Lehr- und Lernmaterialien im bilingualen Geographieunterricht

Eine Bestandsaufnahme


Bachelorarbeit, 2008

42 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begründung der Themenwahl
1.2 Ziele und Methodik der Arbeit
1.3 Überblick

2. Zur aktuellen Situation des bilingualen Geographieunterrichts (English) in Niedersachsen

3. Beurteilungskriterien für Lehr- und Lernwerke
3.1 Einleitende Bemerkungen
3.2 Konformität mit den Rahmenrichtlinien
3.3 Graphische Gestaltung / Visualisierung
3.4 Sprachliche Angemessenheit für das Lernalter / Anregungsgehalt für sprachliches Lernen
3.5 Handlungsorientierung / Aufgaben
3.6 Anregungsgehalt für Interkulturelles Lernen
3.7 Anregungsgehalt für das Lernen von Skills /Fertigkeiten

4. Lehr- und Lernmaterialien für den bilingualen Erdkundeunterricht
4.1 Lehr- und Lernmittelangebot
4.1.1 Schulbücher und Themenhefte aus Deutschland
4.1.2 Lehrwerke aus Großbritannien
4.1.3 Audiovisuelle und neue Medien
4.2 Einsatz von Schulbüchern an Schulen in Niedersachsen
4.2.1 Begründung und Methodik der Befragung
4.2.2 Ergebnisse der Befragung

5. Analyse eines ausgewählten Lehrwerks
5.1 Einleitende Bemerkungen zu Auswahl und Methodik
5.2 Basisinformationen zu DIERCKE GEOGRAPHY for bilingual classes, Volume 1
5.3 Auswertung von DIERCKE GEOGRAPHY nach den begründeten Kriterien
5.3.1 Konformität mit den Rahmenrichtlinien
5.3.2 Graphische Gestaltung / Visualisierung
5.3.3 Sprachliche Angemessenheit für das Lernalter / Anregungsgehalt für sprachliches Lernen
5.3.4 Handlungsorientierung / Aufgaben
5.3.5 Anregungsgehalt für Interkulturelles Lernen
5.3.6 Anregungsgehalt für das Lernen von Skills/ Fertigkeiten
5.4 Eignung von DIERCKE GEOGRAPHY for bilingual classes für den bilingualen Geographieunterricht

6. Fazit

7. Bibliographie

8. Anhang
8.1 DIERCKE GEOGRAPHY S. 78/79
8.2 DIERCKE GEOGRAPHY S. 48/49
8.3 DIERCKE GEOGRAPHY S. 166/167

“The world speaks English.

We speak English about the world.”

(Gröne 2001: 10)

1. Einleitung

1.1 Begründung der Themenwahl

Das Fach Geographie[1] wird aus mehreren Gründen als besonders geeignet für den bilingualen Unterricht (BU) angesehen. Die Erlangung einer interkulturellen Kompetenz ist dabei häufig die wichtigste Begründung für bilingualen Geographieunterricht. Authentische Materialien aus Zielsprachenländern ermöglichen den Schülerinnen und Schülern (SuS) einen Perspektivwechsel und zeigen ihnen neue und qualitativ andere Betrachtungs- und Bewertungsmöglichkeiten auf.

Darüber hinaus bietet dieses Sachfach ein hohes Maß an Anschaulichkeit und Methodenvielfalt, was gerade zu Beginn fremdsprachlich erteilten Fachunterrichts der Überwindung sprachlicher Schwierigkeiten dient. Und nicht zuletzt „bietet die Auswertung geographischer Medien vielfältige Sprechanlässe“ (Lenz 2002: 3).

Neben den Chancen und Möglichkeiten, die der bilinguale Erdkundeunterricht bietet, stellt er aber auch hohe Anforderungen an die Unterrichtenden. Neben großem Ideenreichtum und erhöhtem Engagement sollten bilingual unterrichtende Lehrerinnen und Lehrer auch über ein hohes Maß an fremdsprachlicher und sachfachlicher Kompetenz verfügen (im Idealfall besitzen sie die Fakultas für beide Unterrichtsfächer). Sie sollten dazu bereit sein, mit Kollegen zu kooperieren und gelassen genug sein, (kleinere) Enttäuschungen hinnehmen zu können (vgl. Viebrock 2006: 158).

Nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, auch die im bilingualen Erdkundeunterricht verwendeten Lehr- und Lernmaterialien müssen einer Reihe ganz unterschiedlicher Ansprüche gerecht werden. Das deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen, die ich als Praktikantin bei der Hospitation im bilingualen Erdkundeunterricht (Englisch) sowie bei der Durchführung eigener Stunden gesammelt habe. Die Auswahl von Materialien für den BU hat einen großen Einfluss auf seine Inhaltsorientierung und „die im Lernprozess erreichte Verarbeitungstiefe der Lerner“ (Wolff 2007: 65).

Aus diesen Gründen liegt eine Auseinandersetzung mit Lehr- und Lernmaterialien und ihrer Eignung für den bilingualen Erdkundeunterricht nahe.

1.2 Ziele und Methodik der Arbeit

Die Zahl der Veröffentlichungen zum bilingualen Sachfachunterricht hat in den letzten Jahren proportional zu seinem Bedeutungszuwachs an deutschen Schulen deutlich zugenommen (vgl. u. a. Wildhage/Otten 2003: 14). Der Großteil der Arbeiten in diesem Forschungsfeld ist aus fremdsprachendidaktischer Perspektive verfasst worden, in deutlich geringerem Umfang finden sich auch Publikationen aus Richtung der Sachfachdidaktiken (vgl. Meyer 2003: 1, Breidbach 2003: 10 ff.). Gegenstand des Forschungsinteresses sind in erster Linie Überlegungen zum Mehrwert dieser Unterrichtsform gegenüber „herkömmlichem“ Sachfachunterricht, Ansätze zu einer Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts sowie empirische Untersuchungen zu fremdsprachlichem und sachfachlichem Lernzuwachs.

Wenig ist bislang zur konkreten Ausgestaltung, das heißt zu geeigneten Medien und Materialien und die daran geknüpften Ansprüche für einen erfolgreichen bilingualen Erdkundeunterricht geschrieben worden. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die Konzeption des BU wenig theoriegeleitet erfolgt und „[bilingualer] Unterricht nach pragmatischen Gesichtspunkten entwickelt und erprobt“ (Wildhage & Otten 2003: 15) wird. Die in dieser Unterrichtsform eingesetzten Lehr- und Lernmaterialien müssen sowohl den Anforderungen eines modernen Fremdsprachen- als auch denen eines zeitgemäßen exemplarischen Erdkundeunterrichts gerecht werden.

Aufgrund dieser bislang nur in Ansätzen stattfindenden Auseinandersetzung mit Lehrmaterialien hat diese Arbeit das Ziel, Beurteilungskriterien für Lehr- und Lernmaterialien für den bilingualen Erdkundeunterricht zu formulieren, die den Didaktiken und Methodiken beider Unterrichtsfächer Rechnung tragen. Der Schwerpunkt wird hierbei gemäß des Blickwinkels dieser Arbeit auf der Fremdsprache Englisch liegen, ohne dass jedoch sachfachspezifische Kriterien außer Acht gelassen werden. Es wird eine Exploration der gegenwärtigen Situation des Lehr-/Lernmittelangebots für das Bilingualfach Erdkunde vorgenommen, in der sowohl der heimische als auch der internationale Markt berücksichtigt werden. Mithilfe der aufgestellten Kriterien wird dann in einem vertiefenden Rahmen die Evaluation eines ausgewählten Lehrwerks vorgenommen.

In dieser Arbeit kommen sowohl quantitative als auch qualitative Methoden zum Einsatz. Trotz einer Umfrage über die Verwendung von Schulbüchern im Unterricht (vgl. Kapitel 1.3 und 4.2) liegt das Hauptaugenmerk auf qualitativen Methoden. Gerade bei der Schulbuchevaluation „erhöhen qualitative Datenerhebungen aufgrund ihrer Form […] die Wahrscheinlichkeit, in einem detailreichen Material auf neue Aspekte eines Themas zu stoßen“ (Bortz & Döring 1995 zit. in Meyer 2003: 12).

