Partnerschaft aus dem Chat

Virtualität, Realität, Zweisamkeit


Diplomarbeit, 2008

107 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einfluss des Internets auf unseren alltäglichen Lebensablauf

2.as Internet: Wachstum eines Mediums ohne ein absehbares Ende
2.1. Internet und seine Dienste
2.1.1. Website
2.1.2. E-Mail
2.1.3. Newsgroup
2.1.4. Multi User Domain/ Dungeon (MUD)
2.2. Chat
2.2.1. IRC-Chat versus Webchat
2.2.2. Wie wird man ein Chatter?
2.2.3. Kommunikation im Chat
2.2.4. Nickname

3. Zwischenmenschliche Beziehung
3.1. Allgemeine Perspektive
3.2. Soziale Beziehung
3.2.1. Eltern-Kind-Beziehung
3.2.2. Freundschaft
3.2.3. Romantische Beziehung

4. Romantische Beziehung aus dem Chat
4.1. Ein Vergleich zwischen der Entstehung von Partnerschaft im Chat und der realen Welt
4.2. Vorteile des Chats gegenüber der realen Welt bei der Partnersuche
4.2.1. Aufmerksamkeit
4.2.2. Virtuell erzeugte räumliche Nähe
4.2.3. Absenkung möglicher Risiken
4.3. Nachteile des Chats gegenüber der realen Welt bei der Partnersuche
4.3.1. Falsche Darstellung der eigenen Person
4.3.2. Räumliche Distanz
4.3.3. Computervermittelte Kommunikation

5. Empirische Online-Studie
5.1. Vorgehen der Online-Studie: Partnerschaft aus dem Chat
5.2. Definition der Grundgesamtheit und der Stichprobe
5.3. Der Online-Fragebogen
5.3.1. Allgemeine Informationen zur Internetnutzung und Chatgewohnheiten
5.3.2. Partnerschaft/ Klärung des Beziehungsstatus der Befragten Chatter
5.3.3. Fragen zur bestehenden Partnerschaft bzw. zuletzt geführten Partnerschaft, die aus dem Chat hervor gegangen ist
5.3.4. Subjektive Meinung und Einschätzung zu Internet und Chat
5.3.5. Statistik

6. Online-Befragung von Chattern
6.1. Deskription der Stichprobe
6.1.1. Internetnutzung
6.1.2. Nutzung des Internetdienstes Chat
6.1.3. Demografische Spezifika der Chatter
6.2. Partnerschaft
6.2.1. Wo fand die erste Begegnung mit dem Partner statt?
6.2.2. Dauer der, aus dem Chat hervorgegangenen, Partnerschaft
6.2.3. Face-to-face Treffen mit dem Partner aus dem Chat
6.2.4. Kontaktaufnahme im Chat
6.3. Illusion und Wirklichkeit
6.3.1. Entsprach der Partner den Vorstellungen des Befragten bei der ersten face-to-face Begegnung?
6.3.2. Entsprach der Befragte den Vorstellungen des Partners bei der ersten face-to-face Begegnung?
6.3.3. Erleben der ersten face-to-face Begegnung seitens des Befragten
6.3.4. Darstellung der eigenen Person im Chat
6.4. Subjektive Einschätzung und Einstellung zu Chat und Internet
6.4.1. Persönliche Darstellung anderer Chatter basiert auf falschen Tatsachen
6.4.2. Neue Bekanntschaften aus dem Chat
6.4.3. Chancen einen Partner im Internet und/ oder Chat zu treffen
6.4.4. Bewertung der computervermittelten Kommunikation im Chat
6.4.5. Computervermitteltes Gespräch im Vergleich zu einem face-to-face Gespräch oder Telefonat
6.5. Chaterfahrung im nahen Umfeld
6.6. Diskussion der Ergebnisse aus der Online-Studie

7. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Anhang
A. Tabellen
B. Online-Fragebogen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kategorisierung der Internetdienste

Tabelle 2: Wie oft benutzen Sie das Internet gewöhnlich? (Frage 1) Wie oft chatten Sie gewöhnlich? (Frage 5)

Tabelle 3: Wozu benutzen Sie das Internet hauptsächlich?

(Maximal zwei Alternativen auswählen!) (Frage 2)

Tabelle 4: Warum chatten Sie hauptsächlich? (Maximal zwei Gründe auswählen!) (Frage 8)

Tabelle 5: Welche Chat-Foren besuchen Sie gewöhnlich?

(Maximal zwei Alternativen auswählen) (Frage 9)

Tabelle 6: Bildungsabschluss getrennt nach Geschlecht (Frage 32, Frage 30)

Tabelle 7: Ort an dem der erste Kontakt zum derzeitigen oder letzten Partner stattfand (Frage 12a & b)

Tabelle 8: Ort, an dem der einbezogene Partner getroffen wurde getrennt nach Alter (Frage 12a & b, Frage 31)

Tabelle 9: Ort, an dem der einbezogene Partner getroffen wurde getrennt nach

Wohnort (Frage 12a & b, Frage 33)

Tabelle 10: Dauer der Partnerschaften aus dem Chat: (Frage 13a & b)

Tabelle 11: Warum sind Sie auf Ihren Partner, den Sie im Chat kennen gelernt haben, aufmerksam geworden? (Frage 21a & b)

Tabelle 12: Wahrheitsgetreue Beschreibung dem Partner gegenüber. (Frage 19a & b)

Tabelle 13: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie schätzen Sie im Allgemeinen die Chancen ein, einen Partner im Chat kennen zu lernen? (Frage 25)

Tabelle 14: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie gut können Sie im Chat den anderen Chattern Ihre Gefühle, Gedanken, etc.mitteilen, im Vergleich zu Gesprächen in der „realen Welt“? (Frage 26)

Tabelle 15: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie empfinden Sie es, ein Gespräch im Chat zu führen, im Vergleich zu einem persönlichen Gespräch oder Telefonat? (Frage 27)

Tabelle 16: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für die gesamten Befragten

Tabelle 17: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für Befragten ohne Partner aus dem Chat

Tabelle 18: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für Befragte mit einem Partner aus dem

Chat

Tabelle 19: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte:

Haben Bekannte/ Freunde Erfahrung mit Partnerschaften aus dem

Chat getrennt nach eigenen Erfahrungen bezüglich Partnerschaft

aus dem Chat? (Frage 29)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der gelegentlichen Onlinenutzung von 1997 bis 2007

Abbildung 2: Dauer einer durchschnittlichen Chatsitzung nach Wohnort unterschieden (Frage 6, Frage 33)

Abbildung 3: Motive für das Chatten getrennt nach Partnerschaftserfahrung

(Frage 8, Frage 10, Frage 11)

Abbildung 4: Verteilung inwieweit der Partner den Vorstellungen des Befragten entsprach und der Befragte den Vorstellungen des Partners

(Frage 16a & b, Frage 17a & b)

Abbildung 5: Mittelwertdarstellung der Fragen 22 bis 27 getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat, Personen ohne Partnerschaftserfahrung

aus dem Chat und der gesamten Darstellung.

Abbildung 6: Basierend auf Ihren bisherigen Erfahrungen, wie beurteilen Sie das Schließen neuer Bekanntschaften und Freundschaften

im Chat, im Vergleich zur „realen Welt“? (Frage 23)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kategorisierung der Internetdienste

Tabelle 2: Wie oft benutzen Sie das Internet gewöhnlich? (Frage 1) Wie oft chatten Sie gewöhnlich? (Frage 5)

Tabelle 3: Wozu benutzen Sie das Internet hauptsächlich?
(Maximal zwei Alternativen auswählen!) (Frage 2)

Tabelle 4: Warum chatten Sie hauptsächlich? (Maximal zwei Gründe auswählen!) (Frage 8)

Tabelle 5: Welche Chat-Foren besuchen Sie gewöhnlich?
(Maximal zwei Alternativen auswählen) (Frage 9)

Tabelle 6: Bildungsabschluss getrennt nach Geschlecht (Frage 32, Frage 30)

Tabelle 7: Ort an dem der erste Kontakt zum derzeitigen oder letzten Partner stattfand (Frage 12a & b)

Tabelle 8: Ort, an dem der einbezogene Partner getroffen wurde getrennt nach Alter (Frage 12a & b, Frage 31)

Tabelle 9: Ort, an dem der einbezogene Partner getroffen wurde getrennt nach Wohnort (Frage 12a & b, Frage 33)

Tabelle 10: Dauer der Partnerschaften aus dem Chat: (Frage 13a & b)

Tabelle 11: Warum sind Sie auf Ihren Partner, den Sie im Chat kennen gelernt haben, aufmerksam geworden? (Frage 21a & b)

Tabelle 12: Wahrheitsgetreue Beschreibung dem Partner gegenüber. (Frage 19a & b)

