Laut der OECD weist die Bundesrepublik im europäischen Kontext die höchste Zuwanderungsrate auf (Schmalz-Jacobsen 1994). Demnach ist Deutschland als Einwanderungsland anzusehen, mag man es nun hören wollen oder nicht. Mit dem überfälligen Ende der Debatte um das „ob“ bezüglich der Zuwanderung erhält die Frage nach dem „wie“ neuen Raum. Im Segment der Ausländerpolitik wird seit einigen Jahren nach Integrationskonzepten gesucht. Mitte Oktober 2000 löste die vom ehemaligen Fraktionschef der Union, Friedrich Merz, verbreitete Auffassung, dass die Nichtdeutschen sich der „deutschen Leitkultur“ anpassen sollten, in der Öffentlichkeit eine heftige Debatte aus. Die Übernahme einer „deutschen Leitkultur“ als Maßstab der Integrationspolitik drückt offensichtlich die Erwartung nach Assimilation aus (Keskin 2005: 74). Dementsprechend äußerte sich einige Zeit später der Bundesinnenminister Otto Schily (2002): Integration hat „ […] die Einbeziehung in den Deutschen
Kulturraum zum Ziel. Die beste Form der Integration ist die Assimilierung“. Bislang wird gesellschaftliche Integration auf politischer Ebene als Assimilation an bereits bestehende Normen und Werte verstanden: Die Leitkultur bleibt unverändert und verlangt von den Zuwanderern Anpassung an die hiesige Kultur. „Die Zuwanderer
sollen ihre Fremdheit ablegen und sich unauffällig integrieren“ (Häußermann/Siebel 2004: 192).
Laut der OECD[1] weist die Bundesrepublik im europäischen Kontext die höchste Zuwanderungsrate auf (Schmalz-Jacobsen 1994). Demnach ist Deutschland als Einwanderungsland anzusehen, mag man es nun hören wollen oder nicht. Mit dem überfälligen Ende der Debatte um das „ob“ bezüglich der Zuwanderung erhält die Frage nach dem „wie“ neuen Raum. Im Segment der Ausländerpolitik wird seit einigen Jahren nach Integrationskonzepten gesucht. Mitte Oktober 2000 löste die vom ehemaligen Fraktionschef der Union, Friedrich Merz, verbreitete Auffassung, dass die Nichtdeutschen sich der „deutschen Leitkultur“ anpassen sollten, in der Öffentlichkeit eine heftige Debatte aus. Die Übernahme einer „deutschen Leitkultur“ als Maßstab der Integrationspolitik drückt offensichtlich die Erwartung nach Assimilation aus (Keskin 2005: 74). Dementsprechend äußerte sich einige Zeit später der Bundesinnenminister Otto Schily (2002): Integration hat „ […] die Einbeziehung in den Deutschen Kulturraum zum Ziel. Die beste Form der Integration ist die Assimilierung[2] “. Bislang wird gesellschaftliche Integration auf politischer Ebene als Assimilation an bereits bestehende Normen und Werte verstanden: Die Leitkultur bleibt unverändert und verlangt von den Zuwanderern Anpassung an die hiesige Kultur. „Die Zuwanderer sollen ihre Fremdheit ablegen und sich unauffällig integrieren“ (Häußermann/ Siebel 2004: 192).
Es stellt sich hierbei die Frage, ob ein Zuwanderer sich so integrieren bzw. assimilieren muss, dass er sich nicht mehr von anderen Menschen unterscheidet? Diese Forderung nämlich scheint hinter der Assimilationsthese zu stecken. Ich vertrete hingegen die Auffassung, dass die Eingliederung fremder Ethnien durch Assimilation im Sinne einer „Germanisierung“ kein Erfolg versprechendes Integrationskonzept darstellt. Es ist also zunächst notwendig, das Modell der assimilativen Sozialintegration wie es für die Ausländerpolitik grundlegend ist zu skizzieren. Anschließend werde ich durch die Anbringung von Kritik darlegen, dass die Assimilationstheorie (Esser) keine realistische Deskription zur Integration von Migranten liefern kann. Abschließend wird zu der These Stellung bezogen, dass die Integration von Migranten nicht mit Assimilation gleichzusetzen ist.
