Die deutsch-amerikanischen Beziehungen während der sozialliberalen Koalition


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1

Anton Brosam (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Ostpolitik aus transatlantischer Sicht
2.1 Zweifel am amerikanischen Partner
2.2 Neue Wege unter Brandt und Bahr
2.3 Die Reaktion der USA

3. Ein amerikanischer Machtverlust?
3.1 Das Ende von Bretton Woods
3.2 Die Krise von 1973
3.3 Innenpolitische Herausforderungen

4. Höhepunkt und Verfall der Beziehungen
4.1 Das Verhältnis Schmidt/Ford
4.2 Der Idealist aus Georgia
4.2.1 Brasiliengeschäft und deutsche Wirtschaftskraft
4.2.2 Militärpolitische Unterschiede
4.2.3 Der NATO-Doppelbeschluss
4.3 Offene Gegensätze
4.3.1 Die zweite ölkrise
4.3.2 Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan

Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Versuch, die aktuellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den USA zu ana-lysieren, wird die Regierungszeit der sozialliberalen Koalition gerne als eine Art Schlüsselära angeführt.[1] Ganz offensichtlich taugen die Jahre unter Willy Brandt und Helmut Schmidt wie kein anderer Abschnitt bundesrepublikanischer Geschichte zum heutigen Verständnis eines Verhältnisses, das seit dem Ende des zweiten Weltkriegs im Spannungsfeld einer bi-polaren Welt geschichtliche Sonderstellung genossen hat. Tatsächlich lassen sich die lang-same Emanzipation des einstigen Vasallenstaates bzw. ”Klassenprimus“[2] und der schließ-liche Bruch mit dem transatlantischen Lehrmeister auf die Kanzlerschaften Brandt und Schmidt eindampfen, ohne allzu viel der kurz- und mittelfristigen historischen Ereignis-se zu verlieren. Trotzdem läuft eine solche Sichtweise Gefahr, Einzelereignisse als vom historischen Kontext losgelost, d.h. individuell darzustellen und damit Aktionen, die im längerfristigen Zusammenhang eher als reactio erscheinen, unter handlichen Schlagworten mit einer Innovationskraft auszustatten, die sie vielleicht überhaupt nicht oder nur kaum besaßen.

Der ”neuen“[3] Ostpolitik kommt zugute, dass im allgemeinen Verständnis auf die ers-ten Vorstoße des Idealpolitikers Brandt Richtung Osten eine reflexartige Ablehnung von Seiten der Nixon-Administration erfolgte.[4] Das passt gut ins Bild einer neuen, selbstbe-wussten Bundesrepublik, die sich vom westlichen Partner wenigstens abnabelt und den Blick hinter den Eisernen Vorhang wirft, um sich längerfristig außenpolitischen Spielraum zu verschaffen und eine Verhandlungsbasis für eine neue Deutschlandpolitik zu bekommen.

Die den USA zugeschriebene Angst vor einem moglichen ”Rapallo-Syndrom“ wird je-doch fast einstimmig belegt durch entsprechende Passagen in Kissingers Memoiren.[5] Sei­ne kritische Grundhaltung wird als stellvertretend für die gesamte Nixon-Administration genommen, obwohl Nixon selbst, der schon aus innenpolitischen Gründen eine Détente-Politik wie sie bereits unter Kennedy und Johnson begonnen wurde, weiterführen und aus-bauen wollte, auch im Hinblick auf die nach ihm benannte Doktrin einer eigenständigen Ostpolitik Brandts eher zustimmend gegenüber stand.[6]

Es stellt sich die Frage, inwieweit Brandts Ostpolitik eine tatsächliche Belastung der transatlantischen Beziehungen gewesen war und gar als Wegbereiter für die spätere Zerrüttung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses unter Schmidt und Carter angeführt werden kann. War sie Meilenstein oder gibt es eine Kontinuität über alle Krisen hinweg? Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Charaktere Egon Bahr, Henry Kissinger, Brandt und vor allem Schmidt und Carter in dem Prozess, den Klaus Wiegrefe in seinem gleichnami-gen Buch das ”Zerwürfnis“ zwischen den USA und der Bundesrepublik genannt hat?[7] Und schließlich: Inwiefern kann die Zeit der sozialliberalen Koalition als Wendepunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gewertet werden? Zur Beantwortung soll vor allem die Zeit von 1969 bis zur Abwahl Jimmy Carters betrachtet werden.

