Was passiert, wenn eine Lebensweise obsolet wird, die sich über viele Generationen bewährt hat? Eine Lebensweise, in der Arbeit und soziales Miteinander untrennbar miteinander ‚verwoben‘ zu sein scheinen? Wie reagiert eine soziale Gruppe, die über diese Lebensweise ihre Identität bezieht, auf den Verlust dessen, was sie definiert?
Die Handlung in Goethes Altersroman Wilhelm Meisters Wanderjahre zentriert sich nicht mehr wie noch in den Lehrjahren auf Wilhelm. Stattdessen rücken die verschiedenen Wirklichkeitsräume selbst in den Vordergrund, die der Titelheld im Durchlaufen verschiedener Handlungssequenzen aufruft. Ein wichtiger Wirklichkeitsraum des Romans wird dabei durch die gebirgsansässige Heimindustrie der Spinner und Weber besetzt, deren Lebenszusammenhänge Wilhelm in einem Brief an Lenardo als „häusliche[n] Zustand, auf Frömmigkeit gegründet“ idyllisiert.
In diesem Zusammenhang stellen sich nun also die Fragen, wie in Goethes Wanderjahren die Situation der Spinner und Weber vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Modernisierung verhandelt wird, welcher Zusammenhang hier zwischen gesellschaftlicher Modernisierung und einer möglichen Migrationsbewegung hergestellt werden kann und welche Faktoren bei den Spinnern und Webern konkret zu Migrationshindernissen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Zwischen Haus- und Weltfrömmigkeit: Vorboten eines neuen Zeitalters
- Wenn die Heimat ihre Tradition verliert: Die gesellschaftliche Modernisierung im Gebirge
- „Hausfrömmigkeit“ versus „Weltfrömmigkeit“
- Eine Zeit des Umbruchs für die Heimindustrie im Gebirge
- Von der Genesis zur Apokalypse: Migrationsmotive ohne Wirkung
- „Gewebe-Genesis“ oder die Ästhetisierung der „Hausfrömmigkeit“
- „Ein drohendes Gewitter“: Apokalyptische Aussichten
- Auswanderung als Alternative?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Situation der Spinner und Weber in Goethes *Wilhelm Meisters Wanderjahre* vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Modernisierung. Dabei werden die Folgen der sich verändernden Lebensverhältnisse auf die Traditionen und Identität dieser sozialen Gruppe untersucht.
- Die Transformation des Begriffs der „Frömmigkeit“ von „Hausfrömmigkeit“ zu „Weltfrömmigkeit“
- Der Wandel der Heimindustrie im Gebirge und die Folgen für die Spinner und Weber
- Die Rolle der „Protoindustrialisierung“ und die Verbindung von Häuslichkeit und überregionalen Strukturen
- Migrationsmotive und -hindernisse der Spinner und Weber im Kontext der Modernisierung
- Die moralische Konfliktsituation der Nachodine und ihre Beziehung zum Thema Migration
Zusammenfassung der Kapitel
1. Zwischen Haus- und Weltfrömmigkeit: Vorboten eines neuen Zeitalters
Dieses Kapitel untersucht den Kontrast zwischen „Hausfrömmigkeit“ und „Weltfrömmigkeit“ in Goethes *Wilhelm Meisters Wanderjahre*. Es wird gezeigt, wie sich die Lebensweise der Spinner und Weber durch die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen in Frage gestellt wird. Dieser Kontrast wird durch den Brief des Abbés an Wilhelm eingeführt und durch den Erzählstrang um Lenardo weitergeführt.
2. Wenn die Heimat ihre Tradition verliert: Die gesellschaftliche Modernisierung im Gebirge
2.1 „Hausfrömmigkeit“ versus „Weltfrömmigkeit“
In diesem Abschnitt werden die beiden Begriffspaare „Hausfrömmigkeit“ und „Weltfrömmigkeit“ näher betrachtet und in den Kontext der Lebenswelt der Spinner und Weber im Gebirge gestellt. Es wird die Bedeutung dieser Begriffe in Goethes Zeit sowie die Verbindung von Sittlichkeit und Religiosität beleuchtet.
2.2 Eine Zeit des Umbruchs für die Heimindustrie im Gebirge
Dieses Kapitel untersucht die Verbindung von häuslicher Lebensweise und überregionalen Strukturen im Kontext der „Protoindustrialisierung“. Es wird gezeigt, wie die Spinner und Weber durch ihre Einbindung in produktionsteilige Herstellungsprozesse und grenzüberschreitende Handelsströme bereits an der Schwelle zur Moderne stehen.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind „Hausfrömmigkeit“, „Weltfrömmigkeit“, „gesellschaftliche Modernisierung“, „Protoindustrialisierung“, „Migrationsmotive“, „Migrationshindernisse“, „Spinner und Weber“, „Goethes *Wilhelm Meisters Wanderjahre*“, „Lenardos Tagebuch“, „Nachodine“, „Moralische Konfliktsituation“.
- Arbeit zitieren
- Thorben Höppner (Autor:in), 2019, Konsequenzen gesellschaftlicher Modernisierung für die Spinner und Weber in Goethes "Wilhelm Meisters Wanderjahre", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1354998