Sozialisationstheorie und Rollenschema nach Parsons


Hausarbeit, 2005

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Persönlichkeitsbildung durch Sozialisation
2.1 Die Theorie der psychosexuellen Entwicklung als Voraussetzung für gesellschaftliche Integration (Freud)
2.2 Die Internalisierung von Rollen: Integration-, Identitäts- und Konformitätstheorem
2.2.1 „Spielarten“ – universalistische und partikularistische Handlungsmuster
2.2.2 Die Bedeutung der „pattern variables“
2.3 Eine kritische Betrachtung: Rolle als Persönlichkeit?
2.3.1 Der Mensch als passiver Gestalter der Gesellschaft
2.3.2 Kritik und Erweiterung der Systemtheorie Parsons´ nach Habermas

3 Schluss

Bibliographie

1 Einleitung

Talcott Parsons (1902-1979) gilt als der bedeutendste amerikanische Soziologe der Nachkriegszeit. Parsons befasste sich insbesondere mit der Gesellschaft in ihrer (struktur)funktionalistischen Bedeutung und vertrat die Annahme, dass ein gesellschaftliches System als ein sich selbst regulierender, autonomer Organismus verstanden werden muss, der über bestimmte Mechanismen verfügt um die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten (vgl. Microsoft Encarta Encyclopedia 2003) Parsons vergleicht die Gesellschaft mit einem Organismus, in dem alle „Organe“ das Ziel verfolgen ebendiesen aufrecht zu erhalten. Der Organismus hält bei abweichendem Handeln „Mechanismen der sozialen Kontrolle“ bereit um zu Sanktionieren und somit Stabilität zu gewährleisten bzw. wiederherzustellen. Nach Parsons entsteht diese Ordnung durch das Zusammenspiel dreier Subsysteme des menschlichen Handelns.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Drei Subsysteme zur Aufrechterhaltung der Ordnung (nach Kaesler 2003: 33)

Da Parsons´ Theorie der Rollenschemata an Freuds Theorie der psychosexuellen Entwicklung angelehnt ist und zwischen beiden eine Brücke geschlagen werden kann, soll im ersten Kapitel kurz auf die entwicklungstheoretischen Hintergründe, die auf der Vorlage Freuds beruhen, eingegangen werden. Im Anschluss daran werden zentrale Begriffe der Systemtheorie Parsons´ an Beispielen erläutert und auf verschiedene Verhaltensmuster, wie den partikularistischen und universalistischen Handlungsweisen im Rahmen der „pattern variables“ eingegangen. Ein viel diskutiertes Problem in Parsons´ Systemtheorie ist die scheinbare „Ent-Individualisierung“ der handelnden Akteure, quasi die Reduktion des Subjekts hin zur Rolle. Hier bietet es sich an die Erweiterungen der Systemtheorie durch Jürgen Habermas anzubringen, der versuchte die verschiedenen Theoreme Parsons´ mit der persönlichen Individualität in Einklang zu bringen.