Tabelle 13: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie schätzen Sie im Allgemeinen die Chancen ein, einen Partner im Chat kennen zu lernen? (Frage 25)

Tabelle 14: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie gut können Sie im Chat den anderen Chattern Ihre Gefühle, Gedanken, etc.mitteilen, im Vergleich zu Gesprächen in der „realen Welt“? (Frage 26)

Tabelle 15: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Wie empfinden Sie es, ein Gespräch im Chat zu führen, im Vergleich zu einem persönlichen Gespräch oder Telefonat? (Frage 27)

Tabelle 16: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für die gesamten Befragten

Tabelle 17: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für Befragten ohne Partner aus dem Chat

Tabelle 18: Korrelationen Fragen 22 bis 27 für Befragte mit einem Partner aus dem Chat

Tabelle 19: Getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat und restliche Befragte: Haben Bekannte/ Freunde Erfahrung mit Partnerschaften aus dem Chat getrennt nach eigenen Erfahrungen bezüglich Partnerschaft aus dem Chat? (Frage 29)

Abbildungsverzeichnis

Grafik 1: Entwicklung der gelegentlichen Onlinenutzung von 1997 bis 2007

Grafik 2: Dauer einer durchschnittlichen Chatsitzung nach Wohnort unterschieden (Frage 6, Frage 33)

Grafik 3: Motive für das Chatten getrennt nach Partnerschaftserfahrung (Frage 8, Frage 10, Frage 11)

Grafik 4: Verteilung inwieweit der Partner den Vorstellungen des Befragten entsprach und der Befragte den Vorstellungen des Partners. (Frage 16a & b, Frage 17a & b)

Grafik 5: Mittelwertdarstellung der Fragen 22 bis 27 getrennt nach Personen mit Partner aus dem Chat, Personen ohne Partnerschaftserfahrung aus dem Chat und der gesamten Darstellung.

Grafik 6: Basierend auf Ihren bisherigen Erfahrungen, wie beurteilen Sie das Schließen neuer Bekanntschaften und Freundschaften im Chat, im Vergleich zur „realen Welt“? (Frage 23)

1. Einfluss des Internets auf unseren alltäglichen Lebensablauf

Zu jeder Tages- und Nachtstunde zieht es Millionen von Menschen ins Internet. Jeder einzelne von ihnen verfolgt sein eigenes Ziel oder hat seinen individuellen Grund, Zeit in dieses Medium zu investieren. Die einen wollen „nur mal kurz“ die eigenen E-Mails abrufen, andere suchen mit Hilfe der zahlreichen Suchmaschinen nach Informationen und weitere sind auf der Suche nach gewissen Abenteuern.

Was macht das Internet und seine unzähligen Dienstleistungen und Angebote so interessant und anziehend? Weshalb verbringen Personen gleich welchen Alters, Geschlechts, Nationalität, Bildungs- und Berufsstatus ihre Freizeit im World Wide Web?

In der vorliegenden Arbeit soll einem Internetdienst die besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden: dem Webchat oder auch Chat. Weshalb übt er eine derartige Faszination auf unzählige Nutzer aus? Warum halten sich Menschen stundenlang in dieser Welt auf? Suchen diese Personen etwas Bestimmtes in dieser virtuellen und künstlich erzeugten Welt?

Diese Frage ist berechtigt in Anbetracht dessen, dass unser Alltag immer weiter digitalisiert, virtualisiert und computeralisiert wird. Um mithalten zu können, gleich in welchem Bereich unseres Daseins und um up-to-date zu sein, muss man sich auf diese neuartige Umstellung einlassen, die mit rasantem Tempo in das Leben von jedermann eindringt.

Menschen sind trotz, einiger Gegentheoretiker, auf zwischenmenschliche Beziehungen fixiert. Das heißt, dass wir unser Leben nach den, sich um uns befindlichen Menschen ausrichten. Die Intensität der Konzentration auf andere variiert abhängig davon wie eng bzw. wie stark wir die Zusammengehörigkeit zu den einzelnen empfinden. Familie, Freunde und Liebespartner geben einem das Gefühl der Geborgenheit, Dazugehörigkeit und Stärke. Unser Wohlergehen ist abhängig von diesem Rückhalt, den uns diese Menschen schenken.

In den Kreis der Verwandten und Familie wird man gewöhnlich hineingeboren. Es heißt auch im Volksmund, dass „man sich die Eltern nicht aussucht“. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn es sich um Freundschaften oder Liebesbeziehungen handelt. Diese werden einem nicht in die Wiege gelegt. Menschen sind von klein auf bestrebt Freunde und Wegbegleiter zu finden, die ihnen Gesellschaft, Unterstützung, Freude, Ratschläge und vieles mehr geben. Auf welchen Wegen werden diese zwischenmenschlichen Beziehungen geschlossen bzw. auf welche Weise lernt man diese kennen?

Personen, die zu unerlässlichem Bestandteil unseres Existierens werden, können uns jederzeit und überall begegnen. Man verbindet entweder eine freundschaftlich-platonische oder eher auf romantischen Gefühlen gründende Bindung zu ihnen. Wir können ihnen beim Überqueren der Straße, in der Warteschlage beim Bäcker, am täglich aufgesuchten Arbeitsplatz und in der nun seit 30 Jahren existierenden weiteren Begegnungsstätte: dem Internet begegnen.

In jeder Sekunde, die verstreicht, tummeln sich unzählige Menschen in diesem kontrovers diskutierten Medium. Man kann auf vielfältigen Wegen in Kontakt mit ihnen treten, ob aktiv oder passiv. Es bleibt, wie beim Überqueren der Straße, dem puren Zufall überlassen auf wen man trifft. Teilweise mag dies stimmen, dass man nichts ahnend auf eine sympathische und die gleichen Interessen teilende Person stößt und sich eine Beziehung zu dieser aufbaut.

Jeder kann jedoch auch dem Zufall auf die Sprünge helfen, wenn er sich bewusst an bestimmten Orten aufhält, die eine höhere Wahrscheinlichkeit versprechen, einen bestimmten Menschen an zu treffen. Zu diesen bewusst gewählten Orten zählt unter Anderem der Kleintierzüchterverein im Ort, ein Skatclub, ein Chat-Forum, ein Speed-Dating oder auch eine Singlebörse. Hier kann man einem oder mehreren bestimmten Menschen begegnen, der/ die eine spezielle Stellung im persönlichen Leben einnehmen könnte(n) und sollte(n).

Der Fokus im Rahmen dieser Arbeit fällt insbesondere auf eine Ausprägung der möglichen Begegnungsstätten. Somit spielt hier der Webchat und die mit ihm verbundenen Erfahrungen seiner Nutzer die zentrale Rolle. Worauf ist der Antrieb zurück zu führen, der sie regelmäßig in die Chat-Räume treibt? Ist der Wunsch neue Bekanntschaften zu schließen oder aber auch alte bzw. bereits bestehende Freund- und Bekanntschaften zu pflegen tatsächlich vorhanden? Weiterhin wird geklärt, ob das in der Allgemeinbevölkerung geltende Vorurteil bekräftigt werden kann, dass Chat-Foren anonymisierte Räume darstellen, die ihren Nutzern die Möglichkeit bieten eher oberflächlich neue Bekanntschaften zu führen? Oder können als ernsthaft geltende soziale bzw. auch romantische Beziehungen daraus resultieren?

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich primär, aufbauend auf einem dafür konzipierten Online-Fragebogen, deskriptiv auf die Frage einzugehen, ob der Webchat als eine Umgebung zum Treffen und Kennenlernen eines Partners geeignet ist. Deshalb soll ergründet werden, ob Chatbesucher persönliche Erfahrungen mit unter Anderem dauerhaften Partnerschaften aus dem Chat[1] besitzen? Wie entsteht der Kontakt zu anderen Chatanwesenden und wie wird dieser weitergeführt? Entstehen computervermittelte soziale Beziehung, die denen außerhalb der virtuellen Welt, entsprechen? Ist das Bild, welches während der Kommunikation im Chat der anderen Person vermittelt wird, mit dem außerhalb dieses Dienstes deckungsgleich?

Welche subjektiven Einstellungen werden seitens der Chatbesucher in Bezug zum Chat, als Ort der Begegnung und Vertrauensentwicklung, vertreten?

