Soziale Ungleichheit und Menschen mit Behinderung. Frühförderung, schulische Integration und Berufliche Rehabilitation


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Ungleichheit
2.1 Der Begriff Soziale Ungleichheit
2.2 Historische Entwicklung in Deutschland
2.2.1 Vorindustrielle Gesellschaft
2.2.2 Frühindustrielle Gesellschaft
2.2.3 Industrielle Gesellschaft bis 1945
2.3 Theoretische Ansätze zu den Ursachen sozialer Ungleichheit
2.3.1 Karl Marx: Klassentheorie
2.3.2 Ulrich Beck: Individualisierungsthese

3 Soziale Ungleichheit und behinderte Menschen
3.1 Der Begriff Behinderung
3.2 Lebenslagen der behinderten Menschen: Ergebnisse des Mikrozensus 2003
3.2.1 Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse

4 Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenslagen behinderter Menschen
4.1 Frühförderung
4.2 Schulische Integration
4.3 Berufliche Rehabilitation
4.3.1 Berufsbilduncgswerke (BBW)
4.3.2 Berufsförderungswerke (BFW)
4.3.3 Werkstätte für Behinderte (Wfbs)

5 Schluss

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Vor wenigen Wochen chattete ich, wie so oft, mit einem Bekannten im Internet. Wir tauschten uns über die Neuigkeiten in unserem Leben aus. Ich erzählte meinem Bekannten, dass ich im Rahmen meines Studiums der Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Verhaltensbehindertenpädagogik auf der Suche nach einem Praktikum sei. Auf seine Frage, wo ich das Praktikum absolvieren möchte, antwortete ich: ,,Ich weiß noch nicht wo, aber ich möchte auf jeden Fall mit behinderten Menschen zusammenarbeiten.’’ Sein Kommentar dazu lautete: ,,Das könnte ich nicht!’’. Ähnliche Reaktion erlebe ich nicht selten. Es ist nur ein kleines alltägliches Beispiel, aber es zeigt ein großes gesellschaftliches Problem: die Ausgrenzung behinderter Menschen. Woran liegt es, dass Nichtbehinderte mit Behinderten scheinbar nichts zu tun haben wollen? Denken die Menschen in unserer Gesellschaft nicht nach, wie es Behinderten geht?

Mit dieser Arbeit möchte ich einen Beitrag zum Verständnis von der Lebenslage der Menschen mit Behinderung leisten.

Zu Beginn der Arbeit werde ich mich mit der grundlegenden Problematik der sozialen Ungleichheit befassen und damit eine Definition des Begriffes, die historische Entwicklung sozialer Ungleichheit und zwei ausgewählte theoretische Ansätze, vorstellen. Im Speziellen werde ich auf die Lebensumstände der Behinderten und ihre benachteiligte Position innerhalb der Gesellschaft eingehen und diese ausführlich anhand einer Statistik belegen. Zum Abschluss gebe ich einen Einblick in bisherige Maßnahmen um Behinderte besser in unsere Gesellschaft zu integrieren und ihre Lebenslage zu verbessern. Dabei beziehe ich mich ausschließlich auf die Frühförderung, schulische Integration und Berufliche Rehabilitation.

2 Soziale Ungleichheit

2.1 Der Begriff Soziale Ungleichheit

,,Soziale Ungleichheit liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den wertvollen Gütern einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.’’ (Hradil, 2001, S. 30) Menschen leben in vielfältigen gesellschaftlichen Gebilden (Familie, Betrieb), die durch zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Positionen geprägt sind. Die Mitglieder einer Gesellschaft unterscheiden sich in verschiedenen Merkmalen, z.B. Beruf, Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Wohnortgröße, Familienstand u. a. und ordnen sie in verschiedene soziale Gruppen, die durch gemeinsame bzw. unterschiedliche Lebensumstände geprägt sind. Demnach unterscheiden sich die Lebensumstände von einem Vorarbeiter und einem Meister, von Männern und Frauen, von jungen und alten Menschen. Diese vielfältigen Unterschiede bedeuten im Sinne einer ,sozialen’ Ungleichheit, dass Menschen aufgrund ihrer individuellen Lebensumstände besser oder schlechter, höher oder tiefer gestellt erscheinen.

Menschen, die über wertvolle Güter verfügen sind meist besser oder höher gestellt als die, die diese nicht besitzen, und haben damit einen höheren Status, der ihnen in der Regel auch bessere Lebensumstände ermöglicht (Wohlstand, Gesundheit, Sicherheit). Welche Güter wertvoll sind, legt jede Gesellschaft für sich fest. Die Werte ändern sich im Laufe der Zeit, abhängig von den jeweiligen Lebensumständen einer Gesellschaft. Heute ist Bildung ein wertvolles Gut. Im Mittelalter hingegen war ein hoher Bildungsabschluss recht unerheblich. 90ig Prozent der Bevölkerung waren unfreie Bauern, für die es nicht relevant war, ob sie lesen oder schreiben konnten. Weitere wertvolle Güter sind neben Bildung Einkommen, Macht und Prestige, die als klassische Dimensionen sozialer Ungleichheit gelten, sowie Arbeits-, Wohn-, Umwelt- und Freizeitbedingungen, die ,,neue’’ Dimensionen sozialer Ungleichheit darstellen.

