Armut und ihre Auswirkungen auf die Kinder


Hausarbeit, 2021

11 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Armut
2.1. Armut aus Kindersicht
2.2. Armut - Auswirkungen auf die Kinder

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Armut sowie mit den Auswirkungen auf die von der Armut betroffenen Kinder. Dabei beschränkt sich diese Arbeit auf die Armut in Deutschland.

Zunächst wird versucht, die Armut zu definieren. Es wird verdeutlicht, wer in Deutschland als arm gilt und warum die Armut nicht immer leicht zu erkennen ist. Die Problematik der ungleichen Verteilung wird kurz angesprochen und der Begriff der „inneren Armut“ wird näher betrachtet. Dann wird gezeigt, welche Folgen die Armut für die Erwachsenen haben kann. Anschließend wird der Hauptgrund für die Armut genannt und es wird gezeigt, wer von Armut am meisten betroffen ist.

Als nächstes wird die Armut aus der Sicht der Kinder betrachtet. Danach werden die Unterschiede bei der Betroffenheit von Armut (Kinder vs. Erwachsene) aufgezeigt. Es wird beschrieben, ob und wie die Armut von Kindern wahrgenommen wird. Auch wird gezeigt, dass Kinder unter dem Begriff „Armut“ sehr unterschiedliche Dinge verstehen. Darauffolgend werden die unterschiedlichen Definitionen von Armut aus der Kindersicht vorgestellt.

Dann wird näher auf die Auswirkungen der Armut auf die Kinder eingegangen. Dabei wird die Problematik des deutschen Schulsystems erläutert und erklärt, warum diese eine große Rolle für die von Armut betroffenen Kinder spielen kann. Die Einflussfaktoren auf die zukünftige Lebenschancen von „armen“ Kindern werden benannt und genauer betrachtet. Folgend wird auf die Frage eingegangen, welche Auswirkungen die Armut auf die betroffenen Kinder haben kann und ob bzw. wie diese vermieden werden können. Anschließend werden die möglichen Folgen der Auswirkungen von Armut auf die Kinder benannt.

Die Hausarbeit wird abschließend mit einem Fazit abgerundet.

2. Armut

Zunächst muss gesagt werden, dass die Fragen der Einkommensverteilung für eine Gesellschaft zentral sind. Hier wird entschieden, welchen Platz Menschen oder Haushalte im sozialen Gefüge einnehmen und welchen Zugang sie zu wichtigen, knappen finanziellen Ressourcen haben. Von Armut spricht man, wenn diese Ressourcen unter einer gewissen Schwelle liegen. Nach den letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2009 lag die Armutsgefährdungsschwelle bei 940 Euro im Monat. Wer darunter liegt, ist armutsgefährdet. Dies betrifft um die 14 bis 16 Prozent der Bevölkerung, wobei der Hauptgrund für die Armut Arbeitslosigkeit ist (vgl. Dallinger, S.45). Nach Dallinger ist Deutschland kein Land der Armen, der Reichtum ist aber sehr ungleich verteilt. Im Jahr 2008 besaßen zehn Prozent der vermögensstärksten ungefähr 53 Prozent des gesamten Nettovermögens, die untere Hälfte der Haushalte hatte zur gleichen Zeit nur ein Prozent (vgl. ebd., S. 45). Die heutige Bundesrepublik zeigt eine zunehmend gespaltene Gesellschaft auf, in der die Mittelschicht immer mehr ausgelöscht wird, die reichere Schicht immer reicher wird und dabei immer mehr Menschen arm werden (vgl. Hanesch, S. 10). Nun, zuerst muss geklärt werden, was die Armut überhaupt ist.