2 Persönlichkeitsbildung durch Sozialisation

2.1 Die Theorie der psychosexuellen Entwicklung als Voraussetzung für gesellschaftliche Integration (Freud)

Parsons geht, in Anlehnung an Freud, davon aus, dass ein Kind verschiedene Entwicklungsphasen durchläuft. Diese Phasen entsprechen verschiedenen Altersstufen und werden in die vorödipalen Phasen (orale, anale Phase), ödipale Phase (=phallische Phase), Latenzperiode bis hin zur Adoleszensphase (genitale Phase, Pubertät) unterteilt. Dabei wird das Kind zu Beginn allein von seinen Trieben gesteuert, welche Freud als dasEsbezeichnet. Das Kind handelt triebhaft ohne seine Handlung bewusst kontrollieren und beherrschen zu können. Im Alter zwischen zwei und drei Jahren (anale Phase) beginnt das Kind nun zwischensichundseiner Umweltzu unterscheiden. Nach und nach bildet sich dasIchheraus, indem das Kind begreift, dass es in Normen und Regeln seiner Umwelt eingebunden ist und seine Es-Impulse nicht jederzeit befriedigen kann. Diese von Außen kommenden Regeln hat das Kind jedoch noch nicht internalisiert, deshalb kann man hier noch nicht vomÜber-Ichsprechen, der dritten Instanz des freudschen Selbstmodells; An dieser Stelle kann eine Brücke zu der Bedeutung des Kindes als Gesellschaftsmitglied geschlagen werden. Es ist in seiner Entwicklung nun so weit fortgeschritten, um in eine Institution als Sozialisationsinstanz, wie z.B. den Kindergarten einzutreten. Hier beginnt Parsons´ Sozialisationstheorie, also die Persönlichkeitsbildung und die Internalisierung verschiedener Rollen durch gesellschaftliche Interaktion, zu greifen. Dennoch klammert Parsons das Thema Kindergarten weitgehend aus, was damit begründet werden könnte, dass der Kindergarten keine für alle verpflichtende Institution ist. Ebenso hält das Kind nach Freud in dieser Phase für gewöhnlich sein andersgeschlechtliches Elternteil für die engste Bezugsperson und orientiert sich weniger somit weniger an der Gruppe der Gleichaltrigen. Nach Mead oder auch Piaget ist das Kind zu diesem Zeitpunkt noch nicht fähig, mit anderen Kindern in eine richtige Interaktion treten zu können. Kinder spielen hier eher allein oder nebeneinander, weswegen noch immer dieElternden größten Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben. Für Parsons ist die „phallisch-ödipale Phase in der psychosexuellen Entwicklung des Kindes von größter Bedeutung“ (Baumgart 2004: 86), in dieser Phase identifiziert sich das Kind mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, das die Grundlage für die Herausbildung desÜber-Ichswerden wird. DasÜber-Ichwird gelegentlich auch als „Super-Ego“ bezeichnet und bezeichnet die, „durch Sozialisation und Internalisierung in der Struktur der Persönlichkeit verankerten kulturellen und moralischen Grundnormen der Umgebenden und Autorität darstellenden Gesellschaft“ (Hillmann 1994: 885), also die verinnerlichten Regeln und Normen die das Kind durch z.B. seine Bezugspersonen vermittelt bekommt. DasÜber-Ichwirkt als Kontrollinstanz über dasEsund bildet das, was wir als „Gewissen“ bezeichnen; diese beiden Instanzen wirken eher unbewusst, während das Ich als Vermittler und Kompromissfinder zwischen diesen Beiden dient und sozusagen „bewusst“ wahrgenommen wird. Im Laufe seiner Entwicklung lernt das Kind „Rollen“ zu übernehmen; es wird sich bewusst, dass es andere Rollen gibt und versucht diese spielerisch zu ergründen. Bekannte Beispiele sind die Vater-Mutter-Kind Spiele oder die Übernahme der Rolle des Verkäufers mit eigenem Kaufladen.

2.2 Die Internalisierung von Rollen – Integration-, Identitäts- und Konformitätstheorem

Entsprechend der Handlungstheorie Parsons´ lernt der Mensch in seinem Sozialisationsprozess schrittweise unterschiedliche Rollen zu übernehmen und sich ihnen entsprechend zu verhalten. Der Mensch als Individuum ist im Zusammenspiel der Komponenten, die die Gesellschaft als Ganzes ausmachen, auf der untersten Ebene angesiedelt. Die darauf folgende höhere Stufe bilden die gesellschaftlichen Subsysteme, also die Institutionen. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass „Institutionen“ nicht mit gesellschaftlichen Einrichtungen gleichgesetzt werden darf. Die Familie, die Lebensgemeinschaft und die Ehe gelten gleichermaßen als Institutionen wie die Schule, der Musikverein und die Sportgruppe. Menschen interagieren innerhalb dieser Subsysteme und verinnerlichen die Rollen, die ihnen durch die jeweiligen Institutionen auferlegt werden. Durch erfüllte Rollenerwartungen werden Interaktionen enorm erleichtert. Parsons erklärt diesen Zusammenhang mit demIntegrationstheorem.Er geht davon aus, dass sich bei stabil eingespielten Interaktionen die Erwartungen der Interaktionspartner immer so gegenseitig ergänzen, dass die Bedürfnisbefriedigung bei beiden Akteuren gleichermaßen erfüllt wird. Am Beispiel: Zwei Geschäftspartner treffen sich und geben sich zur Begrüßung die Hand. Diese Art der Begrüßung funktioniert, da sich beide Personen bewusst sind, dass ihre Rolle entsprechende Handlung erfordert und diese Handlung vom Gegenüber erwartet wird (Baumgart 2004: 158f).