In den soziologischen Begriff der sozialen Ungleichheit gehen nur die ,wertvollen’ Güter ein, die aufgrund der Stellung von Menschen in sozialen Beziehungsgefügen, regelmäßig ungleich verteilt werden (z.B. durch Einkommens- und Machtunterschiede).

(vgl. Hradil, S. 27-30)

2.2 Historische Entwicklung in Deutschland

2.2.1 Vorindustrielle Gesellschaft

Das Mittelalter in Deutschland war geprägt von einer starren Ständegliederung. Bereits mit der Geburt stand für den Menschen die Standeszugehörigkeit fest. Für das Kind eines Bauern stand fest, dass es aufgrund der Erbuntertänigkeit Eigentum des Lehnsherren ist. Damit einhergehend bestand für sie kein Recht auf Bildung, keine Chance eine andere Tätigkeit auszuüben oder auszuwandern. Ein Auf- und Abstieg zwischen den Ständen war objektiv unmöglich. Ausnahme bildeten die Ritter, die in der Lehenspyramide eine Stellung zwischen dem Adel- und dem Bauernstand innehatten. Erst im Absolutismus wurde die Ständegesellschaft aufgeweicht und ging in die Klassengesellschaft über. Gesellschaftliche Auf- und Abstiege wurden möglich.

(vgl. Hradil; S. 95-115)

2.2.2 Frühindustrielle Gesellschaft

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts schritt durch wirtschaftliche Reformen in Deutschland die Industrialisierung voran. Durch die Reformen entstand ein sozialer Wandel, durch den zwei neue Gesellschaftsgruppen entstanden, die sich später zu Klassen entwickelten, das Proletariat und die Bourgeoisie. Zwischen diesen beiden Klassen herrschte große soziale Ungleichheit, die hauptsächlich auf Besitz- oder Besitzlosigkeit beruht. Unterschiedliche Kultur und Lebensweisen führten zu einer unüberbrückbaren Trennung dieser beiden Klassen. Das Proletariat war auf Arbeit angewiesen, erhielt nur ein geringen Lohn und musste unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden (90 Stunden Woche, 7 Tage die Woche arbeiten, Frauen und Kinderarbeit, keine Sozialen Absicherungen). Die Bourgeoisie beutete die Arbeiterklasse in den Fabriken aus und steigerte so ihr Kapital.

Mit voranschreitender Industrialisierung entstanden neue Berufsgruppen, die zu einer Transformation der Klassen in Schichten führte.

(vgl. Hradil, S. 115- 129)

2.2.3 Industrielle Gesellschaft bis 1945

Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden in der Arbeiterklasse neue voneinander abgegrenzte Berufsgruppen. Innerhalb der Gesellschaft bildete sich eine Berufshierarchie, in der die Schichten unterschiedliches Prestige und Macht genossen. Die leitenden Angestellten sind eine neu entstandene Schicht, die sich durch ihre Berufsstellung Ansehen und Macht erworben haben. Der leitende Angestellte genoss eine höhere Bildung, bekam ein höheres Einkommen, führte einen anderen Lebensstil und unterschied sich darin von den anderen Arbeiterschichten.

Durch allgemein verbesserte Lebensbedingungen, die u. a. durch die Sozialgesetzen entstanden, gelangten mehr Menschen an Bildung und hatten damit bessere Berufschancen. Die Lage der Arbeitslosen und den von der Gesellschaft Ausgeschlossenen (z. B. Behinderte), blieb dennoch weiter schlecht. (vgl. Hradil 130-145)

2.3 Theoretische Ansätze zu den Ursachen sozialer Ungleichheit

2.3.1 Karl Marx: Klassentheorie

Karl Marx’ s Theorie entstand zur Zeit der Industrialisierung Mitte des 19.Jahrhunderts und zählt zu den klassischen Theorien sozialer Ungleichheit. Marx beobachtete und analysierte gesellschaftliche Verhältnisse und befasste sich mit den Fragen nach den Ursachen für soziale Ungleichheit, wie man die ungleichen Verhältnisse beheben kann und wie eine zukünftige Gesellschaft aussehen kann.

Marx entwickelte die Theorie, dass die Menschheit seit ihrer Existenz von Erscheinungen sozialer Ungleichheit begleitet wurde. Er unterteilte die gesellschaftliche Geschichte bis zu seiner Zeit in Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und Kapitalismus.