Bereits in den 80er Jahren konzipierte der Mannheimer Soziologe Hartmut Esser ein Modell der Sozialintegration[3] von Zuwanderern das sich in politischen Konventionen manifestierte und bis heute Gültigkeit hat. Essers Modell der Sozialintegration liegt eine Typologie der individuellen Sozialintegration zugrunde, die von zwei möglichen Zugehörigkeiten der Migranten zu sozialen Systemen - die Aufnahmengesellschaft und die ethnische Gruppe- ausgeht (Esser 1980). Die jeweiligen sozialen Systeme können sich entweder aus der kompletten Gesellschaft oder aus Teilen daraus konstituieren. In der ethnischen Gemeinde kann sich die Zugehörigkeit sowohl auf die Herkunftsgesellschaft als auch auf eine in der Aufnahmegesellschaft ansässige ethnische Gemeinde oder auf (transnationale) ethnische Netzwerke beziehen. Die vier
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Typen der Sozialintegration Angehöriger fremder Ethnien lassen sich entsprechend der verschiedenen Merkmale, auf die sich die Inklusion und die Exklusion der Sozialsysteme beziehen können beschrieben: Die Marginalität bezeichnet den Fall der Exklusion aus allen Gesellschaftssystemen. Die Segmentation bezeichnet die Inklusion in die ethnische Gruppe, aber den Ausschluss aus der Aufnahmegesellschaft. Die Mehrfachintegration konstruiert sich durch die Beteiligung an beiden sozialen Systemen. Die Assimilation entspricht dem Einschluss in die Aufnahmegesellschaft und dem Ausschluss aus der ethnischen Gruppe. Assimilation ist folglich der einzige Fall der „Angleichung“ allein an die Aufnahmegesellschaft[4].
Nach Esser erfolgt die Assimilation von Migranten in einem vierstufigen Prozess, dessen Dimensionen durch kausale Dependenzen aufeinander bezogen sind: Die kulturelle Assimilation als die Übernahme von Wissen, Fertigkeiten, kulturellen Vorstellungen und normativen „Modellen“ der autochthonen Gesellschaft. Die strukturelle Assimilation als die Übernahme von Rechten und die Einnahme von Positionen in (relevanten) Bereichen des jeweiligen sozialen Systems der Aufnahmegesellschaft, etwa in Bildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Die soziale Assimilation als die Aufnahme von sozialen (Primär-) Beziehungen und die Inklusion in familiäre Zusammenhänge und (Freundschafts-) Netzwerke. Schließlich, so Essers Postulat, führt der Integrationsprozess zur identifikativen Assimilation mit der Aufnahmegesellschaft durch die Entwicklung gewisser, auch emotional besetzter, Loyalitäten zum jeweiligen sozialen System (Esser 1980).
[...]
[1] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
[2] Interview mit der Süddeutschen Zeitung 27. Juni 2002.
[3] Die Sozialintegration von Migranten nimmt Bezug auf die Individuen und ihre Beziehungen in einem bestehenden gesellschaftlichen Kontext. Die individuelle Sozialintegration bezeichnet die Inklusion (bzw. die Exklusion) einzelner Akteure in bestimmte gesellschaftliche Bereiche und Institutionen und deren Folgen, etwa für Sprache, Bildung und Einkommen. Sozialintegration ist von Systemintegration zu unterscheiden, die sich auf ein soziales System und dessen Zusammenhalt als kollektive Einheit insgesamt bezieht (Hillmann 1994).
[4] Am Beispiel der Staatsangehörigkeit bezeichnet die Marginalität dann die „staatenlosen“ Migranten, die multiple Inklusion diejenigen mit „doppelter Staatsangehörigkeit“, und die Segmentation bzw. die Assimilation jeweils Migranten mit nur einer Staatsangehörigkeit, die des Herkunftslandes oder die des Aufnahmelandes.
- Arbeit zitieren
- Vanessa Evers (Autor:in), 2007, Die Sozialintegration ethnischer Minderheiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134779