Das Phänomen Michael Moore


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I Inhaltsverzeichnis

1 Intention und Rezeption der Werke Moores

2 Moores Ansatz

3 Bowling for Columbine

4 Kritik an Bowling for Columbine

5 Fahrenheit 9/11

6 Kritik an Fahrenheit 9/11

7 Comedy-Auftritt, Gegen-Propaganda oder ernsthafter Journalismus?

II Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Intention und Rezeption der Werke Moores

„Wie kann es Ungenauigkeiten bei ‘comedy’ geben? (…) „Ich weiß nicht in welche Kategorie meine Filme fallen. Sie sind wie eine Filmversion einer Kommentarseite in der Zeitung und nicht eine traditionelle Dokumentation. Sie sind cinematische Essays, die meine Sichtweise präsentieren. Ich mag richtig oder falsch liegen, aber wenn ich etwas als ein Faktum darstelle, dann müssen mir die Zuschauer vertrauen, dass diese Fakten korrekt sind.“[1] (Michael Moore)

Neben der Arbeitsweise Moores soll die vorliegende Arbeit auch klären, ob es sich bei seinem Werk um einen reinen Comedy-Auftritt, Gegen-Propaganda oder ernsthaften Journalismus handelt. Moores Selbstverständnis ist aber sicher nicht das eines klassischen Dokumetarfilmers. Das zeigt schon folgendes Zitat: „Dokumentarfilme sind eine Art bittere Medizin. Also schütte ich ein wenig Zucker rein, damit es besser schmeckt.“[2]

Die Intention ist nun das eine, die Rezeption etwas anderes. Besonders die letzten beiden Filme von Michael Moore sind in der Menge der gerade erfolgreichen Dokumentarfilme zwei herausragende Beispiele für die zunehmende Akzeptanz nicht-fiktiver Stoffe beim Publikum. So hatte mehr als jeder zweite Amerikaner vor sich Fahrenheit 9/11 anzusehen, entweder im Kino oder auf Video/DVD.[3]

„Der Erfolg von politischen Dokumentarfilmen wie THE FOG OF WAR, FAHRENHEIT 9/11 und SUPER SIZE ME ist weniger ein Kino- als ein Medienphänomen. Zumindest in Amerika. Die Menschen strömen in Dokumentarfilme, weil sie sich von den amerikanischen Medien nicht oder nur selektiv informiert fühlen. Kino wird zum gemeinsam erlebten Nachrichtenereignis, das die Defizite des Fernsehens ausgleicht.“[4] (Tim Robbins)

Dieser Kritik an der Medienberichterstattung kann allerdings auch Kritik an eben diesen Dokumentarfilmen entgegengebracht werden: so sei der „Boom des dokumentarischen Kinos hauptsächlich von Filmen getragen (…), die das Ideal des Dokumentarischen verfehlen“.[5] Inwiefern sich Dokumentarfilme der Publikumswirksamkeit unterwerfen sollten, bleibt hier eine offene Frage.

Es sei außerdem „sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Juroren in der Kategorie Dokumentarfilm zu bitten, die Qualität eines Films nicht mit seinem Thema gleichzusetzen“[6] (Veranstalter eines Filmfestivals). Ob Moores Kritikererfolg unter anderem bei den Academy Awards und in Cannes vielleicht eher auf eine verwandte Geisteshaltung zurückzuführen ist als auf eine herausragende künstlerische Leistung, soll an dieser Stelle ebenfalls unbeantwortet bleiben.

2 Moores Ansatz

Bevor ich auf die zwei meist diskutierten Filme Moores näher eingehen werden, möchte ich seinen generellen Ansatz untersuchen.

Da wäre zum einen das von Moore zum Stilmittel erhobene sogenannte „ambush interview“[7], wortlich ein Interview aus dem Hinterhalt, das beim Interviewten über die Begeisterung im Mittelpunkt zu stehen natürliche Schutzmechanismen außer Kraft treten lässt.

Er bediehnt sich weiterhin der journalistischen Tradition des sogenannten „Muckracking“7: hierbei werden Machenschaften der zumeist Reichen und Mächtigen ans Tageslicht gebracht. Auch hier bringt das „ambush interview“ einen entscheidenden Vorteil, da so die Fragen nicht vorher geklärt werden müssen und die Interviewten (noch) nicht wissen, worauf sie sich einlassen. Bei den Zuschauern erzeugt die Intention hinter dem „Muckracking“ natürlich mehr Glaubwürdigkeit als bei dem Interviewten.