Die Gesellschaft im Kapitalismus ,,spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.’’(Marx, Engels, S.12) Die Bourgeoisie ist die Klasse der Besitzenden bzw. der Kapitalisten. Diese Klasse ist im Besitz von Fabriken, Kapital und Maschinen. Sie können die Wirtschaft lenken, aufgrund dass sie allein über die wertvollen gesellschaftlichen Güter verfügen und damit Arbeit anbieten können, die Produktion selbst bestimmen und Löhne nach ihren Vorstellungen festlegen. Durch die zunehmende Technisierung und dem Wettbewerb ist der Kapitalist dazu gezwungen ständig neue Produktionsmittel heranzuschaffen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Um den Eigengewinn trotz der kostenaufwändigen Neuerungen aufrecht zu erhalten, muss stetig mehr produziert werden und Löhne gesenkt werden. Durch den Ersatz der Arbeitskraft durch Maschinen kommt es zu Entlassungen, weiteren Lohnsenkungen und zur Verelendung der Arbeiter. Aufgrund der wirtschaftlichen Niederlage einzelner Kapitalisten gelangen mehr Produktionsmittel in die Hände von Wenigen, die alle das selbe Ziel verfolgen: die Erhaltung der bestehenden Verhältnisse.

Die zweite Klasse, die der Bourgeoisie gegenübersteht, ist das Proletariat (Nichtbesitzende, Arbeiter). Die Nichtbesitzenden müssen ihre Arbeitskraft an die Besitzenden verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und geraten damit in wirtschaftliche Abhängigkeit. Die besitzende Klasse macht sich diesen Umstand zu nutze und beutet die Arbeiter aus. Die Gesellschaft teilt sich in Bevorzugte und Benachteiligte, die ungleiche Lebenschancen haben und sich in ungleichen Lebenslagen befinden. Durch das sich im Proletariat entwickelnde Bewusstsein für diese gravierenden Ungleichheiten und die Unzufriedenheit damit, kommt es laut Marx zu einem Klassenkampf. ,,Proletarier aller Länder, vereinigt euch.’’ (Marx, Engels, S. 94) Die Klassen werden sich organisieren, das Proletariat in der Revolution siegen. Das Privateigentum über die Produktionsmittel wird abgeschafft, Löhne werden nach Leistung gezahlt und künftig werden sich Herrschaftsverhältnisse von Mensch über Mensch auflösen. Eine Klassenlose Gesellschaft, die sich nach den persönlichen Bedürfnissen der Menschen richtet, wird existieren .

(vgl. Marx, Engels; Hradil, S.52-56)

2.3.2 Ulrich Beck: Individualisierungsthese

Ulrich Becks Individualisierungsthese zählt zu den neueren Theorien sozialer Ungleichheit und ist heute noch Gegenstand soziologischer Kontoversen.

Als Ursache für den Individualisierungsprozess führt Beck die sich bis zu den 60iger Jahren zerfasernde Klassen- und Schichtgesellschaft an und die sich damit gewandelten spezifische Verhaltensweisen, Einstellungen und Mentalitäten. Durch zunehmenden Wohlstand, höheres Bildungsniveau und Mobilität erreicht jeder Mensch erweiterte Möglichkeiten sein Leben zu gestalten und seine Lebensumstände zu verbessern. Es bestehen keine Abhängigkeiten mehr von klassen- und schichtspezifischen Normen und Werten. Jeder Mensch hat die Möglichkeit gesellschaftlich auf oder abzusteigen. Ziel ist es persönliche Autonomie und Selbstverwirklichung zu erreichen. Durch die vielen verschiedenen Lebensstile und Lebensweisen entstehen wieder neue Varianten der Lebensgestaltung. Dieser Prozess ermöglicht es, dass sich Neues entwickelt, d.h. dass gesellschaftlich und wirtschaftlich Unerwartetes entstehen kann und die Zukunft eines Menschen nicht determiniert ist. Eine negative Erscheinung dieses Individualisierungsprozesses ist die Norm- und Orientierungslosigkeit und die damit verbundenen Versagensängste, Haltlosigkeit und Einsamkeit.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungleichheit und Menschen mit Behinderung. Frühförderung, schulische Integration und Berufliche Rehabilitation
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Grundlagen der Soziologie
Note
2,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V134656
ISBN (eBook)
9783640426850
ISBN (Buch)
9783640424634
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
soziale Ungleichheit, Menschen mit Behinderung, Frühförderung, Schulische Integration, lebenslagen behinderter menschen Mikrozensus, Berufliche Rehabilitation
Arbeit zitieren
Katharina Kantreiter (Autor:in), 2006, Soziale Ungleichheit und Menschen mit Behinderung. Frühförderung, schulische Integration und Berufliche Rehabilitation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134656

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