In dieser Arbeit über Gottfried von Straßburgs "Tristan" soll die Minnegrotten - Episode etwas näher betrachtet werden, welche eine bedeutende Rolle einnimmt.
Der Inhalt des Werkes ist allerdings keine Erfindung Gottfrieds, sondern eine Bearbeitung schon bekannter Vorlagen. Viele mittelalterliche Dichter haben bereits auf diese zurückgegriffen, da das Publikum vor allem vertraute Stoffe bevorzugte. Die Autoren suchten sich daher Vorbilder, deren Themen sie neu überarbeiten konnten. Damit wurden alte Texte aktualisiert und Bezüge zur Wirklichkeit hergestellt, um es dem Publikum zu erleichtern Analogien zum eigenen Leben zu finden. Gottfried erwähnt selbst in seinem Prolog, dass er lange nach einer Vorlage gesucht hat. Die Bearbeitung durch Thomas von Britannien erschien ihm als die einzig Richtige, deshalb nutze er sie auch als Vorbild für seine Fassung.
sine sprâchen in der rihte niht,
als Thômas von Britanje giht,
der âventiure meister was
und an britûnschen buochen las
aller der lanthêrren leben
und ez uns ze künde hât gegeben.
Als der von Tristande seit,
die rihte und die wârheit
begunde ich sêre suochen
in beider hande buochen
walschen und latînen
und begunde mich des pînen,
daz ich in sîner rihte
rihte diese tihte.
Auch Thomas hat den Stoff lediglich bearbeitet und ging wahrscheinlich, wie viele Andere, von dem nicht überlieferten Werk, der „Estoire“ aus. Aber Gottfried übernahm dessen Inhalt nicht unbewertet. Seine Fassung und die Thomas` weisen Gegensätze in einigen Episoden auf, welche noch etwas näher in dieser Arbeit betrachtet werden. Auch bei der Ausführung der Minnegrotte lassen sich Abweichungen finden.
Die Darstellung der Grotte in der Waldleben - Episode kann als Allegorie verstanden werden. Diese Methode der Schriftauslegung dient dazu, den hinter dem Wortlaut verborgenen Sinn zu entschlüsseln. Im Mittelalter nutzte man sie vor allem dazu, die Bibel auszulegen, deren Wahrheit durch den Buchstabensinn verhüllt wurde. Damit konnte ein einheitliches Verständnis geschaffen werden.
Zum ersten Mal in der deutschen Sprache taucht die weltliche Allegorie in Gottfrieds Tristan (um 1210) auf. Die Allegorese wird in der Minnegrottenszene auf einen nicht-geistlichen Inhalt übertragen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Vorgeschichte
2.1 Situation am Hof
2.2 Die Verbannung
3 Die Minnegrotte
3.1 Aufbau der Szene
3.2 Beschreibung der Grotte
3.3 Das Speisewunder
3.4 Das Gesellschaftswunder
3.5 Die Auslegung der Minnegrotte
3.6 Autobiographischer Bezug
3.7 Grottenleben
3.8 Erzählung antiker Liebesgeschichten
3.9 Rolle der Musik
4 Der wunderbare Hirsch
5 Die Entdeckung
6 Illustration der Minnegrotte
7 Die Rückkehr
8 Fazit
1 Einleitung
In dieser Arbeit über Gottfried von Straßburgs "Tristan" soll die Minnegrotten - Episode etwas näher betrachtet werden, welche eine bedeutende Rolle einnimmt.
Der Inhalt des Werkes ist allerdings keine Erfindung Gottfrieds, sondern eine Bearbeitung schon bekannter Vorlagen. Viele mittelalterliche Dichter haben bereits auf diese zurückgegriffen, da das Publikum vor allem vertraute Stoffe bevorzugte. Die Autoren suchten sich daher Vorbilder, deren Themen sie neu überarbeiten konnten. Damit wurden alte Texte aktualisiert und Bezüge zur Wirklichkeit hergestellt, um es dem Publikum zu erleichtern Analogien zum eigenen Leben zu finden. Gottfried erwähnt selbst in seinem Prolog, dass er lange nach einer Vorlage gesucht hat. Die Bearbeitung durch Thomas von Britannien erschien ihm als die einzig Richtige, deshalb nutze er sie auch als Vorbild für seine Fassung.
sine sprâchen in der rihte niht,
als Thômas von Britanje giht,
der âventiure meister was
und an britûnschen buochen las
aller der lanthêrren leben
und ez uns ze künde hât gegeben.