Armut bedeutet eine Position am unteren Ende der Einkommensverteilung. Wo genau das „unten“ beginnt, und was eine mangelnde Ressourcen-Ausstattung ausmacht, die es rechtfertigt von Armut zu sprechen, ist, laut Dallinger, durchaus strittig (vgl. Dallinger, S. 61). Nach dem gängigen Konzept des sozio-kulturellen Existenzminimums ist Armut dort vorhanden, wo Menschen insgesamt so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel haben, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in einem Land als Minimum gilt (vgl. ebd., S. 62). Die andere Aussage besagt aber, dass derjenige arm sei, wer seine Existenz im Sinne von Essen, (beheizbarem) Wohnraum oder Kleidung nicht sichern kann (vgl. ebd., S. 62). Die letzte Aussage spricht von der materiellen Armut, die erste von der „sozialen“. Grundsätzlich ist man bei einer materiellen Armut auch „sozial“ arm, dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass derjenige, der materiell gut aufgestellt ist (also vereinfacht gesagt „genug Geld hat“), „sozial“ nicht arm sein kann. Müller schreibt in seinem Buch aus dem Jahr 2008 folgendes dazu: „wir werden heute nicht nur von einer äußeren und materiellen Armut bedroht, sondern auch von einer inneren und seelischen“ (Müller, S. 22). Mit der „inneren Armut“ wird alles bezeichnet, was sich an emotionalen und seelischen Konsequenzen aus materieller und sozialer Armut ergibt: Wahrnehmungsstörungen (aufgrund eines reizarmen Umfeldes), Aggressionen (aufgrund unzuverlässiger Beziehungen und beengter Lebensverhältnisse), Distanzlosigkeit (aufgrund fehlender Grenzen und Strukturen), seelische Verwahrlosung und Einsamkeit durch soziale Armut und viel mehr (vgl. ebd., S. 35).

Die Armut soll, nach Hanesch grundsätzlich als ein Zusammenspiel von mangelnden individuellen Ressourcen bzw. Fähigkeiten und fehlenden objektiven Verwirklichungschancen verstanden werden (vgl. Hanesch, S. 29). Zusätzlich soll erwähnt werden, dass wir in einer, sogenannten „flüssigen Moderne“ leben. Ein Leben in Konsumgesellschaften, in denen menschliche Beziehungen oft stark vom Genuss oder vom Lustprinzip bestimmt werden. Wir leben in einer Zivilisation des Überschusses, des Überflüssigseins, des Abfalls und der Entsorgung von Abfall (vgl. Müller, S. 17). Alles ist möglich, vieles ist erlaubt und jedem steht „das Meer der Möglichkeiten“ zur Verfügung. Viele können diese Möglichkeiten aber nicht wahrnehmen, sei es wegen der materiellen Armut oder wegen der „inneren“ und dies kann zur Entwurzelung, Instabilität und Orientierungslosigkeit führen (vgl. ebd., S. 24). Das doch nicht alles für alle möglich ist, wird am Beispiel des deutschen Schulsystems sichtbar. Hier wird erkennbar, wie stark das Bildungserfolg eines Kindes in Deutschland von der sozialen Herkunft abhängt. Zum Beispiel, wenn einem Kind aus einer armen Familie der Weg in die „bessere Zukunft“ durch die bessere Bildung versperrt wird. Es haben schon mehrere Studien bestätigt, dass im deutschen Sekundarschulsystem nicht nur nach Leistung, sondern auch nach sozialer Herkunft selektiert wird (vgl. Groh-Samberg, S. 858). Kann man denn trotzdem behaupten, dass jeder und jede die gleichen Chancen in der Gesellschaft hat? Wohl kaum.

Erwähnenswert ist auch „der Trend zu einer Verfestigung von Armut am unteren Rand der Gesellschaft“ (ebd., S. 849). Dieser Trend macht auf den Prozess wachsender Blockierung von Lebenschancen und der dauerhaften sozialen Ausgrenzung sowie der Abkopplung größerer Bevölkerungsteile vom gesellschaftlichen Wohlstand aufmerksam. Der sogenannten „Zone der verfestigten Armut“ werden diejenigen zugeordnet, die seit fünf Jahren hintereinander und ununterbrochen über geringe bis sehr geringe Einkommen verfügt haben und dabei über fünf Jahre hinweg von mehrfachen Lebenslagendeprivationen betroffen waren. Als Lebenslagendeprivationen gelten beispielsweise die Arbeitslosigkeit oder Wohndeprivation. Es zeigt sich ebenfalls, dass die „Zone der verfestigten Armut“ mit der Zeit zunimmt (vgl. ebd, S. 850f.).

