Sozialpolitik der Regierung Brandt


Hausarbeit, 2001

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einordnung des Jahres 1969 in den makrozeitpolitischen Kontext

2. Die Sozialpolitik der Regierung Brandt. Zäsur? Realer radikaler Wandel oder heimliche Kontinuität?
2.1. Ausgangslage und Reformvorhaben
2.2. Rückschau auf die Sozialpolitik vor 1969. Leistungen und ungelöste Probleme
2.3. Vergleich der Sozialpolitik vor und nach 1969
2.3.1. Reformkonzeptionen
2.3.2. Sozialpolitische Maßnahmen. Reichweite, Erfolge und Misserfolge
2.3.2.1. Soziale Sicherung
2.3.2.2. Bildungspolitik
2.3.2.3. Steuerpolitik und Ziel Vollbeschäftigung
2.3.2.5. Diverse Statistiken bezüglich der Sozialpolitik der sozialliberalen Koalition
2.4. Ausblick auf die Zeit nach 1974 und 1982

3. Fazit

Literatur

1. Einordnung des Jahres 1969 in den makrozeitpolitischen Kontext

Das Jahr 1969 wird in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland oftmals als Wendepunkt betrachtet. Die epochenprägenden Studentenproteste fanden ausgangs des Jahres 1969 größtenteils ihr Ende. Zum ersten Mal seit 1949 waren die Unionsparteien nicht an der Regierung beteiligt und erstmalig stellten die Sozialdemokraten mit Willy Brandt den Bundeskanzler, auch wenn die SPD nicht als stärkste Fraktion aus der Bundestagswahl vom 28. September 1969 hervorgegangen waren.[1]

Die Ablösung der unionsgeführten Bundesregierung bot eine große Chance für einen grundlegenden Politikwechsel in zahlreichen Politikfeldern. Während die SPD in der Großen Koalition von 1966 bis 1966 unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger noch Juniorpartner in der Regierung war, hatte sie nun in der ersten sozialliberalen Koalition erstmals die Möglichkeit, ihrerseits die Akzente zu setzen. Auch wenn die Außenpolitik und die deutsch-deutsche Politik die innerbundesrepublikanische Politik oft in den Hintergrund treten ließ,[2] so bot sich dennoch besonders auf dem Feld der Sozialpolitik eine große Chance, sich inhaltlich von der zuvor implementierten Politik abzusetzen und andere Schwerpunkte zu setzen. Der Reformkatalog der sozialliberalen Koalition im Bereich der Sozialpolitik war daher auch sehr umfangreich und war Teil der von der SPD angestrebten „Politik der inneren Reformen“.

Hauptanliegen dieser Arbeit wird es sein, zu prüfen, inwieweit die Sozialpolitik tatsächlich modernisiert und reformiert werden konnte, in welchen Bereichen Fortschritte erzielt werden konnten und in welchen nicht. Auch soll dargelegt werden, ob es während der ersten Jahren der SPD/FDP-Koalition eine grundlegend andere Sozialpolitik gab und das Jahr 1969 auch in dieser Hinsicht eine Zäsur darstellt oder ob es in der Sozialpolitik nur einen vordergründigen und geschickt vermarkteten radikalen Wandel gab und die Sozialpolitik somit eher in heimlicher Kontinuität zur Zeit der Großen Koalition und den dieser vorausgegangenen schwarzgelben Koalitionen stand.

Zunächst soll auf die Ausgangslage und die Reformvorhaben der sozialliberalen Koalition im Bereich der Sozialpolitik eingegangen werden (Kapitel 2.1.). Hierbei bedarf es, um besser vergleichen zu können, sowohl Leistungen als auch ungelöste Probleme der Zeit vor 1969 aufzuzeigen (Kapitel 2.2.). Hiernach soll die Sozialpolitik der Regierung Brandt mit der zuvor durchgeführten Sozialpolitik verglichen werden (Kapitel 2.3.). Dies soll anhand mehrerer Kriterien geschehen. Um die Auswirkungen der Sozialpolitik unter Brandt besser einordnen zu können, soll zum Schluss auch ein Ausblick auf die Zeit nach 1974 und 1982 gegeben werden, weil es 1974 zu einem Kanzlerwechsel von Willy Brandt zu Helmut Schmidt bzw. 1982 zu einem abermaligen Koalitionswechsel der FDP hinüber und zurück zur Unionsfraktion kam (Kapitel 2.4.).