Aufgrund der räumlichen Nähe, der dadurch erhöhten Relevanz für meine spätere berufliche Tätigkeit und nicht zuletzt aufgrund der kaum zu bewältigenden Datenmasse zu bilingualen Unterrichtsangeboten in Deutschland, beschränke ich mich in der Darstellung der aktuellen Situation des bilingualen Geographieunterrichts auf das Land Niedersachsen. Die in Kapitel 2 präsentierten Daten bilden auch die Grundlage für die Umfrage in Kapitel 4.2.

1.3 Überblick

Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Kapitel 2 verdeutlicht die Notwendigkeit von geeigneten Schulbüchern und weiteren Lernmaterialien für den bilingualen Erdkundeunterricht, indem zunächst ein Überblick über das aktuelle Angebot bilingualen Geographieunterrichts an Schulen in Niedersachsen vorgenommen wird. Dieser Überblick zeigt, dass der bilinguale Erdkundeunterricht schon lange „kein Nischendasein mehr in der deutschen [und insbesondere der niedersächsischen] Schullandschaft fristet“ (Wildhage & Otten 2003: 16).

Die Darstellung der theoretischen Grundlage erfolgt in Kapitel 3. In diesem wird eine begründete Auswahl von Beurteilungskriterien für geeignete Lehr- und Lernmaterialien vorgestellt. Die Kriterien ergeben sich vor allem aus Sicht der Fremdsprachendidaktik aber auch aus den Anforderungen, die die moderne Geographiedidaktik an Unterrichtsmaterialien stellt. Dazu zählt u. a. neben der Handlungsorientierung auch die graphische Gestaltung bzw. die Visualisierung von Schulbüchern.

Das 4. Kapitel der Arbeit befasst sich mit der gegenwärtigen Situation der Lehr- und Lernmaterialien für den bilingualen Erdkundeunterricht. Es wird hierbei sowohl auf Veröffentlichungen deutscher Bildungsverlage, z. B. Schulbuchreihen und Themenhefte, als auch auf für den Einsatz an deutschen Schulen geeignete britische Lehrwerke eingegangen. Nicht zuletzt finden audiovisuelle und die so genannten neuen Medien, z. B. DVDs und das Internet, ihre Berücksichtigung.

Im Anschluss daran werden die Methodik und die Ergebnisse einer für diese Arbeit durchgeführten Umfrage an bilingual unterrichtenden niedersächsischen Gymnasien dargelegt, welche Aufschluss über die tatsächlich im Erdkundeunterricht verwendeten Lehrwerke gibt. Die in der Umfrage gewonnenen Ergebnisse begründen die Auswahl des Schulbuchs für die in Kapitel 5 präsentierte qualitative Analyse eines Lehrwerks bezüglich der zuvor erarbeiteten Beurteilungskriterien. Die Arbeit schließt mit einem Fazit (Kapitel 6), das sämtliche gewonnenen Erkenntnisse zusammenfasst und einige wesentliche Schlussfolgerungen hieraus benennt. Dabei sollen nicht zuletzt auch Empfehlungen für zukünftige Forschungsfelder und –methoden abgeleitet werden.

2. Zur aktuellen Situation des bilingualen Geographieunterrichts (Englisch) in Niedersachsen

Laut aktueller Zahlen des Niedersächsischen Bildungsservers (NIBIS) gibt es mittlerweile an 78 von 96 Gymnasien bilinguale Unterrichtsangebote. Der Begriff „bilingual“ ist hierbei irreführend, folgt man der zurzeit gängigen Definition von bilingualem Unterricht als Unterricht, „in dem die Fremdsprache als Arbeitssprache im Sachfachunterricht verwendet wird“ (Wildhage & Otten 2003: 14). Der bilingual unterrichtete Schulfächerkanon in Niedersachsen umfasst Erdkunde, Politik, Geschichte, Biologie, Sport, Musik und seltener auch Chemie. Die Unterrichtsangebote reichen von einzelnen bilingualen Modulen bis hin zu vollständig in der Fremdsprache erteiltem Sachfachunterricht. Der Großteil des bilingualen Sachfachunterrichts wird in der Fremdsprache Englisch erteilt[2], die für die Mehrheit der SuS die erste Fremdsprache ist.