Als der von Tristande seit,
die rihte und die wârheit
begunde ich sêre suochen
in beider hande buochen
walschen und latînen
und begunde mich des pînen,
daz ich in sîner rihte
rihte diese tihte.1
Auch Thomas hat den Stoff lediglich bearbeitet und ging wahrscheinlich, wie viele Andere, von dem nicht überlieferten Werk, der „Estoire“ aus. Aber Gottfried übernahm dessen Inhalt nicht unbewertet. Seine Fassung und die Thomas` weisen Gegensätze in einigen Episoden auf, welche noch etwas näher in dieser Arbeit betrachtet werden. Auch bei der Ausführung der Minnegrotte lassen sich Abweichungen finden.
Die Darstellung der Grotte in der Waldleben - Episode kann als Allegorie verstanden werden. Diese Methode der Schriftauslegung dient dazu, den hinter dem Wortlaut verborgenen Sinn zu entschlüsseln. Im Mittelalter nutzte man sie vor allem dazu, die Bibel auszulegen, deren Wahrheit durch den Buchstabensinn verhüllt wurde. Damit konnte ein einheitliches Verständnis geschaffen werden.
Zum ersten Mal in der deutschen Sprache taucht die weltliche Allegorie in Gottfrieds Tristan (um 1210) auf. Die Allegorese wird in der Minnegrottenszene auf einen nicht-geistlichen Inhalt übertragen.2
2 Vorgeschichte
2.1 Situation am Hof
Tristan und Isolde sind beide wieder an Markes Hof und haben die Situation im Griff. Sie können ihre Liebe scheinbar gut verbergen und lassen sich nicht mehr zu Unvorsichtigkeiten verleiten.3 Doch der König hat dazu gelernt und schenkt dem, was die Beiden vorgeben, keine Beachtung mehr. Er beobachtet die Liebenden und deren Gesichtsausdrücke genau.4 Letztlich erkennt er in ihren Blicken und Gebärden die Wahrheit.
2.2 Die Verbannung
Durch das Spiel der süezen gebaerde (V. 16469) gerät Marke schließlich in Zweifel und arcwân (V. 16455), welche sich zu leit unde zorn (V. 16519) wandeln. Er ist eifersüchtig und rasend vor Zorn. Er kann sich vor blinder Liebe zu Isolde nicht mäßigen und es scheint ihm egal zu sein, ob an den Gerüchten etwas Wahres dran ist. Er wirkt affektgesteuert und die Verbannung könnte man dann als Fehlleistung des Königs sehen.
daz was sô rehte minneclîch,
sô süeze und alsô senerîch,
daz ez im an sîn herze gie
und solhen zorn dâ von gevie,
solhen nît und solhen haz,
daz er diz unde daz,
zwîvel unde arcwân
allez z'einer hant lie gân.
im haete leit unde zorn
sinne unde mâze verlorn.5
Er zitiert das Paar vor den Hof und verbannt es unter ausdrücklichem Racheverzicht. In einer langen Rede nimmt er Abschied von ihnen. Der König muss sie ins Exil schicken, da durch diese Dreiecksbeziehung seine êre, sowie sein Amt und seine gesellschaftliche Position in Gefahr sind.6
der künec der wizzentlîche hât
an minnen cumpanîe,
deist michel dorperîe.7
Man muss hervorheben, dass der Herrscher sie aus seinem Reich weist, sie müssen jetzt also gehen. Der König tritt sogar gerne (V. 16613) zurück und wünscht ihnen, dass sie gote ergeben varn mögen (V. 16617) . Beide haben von Marke, Isoldes Ehemann und Lehnsherren von Tristan, die völlige Freiheit erhalten. Er überlässt sie ihrem eigenen muote in der Liebe und im Leben.8 Marke handelt nicht nur als verschmähter Ehemann, sondern vor allem als König, der seine Macht verteidigen muss. Die Verbannung ist auch eine Verstoßung aus dem konventionell gesicherten höfischen Kontext, welcher nicht mit der so genannten Ehebruch- Minne vereinbar ist.
