Der überaus produktive und erfolgreiche spanische Regisseur Pedro Almodóvar wagte in den 1980er Jahren eine in den Zeiten des Übergangs zur Demokratie in Spanien kulturell noch eher konservativen Gesellschaft die offene Auseinandersetzung mit der sozialen und individuellen Konstruktion von Geschlechtsidentitäten und alternativen Lebensentwürfen. Seine Filme bilden weniger ein gesellschaftliches Panoptikum ab als dass sie einen Fokus auf die marginalisierten Gesellschaftsschichten, wie zum Beispiel die Arbeiterschicht, die Künstlerszene und das Drogenmilieu legen. Dass in diesem Kontext die traditionelle Vorstellung einer liebenden und sorgenden Mutter, die sich durch vorbildliches Verhalten und ein gepflegtes Erscheinungsbild auszeichnet, mit den Ausdrucksformen der „Movida-Szene“ Spaniens in Konflikt gerät, macht Almodóvar zum Thema vieler seiner Filme.
Die Theorien von Michel Foucault und Judith Butler zur Macht der Diskurse und ihr Einfluss auf die Geschlechtsidentität bilden die theoretische Grundlage für die Betrachtung der Identitätskonstruktionen der Mutterrollen in den Filmen Almodóvars. Nach Butlers Verständnis existiert ein biologisch determiniertes Geschlecht nicht. Vielmehr kommt sie zu der Überzeugung, dass die biologische Determination von Geschlechtsidentität ein Produkt diskursiver Strategien ist, das wiederum ein Ausdruck politischer und gesellschaftlicher Machtpositionen ist. Mit dieser Überzeugung knüpft sie an den französischen Philosophen Michel Foucault an, der die Konstruktion von Identität als Produkt politischer und gesellschaftlicher Diskurse betrachtet.
Almodóvar erzählt „alternative Geschlechtergeschichten“, „[...] in denen Geschlecht nicht irrelevant [ist], aber in immer neuen und ungeahnten Inszenierungen [...]“ erscheint. Diskursiv konstruierte Normen und gesellschaftliche Werte werden hinterfragt und alternative Lebensentwürfe und Geschlechtsidentitäten inszeniert, häufig verbunden mit sozialer Kritik an den patriarchalen Strukturen und Diskriminierungen an Frauen und Homosexuellen. Damit hat Almodóvar einen wichtigen Beitrag zur Gleichberechtigungs- und LGTBQIA+-Bewegung geleistet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- ,,Alles nur Theater?“ – Die performative und diskursive Konstruktion von Identität
- Judith Butler - Performativität von Geschlecht und ihre Bedeutung für die Konstruktion von Identität
- Michel Foucault - Die Macht der Diskurse bei der Konstruktion und Dekonstruktion von sozialer Identität
- Der kulturelle Rahmen der Identitätsbildung
- Mütter im Patriarchat
- Mutterschaft im Kontext der Zwangsheterosexualität
- Emanzipation und Dekonstruktion von Geschlecht
- ,,Mütter als Moralapostel?\" – Mütter im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen und individueller Entfaltung
- Tabubruch und Rollentausch in „La Ley Del Deseo"
- Die Mutter Oberin als Anti-Vorbild in,,Entre tinieblas"
- Mütter zwischen Überforderung und Resignation in „¿¿Qué he hecho yo para merecer esto?\"
- Gewählte Geschlechtsidentität anstelle gelebter Vaterschaft in,,Todo sobre mi madre"
- Mütter und Machtspiele in „Tacones Lejanos"
- Mütter zwischen Kriminalität und Wahnsinn in „,Volver"
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Konstruktion von Mutterrollen in ausgewählten Filmen des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar, indem sie die theoretischen Konzepte von Judith Butler und Michel Foucault zur Performativität von Geschlecht und der Macht der Diskurse heranzieht. Ziel ist es, die Inszenierung von Mütterlichkeit in Almodóvars Filmen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Erwartungen und individueller Entfaltung zu analysieren.
- Performativität von Geschlecht und ihre Bedeutung für die Konstruktion von Identität
- Die Macht der Diskurse bei der Konstruktion und Dekonstruktion von sozialer Identität
- Mütter im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und individueller Entfaltung
- Mütterlichkeit als performativer Akt im Kontext von Almodóvars Filmen
- Identitätskonstruktionen von Müttern im Kontext von Patriarchat, Zwangsheterosexualität und Emanzipation
Zusammenfassung der Kapitel
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen der Arbeit. Es werden Butlers Konzept der Performativität von Geschlecht und Foucaults Theorie der Macht der Diskurse erläutert. Dabei wird der Fokus auf die Bedeutung dieser Konzepte für die Konstruktion von Identität gelegt. In Kapitel 2.3 wird der kulturelle Rahmen der Identitätsbildung beschrieben, wobei die Rolle des Patriarchats, der Zwangsheterosexualität und der Emanzipation für das Selbstverständnis der Mütter beleuchtet wird.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse ausgewählter Filme Almodóvars. Es werden die Identitätskonstruktionen und das Selbstverständnis der Geschlechtsidentität von Müttern in diesen Filmen untersucht. Dabei wird deutlich, dass es in Almodóvars Werken einen Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter und deren individueller Lebensentwürfe gibt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen der Performativität von Geschlecht, der Macht der Diskurse, der Konstruktion von Identität, der Inszenierung von Mutterrollen, den Filmen von Pedro Almodóvar und den gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter. Im Zentrum stehen die Konzepte von Judith Butler und Michel Foucault sowie die Analyse der Identitätskonstruktionen von Müttern in Almodóvars Filmen.
- Arbeit zitieren
- Diplom Sophia Schneider (Autor:in), 2021, "Alles über die Mütter". Normbrüche bei der Identitätskonstruktion von Müttern in Filmen von Pedro Almodóvar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1357297
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