Politische Institutionen und Staatsverschuldung


Seminararbeit, 2009

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Normative Grundlagen der Staatsverschuldung in Deutschland

3. Öffentliche Verschuldung und Demokratie
3.1 Politiker und ihr Einfluss auf Budgetdefizite
3.2 Die Rolle des Wählers im Prozess der Staatsverschuldung
3.3 Parteien und ihr Verhältnis zur Staatsverschuldung
3.3.1 Die politische Partei im Allgemeinen
3.3.2 Parteien in Koalitionen
3.4 Das Wahlsystem und die Bedeutung für die Schuldenentwicklung
3.4.1 Das Verhältniswahlrecht
3.4.2 Das Mehrheitswahlrecht
3.4.3 Das Präsidialstaatssystem
3.4.4 Zwischenfazit
3.5 Der Föderalismus und sein Einfluss auf die Staatsverschuldung

4. Institutionelle Verschuldungsbegrenzung – National und europäisch
4.1 Verschuldungsbegrenzung auf nationaler Ebene
4.2 Verschuldungsbegrenzung auf europäischer Ebene

5. Kritik und Ausblick

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Staatsverschuldung und Wahlrecht in 17 OECD-Staaten

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Das zurzeit bedrückende und einheitlich zu beobachtende Fortschreiten der enormen Schulden der großen Nationen Europas, wird diese möglicherweise auf lange Sicht rui-nieren.“ (Übersetzung von Verfasser)[1]. Dieses über 200 Jahre alte Zitat von Adam Smith zeigt, dass das Thema Staatsverschuldung bereits sehr lange Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und dennoch nichts an Aktualität eingebüßt hat. Ging es Adam Smith um überwiegend ökonomische Gründe der Staatsverschuldung, soll in dieser Arbeit der Einfluss politischer Institutionen auf die Staatsverschuldung näher beleuchtet werden. Beispielhaft soll dabei die Rolle der Politiker, der Parteien (-Koalitionen), des Wahlsystems und des Föderalismus‘ näher betrachtet werden. Dafür ist es unerlässlich, zu klären, was zum einen unter einer politischen Institution und zum anderen unter Staatsverschuldung zu verstehen ist. Dabei sieht man sich allerdings dem Problem gegenüber, dass in der Literatur keine einheitliche Definition für den Begriff der politischen Institution existiert. In dieser Arbeit sollen aus diesem Grund, politische Institutionen „als Regeln, die die Interaktion zwischen politischen Akteuren wie Politi-kern, Bürokraten, Gerichten, Interessengruppen und Wählern ordnen“[2], verstanden wer-den. Ähnlich problematisch stellt sich die Situation bei der Definition des Begriffs der Staatsverschuldung dar. Neben der Unterteilung in verschiedene Arten der Schulden, zum Beispiel in interne und externe Schulden findet sich jedoch keine Definition des Begriffs der Staatsverschuldung. Der Gesetzgeber hat allerdings im Rahmen des Art. 115 Abs. I Satz 1 GG eine Aufzählung von Möglichkeiten des Staates, sich zu ver-schulden, vorgenommen. Auf Grund der Praktikabilität, soll in der vorliegenden Arbeit unter Staatsverschuldung, die Aufnahme von Krediten, Übernahme von Bürgschaften, Garantien, oder sonstigen Gewährleistungen verstanden werden, soweit sie in zukünfti-gen Rechnungsjahren zu Ausgaben führen[3].