Das Paar wirkt nur mäßig bekümmert, was die Verse 16623-16625 verdeutlichen:
Tristan und sîn vrouwe Îsôt
si nigen mit maezlîcher nôt,
mit küelem herzeleide
Sie machen sich auf den Weg zur Minnegrotte, welche Tristan durch Zufall auf der Jagd entdeckt hat. Die Liebenden nehmen lediglich Harfe, Schwert, Armbrust und Horn, etwas Gold und Nahrung mit in die Wildnis. Begleitet wird das Paar durch Kurvenal und den Jagdhund Hiudan.9 Brangäne soll am Hof zurückbleiben, um später eine mögliche Aussöhnung mit Marke vermitteln zu können. Sie bleibt Mittlerperson und damit der höfischen Welt zugehörig. Im Gegensatz zu Karvenal, welcher eindeutig auf Seiten der Liebenden steht. Eine mögliche Rückkehr des Paares wird damit durch Gottfried schon vorbereitet.
wan daz si sî dâ durch den list
eine kurzlîche vrist
tweln unde belîben hiezen
und sî bî Marke liezen,
daz sî die suone von in zwein
wider Marken aber trüege in ein.10
Aber warum gehen Tristan und Isolde nicht gemeinsam nach Parmenien oder an den irischen Hof? Auch dort wären die beiden Ehebrecher und würden in Konflikt mit der höfischen Gesellschaft geraten. „Tristan und Isolde sind höfische Identitäten, die zueinander in unhöfischer Beziehung stehen.“11 Kurvenal wird sogar dazu aufgefordert, an Markes Hof zu verbreiten, das Paar wäre nach Irland gefahren, um seine Unschuld zu beweisen.
daz Tristan und diu schoene Îsôt
mit jâmer und mit maneger nôt
hin wider z'Îrlande waeren,
ir unschulde offenbaeren
wider liut und wider lant.12
Der Skandal betrifft also nicht nur den Marke-Hof, sondern die gesamte höfische Welt. Die Verbannung ist ein Ausschluss aus der Gesellschaftsordnung. Aus diesem Grund müssen sich die beiden in die Wildnis zurückziehen, um dort ihre Liebe ungestört leben zu können.
3 Die Minnegrotte
Nach einer zweitägigen Reise erreichen Tristan und Isolde die Höhle. Diese und die Umgebung werden ausführlich beschrieben.
3.1 Aufbau der Szene
Das folgende Kapitel ist nach einem genauen Schema aufgebaut, welches Ankunft, Aufenthalt und Rückkehr durch einen exakten Handlungsfaden miteinander verbindet. Die Beschreibung des locus amoenus bildet dabei immer ein verbindendes Element, das viermal auftaucht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten13
An Hand dieses Aufbaus soll die Minnegrotten- Episode näher analysiert werden.
3.2 Beschreibung der Grotte
Diese wurde in frühen Zeiten von heidnischen Riesen als Schutzstätte für ihre heimlichen Minnefreuden in den Berg gehauen. Schon Thomas lässt seinen Statuensaal im Herrschaftsgebiet eines Riesen erbauen, welches durch einen Fluss vom Machtbereich des Herzogs getrennt ist. Gottfried überträgt diese räumliche Funktion in eine zeitliche.14
daz selbe hol was wîlent ê
under der heidenischen ê
vor Corinêis jâren,
dô risen dâ hêrren wâren,
gehouwen in den wilden berc.15
Die Minnegrotte Gottfrieds bietet den Vertretern der gesellschaftsfeindlichen Minne nach ihrer Verbannung vom Hof vorübergehend Zuflucht. Gottfried benennt sie zunächst französisch: la fossiure a la gent amant und übersetzt dies sofort: daz kiut der minnenden hol. Diese Höhle liegt mitten in der Wildnis von Gebirge, Wald und Heide umgeben.16 Anschließend wird die Grotte ausführlich beschrieben. Sie ist rund, weit, hoch und steil, schneeweiß, überall eben und glatt. Das Gewölbe ist prächtig geschlossen und oben auf dem Schlussstück befindet sich eine zierlich geschmiedete Krone, die mit edlen Steinen geschmückt ist. Der Boden ist glatt, sauber und kostbar aus grasgrünem Marmor. Mitten im Raum steht ein Bett aus Bergkristall mit einer Inschrift die es der Göttin Minne weit.