Die vorliegende Arbeit gliedert sich inhaltlich insgesamt in 7 Kapitel:

Nachdem nun eine Übersicht über das interessierende Thema gewährt wurde. Folgt in Kapitel 2 eine Abhandlung der technischen Seite. Es wird näher auf das Internet und vor allem auch auf seinen Dienst, den Chat, eingegangen. Weiterhin werden weitere Internetdienste, die zur computervermittelten Kommunikation verwendet werden können, erläutert. Das Kapitel 3 dient dazu, das Konzept der sozialen Beziehung und ihrer Ausprägungen zu erklären und zu begründen. Um in Kapitel 4 die beiden ersten zusammenführend auf den Internetdienst Chat anwenden zu können. In Kapitel 5 wird auf die Online-Studie: Partnerschaft aus dem Chat eingegangen. Es wird die Erhebungsmethode und –phase beschrieben. Weiterhin erhält das dafür verwendete Erhebungsinstrument, sprich der Fragebogen, eine gesonderte Beachtung. Im vorletzten Kapitel 6 werden die erhobenen Daten analysiert und daraus Schlussfolgerungen, die sich auf befragten Chatter beschränken, gezogen. Im letzten Kapitel 7 erfolgt die Schlussbemerkung bezüglich Partnerschaften aus dem Chat und des daraus resultierenden Potentials.

2. Das Internet: Wachstum eines Mediums ohne ein absehbares Ende

Im Jahr 2007 zählten 62,7% (40,8 Millionen) der deutschen Bundesbürger zu den so genannten „Usern“[2], die gelegentlich den Onlinezugang nutzten. Im Vergleich dazu zählten noch im Jahre 1997 10,4 Millionen Menschen (6,5% der deutschen Bevölkerung) in der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Kategorie der Internetnutzer. Die höchsten Anstiegsraten, die die ARD/ ZDF-Online-Studien verzeichneten, lassen sich zwischen den Jahren 1997 und 20003 lokalisieren. Danach flachte das Wachstum auf einen einstelligen Bereich ab (vgl. Abbildung 1). Das Potential der neuen Onlinenutzer ist noch lange nicht ausgeschöpft. Zu den Pionieren zählte zwar die jüngere Bevölkerung, d.h. zwischen 14 und 30 Jahren. Jedoch entdecken immer mehr Personen ab 50 Jahren das Internet und seine Möglichkeiten für sich. Diese Gruppe hat erst begonnen sich ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen. Deshalb wird der Anstieg der Internetnutzerzahlen zukünftig insbesondere auf diese Personengruppe zurück zu führen sein (vgl. ARD-Online-Studie 1997; vgl. ARD/ ZDF-Online-Studien, 1998-2007). Dieser exponential hohe Anstieg innerhalb von 10 Jahren macht die rasante Verbreitung des Internets in Deutschland deutlich. Wobei die Online(neu)zugänge in der BRD im Vergleich zu anderen westlichen Staaten (insbesondere den Vereinigten Staaten von Amerika4) eher moderat ausfallen.

Abbildung 1: Entwicklung der gelegentlichen Onlinenutzung von 1997 bis 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quellen: ARD-Online-Studie 1997; ARD/ ZDF-Online-Studien 1998-2007

Die kurze Auflistung der Wachstumszahlen belegt eine rasant ansteigende Popularität des Internets, womit jedoch die Entwickler dessen nicht gerechnet haben, als das Projekt gestartet wurde bzw. als es lediglich eine Dienstleistung darstellte. Denn ein Nutzer des damaligen Internets konnte sich eher passiv an diesem beteiligen. Er rief Informationen ab, konnte jedoch keine oder sehr eingeschränkt welche in das System einspeisen. Die Idee des Internets entsprang dem Wunsch an Universitäten, die Mitte der 60er-Jahre verfügbaren „Computer-Ressourcen“ (Döring, 2003) gemeinsam nutzen zu können. Es wurden zunächst vier Universitäten im Westen der USA miteinander verbunden. Dazu zählten die Stanford Research Institute (SRI), University of California at Santa Barbara (UCSB), University of Carlifornia at Los Angeles (UCLA) und University of Utah (UTAH). Diese vier universitären Nutzer wurden durch den Vorläufer des heute genutzten Internets miteinander verbunden, dem so genannten ARPANET (vgl. Döring 2003). Zunächst waren die Verbreitungsraten recht moderat. Jedoch mit dem Aufkommen des WWW-Browsers[5] in den Jahren 1993/ 94, wie zum Beispiel Netscape, Navigator, schoss auch die Anzahl der Internetnutzer explosionsartig in die Höhe.

2.1. Internet und seine Dienste

Aus heutiger Sicht steht „[d]er Terminus „Das Internet“ [...] i.A. für die Menge der nach einheitlicher Architektur und Protokollwelt aufgebauten weltweit verteilten und zentral administrierten Netze“ (Rauschenbach & Leipold, 1994: 3). Die Vorstellung einer Hülle liegt nahe, die befüllt ist mit Diensten, die dem Internetnutzer sowohl kostenfrei als auch kostenpflichtig zur Verfügung gestellt werden.

Im Folgenden sollen unterschiedliche Internetdienste angerissen werden, die in die Kategorien synchrone (aktiv-reaktive) und asynchrone Dienste eingeteilt werden können. Um einen groben Überblick über die Dienste bieten zu können, werden lediglich, die als relevant erachteten Möglichkeiten der computervermittelten Kommunikation dargestellt[6].

Tabelle 1: Kategorisierung der Internetdienste

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Döring, 2003: S. 49 & S. 81

2.1.1. Website

Zu den genannten Diensten, die den User mit unter Anderem Informationen versorgen, zählen Websites[7] von Unternehmen, die sich auf dieser präsentieren und ihre Leistungen vorstellen. Oder auch von Privatpersonen eingerichtete Websites, die mit Informationen befüllt sind, damit die Masse der interessierten Öffentlichkeit Zugang zu diesen hat. Ein Grund weshalb sich eine private Person im Internet mit Hilfe der eigenen Website verewigen möchte, wäre zum Beispiel der Drang zur Selbstpräsentation und dadurch Aufmerksammachen auf die eigene Person denkbar. Eine Besonderheit bei dieser Art der Internetdienstleistung ist, dass sich ein externer Internetnutzer bzw. Besucher der jeweiligen Seite eher passiv oder allenfalls beschränkt an der Informationsvermittlung beteiligt.

2.1.2. E-Mail

Die E-Mail[8] kann als eine Art Brief betrachtet werden, der auf elektronischem Weg vom Sender zum Empfänger gelangt. Ähnlich dem auf Papier verfassten Brief, der auf dem bisher gewohnten postalischen Versandweg seinen Bestimmungsort erreicht. Zumeist werden die somit übermittelten Nachrichten zeitversetzt, das heißt asynchron, von einer Person zur anderen übermittelt. Die klaren Vorteile einer E-Mail liegen darin, dass diese Alternative die kostengünstigere ist im Vergleich zum konventionellen Brief. Weiterhin sprechen die kürzeren Zeitintervalle zwischen Versand und Empfang ebenfalls für die neue Möglichkeit des Nachrichtenaustausches (vgl. Döring, 2003). Die bedeutendsten Nachteile dieser Kommunikationsform sind in der persönlichen Beziehung zu suchen. Die gröl3te Befürchtung liegt in der Annahme, dass die persönliche Briefpost aussterben könnte. Diese wird in der Zwischenzeit als ein Ausdruck von Wertschätzung der eigenen Person wahrgenommen. Der Erhalt von Briefpost ruft in der Regel beim Empfänger das Gefühl hervor, dass sich der Verfasser der Nachricht Zeit genommen hat seine Gedanken (in vollständigen Sätzen) auf Papier zu bringen. Dies wird heutzutage immer wichtiger, da Zeit zu einem wertvollen, knapp bemessenen, persönlichen Gut geworden ist. Weiterhin besteht die Befürchtung, dass die Tradition des Briefverfassens ganz von der Bildfläche verschwindet und nur auf elektronischem Wege, d.h. computervermittelt, der Kontakt zwischen Personen aufrechterhalten wird (vgl. Döring, 2003).

Der Aufbau der E-Mail entspricht formal dem eines herkömmlichen Briefes. Dieser kann in drei Teile gesplittet werden, den so genannten „Header“, „Body“ und „Signature“. Der „Header“ entspricht dem Briefkopf, hier finden die Informationen zum Verfasser, Empfänger und Betreff der jeweiligen Nachricht Platz. Im „Body“ befindet sich der eigentliche Brief-bzw. E-Mailinhalt. Eine Besonderheit ist nennenswert, der Inhalt kann vom Empfänger wieder verwendet werden, mit der Funktion des Weiterleitens einer E-Mail. Das heißt ohne den E-Mailinhalt ändern zu müssen kann diese an weitere Teilnehmer der Kommunikation geleitet werden. Oder die Reaktion des Verfassers als Zitat mit eigenen Anmerkungen wieder an diesen zurück gesendet werden. Auch hier mit der Option weitere Teilnehmer in den Kommunikationskreis aufnehmen zu können. Dadurch entsteht ein nicht synchron ablaufender Dialog zwischen mindestens zwei Personen. Man geht von einer zeitversetzten Kommunikation aus, da meistens die aktive Reaktion, sprich die Antwort auf eine E-Mail, nicht umgehend nach Erhalt dieser geschieht (vgl. Döring, 2003; vgl. Schwalm, 1998). Der dritte Teil einer E-Mail stellt das „Signature“ dar, das dem Nachspann entspricht. Hier kann der Verfasser nähere Informationen zu seiner Person festhalten, zum Beispiel Name, Anschrift, Telefonnummer, etc. (vgl. Döring, 2003).

