Die Arbeit mit Märchen und Mythen in der Theaterpädagogik


Hausarbeit, 2008

29 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung:

Suche nach dem Sinn im Leben – der Beitrag der Märchen und Mythen

Von der Wirkung der Märchen

Die Kraft der Imagination im Erzählen und der Schauspielarbeit

Vom kindlichen Spiel zum künstlerischen Ausdruck

Von der Wirkung der Mythen

Heldenreise und Archetypen in Literatur, Theater und Film

Der Mythos als Vorbild

Homer als Erzieher des antiken Griechenland

Abschlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis:

Einleitung:

Als ich vor einigen Jahren auf den Mythenforscher Jospeh Campbell stieß, fand ich seine Forschungen sehr faszinierend. Parallel beschäftigten mich Archetypen und ihre Wirkungen. Nach und nach erschloss ich mir langsam die Welt der Märchen und Mythen. Später stieß ich dann auf den Theaterpädagogen und Gestalttherapeut Paul Rebiloth, der eine Art Heldenreise als Prozess kreativer Selbsterfahrung ausarbeitete. Ich beschloss, selbst an einer solchen Heldenreise teilzunehmen. Nebenher gründete ich zusammen mit Freunden eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema Grenzerfahrung und Initiation im Jugendalter auseinandersetzte. Angelehnt an das von Foster und Little entwickelte Ritual des „Vision Quest“, versuchten wir, ein auf unsere heutige Zeit abgestimmtes Initiationsritual für Jugendliche zu entwickeln. Langsam fing ich an die Prinzipien der Mythen und Märchen in den verschiedensten Formen der Pädagogik zu suchen. Auch während meines Deutschstudiums suchte ich Archetypen und Heldenreise in den verschiedensten Werken.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich nun dem Thema aus theaterpädagogischer Sicht nähern. Es ist ein Gebiet, das sicherlich schon viele Menschen fasziniert und beschäftigt hat, es meines Wissens jedoch bisher niemanden gab, der wissenschaftlich darüber geforscht hätte. Deshalb kann diese Arbeit nur ein Versuch sein Fragen anzureißen und zu weiteren Forschungen anzuregen.

Zu Beginn der Arbeit findet sich ein Kapitel über die „Suche nach dem Sinn des Lebens – und dem Beitrag von Märchen und Mythen.“ Dieses Kapitel ist wichtig, um aufzuzeigen, dass der Verlust eines Mythos, ob es ein alter oder moderner ist, eine Unsicherheit im Menschen auslösen kann. Denn wenn ein Mythos verschwindet und an seine Stelle kein anderer, neuer Mythos tritt, kann ein Gefühl der Orientierungslosigkeit entstehen. Im schlimmsten Fall verfällt man dann in ein Gefühl der Haltlosigkeit. Danach folgt ein Kapitel „von der Wirkung der Märchen“. Dieses Kapitel versucht u.a. mit Hilfe des Psychologen Bruno Bettelheim, die Wirkung von Märchen zu umreißen. Das anschließende Kapitel über die „ Kraft der Imagination im Erzählen und der Schauspielarbeit“ beschäftigt sich mit der Vorstellungskraft des Schauspielers und Erzählers.

Das Kapitel „vom kindlichen Spiel zum künstlerischen Ausdruck“ beschäftigt sich nicht direkt mit Märchen und Mythen, steht aber durch die Kraft der Vorstellung in enger Verbindung mit ihnen. Dieses Kapitel war vorher nicht geplant und entstand erst in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Unterschied zwischen dem kindlichen Spiel und der Theaterpädagogik. Ich entschied mich der Frage nachzugehen und diesen kleinen Abstecher in meine Arbeit aufzunehmen.

Danach widme ich mich mit dem Kapitel „von der Wirkung von Mythen“ wieder ganz dem Thema Mythos. Dabei wird zum ersten Mal die „Fahrt des Helden“ angesprochen, sowie der von Joseph Campbell herausgearbeitete „rites des passages“. Im nächsten Kapitel geht es dann auch um die Archetypenlehre von C.G. Jung. Dabei soll gezeigt werden, dass das Schema der Archetypen und der Heldenreise auch in vielen berühmten Filmen oder Theaterstücken seinen Platz hat. Mircea Eliade behauptet, ein Kennzeichen des Mythos sei es, Vorbilder für eine ganze Nation zu schaffen. Deshalb untersucht das Kapitel „Mythos als Vorbild“, ob ein Mythos tatsächlich als Vorbild fungieren kann. Als ich einen kleinen Abstecher in das antike Griechenland zu Homer machte, entdeckte ich, dass er durch seine Geschichten als einer der wichtigsten Erzieher des antiken Griechenland fungierte. Wieso und weshalb er das war, erfahren sie in dem Kapitel „Homer als Erzieher des antiken Griechenlands.“ Abschließend endet die Arbeit mit einer allgemeinen Schlussbetrachtung und eventuellen weiterführenden Forschungsfragen.