Gerne verknüpft Moore seine Themen auch mit seiner eigenen Biographie. In diesem Zusammenhang betont er dann seine eigenen Wurzeln aus der Unterschicht. Zudem signalisiert er mit seinem Äußeren: „Ich bin einer von euch“. Er trug bis vor kurzem immer eine Baseball-Mütze, eine wenig modische Brille, war schlecht rasiert, usw. Zusammen mit seiner wohl nicht beabsichtigten Fettleibigkeit ergab sich das stereotype Bild eines Durchschnittsamerikaners, dessen Erscheinungsbild so wenig mit dem eines Multimillionärs (wie Moore) gemein haben will.[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Und auch wenn er behauptet, dass er in seinen Filmen nur „als ein Stand-In für das Publikum“[9] existiere, zwingt seine fast ständige „on-camera-Präsenz“[10] den Zuschauer dazu sich mit ihm zu identifizieren. Er wird analog zu den dramaturgischen Mechanismen eines fiktiven Films zum Helden der Geschichte. Die „Instanz eines Subjekts der Vermittlung wird zum neuen Schauwert“.[11] Aus der Kultfigur Michael Moore wird durch ihren selbstreflexiven Umgang mit dem Medium Film der eigentliche Grund sich den Film anzuschauen.

Mithilfe eines stellenweise verwendeten „low-tech-look“10 - wobei das Material über- oder unterbelichtet oder verwackelt erscheint - impliziert er eine große Spontaneität bei Aktionen, die bei Moore sicher vieles sind, jedoch sicher nicht ohne Plan dahinter. Ein Beispiel wäre die durchaus geplante Aktion bei einem K-Mart in Bowling for Columbine, für die Moore zu Beginn stark überbelichtetes Material verwendet, bei dem man fast nichts mehr erkennen kann.

Moore verwendet bei seinen Filmen fast ebenso viel selbst gedrehtes Material für den Schnitt wie fremdes Material. Bei Bowling for Columbine waren dies je 200 Stunden.[12] Letzteres besteht aus schwarz-weiss- Aufnahmen, Nachrichtenausschnitten, Telefonmitschnitten, Szenen aus anderen Dokumentationen und Aufnahmen von Überwachungskameras und aus dem Polizeifunk. Dies soll einen gewissen Authentizitätsbeweis erbringen. Angelehnt ist dieser Mix an den sogenannten „tabloid style“[13] beliebter US-TV-Magazine, die diesen nutzen, um ja keine Langeweile aufkommen zu lassen. Außerdem nutzt Moore Ausschnite aus Werbefilmen, Cartoons, Spiel- und Fernsehfilmen. So scheint es ihm zu gelingen die Sprache seines Publikums zu sprechen.

Ein weiteres Charakteristikum seines Ansatzes sind Provokationen in enger Verbindung mit Komik um so ein Massenpublikum zu erreichen. Über seine Voice-over Kommentare oktroyiert er selbst eigentlich nichtssagenden Bildern seine subjektive Meinung auf. Auch die Chronologie von Ereignissen verliert bei Moore ihre Bedeutung, wenn es sein Zweck heiligt.

Da sein Ansatz einige Verbindungspunkte zum „Cinema Verité“ aufweist, stellt sich die Frage, ob Moore vielleicht ein Erbe dieses dokumentarischen Stils sein könnte? Auch wenn viele gemeinsame Ansätze erkennbar sind, bleibt Moore jedoch nie nur ein Beobachter, sondern leitet stets die gesamte Handlung. Ein Dokumetarfimer, der sich dem „Cinema Verité“ verwandt fühlt, hätte die Schusswaffenopfer vielleicht noch zu ihrer Aktion bei einem K-Mart provoziert, wäre aber nicht wie Moore noch zusätzlich vor der Kamera präsent gewesen. Die Subjektivität, die beim Cinema Verité anklingt, wird durch Moore also überdeutlich.13

3 Bowling for Columbine

Zunächst soll nicht unerwähnt bleiben, dass Moore vom Thema des Films, dem Waffenwahn vieler Amerikaner, durchaus direkt betroffen war, denn einer seiner Cousins wurde erschossen. Ein dokumentarisch-distanzierter Blick ist ihm somit (nicht zum ersten Mal) fremd, er kann sich als Anwalt der Opfer inszenieren.

In seiner legendären Oscar-Rede nach seinem Sieg für Bowling for Columbine äußerte Moore: „Wir mögen Nicht-Fiktives, weil wir in fiktiven Zeiten leben. Wir leben in einer Zeit, in der uns fiktive Wahlergebnisse einen fiktiven Präsidenten geben.”[14] Hier verteidigt Moore den Dokumentarfilm also noch „als wahrhaftiges Gegenkonzept zu einem gesellschaftspolitischen und medialen System, in dem sich (…) die Realität auflöse und durch die Fiktion ersetzt werde.“14 Seine wahre Einstellung dürfte denen, die er zu bekämpfen vorgibt, allerdings wesentlich näher kommen, nämlich, dass es zu jeder Aussage das passende Bild gibt und sollte es einmal nicht so sein, so wird es eben passend gemacht. Bleibt die Frage, ob der Dokumetarfilm in dergestalt „fiktiven“ Zeiten noch existieren kann.