2. Normative Grundlagen der Staatsverschuldung in Deutschland

Nachdem oben die Begrifflichkeiten definiert wurden, soll im folgenden Teil kurz auf die gesetzlichen Grundlagen für die Staatsverschuldung in Deutschland eingegangen werden. Maßgebend für die Kreditaufnahme des Staates ist der oben bereits erwähnte Art. 115 GG. Er normiert die Rechtmäßigkeitsvoraussetzung (Art. 115 I 2 HS 1 GG) und regelt den Ausnahmetatbestand der Staatsverschuldung (Art. 115 I 2 HS 2 GG). Die eben genannte Ausnahmeregel des Art. 115 GG kann jedoch nicht als völlig eigenstän-dig betrachtet werden. Viel mehr zeigt sich durch die Ausnahmeregelung der enge Sachzusammenhang mit dem Art. 109 II GG, welcher maßgebend, sowohl für die Staatsverschuldung in der Normallage, als auch im Falle einer Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts ist[4]. Neben den dargelegten nationalen Regelungen zur Staatsverschuldung existieren für Deutschland ebenfalls verbindliche internationale Regelungen. Beispielhaft soll an dieser Stelle der Art. 104 EG stehen. Als primär-rechtliche Norm des Europarechts genießt sie Anwendungsvorrang gegenüber den Re-gelungen des Art. 115 GG. Dies macht deutlich, dass die Staatsverschuldung nicht nur auf nationaler Ebene, durch Normen im Grundgesetz, sondern auch auf europäischer Ebene eine gewichtige Stellung einnimmt.

3. Öffentliche Verschuldung und Demokratie

In diesem Teil der Arbeit geht es darum, den Einfluss politischer Institutionen auf die Staatsverschuldung exemplarisch darzustellen. Dazu werden Politiker, Wähler, Parteien, das Wahlsystem und der Föderalismus und deren Beziehung zur Staatsverschuldung näher beleuchtet.

3.1 Politiker und ihr Einfluss auf Budgetdefizite

Als vom Volk gewählte Vertreter sind Politiker ein sehr wesentlicher Teil der Demokratie. Im Allgemeinen sollte man davon ausgehen können, dass Politiker, weil sie durch die Wahl des Volkes legitimiert wurden, sich um das nachhaltige Wohlergehen der Gemeinschaft kümmern, welcher sie die Position des Politikers zu verdanken haben. Jedoch kann man auch auf Politiker das ökonomische Kalkül der Nutzenmaximierung unter Nebenbedingungen anwenden[5]. Danach spielt die Wiederwahl in der Zielfunktion des Politikers eine überragende Rolle. Das bedeu-tet nicht, dass dem Politiker nicht das Wohlergehen der Bevölkerung am Herzen liegt, aber an oberster Stelle steht auch bei ihm die bestmögliche Befriedigung ei-gener Bedürfnisse. Dabei drängt sich die Frage auf, wie Politiker ihre Wiederwahl und somit ihre Macht versuchen zu sichern. Von Weizsäcker sieht eine Möglich-keit darin, dass die Politiker durch den relativ unbegrenzten Zugang zum Kapi-talmarkt, die Staatsausgaben im besonderen Maße kurz vor Wahlterminen anhe-ben[6]. Diese Staatsausgaben werden im Gegenzug durch die Aufnahme von Kredi-ten finanziert um so neue Wähler zu gewinnen. Würde man die Staatsausgaben durch Steuererhöhungen finanzieren, würden die Politiker sich in die Gefahr brin-gen, keine neuen Wähler zu gewinnen und bereits Gewonnene wieder zu verlie-ren[7]. Diese Form der Machtsicherung, welche von Buchanan und Wagner treffend mit „to spend without taxing“[8] bezeichnet wird, zeichnet sich im Besonderen da-durch aus, dass die Politiker den Aspekt der Lastenverschiebung gezielt ausnut-zen. Das bedeutet im Einzelnen, dass die Staatsausgaben heute erhöht werden, aber die Kosten der zusätzlichen Leistungen denen zugeschoben werden, die für die Politiker heute als potentielle Wähler irrelevant sind[9]. Es wird damit sehr gut sichtbar, wie schwer der Aspekt der Wiederwahl bei Politikern wiegt, und wie kurzfristig im gleichen Moment die Maßnahmen zur Erreichung dieser Wieder-wahl dimensioniert sind.