Suche nach dem Sinn im Leben – der Beitrag der Märchen und Mythen

„Das Traumgespinst des Mythos zerfiel, der Geist erwachte zu vollem Bewusstsein, und wie ein Schmetterling aus der Puppe oder die aufgehende Sonne aus dem Schoß der mütterlichen Nacht erhob sich aus dem alten Aberglauben der moderne Mensch“(Campbell, 1999, S. 370)

Für den modernen Menschen haben die alten Mysterien ihre Kraft eingebüßt. Wo sie früher den Menschen noch zum Staunen brachten und ihm gezeigt haben, wo es lang geht, können sie heute unserer Seele kein Interesse mehr entlocken. Doch was hat heute den wesentlichen Platz eingenommen, den der Mythos in den archaischen Gesellschaften innehatte? (vgl. Eliade, 1961, S. 21) Nun ist es der Mensch selbst, der ins Zentrum des Staunens gerückt ist. Der Mensch in seiner heutigen individuellen Erscheinung ist es, der uns Rätsel aufgibt. Der Mensch muss heute die Aufgabe der einstigen Mysterienstätten selbst übernehmen und selbst zu vollem Bewusstsein gelangen. Doch alle Verbindungsfäden zwischen den bewussten und den unbewussten Bereichen der Menschenseele sind durchschnitten: wir sind in zwei Hälften zersprungen. Deshalb geht es heute, in der modernen Zeit, darum, das verlorene Atlantis der unzerspaltenen Seele wieder ans Licht zu bringen. (vgl. Campbell, 1999, S. 371)

Den Weg dorthin muss jeder Mensch durch sein individuelles Abenteuer alleine gehen.

Seit einigen Jahrzehnten merken wir, wie alle Traditionen und Prägungen langsam verschwinden. Aus den Dingen, die früher einmal Orientierung und Halt boten, ist eine individuelle Freiheit entstanden. Jeder Mensch muss sich nun seinen eigenen Mythos suchen, der ihm Vorbild sein kann. Bei allem, was der Mensch heute tut, ist er auf sich selbst zurückgeworfen und muss sich auf sich selbst besinnen.

Viktor Frankl beschreibt in seinem Buch „Das Leiden am sinnlosen Leben“, wie immer mehr Menschen heutzutage an einem Gefühl der Sinnlosigkeit in ihrem Leben leiden. Frankl geht davon aus, dass an diesem Sinnlosigkeitsgefühl auch die weltweite Zunahme von Phänomenen wie Aggressivität, Drogenabhängigkeit und Selbstmord unter den Jugendlichen liegt. Wem es in seinem Leben nicht gelingt einen Sinn zu finden, wird in einem „existenziellen Vakuum“ landen. (vgl. Frankl, 1977, S. 11) Dieses Sinnlosigkeitsgefühl erklärt er sich mit dem Verlust der sinntragenden Traditionen, denn der Mensch im heutigen Zeitalter der Individualisierung ist ganz auf sich alleine gestellt. Er muss den Sinn seines Lebens aus sich selbst finden. Doch die Erziehung kann den Kindern und Jugendlichen dabei helfen.

„ Heute liegt, wie in früheren Zeiten auch, die wichtigste und schwierigste Aufgabe der Erziehung darin, dem Kind dabei zu helfen, einen Sinn im Leben zu finden. Dazu sind viele Wachstumserfahrungen nötig. Das Kind muss in seiner Entwicklung lernen, sich selbst immer besser zu verstehen; dann vermag es auch andere zu verstehen und schließlich befriedigende und sinnvolle Beziehungen mit ihnen herzustellen“ (Bettelheim, 1980, S.9)