Um E-Mails versenden und empfangen zu können benötigt man ein elektronisches Postfach, das von den meisten Anbietern eines E-Maildienstes kostenlos (zum Beispiel GMX.de, WEB.de) angeboten wird. Auch alternativ lokal auf dem Rechner installierte „Client-Programme“ (Döring, 2003: 50) wie IBM LotusNotes oder Microsoft Outlook machen den Erhalt und Versand von E-Mails möglich bzw. bieten die Option des Posteingangs und –ausgangs. In der Regel haben diese elektronischen Postfächer eine begrenzte Speicherkapazität, die von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich groß ist und bei den meisten gegen Aufpreis erhöht werden kann. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt in Bezug auf die E-Mail wäre, dass diese in der Regel auf unbestimmte Zeit gespeichert werden kann und somit einen gewissen Vorteil dem postalischen Brief gegenüber, der vergänglich sein kann, einnimmt.

2.1.3. Newsgroup

Der internetspezifische Dienst, Newsgroup, gehört gemäß Thimm und Ehmer (2000) „zu den meisten genutzten Formen des kommunikativen Austausches in der Netzkommunikation“ (ebda.: 226). Newsgroups verbinden die Möglichkeit sowohl neues Wissen zu erhalten bzw. zu erfragen oder auch welches zu verbreiten bzw. sein Wissen zur Verfügung zu stellen. Die Kommunikationsbasis stellen so genannte News-Server dar. Das heißt die Botschaften, Beiträge oder Postings[9] werden auf diesen Servern „zum Abruf bereitgestellt (Pull-Kommunikation)“ (Döring, 2003: 62). Newsgroups können als eine Art Zeitschrift, die im Internet verbreitet wird, betrachtet werden. Hier können Personen, die der Meinung sind einen eigenen Artikel zu einem bestimmten Thema, Problem oder aktuellem Ereignis beisteuern zu können, aktiv werden. Aber auch Interessenten und Personen, die zum Beispiel eine bestimmte Frage quält, können auf einer Newsgroup-Seite oder auch –Forum fündig werden. Falls nicht, können sie dies zur Sprache bringen, indem dieser Newsgroup-Teilnehmer sein Anliegen postet[10]. Newsgroups akzeptieren größtenteils nur registrierte Mitglieder, die zustimmen die gebotenen Leistungen für einen gewissen Zeitraum zu abonnieren. Aus diesem Grund entscheidet man sich auch für den Anbieter, der die Themengebiete abdeckt, die einem persönlich als relevant erscheinen. Dadurch können auch die jeweils veröffentlichten Artikel, Beiträge, Postings, etc. an die Mitglieder elektronisch versandt werden (vgl. Thimm & Ehmer, 2000). Es existieren weit über 100.000 Newsgroups weltweit, jedoch ist nur ein geringer Anteil davon von persönlichem Interesse und individuell erreichbar, da viele auf lokalen Servern angeboten werden, beispielsweise im unternehmensinternen Intranet[11] oder Thematiken abhandeln, die unter Anderem verboten oder geringe gesellschaftliche Akzeptanz genießen, zum Beispiel Newsgroups mit pornografischen Veröffentlichungen (vgl. Döring, 2003). Das Eigentliche der Newsgroups lässt sich in Worten von Thimm und Ehmer (2000) zusammenfassend beschreiben, dass sie „globale[n] schwarzen Brettern“ (ebda.: 227) gleich zu setzten sind, die Platz bieten die eigene Meinung und das eigene Wissen in einem bestimmten Raum und Kontext an die interessierte Öffentlichkeit bzw. die Leserschaft zu verbreiten.

2.1.4. Multi User Domain/ Dungeon (MUD)

Als Nächstes wird auf Internetdienste eingegangen, die die synchrone und aktive Kommunikation den jeweiligen Usern bieten.

Das Internet bietet den Nutzern und Interessierten eine Möglichkeit sich in virtuellen und textbasierten Welten aufzuhalten bzw. diese zu Erschaffen. Dazu gehören in erster Linie die Multi User Domains oder auch Dungeons genannt, die täglich Maßen von Anhängern mit ihrer einzigartigen fantastischen Welt locken. MUDs lassen sich nach ihrem individuellen Verwendungszweck differenzieren. Somit kann man sich in den „Abenteuer-MUDs“ und/ oder den „sozialen MUDs“ (Döring, 2003: 99) aufhalten.

Laut Döring (2003) handelt es sich jedoch bei den MUDs nicht um Internetdienste, sondern um Anwendungen, die auf „separaten Servern betrieben [werden], in die man sich mit dem Telnet-Dienst oder einem speziellen MUD-Client einwählt“ (ebda.: 99). Die MUD-Anwender können sich demnach in virtuellen Räumen aufhalten, in denen es zum Beispiel darum geht Rätsel zu lösen oder an Abenteuern teilzunehmen. Diese Aufgaben werden in Gestalt von Charakteren bewältigt, die von den Anwendern selbst ausgewählt oder auch erschaffen wurden. Die MUD-Anwender können sich während solch einer Sitzung ins tiefste Mittelalter versetzen lassen. Oder in der nächsten entscheidet sich dieser, in der als Zukunft visuell und verbal erschaffenen Welt, gegen Außerirdische zu kämpfen. Das Besondere an diesen Rollenspielen ist, dass diese Welten mittels Sprache, das heißt textbasiert, entworfen werden, eingebettet in einem sehr rudimentär gehaltenen Hintergrund, zum Beispiel Abbildung einer Burg.

Die „sozialen MUDs“ (Döring, 2003: 99) zielen eher auf die Kommunikation und die Interaktion zwischen den einzelnen Anwendern bzw. Spielern. Diese Kategorie lässt sich nach Inhalt und dem übergeordnetem Thema einteilen. Dazu zählt zum Beispiel Wissensvermittlung, Forschung oder Freizeit. Somit widmen sich MUDs nicht nur dem Rollenspiel, bei dem es unter Anderem darum geht Kämpfe zu führen und durch taktische Einsätze Punkte zu sammeln. Sie bieten auch eine Art Umgebung, in der man sich treffen kann um zusammen ein Problem zu lösen, Fragen zu beantworten oder Erfahrungen auszutauschen. Aber auch diese Kommunikationsart spielt sich in den MUD-typischen virtuellen Gebäuden, Orten, Landschaften, etc. ab.

MUDs stellen ebenfalls aus dem sozialwissenschaftlichen Blickwinkel interessante Internet-Dienste dar. Denn um sich in diesen virtuellen Räumen und Welten zurecht finden zu können, benötigt man viel Fantasie und Bereitschaft sich während der Sitzungen vollkommen mit der eingenommenen Rolle zu identifizieren und in die künstlich entworfene Welt ein zu tauchen. „MUDs stellen kleine soziale Welten dar, in denen sich durch die Unmittelbarkeit des synchronen Austauschs und die Gestaltbarkeit der komplexen Systemumgebung das Bewusstsein der Gemeinschaftsbildung verfestigt. Rollen und Regeln werden festgelegt, Leistungsmaßstäbe definiert und positive wie negative Sanktionen verhängt“ (Döring, 2003: 102). Diese Beschreibung entspricht im Grunde der realen Welt[12]. Denn auch hier wird zwischen den einzelnen Nutzern kommuniziert, entweder in der Rolle eines Menschen (auch der Einbezug der eigenen Person ist möglich), eines Tieres, einer Fantasiegestalt, eines Gegenstandes: kurz in der Gestalt, in die man sich im Moment versetzen möchte und die zu dem Kontext des besuchten Raumes passt oder dort erwünscht ist.

Personen können mit Hilfe der angenommenen Charaktere, ebenfalls die Seite ihrer Persönlichkeit kompensieren, die sie in der realen Welt unter Umständen unmöglich ausleben können. Trotz ständiger technischer Neuentwicklungen ist es bis dato noch nicht möglich die anderen MUD-Anwender, die sich in der selben virtuell erstellten Welt befinden, physisch und sensorisch erlebbar zu machen. Jedoch sind interessierte Forscher und Tüftler ständig dabei technische Werkzeuge zu entwickeln, die dieses Defizit minimieren sollen. So ist inzwischen Zubehör auf dem Markt erhältlich, wie zum Beispiel mit Sensoren ausgestattete Helme und Ganzkörperanzüge, die ein realitätsnahes Erlebnis in der MUD-Welt versprechen.