Zusammenfassend kann man an der Stelle sagen, dass die Langzeitarbeitslosen am meisten von Armut betroffen sind. Dies sind leider nicht alle. Nach Hanesch sind von Armut neben den Arbeitslosen insbesondere Haushalte mit Kindern (überwiegend Alleinerziehende und kinderreichen Familien), Personen mit fehlendem oder niedrigem Bildungs- und Berufsabschluss und Personen mit Migrationshintergrund betroffen (vgl. Hanesch, S. 10; vgl. Holz, S. 91f.). Nicht zu vergessen ist hier die immer aufsteigende Tendenz des „Working Poor“ sowie der wachsenden Armut im Alter (vgl. Hanesch, S. 10). Laut der Auswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) im Jahr 2003, sind rund 15% der Haushalte mit Kindern unter 16 Jahren von Armut bedroht (vgl. Holz, S. 90). Es wird zudem behauptet, dass Kinder deutlich häufiger als Erwachsene arm und armutsgefährdet sind, wobei am meisten Kinder aus Zuwandererfamilien armutsbetroffen sind (vgl. ebd., S. 91f.). Da der Anteil armer Kinder in Deutschland immer größer wird, ist es, aus meiner Sicht, wichtig, auf die betroffenen Kinder genauer zu schauen. Deshalb werde ich im nächsten Kapitel auf die Armut aus der Kindersicht ausführlich eingehen.

2.1. Armut aus Kindersicht

„Wenn von Armut bei Kindern gesprochen wird, dann gilt folgendes:

- Ausgangspunkt ist die (relative) Einkommensarmut,
- Das Kind lebt in einer einkommensarmen Familie,
- Es zeigen sich kindspezifische Erscheinungsformen von Armut in Gestalt von materieller, kultureller, gesundheitlicher und sozialer Unterversorgung,
- Die Entwicklungsbedingungen des Kindes sind beeinträchtigt, wobei dies ein Aufwachsen im Wohlergehen, mit Benachteiligung oder in multipler Deprivation umfassen kann,
- Die Zukunftsperspektiven des Kindes sind eingeschränkt“ (Holz, S. 100).

Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass Erwachsene und Kinder unterschiedlich von der Armut betroffen sind und diese auch unterschiedlich wahrnehmen (vgl. Zander, S. 152). Die Erwachsenen wissen im Normallfall, dass sie arm sind oder sie wissen zumindest, dass sie nicht genug haben. Wie nehmen aber die Kinder Armut wahr? Wenn allgemein von Armut gesprochen wird, stellt man sich oft (automatisch) einen obdachlosen Mann vor, der kaputte Kleidung anhat, ungewaschene Haare hat und dazu ist sein Gesicht dreckig. Meistens riecht dieser Mann sehr unangenehm. Genauso stellen sich auch die meisten Kinder die Armut vor, wenn sie danach gefragt werden. Für viele Kinder bedeutet Armut ein durch die Medien vermitteltes Bild: nichts zum Essen und zum Trinken haben und sich dadurch in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Also bedeutet Armut für die Kinder generell eine „absolute Armut“. Es ist dann auch kein Wunder, dass in Deutschland lebenden Kinder sich und die eigene Familie eher als „nicht arm“ einstufen, obwohl viele von ihnen in sehr armen Familien aufwachsen. Der Begriff „Armut“ wirkt bedrohlich und abstoßend und selbst wenn die befragten Kinder wissen, dass ihre Eltern nicht genug Geld haben, deuten sie dies nicht als Armut (vgl. ebd., S. 134ff.).