Das wichtigste im Leben eines Menschen ist es, dass er einen Sinn in seinem Dasein findet. Hat der Mensch erst einmal einen Sinn für sich in seinem Dasein gefunden, wird er sein Leben ab diesem Zeitpunkt anders gestalten. Alles wird ihm sinnvoller und dadurch auch leichter fallen. Um einen tieferen Sinn in seinem Leben zu finden, muss man fähig werden, die engen Grenzen einer egozentrischen Existenz zu überschreiten und darauf vertrauen, dass man irgendwann einmal einen sinnvollen Beitrag zum Leben leisten wird. Doch um den Höhen und Tiefen des Lebens nicht hilflos ausgeliefert zu sein, muss man sich seine inneren Kraftquellen erschließen, so dass Gefühl, Phantasie und Intellekt sich bereichern und unterstützen können. Es sind die positiven Gefühle, die uns die Kraft geben, unseren Verstand zu entwickeln. Kinder finden ihren Sinn des Lebens oft von selbst, indem man ihnen Geschichten erzählt. Doch diese Geschichten für das Kind müssen von bestimmter Qualität sein.

„Soll eine Geschichte ein Kind fesseln, so muss sie es unterhalten und seine Neugier wecken. Um aber sein Leben zu bereichern, muss sie seine Phantasie anregen und ihm helfen, seine Verstandeskräfte zu entwickeln und seine Emotionen zu klären. Sie muss auf seine Ängste und Sehnsüchte abgestimmt sein, seine Schwierigkeiten aufgreifen und zugleich Lösungen für seine Probleme anbieten.“ (Bettelheim, 1980, S. 11)

Mit dieser Art von Geschichte meint Bettelheim das „Volksmärchen“. Für ihn ist nichts in der Kinderliteratur so fruchtbar und befriedigend wie das Volksmärchen. (vgl. ebenda)

Denn die Märchen berichten über die inneren Probleme des Menschen und bieten Lösungen für seine Schwierigkeiten. Oft erscheint dem Kind das Leben sehr verwirrend und es hat Schwierigkeiten sich selbst in dieser komplizierten Welt zu verstehen und dem Chaos seiner Gefühle einen Sinn zu geben. Dazu braucht es Hilfe und Anregungen von außen, um in seinem Inneren Ordnung schaffen zu können. Und diese Hilfe findet das Kind im Märchen.

Der Mythologieforscher Joseph Campbell definiert die Suche nach dem Sinn des Lebens zu einer Erfahrung des Sinns um:

„Ich glaube, was wir suchen, ist eine Erfahrung des Lebendigseins, so dass unsere Lebenserfahrungen auf der rein physischen Ebene in unserem Innersten nachschwingen und wir die Lust, lebendig zu sein, tatsächlich empfinden.“( Campbell,1994, S. 17)

Die Schlüssel, die dem Menschen dabei helfen sollen, das „Lebendigsein“ zu erfahren, sind auch bei Campbell die Mythen.

Von der Wirkung der Märchen

Märchen sind nicht bloß einfach Geschichten, sondern sie bergen einen tieferen Sinn in sich. Märchen setzen beim Kinde da an, wo es sich in seiner seelischen und emotionalen Existenz befindet. In einem Märchen kommen die schweren inneren Spannungen des Kindes so zum Ausdruck, dass es diese unbewusst versteht. Märchen berichten von den inneren Geschichten der Menschen. Sie geben auch Beispiele, wie die heftigen inneren Kämpfe der Heranwachsenden gelöst werden können. Sie sprechen die inneren Ängste (Angst vor dem Tod, vor dem Dunkeln oder dem Alleinsein) unmittelbar an und bieten Lösungen an, die das Kind verstehen kann.