Parsons führt seine Gedanken weiter und führt dasIdentitätstheoremein in dem er behauptet, dass bei stabil eingerichteten Interaktionen die jeweilige Rolle von beiden Integrationspartnern genauso ausgeführt wird, wie sie definiert ist. Das Verhalten ist durch Rollenvorschrift genau festgelegt und lässt keinen Spielraum zu. Parsons geht sogar so weit zu behaupten, dass die „handelnden Subjekte“ sogar ihren Platz tauschen könnten, da sie quasi auf das Erfüllen der Rollenerwarungen reduziert wären und nur diese Handlung Relevanz besäße (Habermas 1968: 167). Das Komplementärverhältnis Verkäufer-Kunde kann hier als Beispiel angeführt werden. Individualität der agierenden Person wird beim Akt des Kaufens in den Hintergrund gestellt. Was allein ausschlaggebend ist, ist der Austausch von Waren und Geld. Es spielt für die Beteiligten keine Rolle, wer der Verkäufer und wer der Käufer ist. Insbesondere der Punkt der mangelnden Berücksichtigung von Individualität hat Parsons´ Systemtheorie von vielen Seiten Kritik erfahren, worauf weiter unten im Text noch näher eingegangen wird.

Mit zunehmenden Alter steigt der Komplexitätsgrad der Rollen, die „gespielt“ werden; so ist den Rollenanforderungen an das Kind in seiner Rolle als „Sohn“ im Kindergartenalter um ein vielfaches leichter nachzukommen als beispielsweise die Rolle des Schülers während der Schulzeit erfolgreich zu erfüllen. Mit dem Komplexitätsgrad wächst auch die Spezifizierung der Anforderungen, die an uns gestellt werden. Dennoch kommen wir zurecht: wir lernen, wie Parsons sagt, durch Interaktionen mit anderen Personen und dem Durchlaufen unterschiedlicher Institutionen, Schritt für Schritt uns in eine Rolle einzupassen bis wir sie perfekt beherrschen. Die Sozialisation ist gewissermaßen ein „Rollentraining“, die uns die „Fähigkeit und Bereitschaft zum Handeln in Rollen vermittelt“ (Baumgart 2004: 83).

Das Individuum kann in einem Lebensabschnitt eine Vielzahl von Rollen verinnerlichen. So kann ein sechsjähriges Kind beispielsweise sowohl die Rolle des Sohnes, des Schülers, des Mitglieds im Sportvereins, als auch des besten Freundes usw. übernehmen. Je nachdem welche Rolle es gerade „ist“ (Parsons geht davon aus, dass bei vollständiger Sozialisation, die Rolle nicht bewusst „gespielt“, sondern völlig verinnerlicht ist (Tillmann 1989: 93)), verhält sich das Kind unterschiedlich – im Idealfall so, wie es von ihm in seiner Rolle erwartet wird. Diesen Vorstellungen entspricht Parsons´Konformitätstheorem: man könne aus „beobachtbarem rollenkonformen Verhalten unmittelbar auf die Verinnerlichung entsprechender Rollenerwartungen als Motive des Handelns schließen [...]“ (Baumgart 2004: 159). Benimmt sich die Person nicht rollenkonform, kann davon ausgegangen werden, dass die Internalisierung im Sozialisationsprozess fehlgeschlagen ist - die Person ist schlecht sozialisiert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sozialisationstheorie und Rollenschema nach Parsons
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Pädagogisches Institut)
Veranstaltung
Gewalt in der Schule (Sozialisationstheorie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V135080
ISBN (eBook)
9783640431212
ISBN (Buch)
9783640431144
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialisationstheorie, Rollenschema, Parsons
Arbeit zitieren
Sarah Kölzer (Autor:in), 2005, Sozialisationstheorie und Rollenschema nach Parsons, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135080

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