2 Die Ostpolitik aus transatlantischer Sicht

Die Westbindung der Bundesrepublik ist untrennbar verknüpft mit Konrad Adenauer. Seine Kanzlerschaft ist geprägt ist von einer relativen konstanten Zusammenarbeit auf transatlantischer Ebene. Eine Abkehr selbst bei strittigen Fragen wäre für die Regierung auch wenig sinnvoll gewesen. Die USA galten als eine Art ”Ersatzvaterland“, das die moralisch zerbrochene Republik in den Nachkriegsjahren einte, weltanschaulichen Halt auf der Gegenseite der ”Kommunisten“ bot und diese Position politisch und militärisch zu verteidigen versprach.[8] Einem Umdenken der Bundesrepublik vor allem auch in der Deutschlandpolitik mussten daher Veränderungen im Bündnisklima vorausgehen.

2.1 Zweifel am amerikanischen Partner

Nach Hans-Peter Schwarz gründete die enge deutsch-amerikanische Nachkriegspartner-schaft hauptsächlich auf vier Säulen[9]: Die Entscheidung für ein demokratisches Regie-rungssystem erforderte konstante Unterstützung der Bundespolitik von amerikanischer Seite, denn das neue Regierungssystem war anfangs in einer Bevölkerung, die den Unter-gang der Weimarer Republik miterlebt hatte, keineswegs unumstritten. Dieser Rückhalt ist eng verflochten mit einer kulturellen Dimension der Westbindung, die sich durch den eingangs beschriebenen moralischen Halt und eine psychologische Komponente erweitern l¨asst[10]. Anders ausgedrückt: Innen- wie Außenpolitik mussten nach amerikanischen Ka-tegorien gestaltet werden. Wer in den USA anerkannt wurde, war auch auf Bundesebene geachtet. Inwieweit hier tatsächlich von kulturellen übereinstimmungen die Rede sein kann oder ob die Bedrohungslage des Kalten Krieges Differenzen und Uneinigkeiten eingeebnet hat, wird spater noch zu entscheiden sein. Sicherheitspolitische Abhangigkeit in einer vom Ost-West-Konflikt bestimmten Welt und ein an den Westen gekoppelte Wirt-schaftssystem bildeten das weitere Fundament. Alle vier Bereiche waren seit etwa 1960 einem Wandel unterworfen.

Die globale amerikanische Sicherheitspolitik begann sich mit Kennedy von deutschen Interessen zu lösen. Einen Atomkrieg vor Augen, drangten die USA nach der harten Gang-art der fünfziger Jahre auf eine Eindammung des Wettrüstens.[11] Verhandlungen mit der Sowjetunion darüber waren in der Dynamik gegenseitiger Aufrüstung nicht denkbar. Es galt, den Status Quo zu sichern. Diese Konsolidierung des Kalten Krieges stand nicht nur im Widerspruch zu Adenauers Politik der Starke, an deren Ende bekanntlich eine Wie-dervereinigung stehen sollte. Sie ging auch scheinbar rücksichtslos über bundesdeutsche Interessen hinweg, wie sich beim Bau der Berliner Mauer zeigen sollte, auf den die USA aus deutscher Sicht nicht angemessen reagierten.[12]