2.2. Chat

Zu einer weiteren Möglichkeit mit anderen Personen, die sich im Internet befinden, eine Konversation aufzubauen gehört der Chat. Dieser Internetdienst stellt in dieser Arbeit das Hauptuntersuchungsobjekt dar. Aus diesem Grund ist eine detaillierte Abhandlung seiner Funktionen angebracht. Diese Form fällt in die Kategorie der synchronen und gleichzeitig von den Nutzern aktiv gestalteten Möglichkeit mit anderen Personen, die sich ebenfalls in einem Chat-Forum befinden, in Kontakt zu treten bzw. diesen zu erwidern. Genauer heißt das, die Chatter[13] können direkt mit anderen, vor allem mit denen die zur selben Zeit sich im Chat befinden, ins Gespräch kommen oder auch eines selbst initiieren. Die hauptsächliche Anziehungswirkung des Chat macht die Interaktivität aus, die diesen Internetdienst trägt und bestimmt.

Bevor näher auf den Internetdienst „Chat“, seine Möglichkeiten, Gefahren, Faszination, die so viele zu jeder Zeit und an jedem Ort der Erdkugel bindet, eingegangen wird, erfolgt ein kurzer Abriss der Entstehungsgeschichte und der Funktionen des Chat.

2.2.1. IRC-Chat versus Webchat

Es können im Grunde zwei Arten textbasierten Chat unterschieden werden, die auf dem gleichen Prinzip des Kommunizierens basieren. Zum einen gehört der seit 1988 implementierte IRC-Chat (Inter Relay Chat-Chat) und zum anderen der Webchat von einander abgegrenzt. Der Webchat trat zu Beginn der 1990er Jahre in Erscheinung, nachdem das WWW (World Wide Web) in Betrieb genommen wurde. Beiden Formen ist gleich, dass die Kommunikation mittels Text von Statten geht. Die Botschaften werden in einem dafür vorhergesehenem Textfeld seitens der Nutzer des Chat, den so genannten Chattern, eingetippt. Und je nachdem, an wen die Botschaft gerichtet ist, erscheint diese entweder in einem für alle Besucher sichtbaren Fenster oder kann von einem/ mehreren Empfänger(n) als private Nachricht gelesen werden. Beiträge und Botschaften, die an das öffentliche Forum gerichtet sind, sind für alle in einem bestimmten Chat-Channel[14] anwesenden Personen sichtbar. Weiterhin besteht die Möglichkeit einen oder mehrere Chatter persönlich an zu sprechen, durch das so genannte „Flüstern“ oder auch in Form einer privaten Nachricht. Hierbei wird der jeweilige Nickname[15] ausgewählt und mit der Funktion des „Flüsterns“ eine nur für ihn sichtbare Nachricht versandt. Dieser hat die Option zur Antwort oder aber auch die Botschaft zu ignorieren und das sich dabei öffnende Fenster zu schließen[16].

Der wesentliche Unterschied zwischen IRC-Chat und Webchat ist, dass um den ersteren nutzen zu können, ein dafür vorgesehener „IRC-Client“ (Döring, 2003: 83) auf dem PC installiert sein muss. Dieser ermöglicht dem Benutzer dieses Dienstes den kostenlosen Zugang zum IRC-Chat. Für den IRC-Chat Zugang wählt man sich mit Hilfe des installierten IRC-Clients auf einen Server ein, der bis Mitte der 1990er Jahre noch das weltweit operierende EFnet (Eris-Free Net[17] ) anbot. Jedoch konnte dieser die millionenstarke Nutzerschaft nicht mehr bewältigen. Deshalb wurden neue Server zur Verfügung gestellt, die zum Beispiel nach Regionen unterschieden werden (ein ganz Europa umspannender IRC-Chat). Weiterhin gibt es auch die Möglichkeit an zahlreichen Universitäten, den dort eingerichteten IRC-Server zu nutzen. Wohingegen für den Webchatzugang die gewöhnlichen WWW-Browser vollkommen ausreichend sind.

2.2.2. Wie wird man ein Chatter?

Das Einwählen in einen Chat und Auswählen eines Webchats unterscheidet sich, wie bereits erläutert, von den IRC-Chats. Es ist lediglich die URL-Adresse[18] des jeweiligen Chat-Anbieters, die in den Browser eingegeben wird, notwendig[19]. Sobald man sich in den gewünschten Webchat eingewählt hat erscheint in aller Regel zunächst eine Aufforderung sich als Benutzer dieses Dienstes zur registrieren. Dazu legt sich der Benutzer einen Nick an, der ihn unterscheidbar von den anderen Chattern macht. Entweder man entscheidet für sich diesen Nick dauerhaft, d.h. ihn bei jedem Chat-Besuch zu benutzen oder registriert sich jedes Mal neu oder das Chat-System vergibt automatisch dem Besucher eine Besucherbezeichnung[20]. Der Nick trägt wesentlich dazu bei, dass sich die Chatter untereinander wieder erkennen und somit ihre „alten Bekannten“ treffen. Jedem Chatter steht es frei sich für einen oder mehrere Chat-Channels zu entscheiden. Die meistens tragen einen Titel oder stehen unter einem Motto (z.B. Flirtroom, Sternenhimmel, Sandkasten[21] ). Die unterschiedlichen Chat-Raumangebote tragen dazu bei sich innerhalb von Webchats für bestimmte thematisch orientierte virtuelle Zusammenkünfte zu entscheiden.

2.2.3. Kommunikation im Chat

Die Besonderheit des Chats liegt in seinem synchronen Kommunikationscharakter, d.h. man tritt gewöhnlich mit den zur selben Zeit anwesenden Chattern aktiv in Kontakt und erhält von diesen umgehend eine Rückmeldung.

Die im Chat stattfindende Kommunikation kommt der gesprochenen am nächsten. Konversationen laufen über kurze im Textfeld eingegebene Chat-Nachrichten ab. Der von den Chattern eingetippte Text erscheint unmittelbar auf dem Bildschirm des Empfängers (vgl. Döring, 2003; vgl. Winkler & Mandl, 2005). Eine gewisse Übung im Eingeben von Text per Tastatur, damit ein relativ flüssiges Gespräch zwischen den teilnehmenden Parteien entstehen kann, gehört dazu. Chatter entwickeln eine Fähigkeit „im schnellen Lesen, Erfassen, Formulieren und Tippen“ (Döring, 2003: 85), wenn sie sich einige Zeit im Chat aufgehalten haben. Weiterhin besteht die Möglichkeit die Konversation mit so genannten Emoticons[22] (;-), (k)) und Aktionswörtern (*lach*, *schnief*) lebendig zu gestalten. Die Chat-Sprache ist eine außergewöhnliche Mixtur aus geschriebenen Wörtern gepaart mit Bildzeichen. Um dem Anspruch der synchronen Kommunikation, wie der in face-to-face Gesprächen oder auch bei Telefonaten zwischen mindestens zwei Gesprächspartnern, gerecht zu werden, hat sich eine eigene Sprachform entwickelt, die hauptsächlich im Chat Verwendung findet[23]. Die Botschaften, die ausgetauscht werden, sind meist sehr kurz gehalten, d.h. sie bestehen aus wenigen Worten bzw. Zeichenabfolgen und umfassen selten mehr als eine Zeile. Weiterhin werden von geübten Chattern Akronyme verwendet, die aus einer Anreihung von Buchstaben und Zeichen bestehen und ganze Sätze ersetzen können. Und trotz der Kürze für den Sender und Empfänger ganze Satzinhalte darstellen. Zu den geläufigsten Akronymen zählen unter Anderem „lol“ (laughing out loud) oder „rotfl“ (rolling on the floor laughing). Diese Zeichenabfolgen sollen in verkürzter Form aussagen, dass der Verfasser etwas als sehr amüsant empfunden hat. Ein weiteres essentielles Hilfsmittel in der Perfektion der synchronen Sprache des Chats, stellt das bereits oben erwähnte Emoticon (:-X, ®) an sich dar. Damit sollen Reaktionen abgebildet werden, die vor allem Gefühle, sprich Emotionen, aber auch die jeweilige physische und psychische Verfassung, darstellen.

Die computervermittelte Kommunikation[24] (cvK) (vgl. Gebhardt, 2001) wird inzwischen in der Kommunikationsforschung als ein eigenständiges Kommunikationsmedium und ein gesondertes Forschungsfeld betrachtet (vgl. Jaruhirunsakul, 2007; vgl. Schmidt, 2000). „The focus of these researches include the use of paralinguistic features such as emoticons; pragmatic rules such as turn-taking and the sequential organization for talk; and the various sociolects, styles, registers or sets of terminology specific to these environments” (Jaruhirunsakul, 2007: 1ff.).