diu fossiure waere
sinewel, wît, hôch und ûfreht,
snêwîz, alumbe eben unde sleht.
daz gewelbe daz was obene
geslozzen wol ze lobene.
oben ûf dem slôze ein crône,
diu was vil harte schône
mit gesmîde gezieret,
mit gimmen wol gewieret
und unden was der esterîch
glat unde lûter unde rîch,
von grüenem marmel alse gras.
ein bette in mitten inne was
gesniten schône und reine
ûz cristallînem steine
hôch unde wît, wol ûf erhaben,
alumbe ergraben mit buochstaben,
und seiten ouch die maere,
daz ez bemeinet waere
der gottinne Minne.17
Gottfried erläutert alles sehr genau, da er hier schon auf die spätere Ausdeutung hinarbeitet. Er sagt auch, dass sie Minnegrotte senkrecht in die Erde eingelassen ist, so dass das Licht von oben durch die kleinen Fensterchen einfallen kann. Verschlossen wird die sie durch eine eherne Tür.
zer fossiure oben inne
dâ wâren cleiniu vensterlîn
durch daz lieht gehouwen în,18
In den Versen 16730 bis 16772 kommt es zur ersten Beschreibung des Lustortes. Um diesen wunderbaren Platz herrscht nur Wildnis und Wüste. Das Tal ist von einem Felsgürtel umgeben, welche man als Schutz vor der Außenwelt deuten könnte. Über dem Grotteneingang befinden sich drei Linden, die drei weiteren Linden über der Quelle entsprechen. Die Grotte saugt ein, die Quelle sprudelt hervor. Dadurch wirkt die Idylle nicht starr, sondern befindet sich in Bewegung.19 Der locus amoenus wird als besonders lieblicher Ort geschildert. In dieser schönen Landschaft sprudelt eine Quelle, es ist Wasserrauschen sowie Vogelgesang zu hören. Grüne Bäume bieten Schutz vor Wind und Wetter. Auch im Iwein Hartmanns von Aue wird, in der Versen 612 bis 628, so ein wunderbarer Ort beschrieben. Allerdings kommt es hier zur Zerstörung der Natur durch ein Unwetter.
[...]
1 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.149-162.
2 http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~mv318438/mittelalterlicheliteratur/die_allegorische_textauslegung.htm. 23.06.2007.
3 Baisch, M.: Textkritik als Problem der Kulturwissenschaft. S.228-229.
4 Haferland, H.: Höfische Interaktion S. 298.
5 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16507-16516.
6 Baisch, M.: Textkritik als Problem der Kulturwissenschaft. S.230-231.
7 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16614-16616.
8 Tax, P.W.: Wort, Sinnbild, Zahl im Tristanroman. S. 117-118.
9 Baisch, M.: Textkritik als Problem der Kulturwissenschaft. S.231.
10 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16673-16678.
11 Kolerus, A.: Aula memoriae. S. 91.
12 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16777-16781.
13 Huber, Chr.: Gottfried von Straßburg. Tristan. S. 99.
14 Kolerus, A.: Aula memoriae. S.99.
15 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16689-16693.
16 Kolb, H.: Zur Allegorie der Minnegrotte in Gottfrieds Tristan. S. 309.
17 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16704-16724.
18 Gottfried von Straßburg: Tristan. V.16724-16726.
19 Huber, Chr.: Gottfried von Straßburg. Tristan. S. 100.
- Arbeit zitieren
- Daniela Kirchert (Autor:in), 2006, Über Gottfried von Straßburgs "Tristan", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134998
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.