Kennedy forderte die Anerkennung nicht nur der DDR, sondern auch der Oder-Neiße-Linie als integralen Bestandteil einer zukünftigen erfolgreichen Politik der Entspannung. Sein Nachfolger Johnson führte diese Politik fort. Der Atomwaffensperrvertrag schließ-lich, der die Verbreitung (Proliferation) von Atomwaffen verhindern sollte, wurde von deutscher Seite kritisch aufgenommen. Er schloss die Bundesrepublik ein für alle Mal von der Teilhabe an nuklearen Waffen aus und verhinderte eine gemeinsam kontrollierte NATO-Atomstreitmacht. Im Hinblick auf starker werdende Zweifel innerhalb der Bun­desrepublik an der amerikanischen Bereitschaft, im Falle eines Atomkrieges zur Vertei-digung Mitteleuropas bereitzustehen, bot das neuen bündnispolitischen Zündstoff.[13] Die Supermachte schienen immer öfter über die Köpfe der Europaer hinweg zu verhandeln. Einer der Hauptkritikpunkte am Atomwaffensperrvertrag war schließlich, dass er auch von der DDR unterzeichnet wurde. Faktisch bedeutete dies die völkerrechtliche Anerkennung des ostdeutschen Staates.[14]

2.2 Neue Wege unter Brandt und Bahr

Schon seit 1960 entwickelten sich abseits der Verfahrenheit der CDU-Regierung in Bonn, die sich erst wahrend der großen Koalition unter Kiesinger einer selbstbewussteren Hal-tung der USA gegenüber öffnete[15], ein neues Denken im Umgang mit dem Ostblock. Von einem der Brennpunkte des Kalten Krieges aus schafften es Willy Brandt und Egon Bahr dieses Klima nach Bonn zu tragen. Ihre Erfahrungen in Westberlin wurden zur Grund-lage einer realistischeren Ostpolitik[16], die Brandt mit idealistischem Pathos zu füllen verstand. Im Hinblick auf die weltpolitische Veränderung sollte eine öffnung nach Os­ten stattfinden, um abseits aller nationalistisch verklärten Wiedervereinigungsansprüche durch kleine Schritten den herrschenden Zustand wenigstens erträglich zu machen. Auf der anderen Seite reagierten Brandt und Bahr mit ihrer Politik auf die oben erwähnten Veränderungen in der Weltpolitik. Schon früh erkannten sie, dass Deutschland durch stu-res Beharren auf alten Tabus wie der Hallstein-Doktrin ins weltpolitische Abseits gedrängt werden könnte. Passte sich die Republik der Entspannungspolitik nicht an, war die Gefahr gegeben, dass die Supermächte künftig völlig eigenständig über deutsche Köpfe hinweg entscheiden könnten. Darüber hinaus hätte in einem solchen Fall die Bundesrepublik auch europapolitisch isoliert werden können. Dem steuerte Brandt zuerst als Außenminister un-ter Kiesinger und schließlich als Kanzler zusammen mit Egon Bahr als Staatssekretär im Kanzleramt entgegen.[17]