Nach Geschichte, das als Bilingualfach an den Gymnasien in allen vier Regierungsbezirken (Osnabrück, Lüneburg, Braunschweig und Hannover) die erste Stellung einnimmt, ist Erdkunde das zweit beliebteste Fach für die Methode des content and language integrated learning (CLIL) in Niedersachsen. Im Regierungsbezirk Osnabrück gehört Erdkunde beispielsweise an 22 von 34 CLIL-praktizierenden Gymnasien zur Gruppe der bilingual unterrichteten Fächer.

In allen vier Regierungsbezirken fällt auf, dass, sofern mehrere Fächer bilingual unterrichtet werden, Erdkunde in der Regel das Fach ist, mit dem ab Klasse 7 begonnen wird. Manfred Ernst führt diese Tatsache darauf zurück, dass aufgrund der Strukturen des Schulfachs Erdkunde „die Versprachlichung schon in einem frühen Stadium des Fremdsprachenerwerbs möglich [ist]“ (2001: 4).

In vielen Fällen folgt ein bilingualer Geschichts- oder Politikunterricht in Klasse 9, bevor in Klasse 10 und/oder 11 erneut Erdkunde als bilinguales Fach vorgesehen ist. In einigen seltenen Fällen wird in der Sekundarstufe I durchgängig bilingualer Unterricht in Erdkunde erteilt. Ähnliches gilt für die Angebote in der gymnasialen Oberstufe. Auch hier stellt ein durchgängiges Angebot bis hin zum (bilingualen) Abitur eher die Ausnahme in der niedersächsischen Schullandschaft dar.

Ein Gymnasium im Bezirk Osnabrück sieht in seinem Stundenplan lediglich einzelne bilinguale Module in den Jahrgängen 5-7 vor, die Daten der Landesschulbehörde zeigen jedoch, dass Erdkunde in der Regel ein „Bili“-Fach ist, das vollständig in der Fremdsprache erteilt wird.

Wider Erwarten sieht die Praxis des bilingualen Unterrichts in Niedersachsen nur in Ausnahmefällen eine „Bili-Vorbereitung“, d. h. eine Verstärkung des Zielsprachenunterrichts um zwei Stunden in den Klassen 5 und 6, vor. Diese „propädeutische Phase“ (Ernst & Reitz 2001: 5) strebt eine Steigerung der fremdsprachlichen Kompetenzen der SuS an. Eine andere, auch nur in Einzelfällen praktizierte, Eingewöhnung in den bilingualen Sachfachunterricht ist ein (hauptsächlich) englischsprachiger Musik- und/oder Sportunterricht in Klasse 6. An einem Gymnasium im Bezirk Lüneburg wird in Klasse 6 bilingualer Erdkundeunterricht in Form einer Arbeitsgemeinschaft angeboten, es gibt jedoch keine weiterführenden bilingualen Angebote in diesem Unterrichtsfach.

An anderen Schulformen ist die Praxis des bilingualen Unterrichts bei weitem nicht so verbreitet wie an den Gymnasien. Es gibt überhaupt nur fünf Realschulen in Niedersachsen, an denen bilingualer Unterricht erteilt wird. Dieser findet jedoch meist in Form von Modulen statt oder ist auf wenige Fächer und Jahrgangsstufen begrenzt.

3. Beurteilungskriterien für Lehr- und Lernwerke

3.1 Einleitende Bemerkungen

Trotz der starken Verbreitung des Schulbuchs nicht nur in deutschsprachigen (Erdkunde-) Klassenzimmern, ist eine „mangelnde wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Schulbuch“ (Kollenrott 2008: 67) zu verzeichnen.