Mittels dieser besonderen Art der Kommunikation lassen sich Grenzen überwinden, die einem der Computer, die Entfernung oder auch in diesem Fall das Medium Internet und der Dienst Chat, auferlegen. Die Interaktionspartner vermitteln unter Zuhilfenahme der Parasprache die Gefühle und Stimmungslagen, die im Moment herrschen. Und sie geben jedem schriftlichen Gespräch eine gewisse interaktive Note. Eine witzige Aussage wird durch eine Doppelpunkt-Gedankenstrich-geschlossene-Klammer-Kombination kommentiert (:-)). Diese Zeichenfolge wird auch vom Empfänger als die damit beabsichtigte Botschaft interpretiert. Diese Art des sich Verständigen kommt den face-to-face Gesprächen sehr nahe. Denn so werden Gesichtsausdrücke nachgeahmt oder auch die Körpersprache wird mit Hilfe der Aktionssprache beschrieben. Weiterhin erfolgt oftmals in kurzen Phrasen eine Reaktion (zum Beispiel „ich umarme dich“, „ich erröte“, etc.). Ein Lachen, welches auch zum Beispiel am Telefon vernommen werden kann, wird mit „lach“ zum Ausdruck gebracht. Es gibt eine Vielzahl an solchen und ähnlichen Reaktionen auf eine Nachricht, die computervermittelt von Statten gehen. Somit können die kritischen bis zu Weilen negativ gefärbten Meinungen bezüglich cvK entschärft werden. Zu den kritischen Stimmen zum Thema cvK gehören Parks & Floyd (1996), diese stellen fest, dass „findings from this line of research have generally emphasized the social disadvantages of computer-mediated communication. Therefore implying that highly developed, positive personal relationships should occur infrequently in online settings” (ebda.: 81). Weitere Forscher bringen vor, dass die face-to-face Kommunikation reichhaltiger an interpersonalen Schlüsselreizen ist, die in cvK nicht äquivalent übermittelt werden können (vgl. Daft & Lengel, 1984). Oder es wird auch angemerkt, dass die Präsenz der Kommunikationspartner in den Gesprächen, die von Angesicht zu Angesicht geführt werden oder zumindest in Telefongesprächen besser ist, da sie über mehrere Wahrnehmungskanäle realisiert werden, die zum Beispiel durch nonverbales Verhalten gereizt werden (vgl. Rice, 1993; vgl. Weinberg, 1996). Ergänzend wird auch die Feststellung gemacht, dass „all but the written modes of communication are removed“ (Weinberg, 1996: 53) in computervermittelten Gesprächen. Der Kritik zum Trotz wissen sich die Chatter zu verständigen und ihre Kreativität unter Beweis zu stellen. Indem sie immer neuere Möglichkeiten, Ausdrücke, Emoticons, etc. finden um eventuell vorhandene sprachliche und visuelle Defizite und Barrieren zu kompensieren. Diese entstehen wenn der Gesprächspartner einem nicht gegenüber steht und man seine Körpersprache nicht lesen kann. Aber auch wenn seine Stimme und ihre Tonlage einem vorenthalten wird.

2.2.4. Nickname

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in die Diskussion über den Internetdienst Chat einbezogen werden muss, ist die Wahl und damit einhergehenden Implikationen des so genannten Nicknames (kurz: Nick). Sie geschieht bei den meisten Chat-Nutzern unter Einbeziehung der eigenen persönlichen Merkmale, die sie zum Beispiel besonders betonen möchten („Lustiger“[25] ), den äußeren Eigenschaften („Großer“[25] ) aber auch den Zielen und Gründen für den Aufenthalt im Chat („Spaß_haben“[25] ). Deshalb wird Zeit und Anstrengung „in den Aufbau einer solchen „wahrnehmbaren“, „wiedererkennbaren“ und darüber hinaus „respektablen“ Persönlichkeit“ (Gebhardt, 2001: 13) investiert. Da der gewählte Nick, meist ein Unikat ist, ein besonderer Ausdruck und eine Widerspiegelung eines jeden Chatters darstellt, ist diesem auch sehr wichtig seinen Nick vor feindseligem, beleidigendem und missbräuchlichem Umgang durch andere zu schützen. Und somit werden in der Regel Handlungen und Äußerungen vermieden, die „den Ruf diesen Namens“ (Gebhardt, 2001: 13) womöglich negativ beeinflussen könnten. Chatter legen sich einen Nick zu, mit dem sie am Chat-Leben teilnehmen und auch mit diesem Kontakte zu anderen pflegen und hegen. Der dauerhaft beibehaltene Nick ist im Grunde, die einzige Möglichkeit für andere den Chatter wieder zu erkennen, ohne dass dieser den Kontakt zu anderen als erster initiiert und sich damit zu erkennen gibt.

Die Funktion des Nicks kann sich vielfältig gestalten. Wie bereits erläutert, sagt zum Einen dieser direkt etwas über die dahinter verborgene Person aus (Alter, Aussehen, Freizeitaktivitäten, Geschlecht, etc.). Zum Anderen bietet der Nick auch dem Chatter die Möglichkeit sich zu verbergen, je nach Lust und Laune eine andere Identität anzunehmen. In einer Sitzung handelt es sich um einen 16jähringen jungen Mann, der sich im Chat-Forum aufhält, um eine kurzweilige Bekanntschaft zu einer Person zu suchen, die als weiblicher Chatter in diesem gilt. Ein anderes Mal möchte der besagte Chatter sich als Hausfrau im mittleren Alter ausprobieren, die gerade den Mittagstisch für die Familie vorbereitet hat und Entspannung sucht. Diese Aufzählung der möglichen Persönlichkeiten kann endlos weiter geführt werden. Bei geschickten Persönlichkeitswandlern[26] fällt es den Kommunikationspartnern schwer die tatsächliche Identität des Chatters aus zu machen, wenn die Interaktion im Chat nicht lange genug dauert, dass es doch auffällt oder sich dieser Chamäleon-Chatter[27] durch einen unbedachten Fehler während des Gesprächs verrät. Teilnehmer der Untersuchung von Gebhardt (2001) berichteten ähnliche Selbsterfahrungen. Einer der befragten Teilnehmer habe aus Spaß unter Verwendung verschiedener Rollen Gespräche mit anderen anwesenden Chattern geführt. Jedoch wurde er entlarvt, da es Konzentration und Konsistenz der Antworten bedarf, um glaubhaft während der Unterhaltung zu bleiben (vgl. Gebhardt, 2001). Diese Art der Täuschung ist in der realen Welt eher schwierig zu verwirklichen, im Sinne von Änderung der äußeren und somit auch sichtbaren Merkmalen. Einfacher wäre es aber den sozialen Status zu ändern. Somit ist die Bemerkung richtig und notwendig, dass „[y]ou can mold any preferred self-portrait and even create as many identities as you wish by using a program called an IRC (Internet Relay Chat) [or Webchat]. Just log-on, develop “profiles” [Zitat aus Turkle, 1997], confabulate, and rehearse roles” (Alapack et al., 2005: 56). Man kann sich gut hinter dem Bildschirm verbergen und “orchestrate the “music”, direct the “play”, and juggle several personalities. [...] “Only your own moral standards and feelings set the limits. Literally, it is „ heady control “ [Zitat eines der Teilnehmer der Studie 1 von Alapack et al. (2005)]“ (ebda.: 56). Damit wird noch ein Mal auf die Zweischneidigkeit des Mediums Chat hingewiesen. Zum Einen trifft man auf real existente Personen mit Eigenschaften, die wirklich existieren so wie sie angegeben werden. Zum Anderen ist es auch denkbar auf Lügner zu stoßen, die die eigene Identität ständig ändern und immer wieder neue Rollen annehmen. Da es ihnen ein gewisses Vergnügen bereitet andere zu hintergehen. Und weil die Möglichkeit gegeben ist, sich so zu verhalten und so sein zu dürfen, wie es zum Beispiel der Freundeskreis oder die Familie nicht gerne sehen. Und somit an Lebensqualität dazu zu gewinnen. Denn „when an individual begins to take part in the social outlets on the Internet (e.g., newsgroups, MUDs, and chat rooms), he or she is acquiring a new peer group that has no ties to his or her offline social group” (McKenna & Bargh, 2000: 62).