Zunächst ist Armut für Kinder nicht immer nur materiell. Viele befragten Kinder beschreiben eine verweigerte Anerkennung durch andere und damit als selbst erfahrene Ablehnung durch die anderen genauso als Armut (vgl. ebd., S. 138). Sie verbinden und assoziieren zudem bestimmte Gemütszustände und Befindlichkeiten wie Verzicht (sich keine teuren Dinge leisten zu können), viele unerfüllte Wünsche haben zu müssen, Verlust von etwas oder jemanden (z.B. in Trennungs- und Scheidungssituationen aber auch bei Krankheit) oder Traurigkeit (als emotionale Befindlichkeit infolge gesellschaftlichen Ausschlusses) ebenso mit Armut. Es werden aber auch die sozialen Interaktionserfahrungen genannt, die mit Armut von Kindern in Zusammenhang gebracht werden: eingeschränkte Handlungs- und Mobilitätsmöglichkeit, etwa eine eingeschränkte räumliche Mobilität, die soziale Kontakte beengt; Differenzwahrnehmung gegenüber anderen Kindern, beispielsweise ihnen gegenüber materiell wie immateriell nicht mithalten zu können; und Erfahrung von sozialem Ausschluss, also ein Geburtstag nicht feiern zu können und auch von anderen nicht eingeladen zu werden (vgl. ebd., S. 137).

Fakt ist, dass die Armut aus der Kindersicht ein negatives Bild darstellt und sie deshalb auf keinen Fall zu den „armen“ gehören wollen. Auch wenn sie in einem armen oder von Armut bedrohten Haushalt leben, tun die betroffenen Kinder alles Mögliche, um nicht als „arm“ wahrgenommen zu werden (vgl. ebd., S. 138). Es stellt sich die Frage, ob es armutsbedingten Auswirkungen auf die Kinder gibt und falls ja, welche. Dies versuche ich im nächsten Kapitel rauszufinden.

2.2. Armut - Auswirkungen auf die Kinder

Erst durch die wissenschaftlichen Studien wird es sichtbar, dass neben den betroffenen Erwachsenen auch ihre Kinder von Armut betroffen sein können. Die Studien verdeutlichen, dass die materielle Grundversorgung der in Armut aufwachsenden Kindern, abnimmt. Sie kommen beispielsweise häufiger hungrig in die Kita oder Schule, oder haben keine Brotzeit dabei. Sie erzählen es niemanden, weil sie sich dafür schämen. Teilweise sehen diese Kinder auch sehr ungepflegt aus oder haben schmutzige Kleidung an (vgl. Holz, S. 100). Die Erkenntnisse aus dem sozialen Bereich beunruhigen nicht weniger: arme Kinder äußern seltener ihre Wünsche und sind weniger wissbegierig als nicht-arme Kinder. Zudem zeigen die Studien gesundheitliche Folgen von Armut, wie zum Beispiel das Zurückbleiben bei der körperlichen Entwicklung (vgl. ebd., S. 100f.). Problematisch ist dabei auch, dass ein „Aufwachsen in Armut“ erhebliche Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und Entwicklungsrisiken für die betroffenen Kinder beinhaltet, ob sie die Armut wahrhaben wollen oder nicht (vgl. Zander, S. 21).

Im zweiten Kapitel habe ich kurz die Problematik des deutschen Schulsystems dargestellt. Es ist kein Geheimnis, dass der Zugang zu Wissen und Bildung meistens über den späteren Leben entscheidet. Bessere Bildung bedeutet bessere Berufschancen und dadurch eine bessere finanzielle Situation (vgl. Müller, S. 21). Dabei spielt nicht zuletzt die Bildung der Eltern eine große Rolle, Zander schreibt dazu:

„Das Vorhandensein bzw. Nicht- Vorhandensein von sozialen und kulturellen Ressourcen der Herkunftsfamilie ist also für die Bewältigung der gesellschaftlichen Anforderungen an die Kinder von entscheidender Bedeutung. Aufwachsen in Armutsverhältnissen – vor allem in sozial, kulturell und bildungsmäßig geprägter Armut – ist demzufolge als ein mögliches Entwicklungsrisiko zu deuten, das diese Kinder in der Bewältigung von ihnen gesellschaftlich abverlangter Entwicklungsaufgaben beeinträchtigt“ (Zander, S. 36f.).