3.2 Die Rolle des Wählers im Prozess der Staatsverschuldung

Nachdem oben betrachtet wurde, inwiefern Politiker Einfluss auf die Staatsver-schuldung besitzen, soll der Fokus nun auf der Rolle des Wählers liegen. Wenn man sich nun, die oben diskutierte Problematik der Nutzenmaximierung von Poli-tikern, vor Augen führt, stellt sich die Frage, aus welchem Grund Politiker, trotz solcher Kurz-Frist-Programme vor den Wahlterminen, wiedergewählt werden. Dazu ist es wichtig festzuhalten, dass der Wähler, wie der Politiker seinen Nutzen maximieren will. Danach wird sich ein Wähler für diejenige Partei entscheiden, welche ihm das höchste Nutzeneinkommen gewährleistet[10]. Das Nutzeneinkom-men des Wählers steigt, je mehr er von den Ausgaben des Staates, zum Beispiel in Form von Transfers profitiert. Das bedeutet also, ein Wähler wird sich für die Par-tei entscheiden, deren Ausgabenprogramm am meisten mit seinen Präferenzen übereinstimmt. Neben den rein ökonomischen Gründen für die Wahl bestimmter Politiker / Parteien existieren noch Gründe, welche in der Eigenart des bestimm-ten Wählers liegen. Ein Grund ist unter anderem darin zu sehen, dass es Wähler gibt, welche das Konzept der Budgetgrenzen nicht verstehen und deshalb einer „Fiskalillusion“ unterliegen[11]. Das bedeutet, dass sich diese Wähler, hervorgeru-fen durch die Substitution der Steuer durch Verschuldung, reicher fühlen[12]. Diese Art von Wählern tragen demnach also indirekt durch Unwissenheit, darüber, dass Staatsverschuldung die Steuererhebung für Ausgaben lediglich in spätere Perio-den verschiebt, zur Staatsverschuldung bei. Es gibt allerdings auch Wähler, die die Auswirkungen von Verschuldung kennen und sie der Besteuerung dennoch vorziehen. Dies sind Wähler, welche damit rechnen, von der späteren Steuer nicht mehr getroffen zu werden[13]. Man kann daraus schließen, dass dies eine Alternati­ve speziell für betagtere Wähler sein könnte. In Zeiten des demographischen Wandels, könnte dies zukünftig, sowohl für unsere Gesellschaft, als auch jede an-dere Industrienation, ein nicht unerhebliches Problem darstellen.

3.3 Parteien und ihr Verhältnis zur Staatsverschuldung

Gegenstand des folgenden Teils soll sein, wie politische Parteien Einfluss auf die Staatsverschuldung nehmen. Dabei sollen die Parteien allgemein und im Weiteren speziell in Koalitionen betrachtet werden.

3.3.1 Die politische Partei im Allgemeinen

Die obigen Ausführungen in Bezug auf Politiker sind auf Parteien ebenso anwendbar. Im Einzelnen bedeutet das, dass zum Beispiel die Wahlpro- gramme im Einklang mit den Wählerpräferenzen stehen, mit Betonung der kurzfristig wirkenden Maßnahmen[14]. Der Grund dafür ist ebenfalls darin zu sehen, dass sie nach Möglichkeit ihre bereits errungene Macht sichern wol-len oder, insoweit sie bisher eine Oppositionspartei waren, Regierungsmacht anstreben. Zu differenzieren ist danach, dass es bei Regierungsparteien dar-auf ankommt, wie wahrscheinlich ein Machtverlust bei der anstehenden Wahl ist. Nach Heinemann ist das Motiv des „Schuldenmachens“ bei Par-teien, welche mit einem langen Zeitraum der Regierungsverantwortung rechnen können wesentlich geringer ausgeprägt[15]. Dies erscheint insofern logisch, weil Parteien tendenziell weniger Ausgaben kreditfinanzieren, wenn sie damit rechnen müssen, dass die nach hinten verlagerte Steuerbe-lastung der Wähler noch in ihre Regierungszeit fällt und sich somit die Chancen wiedergewählt zu werden verringert.

3.3.2 Parteien in Koalitionen

Komplizierter stellt sich die Situation hingegen bei Parteien einer Koalition dar, denn hier müssen die Parteien nicht nur die Präferenzen der Wähler be-rücksichtigen, sondern auch Vereinbarungen mit dem Koalitionspartner er-füllen. Nach Roubini und Sachs ist es des Weiteren nicht nur entscheidend, ob eine Partei allein oder in einer Koalition regiert, sondern auch wie viele Koalitionspartner an der Regierung beteiligt sind[16]. Aus empirischen Stu-dien zum Zusammenhang zwischen Parteienkoalitionen und Staatsverschul-dung können vier Beobachtungen abgeleitet werden.