Die von Britta Viebrock in ihrer Interviewstudie zu praktischen und konkreten Erfahrungen im BU befragten Erdkundelehrer und -lehrerinnen nennen als ein wichtiges Gütekriterium für Lehr- und Lernmaterialien den Aufforderungscharakter derselbigen. Die eingesetzten Medien sollten die Kreativität und die Aktivität der SuS anregen und vielfältige Sprechanlässe bieten. Ein Lehrer spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Quellencharakter, der wünschenswert wäre (vgl. 2007: 150 ff).

Erfahrungen mit dem bilingualen Erdkundeunterricht legen eine sinnvolle Progression der Sachinhalte in den Lehrmaterialien nahe; diese könnte sich nach Ansicht mehrerer Lehrerinnen und Lehrer vom Vertrauten zum weniger Vertrauten oder vom Konkreten zum Abstrakten vollziehen. Nicht zuletzt weisen die Befragten der sprachlichen Aufbereitung des Materials eine große Bedeutung zu (vgl. Viebrock 2006: 199-213).

Diese ausgewählten, aus der Schulpraxis abgeleiteten subjektiven Theorien von Lehrerinnen und Lehrern zeigen, dass Lehrmaterialien und Schulbücher für den BU einer großen Anzahl ganz unterschiedlicher Ansprüche gerecht werden müssen, um ihren Einsatz in dieser Unterrichtsform zu rechtfertigen.

In den folgenden Kapiteln nähere ich mich den Beurteilungs- bzw. Gütekriterien für bilinguale Schulbücher von der theoretischen Seite. Ich leite diese sowohl aus der Fremdsprachendidaktik als auch aus der Didaktik des Sachfachs Geographie ab. Dabei werden sich nicht selten Schnittmengen zwischen beiden Unterrichtsfächern ergeben. Hinter auf den ersten Blick ganz unterschiedlichen Etikettierungen verbergen sich oftmals ähnliche Konzepte, z. B. bezüglich der didaktischen Zielsetzung. Das fremdsprachendidaktische Konzept des task-based-language-learning (TBLL) hat beispielsweise viel mit dem angestrebten Problemlösungsdenken und der Handlungsorientierung der Geographie gemein.

Um den Blick für die wesentlichen Kriterien nicht aus den Augen zu verlieren und um das ausgewählte Schulbuch in der qualitativen Analyse in Kapitel 5 sinnvoll auswerten zu können, beschränke ich mich auf sechs zentrale (Güte-) Kriterien. Die einzelnen Kriterien werden jeweils aus der Sicht beider Fachdidaktiken begründet. Eine Ausnahme bildet das Kriterium „Konformität mit den Rahmenrichtlinien“. Schließlich müssen die SuS, die am BU teilnehmen, am Ende des Schuljahres über das gleiche Wissen und die gleichen Kenntnisse verfügen wie diejenigen SuS, die „herkömmlich“ unterrichtet wurden (vgl. Haubrich 2006: 160).

Die sechs ausgewählten Beurteilungskriterien sind: 1. Konformität mit den Rahmenrichtlinien, 2. Graphische Gestaltung / Visualisierung, 3. Sprachliche Angemessenheit für das Lernalter / Anregungsgehalt für sprachliches Lernen, 4. Handlungsorientierung / Aufgaben, 5. Anregungsgehalt für Interkulturelles Lernen, 6. Anregungsgehalt für das Lernen von Skills / Fertigkeiten.

An einigen Stellen ist bei der Analyse eine strikte Trennung zwischen den verschiedenen Ansprüchen an das Schulbuch nur schwer aufrecht zu erhalten. Die Übergänge sind z. T. fließend. Ein Beispiel stellt der nahtlose Übergang zwischen sprachlichem und methodischem, d. h. fertigkeitsorientiertem Lernen dar. Letzteres erfolgt immer auch über die Einübung fachspezifischer sprachlicher Diskursmuster. Und auch zwischen den Ansprüchen Handlungsorientierung und dem Anregungsgehalt für Interkulturelles Lernen ergeben sich, z. B. in Bezug auf die gestellten Aufgaben bisweilen Überschneidungspunkte. Kapitel 5.3.5 zeigt, dass dort wo Interkulturelles Lernen ermöglicht wird, Handlungsorientierung die unabdingbare Grundlage bildet.