Dabei sind die zukünftigen Lebenschancen von „armen“ Kindern von vier verschiedenen Einflussfaktoren abhängig: 1. von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, 2. von der Lebenssituation in der Familie, 3. vom privaten Umfeld / Netzwerk und 4. von der professionellen Unterstützung. Der erste Punkt besagt, dass die Kinder auf vielerlei Weise negativ von der Arbeitslosigkeit der Eltern betroffen sind (materielle Einschnitte) und mit den Folgen (die Folgeprobleme der Erwachsenen) direkt und indirekt konfrontieren. Bei dem zweiten Punkt handelt es sich vor allem um die Ressourcen und die Probleme innerhalb der Familie. Dabei werden materielle Ressourcen und Probleme, wie die Wohnsituation, sowie die sozialen und kulturellen Kompetenzen der Eltern in den Blick genommen. Auch der Erziehungsstil, die emotionale Zuwendung und die Familiengröße bzw. die Kinderzahl gehört zum zweiten Punkt dazu. Der dritte Punkt nimmt alle soziale (private) Netze unter die Lupe, die bedeutsam für das Kind bzw. für die Familie sind und die Selbsthilfepotenziale der Familie stärken und somit die Auswirkungen von Armut mildern können. Hier muss erwähnt werden, dass das Umfeld gleichzeitig das Gegenteil bewirken kann (z.B. über soziale Vergleiche). Bei dem Punkt vier handelt es sich um professionelle Unterstützungen, wie beispielsweise das Angebot an sozialen Hilfen (Erziehungsberatung, Schuldnerberatung und andere) aber auch Kitas und Schulen haben hierbei eine große Bedeutung. Nicht zuletzt sind die professionellen Hilfen für Kinder und Familien zu nennen, die unterstützend sein können und auch die Folgewirkungen von Armut bei Kindern wesentlich beeinflussen (vgl. Holz, S. 94f.).

Es ist also ersichtlich, dass Armut Auswirkungen auf die Kinder haben kann. Welche und ob diese Auswirkungen auftreten, hängt von den eben genannten Faktoren stark ab. Man muss betonen, dass erst das Zusammenspiel dieser Faktoren über die Auswirkungen auf die Kinder letztlich entscheiden kann. Welche Auswirkungen kann nun die Armut auf die Kinder haben? Stellt das Aufwachsen in Armut ein bedeutsames Risiko dar? Welche Auswirkungen hat Armut als Lebenslage auf die Entwicklung von Kindern? Sind Kinder, die in Armut aufgewachsen sind, vielleicht resilienter? Nach der Armutsforschung ist Armut eine multidimensionale Lebenslage, die im Einzelfall sehr unterschiedliche Merkmale aufweisen kann. Je nach der durch Armut erzeugten Risikokonstellation kann das Wohlbefinden und die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes unterschiedlich stark beeinträchtigt sein. Laut der Resilienzforschung kann eine „chronische Armut“ ein großes Risiko für die Entwicklung des Kindes bedeuten (vgl. Zander, S. 122). Nicht weniger wichtig sind die negativen Auswirkungen der Armut auf die schulischen Leistungen der betroffenen Kinder (vgl. ebd., S. 159). Wenn das Schulkind kein eigenes Zimmer oder nicht mal einen eigenen Tisch hat, werden die Hausaufgaben nicht gemacht bzw. nicht gut gemacht. Oder wenn das Kind sich nie ausruhen kann, weil es in einer großen Familie aufwächst und nie allein sein darf / kann, auf die kleineren Geschwister aufpassen muss oder gar einen Teil der Elternrolle übernehmen muss, gerät es in Überforderungssituationen (vgl. Müller, S. 18). Für solche Kinder ist die Kita oder Schule essenziell, die Frage ist aber, ob sie als teilweise „ungepflegte, aus der Kleidung rausgewachsene arme“ genauso gefördert werden wie ihre „nicht-armen“ SchulkameradInnen. Nicht zu vergessen ist, dass arme Kinder oft sehr müde sind, da sie oft auf sich gestellt sind und erst spät Schlafen gehen. Dadurch nimmt die Konzentration ab und die schulischen Leistungen werden immer schlechter. Die Eltern sind sowieso schon durch die ganze Situation überfordert und schenken dem Kind keinerlei Unterstützung. Sie besuchen keine Elternabende, kommen nie zu den Feiern, sie nehmen am Kindesleben nicht mehr Teil (vgl. ebd., S. 50f.). Aus Überforderung der Eltern entsteht die Überforderung der Kinder. Die betroffenen Kinder fühlen sich im Stich gelassen. Ihre Entwicklung leidet an diesem Stress und dies führt nicht selten zu Entwicklungsstörungen und Entwicklungsauffälligkeiten der in Armut aufwachsender Kinder. Auch die soziale Ausgrenzung kann eine Folge sein. Insgesamt können daraus Langzeitfolgen für das Kind und die Gesellschaft resultieren (vgl. Zander, S. 97, 122).

3. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Armut in erster Linie ein gesellschaftliches Problem ist, unabhängig davon, wie sie definiert wird: ob als „Unterversorgung“ in den verschiedensten Lebensbereichen, als extreme „Erscheinungsform von sozialer Ungleichheit“ oder als „gesellschaftlichen Ausschluss“ (vgl. Zander, S. 125). Sie umfasst sowie die materielle als auch die soziale Seite der Lebensführung und kann schwerwiegende Folgen, vor allem für die betroffenen Kinder, haben. Es ist wichtig zu wissen, dass sich Kinder aus armen Familien oft als „nicht arm“ bezeichnen und auch oft alles tun, um nicht als „arme“ aufzufallen. Aus (nicht nur) diesem Grund sollen ErzieherInnen und LehrerInnen (da sie die Kinder am häufigsten sehen) auf jedes Kind genauer schauen, um früh genug Probleme erkennen zu können.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass Kinder von Natur aus widerstandsfähig sind und dass sich viele „armen“ Kinder trotz der Armut sehr gut entwickeln und gesund aufwachsen. Teilweise schauen sie sehr motiviert in die Zukunft und auf die spätere Bildung, weil sie ein „besseres Leben als ihre Eltern“ anstreben.

4. Literaturverzeichnis

Dallinger, Ursula (2016) Sozialpolitik im internationalen Vergleich. Konstanz [u.a.]: UKV Verlagsgesellschaft mbH mit UVK/Lucius.

Groh-Samberg, Olaf (2019) Ökonomische Ungleichheiten: Armut und Reichtum. In: Obinger, Herbert und Schmidt, Manfred G. (Hrsg.) Handbuch Sozialpolitik. Wiesbaden: Springer VS. S. 833–862.

Hanesch, Walter (Hrsg.) (2011) Die Zukunft der "Sozialen Stadt". Strategien gegen soziale Spaltung und Armut in den Kommunen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Holz, Gerda (2010) Frühe Armutserfahrungen und ihre Folgen – Kinderarmut im Vorschulalter. In: Zander, Margherita (Hrsg.) Kinderarmut. Einführendes Handbuch für Forschung und soziale Praxis. 2. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag. S. 88–109.

Müller, Thomas (2008) Innere Armut. Kinder und Jugendliche zwischen Mangel und Überfluss. Wiesbaden: VS Research.

Zander, Margherita (2008) Armes Kind - starkes Kind? Die Chance der Resilienz. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Armut und ihre Auswirkungen auf die Kinder
Hochschule
Hochschule München
Veranstaltung
Sozialpolitik - Einführung in das System der sozialen Sicherung
Note
2,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
11
Katalognummer
V1356014
ISBN (eBook)
9783346886668
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Armut, Kinder, Auswirkungen
Arbeit zitieren
Sofia Golbeck (Autor:in), 2021, Armut und ihre Auswirkungen auf die Kinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1356014

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