2. Die Sozialpolitik der Regierung Brandt. Zäsur? Realer radikaler Wandel oder heimliche Kontinuität?

2.1. Ausgangslage und Reformvorhaben

Mit dem Koalitionswechsel der FDP von der Union zur SPD nach der Bundestagswahl 1969 boten sich große Möglichkeiten für eine umfangreichen Politikwandel. Die SPD hatte sich in ihren Wahlversprechen einer „Politik der inneren Reformen“ verschrieben. Diese hatten im Bereich der Sozialpolitik die Eindämmung von sozialer Ungerechtigkeit und den Ausbau des Wohlfahrtsstaates zum Ziel. Letzterer beinhaltete den Ausbau der sozialen Sicherung und Bildungsreformen. Eine Steuerreform sollte verwirklicht werden und die Vollbeschäftigung gesichert werden.[3]

Die Zielvorgaben sollten mit einer Ausweitung des Leistungssystems und der Erhöhung von einzelnen Leistungen erreicht werden.[4] Zwar war die ideologische Distanz zwischen der Sozialstaatspartei SPD und der marktorientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik der Liberalen sehr groß, jedoch herrschte 1969 Aufbruchsstimmung und besonders in der Sozialpolitik gab es reichlichen Bedarf an Verbesserungen und Reformen.[5]

Der umfangreiche Reformkatalog der sozialliberalen Koalition umfasste zuvorderst den weiteren Ausbau der sozialen Sicherung, die vorsorgende Sozialpolitik und hierbei vor allem den Arbeits- und Unfallschutz sowie weitreichende Reformen im Gesundheitswesen. Außerdem sollten eine größere Chancengleichheit, ein sozialer Ausgleich und die Bekämpfung öffentlicher Armut im Vordergrund stehen.[6]

Durch das ungebrochene und auch weiterhin erwartete Wirtschaftswachstum – die Rezessionskrise von 1966/1967 hatte man sehr schnell überwunden – waren die Staatskassen gefüllt und somit war auch für die FDP genügend Spielraum gegeben, um die sozialpolitischen Vorhaben der SPD zu tolerieren, weil diese zumeist durch die Abschöpfung ökonomischer Zuwächse finanziert werden sollte und fast nicht durch die Umverteilung von Besitzständen.[7] Zudem wurden durch die Reformvorhaben der Koalition typische Domänen des FDP-Wählerklientels abgedeckt. Zu nennen sind hier vor allem die Erweiterung der Altersversicherung für Landwirte und die Öffnung der Sozialversicherung für Selbständige.[8]

Somit waren günstige Ausgangsbedingungen für einen grundlegenden Wandel in der Sozialpolitik war gegeben. Die Programmatik und die Reformvorhaben waren klar umrissen. Um diese aber besser in die langfristige Geschichte der bundesrepublikanischen Sozialpolitik einordnen zu können, muss ein Rückblick auf die Sozialpolitik der Jahre vor 1969 gegeben werden.

2.2. Rückschau auf die Sozialpolitik vor 1969. Leistungen und ungelöste Probleme

Während der beiden Legislaturperioden von 1957 bis 1965 war der sozialpolitische Reformeifer in der Bundesrepublik erlahmt und es kam nur noch in kleineren Sicherungsprogrammen zu bedeutenderen Weiterentwicklungen. Zu nennen sind hierbei die Sozialhilfereform von 1961, die die Rechtsposition der Leistungsempfänger stärkte, und die Neuregelung der Unfallversicherung im Jahr 1963. Zudem wurde 1960 die Mietbeihilfe für einkommensschwache Familien eingeführt. 1961 wurde das Kindergeld auf das zweite Kind ausgedehnt und 1964 erfolgte eine Leistungserhöhung. Die Leistung der Krankenversicherung wurde erweitert, die Lohnfortzahlung für Arbeiter und Angestellte wurde weiter angeglichen.[9]