(1) Je größer die Zahl der Koalitionspartner innerhalb einer Regierungs-koalition, desto höher fallen die Budgetdefizite aus.
(2) Je größer die Polarisierung zwischen den Parteien innerhalb einer Mehrparteien-Koalition, desto ausgeprägter die Neigung zu öffentlicher Verschuldung.
(3) Je kürzer die durchschnittliche Amtszeit einer Koalitionsregierung, desto höher ihre Budgetdefizite.
(4) Je unwahrscheinlicher der Gewinn der nächsten Wahl für eine regie-rende Koalition, desto größer der Hang zur Kreditfinanzierung öffent-licher Leistungen[17].

Diese vier Aussagen, drängen zu der Frage, warum besonders Koalitionsre-gierungen zu solch einer Defizitpolitik neigen. Roubini und Sachs sehen da-für drei Gründe. Den ersten Grund sehen sie darin, dass die einzelnen Koali-tionspartner unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Wählergrup-pen besitzen. Weiterhin befinden sich die Koalitionspartner in einem ele-mentaren Gefangenendilemma, denn die Koalitionspartner präferieren zwar Budgetkürzungen anstelle weiterer großer Defizite, jedoch möchte jeder der Koalitionspartner sein Budget gegen den Sparhaushalt schützen[18]. Am Ende des Dilemmas wird höchst wahrscheinlich die nicht-kooperative Lösung der Nichtreduzierung der Defizite stehen. Der zweite Grund der von den Auto-ren angeführt wird, besteht darin, dass jeder Koalitionspartner eine Verände-rung des Status-quo verhindern kann. Selbst kleine Parteien besitzen diese Macht, weil sie beispielsweise die Möglichkeit besitzen, die Koalition zu verlassen[19]. Der dritte und letzte Grund ist laut Roubini und Sachs darin zu sehen, dass die Durchsetzungsmechanismen zur Sicherstellung eines koope-rativen Ergebnisses, unter den Koalitionspartnern oft sehr schwach sind[20]. Es kann also als Zwischenfazit festgehalten werden, dass im Falle einer Kri-se, unter der Bedingung eines baldigen Machtverlustes, die Koalitionsregie-rung eher den politischen Kompromiss einer höheren Verschuldung finden wird, als Ausgabenkürzungen zu vollziehen[21].

[...]


[1] Smith, Adam (1776), The wealth of nations, Volume II S. 539.

[2] Siehe Pappenheim, Rainer (2000), S. 3.

[3] Siehe Art. 115 Absatz 1 Satz 1GG.

[4] Siehe BVerfGE 79, 311 (331) sowie Heun, Werner (2008), Grundgesetzkommentar Dreier, S. 1117 Rn. 18.

[5] Vgl. Heinemann, Friedrich (1994), S. 21.

[6] Vgl. von Weizsäcker (1992), S. 58.

[7] Vgl. von Weizsäcker (1992), S. 58.

[8] Vgl. Buchanan, J.; Wagner, R. (1977), S. 102.

[9] Vgl. von Weizsäcker (1992), S. 58.

[10] Vgl. Stalder, Inge (1997), S. 91.

[11] Vgl. Tabellini, G. / Alesina, A. (1990), S. 37.

[12] Vgl. Heinemann, Friedrich (1994), S. 24.

[13] Vgl. Heinemann, Friedrich (1994), S. 25.

[14] Vgl. Stalder, Inge (1997), S. 156.

[15] Vgl. Heinemann, Friedrich (1994), S. 40.

[16] Vgl. Roubini / Sachs (1989), S. 923.

[17] Siehe Zusammenfassung der Studien von Persson / Svensson (1989), Roubini / Sachs (1989), Alesina / Tabellini (1990) und Tabellini / Alesina (1990) in Stalder, Inge (1997), S. 214

[18] Vgl. Roubini / Sachs (1989), S. 924.

[19] Vgl. Roubini / Sachs (1989), S. 924.

[20] Vgl. Roubini / Sachs (1989), S. 924.

[21] Vgl. Heinemann, Friedrich (1994), S. 41.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Politische Institutionen und Staatsverschuldung
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V134667
ISBN (eBook)
9783640426911
ISBN (Buch)
9783640424931
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politische, Institutionen, Staatsverschuldung
Arbeit zitieren
Alexander Meyer (Autor:in), 2009, Politische Institutionen und Staatsverschuldung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134667

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