem Skaten zum Verhängnis. Sie waren zwar wesentlich besser als die Stahlrollen, allerdings hatten sie einen sehr schlechten Halt auf der Stra-ße. Dies führte sogar zu einigen Todesfällen und verschiedenen schweren Verletzungen. Schnell wuchs die Empörung über die neue Sportart, und die „American Medical Association“ bezeichnete das Skateboarden sogar als neue medizinische Bedrohung.27 Polizisten besuchten Einzelhändler und forderten sie auf, die Verkäufe einzustellen, und Firmen wie „Makaha Skateboards“ hatten sehr starke Einbußen. Die Anzahl der Skater verringerte sich drastisch auf ein geringes Maß. Lediglich wenige übten diesen Sport weiter aus.
Diese erste populäre Phase des Skatens beinhaltet schon damals die Aspek-te, die auch heute diskutiert werden. Technischer Fortschritt führt zu neuen Möglichkeiten, der Sport wird interessant für Firmen und kommt schließlich in die Medien. Auch damals wurden verschiedene Veränderungen inner-halb des Sports bemerkt und diskutiert. Jocko Weyland schildert in seinem Buch „the answer is never“ diesbezüglich folgende Situation aus dem Jahr 1963:
“Now a Teenager, Jack saw the change manifested in the younger kids who were his neighbours. They were different, more hedonistic; they didn`t have the same respect for the subtle metaphysics of surfing and life.”28
Bei diesem Zitat ist zu beachten, dass sich das damalige Skateboarden ex-plizit mit der Bewegungsform des Surfens verbinden lässt.29 Schon in den frühen Anfängen des Skateboardens wurde über hedonistische Züge inner-halb der Szene diskutiert. Diese kritische Sichtweise zieht sich beinahe durch alle Epochen des Skatens. Genauer werde ich diesen Aspekt im Rah-men der Selbstbestimmtheit des Skateboardens diskutieren.
2.3 Die Entwicklung des Urethans als Meilenstein für das Skateboarden
Im Jahre 1969 wurde von Larry Stevenson das „Kicktail“30 erfunden. Ob-wohl diese Verbesserung des Skateboards die Grundlage für alle folgenden Tricks war, blieb sie zunächst unbedeutend. Es fehlte noch an allgemeiner Haftung auf der Straße, erst wenn diese erreicht werden würde, konnten auch die Tricks besser werden.
Der Surfer Frank Nasworthy entdeckte zufällig die Lösung des Problems. Er besuchte eher zufällig einen Shop für Rollschuhe und entdeckte eine neue Art von Rollen bestehend aus Urethan. Diese ursprünglich für den Roll-schuh entwickelte Rolle baute er unter sein Skateboard und spürte das vollkommen neue Fahrgefühl. Der Design- und Technikstudent Nasworthy gründete daraufhin seine eigene Rollenfirma, er ahnte, welchen Siegeszug diese Rollen antreten würden. 1972 war es geschafft, und die Firma „Cadil-lec Wheels“ entstand.31
Nun konnte das `69 entwickelte „Kicktail“ wesentlich besser benutzt wer-den. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die einzelnen Tricks der Skater ansieht. Bisher wurden diese lediglich auf der Straße absolviert. Mit den neuen Rollen und dem „Kicktail“ wurden die Tricks aggressiver, spek-takulärer, und es wurde versucht mehr Elemente mit einzubeziehen.32
Wenn man diesen Teil der Entwicklung des Skateboardens betrachten möchte, kommt man um die legendären Z-Boys nicht herum. Die Geschich-te der Z-Boys beschreibt vortrefflich die Verbindung des Skatens mit dem Surfen und die durch das Urethan hervorgerufenen Veränderungen.
Bei den Z-Boys handelte es sich um eine Gruppe von Jugendlichen die im kalifornischen Venice Beach aufwuchsen. Sie hatten sich beim Surfen des berüchtigten „Pacific Ocean Park Pier“ (P.O.P) kennen gelernt.33 Der P.O.P war sehr zerfallen und sehr gefährlich. Einerseits durch die Holzpfähle die aus dem Wasser ragten und andererseits durch Drogendealer, Alkoholiker und andere Personen, die sich der eigentlichen Öffentlichkeit entzogen.34 Aus diesen Gründen und der sowieso eher schlechteren Wohngegend in Venice, wurde diese Gegend auch „Dogtown“ genannt. Für die Gruppe der jungen Surfer, die den „Kick“ darin suchten, zwischen den Pfeilern des Piers zu surfen, war Skaten zunächst nur ein Zeitvertreib bei schlechtem Wellengang.