3.2 Konformität mit den Rahmenrichtlinien

Ein formaler Anspruch an Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien, der laut den Erfahrungen der Befragten Lehrerinnen und Lehrer in der Schulpraxis häufig zu Problemen führt, ist die Konformität mit den Rahmenrichtlinien. Die Rahmenrichtlinien für Niedersachsen sind das neue, seit 2008 eingeführte Kerncurriculum Erdkunde für die Schuljahrgänge 5-10.

Auch wenn Schulbücher, die speziell für den bilingualen Sachfachunterricht produziert werden, in Niedersachsen bislang vom Zulassungsverfahren ausgelassen sind (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2006: 6) und somit eine „Entsprechung [mit den RRL] weder vorausgesetzt noch verlangt werden kann“ (Kollenrott 2008: 68), werde ich die RRL dennoch als ein Kriterium bei der Analyse des Lehrwerks heranziehen. Schließlich ist das Schulbuch trotz der Ausbreitung der neuen Medien nach wie vor eine unverzichtbare Stütze des Unterrichts und nicht selten sein Basis- oder Leitmedium (vgl. Haubrich 2006: 184). Darüber hinaus kommt ihm nicht zuletzt die Funktion zu, die Unterrichtenden in ihrer Stundenplanung zu entlasten (vgl. Nold 1998: 128).

Aus diesen Gründen sollte ein Schulbuch, das im bilingualen Geographieunterricht in Niedersachsen eingesetzt wird, zumindest in groben Zügen die im Kerncurriculum festgelegten Inhalte und Raumbeispiele abdecken.

3.3 Graphische Gestaltung / Visualisierung

Ein wichtiges Kriterium, gerade in Hinblick auf das Sachfach Geographie, ist die Visualisierung der Inhalte in Schulbüchern. „Die räumliche Wirklichkeit wird durch Medienvielfalt repräsentiert“ (Haubrich 2006: 184). In einem Erdkundeschulbuch als Verbundmedium muss dieses Medienangebot im Baukastenprinzip bereitgestellt werden. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um ein Schulbuch für den muttersprachlichen oder für einen in der Fremdsprache erteilten Fachunterricht handelt. Das heißt, auf einer thematischen Doppelseite (ein Prinzip, das sich bei den meisten Lehrwerken durchgesetzt hat) sollten sich neben Informations- und Quellentexten auch Bilder, Karten, Statistiken, Grafiken, Querschnitte und weitere Materialien befinden.

Auch aus fremdsprachendidaktischer Sicht ist die Visualisierung ein wichtiger Faktor in Lehrwerken für den bilingualen Sachfachunterricht. Thürmann (2008: 80) weist darauf hin, dass gerade zu Beginn des bilingualen Fachunterrichts Materialien eingesetzt werden sollten,

„die mit nur wenigen und gezielten sprachlichen Impulsen Sinn stiften und sonst visuelle oder sonstige non-verbale Darstellungen bevorzugen. Visuelle Impulse haben in der Anfangsphase des bilingualen Fachunterrichts den Vorteil, dass sie vom Sachverhalt komplex und authentisch sein können, ohne zwischen Sachebene und kognitive Verarbeitung fremdsprachliche Barrieren zu schieben“.

Darüber hinaus sind nicht wenige SuS visuelle Lernertypen. Sie erschließen sich (sachliche und sprachliche) Inhalte über die eingehende Betrachtung von Bildern und Abbildungen oder auch durch das Lesen von Texten. Überhaupt trägt diese Vielfalt an Materialien „den verschiedenen Lernertypen und Lernstilen innerhalb einer Lerngruppe eher Rechnung als in einer primär auf verbalen Quellen basierenden Arbeitsweise“ (Wolff 2007: 76).