3. Zwischenmenschliche Beziehung

Diese Arbeit hat zum Ziel auf zu zeigen, ob Partnerschaften aus dem Chat hervorgehen können. Ist es gerechtfertigt diesen Partnerschaften aus dem WorldWideWeb den gleichen Status zu zusprechen, wie den Partnerschaften, die ihren Anfang und Fortbestand in der so genannten realen Welt haben? Um verstehen zu können, welche Parameter Liebesbeziehungen28 bestimmen, ist es von Nöten zunächst auf den allgemein gehaltenen Begriff der sozialen Beziehung, d.h. Beziehung zwischen mindestens zwei Personen, klärend einzugehen.

3.1. Allgemeine Perspektive

Die Wissenschaft der Soziologie und ihre Vertreter haben sich lange Zeit schwer getan einen eigenen Forschungszweig einzuführen, der sich ausschließlich mit zwischenmenschlichen Beziehungen, dazu zählen beispielsweise Ehe, Familie, Freundschaft, befasst und diesen auch kontinuierlich durch Forschung fortbestehen zu lassen. In unregelmäßigen Intervallen wurden Theorien und Konzepte entwickelt, die die sozialen Beziehungen näher beleuchten sollten (vgl. Lenz, 2003). Erst Ende der 1970er Jahre wurde dieser Bereich ernsthaft in Angriff genommen. Dies geschah durch Robert A. Hinde und seiner Veröffentlichung „Towards Understanding Relationships“. Darin geht Hinde unter Anderem kritisch auf die unterschiedlich ausgelegten Dimensionen sozialer Beziehungen ein und versucht diese zu wenigen einheitlichen Theorien zusammen zu führen. Weiterhin macht er einen Unterschied bezüglich des Verständnisses von Beziehungen und Interaktionen zwischen Menschen. „Interactions can have properties not present in the actions of isolated individuals, and relationships have properties not present in their constituent interactions” (Hinde, 1979: V). Eine ähnliche Sichtweise vertritt Huinink (1995) mit dem Begriff der „dialogischen Beziehung“ (ebda.: 94). Demzufolge sind soziale Beziehungen auf Dauer ausgelegte Bindungen zwischen Menschen, wohingegen Interaktionen eher einen kurzweiligen Charakter aufweisen. Es zeigt sich, dass in diesem Forschungsbereich insbesondere die Beziehung zwischen Mann und Frau die bedeutendste und meist untersuchte darstellt. Das Zwischeneinander von mindestens zwei Personen, die eher eine platonische Beziehung pflegen, auch als Freundschaft bezeichnet, ist der zweite Kernaspekt der Beziehungssoziologie (vgl. Lenz, 2003).

Beziehungen zwischen Menschen sind „processes, not states, and are made up of several continually interacting components“ (Duck & Scants, 1993: 28). Demnach ist die These plausibel, dass Beziehungen einen Prozess darstellen und im Grunde von äußeren Umständen beeinflusst und somit mitgeformt werden. Ereignisse, die die beteiligten Personen während dieser Zeit sowohl gemeinsam aber auch jeder für sich erleben, prägen das interessierende Gebilde sozialer Verbindungen. Leopold von Wiese (1966) postulierte, dass „durch Beziehungen des einen Menschen zum anderen jeder von beiden veranlasst wird, sich anders zu verhalten, als wenn er bloß sich selbst (und seiner eigenen Seele) überlassen wäre“ (ebda.: 463). Jeder einzelne leistet demnach seinen Beitrag zum Fortbestehen der Beziehung durch sein Handeln, Denken und Fühlen, der meistens in Beziehung zu den anderen beteiligten Personen in dieser sozialen Konstellation steht. Diese „weisen eine komplexe Zeitstruktur auf, sie besitzen eine erinnerte Vergangenheit und eine antizipierte Zukunft, die beide der Gegenwart einer Beziehung ihre besondere Gestalt verleihen“ (Lenz, 2003: 29). Menschen sehnen sich nach persönlichen Beziehungen. Sowohl nach rein freundschaftlichen, sprich platonischen Bindungen, aber auch nach Beziehungen, die auf geschlechtlicher Anziehungskraft basieren. Sie wünschen sich Geselligkeit, Gesellschaft, Verständnis, Unterstützung und Befriedigung körperlicher und weiterer seelischer Bedürfnisse. Die Erfüllung dieser Wünsche versprechen sie sich meistens mit dem Eingehen und Aufbauen einer, eher auf Langfristigkeit ausgelegten, zwischenmenschlichen Beziehung (vgl. Hill & Kopp, 2002).

3.2. Soziale Beziehung

Sobald mindestens zwei Personen in Kontakt zu einander treten und diesen in gewisser Weise durch folgende Kontaktaufnahme, Interaktion und/ oder Kommunikation weiter ausbauen, wird bereits von einer sozialen Beziehung im Anfangsstadium ausgegangen. Diese begrenzt sich auf die Personen, die in dieser Konstellation vertreten sind. Sie entwickelt sich wenn der andere einem die Möglichkeit gibt die Fülle seiner Eigenschaften, sprich die Persönlichkeit, zu erfahren. Dies geschieht sobald Vertrauen vorhanden ist und der andere gewillt ist persönliche und intime Informationen einem preiszugeben. Das kann aller Voraussicht nach nur dann geschehen, wenn eine bestimmte Kontakthäufigkeit gegeben ist. Dieser Prozess ist von jedem Akteur abhängig, der an der Formung der Beziehung beteiligt ist (vgl. Yum &

Hara, 2005). Denn Beziehungen entstehen durch „gradual and orderly fashion from superficial to intimate levels of exchange as a function of both immediate and forecast outcomes“ (Taylor & Altman, 1987: 259). Ein weiterer Indikator sozialer Beziehungen ist, dass an den anderen gedacht wird, über ihn gesprochen wird und auch zukünftige Kommunikation mit ihm geplant wird (vgl. Schwalm, 1998).

Menschen haben ein starkes Bedürfnis Beziehungen zu anderen ein zu gehen und zu pflegen. Dieses wird besonders deutlich, wenn man sich im Alltag „umsieht“, es finden sich hier zahlreiche Beispiele wieder (beispielsweise Freundschaft, Eltern-Kind-Beziehung, kollegiale Beziehung, Liebesbeziehung, etc.). Zwischenmenschliche Beziehungen dienen in westlichen Gesellschaftsformen oder auch in Gesellschaften der „zunehmenden Individualisierung“ (Burkart, 2001: 27) nicht ausschließlich dazu das persönliche Dasein, sowohl in sozialer als auch ökonomischer Hinsicht, zu stabilisieren bzw. garantieren (vgl. Burkart, 2001; vgl. Döring, 2003; vgl. Hill & Kopp, 2002). Weitaus wichtiger ist es geworden „Verantwortung im Sinne von: sich intensiv um die Gefühle, um die Wünsche, um die Ängste usw. des anderen kümmern, nicht nur um sein äußeres Wohlergehen“ (Burkart, 2001: 30). Somit ist es weiterhin undenkbar und nicht vertretbar für jeden einzelnen von uns ohne soziale Bindungen aus zu kommen. Die Tatsache, dass der Anspruch an Beziehungen sich in den letzten Jahren gewandelt und nicht der prophezeite Zerfall der Beziehungskultur eingesetzt hat, muss den Vertretern der Meinung, dass die zwischenmenschliche Beziehung in einer Krise steckt, als Gegenargument aufgeführt werden.

Welche Arten von zwischenmenschlichen Beziehungen lassen sich unterscheiden, die insbesondere von Bedeutung für das Wohlbefinden eines jeden menschlichen Individuums sind? Zumal der Aufbau und Erhalt dieser im Allgemeinen die meisten Menschen als Lebensziel verfolgen. Gemäß Max Weber sind soziale Beziehungen „ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten“ (Weber, 1956: §3). „Der Inhalt kann der allerverschiedenste sein: Kampf, Feindschaft, Geschlechtsliebe, Freundschaft, Pietät, Marktaustausch“ (ebda.). In den nächsten Abschnitten der Arbeit wird lediglich auf drei grundlegende Formen sozialer Beziehungen eingegangen. Dazu zählt die Eltern-Kind-Beziehung, Freundschaft und die Liebesbeziehung, da diese Verbindungen eine vorherrschende und besonders einflussreiche Rolle im Leben eines Menschen spielen. Wobei die Liebesbeziehung oder auch Partnerschaft das Hauptaugenmerk auf sich lenken wird. Die Begründung ist darin zu finden, dass es essentiell ist zunächst die Grundlagen dieser Beziehungsform heraus zu arbeiten und zu verstehen. Um sie nachfolgend auf die Partnerschaften, die aus dem Chat hervorgehen, übertragend anwenden zu können.