1972 eröffnete in Venice der Jeff Ho & Zephyr Production Surfshop. Dieser wurde zum Treffpunkt der jungen Surfer, und als der Besitzer Skip Engblom ein Skateteam zusammenstellen wollte, wurde Skaten mehr als nur ein Zeitvertreib.35 Die Skater des Zephyr-Surfshops um Jay Adams und Tony Alva kreierten einen noch nie da gewesenen Stil. Sie kombinierten ihren aggressiven Surfstil mit dem Skateboard. Sie berührten mit den Händen die Straße und schienen dabei den Asphalt förmlich zu surfen. Anhand der fol-genden Abbildungen möchte ich diesen Stil etwas verdeutlich.
Abb.1) Bob Biniak, low cross-rottional movement.36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2) Tony Alva37
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Des Weiteren begannen die Z-Boys, in leeren Pools der Nachbarschaft zu skaten und machten somit den Weg frei für spektakuläre Tricks. 1975 machten die Z-Boys beim „Bahne-Cadillac Championships“ auf sich auf-merksam. Während einige ballettähnliche Tricks vorführten, imponierten die Z-Boys durch ihren neuen Stil.38 Die meisten Bilder dieser Zeit sind durch Glen E. Friedman entstanden. Friedman machte mit seinen Bildern die Z-Boys unsterblich.
Die Z-Boys veränderten allerdings nicht nur den Skatestil, sondern verän-derten die gesamte Sportart langfristig. Besonders Jay Adams von den Z-Boys verkörperte revolutionäre Züge in sich. Er liebte Punk Rock und pro-vozierte gern die Menschen. Adams und auch viele der anderen Z-Boys be-zeichneten sich z.B. als „Skate Nazis“ und malten Nazisymbole auf ihre Skateboards oder Helme. Das folgende Foto von Tony Alva während des Poolskatens verdeutlicht dies.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3) Tony Alvas „vertical stroke“ im Pool39
[...]
1 Handglide oder auch Handdrehung genannt betitelt das Drehen auf der Hand. Der Unter-arm wird hierbei auf dem Bauch aufgestützt. Als Ollie bezeichnet man das Springen mit dem Skateboard ohne Hilfenahme der Hände am Board.
2 Sascha Verlan 2000, S.26.
3 ebd.
4 http://www.downhillskateboarder.net vom 20.07.07.
5 Jocko Weyland, 2002, S.35.
6 ebd., S. 49.
7 Fuchs-Heinritz 1995, S. 321.
8 ebd.
9 ebd.
10 http://www.soziologie.uni-freiburg.de/Personen/blinkert/publikationen.php vom 21.06.07.
11 http://www.soziologie.uni-freiburg.de/Personen/blinkert/Publikationen/aufsatzstaufen.pdf vom 21.06.07.
12 Wilfried Breyvogel 2005, S.11.
13 ebd., S.10 .
14 Sven Güldenpfennig 1996, S. 231.
15 Tobias Geisler 2004, S.11.
16 Beispielsweise Holger von Krosigk und Stecyk/Friedman.
17 Holger von Krosigk 2006, S.13.
18 ebd. S.12.
19 Kampion/Brown 1997, S.29.
20 Holger von Krosigk 2006, S.12.
21 Jocko Weyland 2002, S.20.
22 Holger von Krosigk 2006, S.15.
23 ebd.
24 Stecyk/Friedman 2000, S.4.
25 Jocko Weyland 2002, S.26.
26 ebd., S.22.
27 Holger von Krosigk 2006, S.17.
28 Jocko Weyland 2002, S.23.
29 Holger von Krosigk 2006, S.18.
30 Beim Kicktail handelt es sich um eine, am hinteren Teil des Skateboards eingebaute Erhebung.
31 Holger von Krosigk 2006, S.19.
32 Jocko Weyland 2002, S.43.
33 Stecyk/Friedman 2000, S.7.
34 Holger von Krosigk 2006, S. 20.
35 ebd., S.22.
36 Stecyk/Friedman 2000, S.5.
37 ebd., S.8.
38 Holger von Krosigk 2006, S.23.
39 Stecyk/Friedman 2000, S.81.
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