3.4 Sprachliche Angemessenheit für das Lernalter / Anregungsgehalt für sprachliches Lernen

Im BU findet, einen integrativen Ansatz vorausgesetzt, gleichzeitig fachliches und (fremd-) sprachliches Lernen statt. Dieses Unterrichtsumfeld soll es ermöglichen, unter Berücksichtigung der Inhaltsorientierung die „Internalisierung der sprachlichen Regelsysteme zu befördern und zu beschleunigen“ (Vollmer 2008: 131). Die meisten Fachdidaktiker beider Disziplinen sind sich darüber einig, dass eine Förderung der fremdsprachlichen Kompetenz vor allem im Bereich der (fachsprachlichen) Wortschatzarbeit stattfindet.

Wichtig ist, dass die in den Lehrwerken enthaltenen Materialien, insbesondere die Informationstexte, auf einem sprachlichen Niveau verfasst wurden, das von den SuS einer 7./8. Klasse bewältigt werden kann. Es muss sich also um so genannten verständlichen sprachlichen Input handeln, der durch wenig komplexe Satzbaustrukturen sowie durch die Verwendung von leicht verständlichem Vokabular gekennzeichnet ist. Die SuS sollten bereits beim ersten Lesen der (didaktisierten) Texte das Gefühl haben, den Inhalt zumindest in seiner Hauptaussage verstehen und eine mögliche Absicht des Textes erkennen zu können. Es geht nicht darum, dass ihnen die Bedeutung jedes einzelnen Wortes geläufig ist.

Englischsprachige Lernmaterialien, die im fremdsprachlichen Fachunterricht eingesetzt werden, sollten die SuS u. a. zu einer systematischen Wortschatzarbeit anregen. Als konkrete Verfahren sind beispielsweise die Darstellung oder Erarbeitung von Wortfeldern inklusive Synonymen und Antonymen denkbar oder auch die Erstellung themenspezifischer Mindmaps. Bei der Erweiterung des Wortschatzes durch fachspezifische Lexeme sollten die Schulbücher insbesondere auch wortübergreifende sprachliche Ausdrücke berücksichtigen und der Entwicklung bzw. Einprägung von festen fachspezifischen Wendungen (z. B. wheat yields per hectar) und Kollokationen mit präpositionalen Verben (z. B. sales increased to) besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Beispiele für wortübergreifende sprachliche Ausdrücke aus der Geographie sind push-and-pull factors oder unemployment measures / office / effects (vgl. Vollmer 2008: 133f.).

[...]


[1] In dieser Arbeit werden der griechische Begriff „Geographie“ und sein deutsches Pendant „Erdkunde“ sowie Wortzusammensetzungen mit diesen Wörtern (z. B. „Geographieunterricht“) weitgehend synonym verwendet. Das entspricht auch der gängigen Praxis in aktuellen fachdidaktischen Debatten.

[2] An einigen wenigen ausgewählten Schulen gibt es ausschließlich bilinguale Unterrichtsangebote in französisch, wieder andere bieten bilingualen Sachfachunterricht in mehreren Fremdsprachen an (z. B. englisch / niederländisch) in den niedersächsischen Grenzregionen

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Lehr- und Lernmaterialien im bilingualen Geographieunterricht
Untertitel
Eine Bestandsaufnahme
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Englisches Seminar - Lehrgebiet Didaktik des Englischen)
Note
1,1
Autor
Jahr
2008
Seiten
42
Katalognummer
V135235
ISBN (eBook)
9783640428090
ISBN (Buch)
9783640424016
Dateigröße
6196 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehr-, Lernmaterialien, Geographieunterricht, Eine, Bestandsaufnahme
Arbeit zitieren
B. A, Inga Herrmann (Autor:in), 2008, Lehr- und Lernmaterialien im bilingualen Geographieunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135235

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Titel: Lehr- und Lernmaterialien im bilingualen Geographieunterricht



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