3.2.1. Eltern-Kind-Beziehung

Diese Form der Beziehung ist unter normalen Umständen die erste, die jedes menschliche Wesen erfährt. Direkt nach der Geburt des Säuglings entsteht eine unvergleichlich starke natürliche Bindung, in aller ersten Linie, zur Mutter. Diese soziale Verbindung wird durch das folgende Stillen weiter ausgeprägt und gefestigt. Säuglinge haben einen angeboren Drang nach Zuwendung, die im Idealfall die Eltern ihnen zuteil werden lassen, jedoch mindestens seitens der Mutter. Neurobiologische Studien belegen, dass eine gestörte oder auch gänzlich fehlende zwischenmenschliche Bindung zu „Primärpersonen“ (Kreppner, 2001: 1) Folgen nach sich ziehen, die ein Individuum das restliche Leben über begleiten werden. Mögliche Konsequenzen wären die Unfähigkeit Beziehungen zu anderen Menschen auf zu bauen oder auch prosoziales Verhalten zu entwickeln. Fähigkeiten, Wahrnehmung und Denken werden bereits beeinflusst auch wenn das Kleinkind wenige Tage nach der Geburt von der Mutter getrennt wird, d.h. es im eigentlichen Verständnis noch keine psychische Wahrnehmung entwickeln konnte. Jedoch die „neurobiologische Orientierung“ (Bauer, 2006: 54; vgl. Kreppner, 2001), die bei der Geburt bereits voll entwickelt ist, wird vom Entzug der menschlichen Fürsorge und Zuwendung entscheidend tangiert (vgl. ebda.). Somit ist es unabdingbar und für jedes menschliche Wesen essentiell bereits von Geburt an eine stabile, zuwendungsreiche und zärtliche Beziehung zu den eigenen Eltern, d.h. den „Primärpersonen“ (Kreppner, 2001: 1) zu besitzen. „Wie etwa sich wiederholende Muster des Austausches über Gefühle verbunden werden mit wiederkehrenden Erfahrungen bei gemeinsamen Handeln mit anderen und wie diese Erfahrungen dann langsam beginnen, eine chaotisch erscheinende Welt für das Kind zu strukturieren, das mehr und mehr die Differenzen erkunden kann zwischen sich als eigenständiger Person und den anderen“ (Kreppner, 2001: 1; vgl. Harter, 1998). Dadurch soll eine Basis entstehen, auf der sie in ihrem späteren Leben gesunde und ausgeglichene soziale Beziehungen führen können. Der Mensch ist und bleibt ein auf sozialen Bindungen aufbauendes Lebewesen.

3.2.2. Freundschaft

Im Widerspruch dazu, dass Menschen auf soziale Beziehungen angewiesen sind, ja dass bereits die Stimme der Mutter vor der Geburt eines Kindes beginnt einen prägenden Einfluss auf jenes Individuum aus zu üben und sich daraus eine tiefe Bindung entwickelt (vgl. DeCasper et al., 1994), steht ein Aspekt den Charles Darwin mit seinem Werk über den Überlebenskampf eines Individuums aufgeworfen hat. Demzufolge sind alle Lebewesen, der Mensch mit eingeschlossen, eher auf den Kampf zwischen und innerhalb der Arten

[...]


[1] Im Rahmen dieser Arbeit wird Webchat und Chat synonym verwendet.

[2] In dem Kontext der vorliegenden Arbeit wird dieser Begriff synonym zu Internetnutzer und Internetbenutzer verwendet.

[3] Wachstumsraten: Von 1997 bis 1998: 61%; 1998 bis 1999: 68%; 1999 bis 2000: 64; 2000 bis 2001: 36%; 2006 bis 2007: 6% (vgl. Eimeren, Birgit van & Frees, Beate, 2007) URL: http://www.daserste.de/service/ardonl0107.pdf (Online-Dokument) (13.05.2008).

[4] Mehr zu den Verbreitungszahlen des Internets der US- amerikanischen Haushalte unter der URL: http://www.pewinternet.org/pdfs/PIP_Internet_Impact.pdf (26.05.2008).

[5] In der Informatik dient ein WWW-Browser als Programm, um HTML-Dokumente im WorldWideWeb (WWW) zu suchen und diese auf dem Computerbildschirm anzuzeigen (vgl. www.meyers.lexikon.de) URL: http://lexikon.meyers.de/meyers/Browser (15.05.2008).

[6] Eine nähere Erläuterung der verschiedenen Internetdienste und –angebote bietet: Abfalterer, Erwin (2007) Foren, Wikis, Weblogs und Chats im Unterricht; Döring, Nicola (2003): Sozialpsychologie des Internet.

[7] „Internetpräsenz, Website, ein Projekt im WWW, das aus mehreren Dokumenten besteht, zwischen denen mithilfe von Hyperlinks navigiert werden kann. Die zu einer Internetpräsenz gehörenden Dateien liegen auf einem Webserver, von dem die einzelnen Webseiten aufgerufen und mit einem auf dem lokalen Rechner laufenden Browser betrachtet werden.“ (www.meyers.lexikon.de). URL: http://lexikon.meyers.de/meyers/Website (09.05.2008).

[8] Englisch: electronic mail.

[9] Posting: Mitteilungen, die in Foren wie den Newsgroups oder virtuellen Gemeinschaften von den Nutzern dieser Dienste verfasst und auf einem „schwarzen Brett“ der Öffentlichkeit kommuniziert werden.

[10] Posten: eine Mitteilung veröffentlichen.

[11] „Unternehmens Informations- und Kommunikationsnetz“ (www.meyers.lexikon.de). URL: http://lexikon.meyers.de/meyers/Intranet (09.05.2008).

[12] Unter dem Begriff „reale Welt“ ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die Welt bzw. Wirklichkeit außerhalb des Internets und seiner Dienste gemeint.

[13] Chatter: Personen, die aktiv oder passiv in einem Chat agieren.

[14] Chat-Channel, Chat-Room oder Chat-Raum: virtuell erzeugter Treffpunkt in einem Webchat.

[15] Nickname auch Nick, Pseudonym, Spitzname in einem Chat.

[16] Wobei nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass keine Antwort ebenfalls eine Antwort und/ oder Reaktion darstellt; Desinteresse, Zeitmangel, Überforderung durch zahlreiche Anfrage seitens anderer Chatter, etc. sind mögliche Erklärungen für das Ignorieren einer Nachricht.

[17] Abgeleitet von der Serverbezeichnung: eris.berkeley.edu. URL: www.efnet.org (vgl. Döring, 2003)

[18] Abkürzung für "Uniform Resource Locator" - die Adresszeile für jedes beliebige Internet-Angebot. URLs können u.A. als links dienen, mit denen man von einer Website zur nächsten gelangt (vgl. www.computer-woerterbuch.de). URL: http://www.computer-woerterbuch.de/index.php?id=buch&suchen=U (13.05.2008).

[19] Eine Umfangreiche Übersicht über die aktuellen Angebote deutschsprachiger Webchats findet sich auf http//www.webchat.de.

[20] Der Besucherstatus wird gewöhnlich in Form von einer Zahlenreihenfolge den anderen anwesenden Chattern kenntlich gemacht, d.h. statt dem Nick „sgg“ erscheint „gast3324“ o.Ä.

[21] Chat-Channel Bezeichnungen des nichtkommerziellen Chat-Anbieters Mainfranken-Chat. URL: http//www.mainfranken-chat.de.

[22] Emoticon setzt sich aus den englischen Wörtern: Emotion und Icon zusammen (vgl. Schmidt, 2000).

[23] Multi User Domains/ Dungeons, Newsgroups und vermehrt auch E-Mails beinhalten ähnliche bzw. gleiche Sprachmittel.

[24] Im Englischen „computer-mediated communication (CMC)“ (Coleman et. al, 1999; Walther, 1992).

[25] Nicks sind keiner realen Vorlage entnommen, sondern frei erfunden. Übereinstimmungen mit existierenden Nicks sind nicht beabsichtigt.

[26] Wortkombination aus „Persönlichkeit“ und „wandeln“, um so das Charakteristikum dieser Personengruppe zu betonen.

[27] Eigene Wortkreation, um bildlich die Wandelfähigkeit vieler Chatter aus zu drücken.

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Partnerschaft aus dem Chat
Untertitel
Virtualität, Realität, Zweisamkeit
Hochschule
Universität Mannheim  (Fakultät für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Soziologie I
Note
3
Autor
Jahr
2008
Seiten
107
Katalognummer
V134590
ISBN (eBook)
9783640417551
ISBN (Buch)
9783640412457
Dateigröße
980 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Datensatz wurde anhand eines selbstkonstruierten Fragebogens direkt im Chat erhoben. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen eine Tendenz der Entwicklung auf dem Partnerschaftsmarkt.
Schlagworte
Partnerschaft, Chat, Virtualität, Realität, Zweisamkeit
Arbeit zitieren
Lydia Jeske (Autor:in), 2008, Partnerschaft aus dem Chat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134590

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Titel: Partnerschaft aus dem Chat



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