Viele Erwachsene sind nicht bereit ihren Kindern mitzuteilen, dass vieles in unserem Leben nicht richtig ist und dass die Ursache dafür in unserer Natur liegt. Nämlich darin, dass wir Menschen oft aus Zorn und Angst, egoistisch, unsozial und aggressiv handeln. Sie wollen ihre Kinder glauben lassen, dass alle Menschen von Natur aus gut sind und haben daher Angst, ihren Kindern von den schlechten Figuren im Märchen vorzulesen. Kinder wissen aber, dass sie nicht immer gut sind; und oft, wenn sie es sind, wären sie es lieber nicht. Dies widerspricht dem, was sie von ihren Eltern hören und auf diese Weise kann ein Kind in seinen eigenen Augen zum Ungeheuer werden. Das Märchen vermittelt dem Kind, dass der Kampf gegen die heftigen Schwierigkeiten des Lebens untrennbar zur menschlichen Existenz dazugehört. Wenn man vor diesen Schwierigkeiten jedoch nicht zurückschreckt, sondern den oft unerwarteten und ungerechten Bedrängnissen standhält (wie der Held im Märchen), wird man schließlich als Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Märchen konfrontieren die Kinder mit den menschlichen Nöten und zeigen ihnen einen Weg zu ihrer Bewältigung. In einem Märchen sind die Figuren und Handlungen sehr klar gestaltet. Einzelheiten werden nur erzählt, wenn sie wichtig sind. Die Charaktere sind keine Individualitäten sondern verkörpern einen Typus. Gut (Prinz, Prinzessin) und Böse (Hexe, Drachen) werden meist in bestimmten Figuren und Handlungen im Märchen verkörpert. Dabei sind die Figuren jedoch nicht Gut und Böse, wie im Menschen veranlagt, sondern sie sind entweder Gut oder Böse. Die Darstellung der charakterlichen Polaritäten erleichtern es dem Kinde, den Unterschied zwischen Gut und Böse zu erfassen, was nicht so einfach wäre, wenn die Figuren lebensechter und so komplex wie wirkliche Menschen dargestellt wären. Je einfacher eine Figur gestrickt ist, desto leichter fällt es dem Kind auch, sich mit ihr zu identifizieren und die böse Figur abzulehnen. Im Märchen kann es sein, dass das Böse für kurze Zeit die Oberhand gewinnt, dann am Ende doch bestraft wird. Daran kann das Kind erkennen, dass sich das Böse nicht auszahlt. Somit kann ein Märchen in dieser Beziehung auch zur moralischen Erziehung beitragen.

„Nicht die Tatsache, dass die Tugend am Ende siegt, fördert die Moral, sondern dass der Held für das Kind am attraktivsten ist. Das Kind identifiziert sich mit dem Helden; es durchleidet mit ihm alle Mühen und Wirrsale und triumphiert mit ihm, wenn die Tugend schließlich belohnt wird.“

( Bettelheim, 1980, S. 15)

Mit dem Helden identifiziert sich das Kind von selbst und die inneren und äußeren Kämpfe des Helden bilden dann seine Moral. Das Kind identifiziert sich nicht mit dem Helden, weil er gut ist, sondern weil es das Wesen des Helden zutiefst anspricht.

Heutzutage gibt es kaum mehr die Sicherheit einer Großfamilie oder einer zusammengefügten Gemeinschaft. Viele der Kinder haben bereits die Erfahrung gemacht, was es bedeutet, verlassen zu werden. Deshalb ist es wichtig, die Kinder mit Helden zu konfrontieren, die ganz allein in die Welt hinausziehen müssen und die schließlich einen sicheren Platz in der Welt finden, wenn sie mit tiefem inneren Vertrauen ihren Weg gehen. Am Anfang ist der Held ganz auf sich gestellt, genau wie sich das Kind heute oft alleine fühlt. Dann trifft der Held auf einen Helfer (Baum, Tier etc.), muss Prüfungen bestehen, gegen das Böse kämpfen und heiratet schließlich die Königstocher. Diese Reise des Helden steht dem Kind tröstend zur Seite, so dass es das Gefühl hat, nicht alleine zu sein und eines Tages, wenn alle Abenteuer überstanden sind, vielleicht die Prinzessin/den Prinzen zu heiraten.

Oftmals erlebt man, dass Kinder bestimmte Lieblingsmärchen haben, die sie immer wieder hören möchten. Dann kann es sein, dass sie gerade aus diesem Märchen etwas für ihr Leben wichtiges entnehmen können. Erzählt man dem Kind dieses Märchen noch einige Male, hat es Zeit, dieses auf sich wirken zu lassen. Doch passiert dies beim Kind unbewusst, es ist sich über die Wirkung des Märchens nicht bewusst und das sollte man ihm auch nicht nehmen. Märchen raten nicht, was man zu tun hat, sie bieten Lösungen an und helfen dem Kind zu eigenen Lösungen zu kommen. (vgl. Bettelheim, 1980, S. 15-71)

„Um die Geschichte zu glauben und um deren optimistische Sicht Teil seiner Weltanschauung werden zu lassen, muss ein Kind das Märchen viele Male hören. Wenn es die Geschichte außerdem spielt, wird sie um so „wahrer“ und „wirklicher““. (Bettelheim, 1980, S. 70)

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Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Arbeit mit Märchen und Mythen in der Theaterpädagogik
Note
2,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
29
Katalognummer
V134829
ISBN (eBook)
9783640427307
Dateigröße
572 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeit, Märchen, Mythen, Theaterpädagogik
Arbeit zitieren
Ines Haier (Autor:in), 2008, Die Arbeit mit Märchen und Mythen in der Theaterpädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134829

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