Daher versuchte die Große Koalition ab 1966, einige der aufgestauten und überfälligen Reformen abzuarbeiten. Eine hinzukommende Schwierigkeit war es allerdings, dass die Sozialpolitik während der Jahre unter Bundeskanzler Kiesinger in ein ständiges Krisenmanagement miteinbezogen werden musste. Dies wurde notwendig, weil die Bundesrepublik erstens wohl jahrelang über ihren Verhältnissen im sozialpolitischen Bereich gelebt hatte[10] und zweitens die erste Rezession ihrer Geschichte im Jahre 1966 erlebt hatte. Hierbei kam es zwar zu Sparmaßnahmen, die jedoch von weitreichenden Weichenstellungen in ihrer Bedeutung klar übertroffen wurden. Dies führte in der Addition der Sparmaßnahmen und Leistungen zu einem Mehr an Gleichheit.[11]

Mit der Lohnfortzahlung für Arbeiter, dem Arbeitsförderungsgesetz und dem Finanzausgleich zwischen der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung wurden gleich drei bemerkenswerte sozialpolitische Gesetze verabschiedet. Sie gehören zu den großen Leistungen der Sozialpolitik in den drei Jahren der Koalition zwischen CDU, CSU und SPD. Auf der die Bevölkerung belastenden Seite müssen die Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung, die Ergänzungsabgabe vor allem auf höhere Einkommen, die Gebühr für Krankenscheine und ärztliche Rezepte und die Mehrwertsteuererhöhung 1968 genannt werden.[12]

Zunächst wurde die Rentenversicherung saniert, die in Finanzierungsprobleme geraten war, was nicht zuletzt auf die langfristigen Auswirkungen der Rentenreform zurückzuführen ist, welche 1957 noch unter der christlichliberalen Koalition von Konrad Adenauer beschlossenen worden ist. Die steigende Anzahl der Altersrentner und die Rezession waren ebenfalls Gründe für die Sanierung, die durch zwei Maßnahmen verwirklicht wurde. Während die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung gekürzt wurden, wurden die Abgaben zur Alterssicherung 1968 von 14% auf 15% und 1969 einen weiteren Prozentpunkt angehoben. Für das darauffolgende Jahr, in welchem die Große Koalition ja nicht mehr im Amt war, wurde bereits ein Prozentsatz von 17% beschlossen.

Ein weitere sozialpolitische Reform der Großen Koalition war die Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte in der Rentenversicherung sowie für die Beiträge der Angestellten zur Bundesanstalt für Arbeit. Hierdurch mussten alle Angestellten – und auch die Bezieher hoher Gehaltseinkommen, Mitgliedsbeiträge zur Rentenversicherung zahlen. Jedoch gab es eine Höchstgrenze, bis zu der die höheren Verdienstgruppen ihre Sozialversicherungsbeiträge anteilig ihres Bruttoverdienstes abführen mussten. Die Sozialabgabenbelastung hielt sich für Großverdiener daher in Grenzen.[13]

[...]


[1] Hier siegte die CDU/CSU mit 46,1% der Stimmen vor der SPD mit 42,7% und der FDP mit 5,8%.

[2] Jäger 1986, S. 127.

[3] Schmidt 1978, S. 228.

[4] Jäger 1986, S. 137.

[5] Schmidt 1998, S. 94.

[6] Schmidt 1998, S. 94.

[7] Schmidt 1978, S. 211.

[8] Schmidt 1998, S. 94.

[9] Alber 1989, S. 61.

[10] Hildebrand 1984, S. 300.

[11] Schmidt 1998, S. 93.

[12] Schmidt 1998, S. 90.

[13] Schmidt 1998, S. 91.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Sozialpolitik der Regierung Brandt
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Sozialpolitik
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V134861
ISBN (eBook)
9783640429844
ISBN (Buch)
9783640430062
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialpolitik, Regierung, Brandt
Arbeit zitieren
Dirk Wippert (Autor:in), 2001, Sozialpolitik der Regierung Brandt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134861

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