Mit einer Vielzahl von Maßnahmen[18] wurde die Regierung Brandt innerhalb weni-ger Jahre zum Motor der europäischen Ost-West-Entspannung. Durch Unterzeichnung des genannten Atomwaffensperrvertrages erkannte die Bundesrepublik die DDR als ei-genständigen Staat an, wenn auch nicht völkerrechtlich. Man suchte mit Moskau wei-teren Dialog über einen förmlichen Gewaltverzicht, der bereits unter Erhard begonnen wurde, dann aber aufgrund des Einmarsches des Warschauer Paktes in die Tschecho-slowakei[19] unterbrochen wurde. Gespräche zwischen Egon Bahr und dem sowjetischen Außenminister Gromyko kulminierten in einem Zehn-Punkte-Papier, das allgemein als deutsche Anerkennung des Status Quo und definitiver Aufgabe der Hallstein-Doktrin ge-wertet wurde. Darauf gründete schließlich im August 1970 der Moskauer Vertrag, dem ein ähnlicher Abschluss mit Warschau folgte. Gerade mit Polen war ein Ausgleich auf Augenhöhe schwierig. Der Kniefall Brandts unterstrich die tiefe Schuld, in der sich die Bundesrepublik Polen gegenüber verstand. Mit dem im September 1971 unterzeichneten Berlin-Abkommen schließlich wurde auch in dieser Frage zwar keine endgültige Lösung, stattdessen aber ein gemeinsamer Modus vivendi gefunden, der fortan als Verhandlungs-basis dienen konnte. Zwischen Westdeutschland und der DDR sorgte der 1972 abgeschlos-sene Grundlagenvertrag für Erleichterung in den deutsch-deutschen Beziehungen. Nach teils erbitterten Diskussionen und harscher Kritik von Seiten der Opposition wurden die Verträge schließlich 1972 vom Bundestag ratifiziert. Die Ostverträge waren durchweg an die USA gekoppelt. Laut Egon Bahr führten ” die kleinen Schritte von Berlin nach Bonn [...] über Amerika“[20]. Einen westdeutschen Alleingang gab es schon aufgrund der zahlreichen, auch bürokratischen Verflechtungen zwischen Deutschland und den USA nicht. Dennoch waren die Reaktionen der Bündnispartner auf die plötzliche Selbstst¨andigkeit der Bundesrepublik und die betr¨achtliche Eigendynamik, die Brandts Politik entwickelte, unterschiedlich.

[...]


[1] So auch in: Weidenfeld, Werner: Kühles Kalkül, Die neue ¨Ara der transatlantischen Beziehungen, in:

Internationale Politik, 6/2001, S. 1-10.

[2] Vgl. Heuser, Beatrix: Nuclear Mentalities?, London 1998, S. 204

[3] Siehe zu dieser Problematik Fuchs, Stephan: ”Dreiecksverhältnisse sind immer kompliziert”. Kissinger,

Bahr und die Ostpolitik, Hamburg 1999, S. 29.

[4] Vgl. Fuchs, S. 59-64.

[5] Ebd., S. 64.

[6] Vgl. Schwabe, Klaus: Weltmacht und Weltordnung. Amerik. Außenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart, Paderborn 2006, S. 366f.

[7] Wiegrefe, Klaus: Das Zerwürfnis. Helmut Schmidt, Jimmy Carter und die Krise der deutsch- amerikanischen Beziehungen, Propyl¨aen 2005.

[8] Vgl. ebd., S. 26-29.

[9] Vgl. Schwarz, Hans-Peter: Die Politik der Westbindung und die Staatsraison der Bundesrepublik, Zeit schrift für Politik 22/1975, S. 310-325.

[10] Vgl. Wiegriefe, Zerwürfnis, S. 27.

[11] Vgl. Schöllgen, Gregor: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, München 1999, S. 57ff.

[12] Vgl. Schwabe, S. 362ff.

[13] Vgl. Schöllgen, S. 95ff.

[14] Vgl. Schwabe S. 364.

[15] Vgl. Bender, Peter: Die ”Neue Ostpolitikünd ihre Folgen, München 1995, S. 105f, 138-142.

[16] Vgl. ebd., S. 118ff.

[17] Vgl. Schwabe, S. 365f

[18] Für eine detaillierte Auflistung der Ostvertr¨age siehe: Bender, S. 174-182, 189-200.

[19] Vgl. Schöllgen, S. 92.

[20] Zitiert nach: Fuchs, S. 48.

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Details

Titel
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen während der sozialliberalen Koalition
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Seminar für Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Die Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V135400
ISBN (eBook)
9783640435920
ISBN (Buch)
9783640436255
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beziehungen, Koalition
Arbeit zitieren
Anton Brosam (Autor:in), 2008, Die deutsch-amerikanischen Beziehungen während der sozialliberalen Koalition, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135400

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