Bei Bowling for Columbine muss man sich stellenweise wundern, ob man hier noch einen Dokumentarfilm, der durch Sachlichkeit, Objektivität und Authentizität gekennzeichnet sein sollte, oder eher einen Spielfilm, der sich durch Inszenierung, Manipulation und Indoktrination auszeichnet, vor sich hat. Ein Vergleich mit dem dokumentarisch inszenierten Spielfilm „Elephant“ von Gus van Sant, der sich näher mit dem Columbine-Massaker befasst, würde die verschwimmenden Grenzen des Dokumentarischen nur noch deutlicher werden lassen.

Moore verwendet exzessiv Strategien des Unerhaltungskinos wie die der Individualisierung, Identifizierung und Emotionalisierung. Ein schönes Beispiel dafür, wie wirksam und subtil er dies macht, findet sich, wenn man sich die verwendeten Sicherheitsaufnahmen aus der Schule in Columbine genauer ansieht. In diesen hat Moore den Hechtsprung eines Lehrers in Zeitlupe aufgelöst. Dies hat die Zuschauer so involviert, dass sich auf der Internetseite www.bowling-for-columbine.com überdurchschnittlich viele Menschen nach dem Wohl dieses einen Lehrers erkundigt haben, auch wenn um ihn herum dutzende junge Schüler in Gefahr waren.[15]

Doch bereits in den ersten knapp drei Minuten des Films nimmt Moore „die formale Ästhetik des gesamten Films vorweg: durch die Kompilation von unterschiedlichem, bereits vorhandenen Bild- und Tonmaterial mit neu gedrehten Material und einer von Moore gesprochenen Off-Erzählstimme wird ein Grundton geschaffen, der in erster Linie ironisch-satirisch ist.“15 Das s/w-Material verweist zugleich auf das Reaktonäre der NRA. Die anschließende Montagesequenz ist eingerahmt von zwei US-Symbolen: der Siegessäule und der Freiheitsstatue, aber das Wunschbild der gezeigten Bildfetzen wird durch unvermittelt eingeschnittene Zerstörungen aus dem Kosovo-Krieg kontrastiert. Die nächsten Einstellungen deuten einen inhaltlichen Zusammenhang von Columbine, Schule, Bowling und Waffenfetischismus an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Überblendung von einer bewaffneten Blondine zur Freiheitsstatue schließt die erste Kannonade zynischer Kommentare ab, während die Auflösung der Kamerabewegung um die Freiheitsstatue in Zeitlupe im Rahmen konventioneller Erzählmuster darauf verweist, dass eben kein gewöhnlicher Tag folgen wird, sondern Gefahr in Verzug ist.

[...]


[1] http://de.liberty.li/articles/moore.php

[2] Hüetlin, Thomas: „Bleib doch hier“. Der Spiegel 48/2003, S. 86

[3] Hass, Veronika: Ein Akt von Gegenpropaganda:

www.stern.de/unterhaltung/film/527452.html?eid=526897

[4] Bürger, Peter: Kino der Angst. Schmetterling-Verl. Stuttgart. 2005, S.558

[5] Kilb, Andreas im Gespräch mit Veiel, Andres: Wir brauchen ein Ethos des Dokumentarischen:

http://www.faz.net/s/Rub8A25A66CA9514B9892E0074EDE4E5AFA/Doc~E52B10AFADC124746ADF6F23BF467545F~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[6] Hohenberger, Eva: Bilder des Wirklichen. Vorwerk 8. Berlin. 1998, S.310

[7] Grammatikopulu, Despina: Michael Moore – Ein Erbe des Cinema Verite?:

http://www.movie-college.de/filmschule/Dokumentarfilm/Doku-Erbe.htm

[8] http://uglydemocrats.com/democrats/United-States/Michael-Moore/michael-moore-2.jpg

[9] http://film.guardian.co.uk/interview/interviewpages/0,,841083,00.html

[10] Grammatikopulu, Despina: Michael Moore – Ein Erbe des Cinema Verite?

[11] dfi – Roger and me:

http://www.dokumentarfilminitiative.de/archiv/farbegeldes/roger_vortrag.html

[12] http://film.guardian.co.uk/interview/interviewpages/0,,841083,00.html

[13] Grammatikopulu, Despina: Michael Moore – Ein Erbe des Cinema Verite?

[14] Rüsel, Manfred: Härter als die Wirklichkeit?:

http://parapluie.de/archiv/zeugenschaft/columbine/

[15] Rüsel, Manfred: Härter als die Wirklichkeit?

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen Michael Moore
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Dokumentarische Erzählweisen
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V134943
ISBN (eBook)
9783640429769
ISBN (Buch)
9783640429585
Dateigröße
729 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phänomen, Michael, Moore
Arbeit zitieren
Markus Staender (Autor:in), 2007, Das Phänomen Michael Moore, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134943

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