Abriss der iranischen Aussenpolitik nach der Islamischen Revolution, unter Bezug auf den Kalten Krieg. Schwergewicht auf die Politik des Revolutionsexports während der Herrschaft von Ayatollah Khomeini. Kurzer Ausblick auf die Aussenpolitik nach dem Tod Khomeinis und dem Ende des Krieges gegen den Irak.
Inhaltsverzeichnis
Die islamische Revolution im Kontext des Kalten Kriegs
Der Islamismus und Khomeinis Weltsicht
Akteure in Aussenpolitik und Revolutionsexport
Phasen der Aussenpolitik
Ein partieller Neuanfang
Fazit
Die islamische Revolution im Kontext des Kalten Kriegs
Die islamische Revolution im Iran fand an der Schwelle der letzten Phase des Kalten Kriegs statt – der Phase, die nach dem Einmarsch in Afghanistan und der Zerschlagung der Solidarnosc in Polen durch ein wiederum intensiviertes Wettrüsten zwischen den Blöcken, eine drastische Abkühlung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington und Spannungen innerhalb der NATO wegen der nuklearen Nachrüstung gezeichnet war und die erst mit der Perestroika beendet wurde. Ausserhalb Europas, dem eigentlichen Hauptkonfrontationsplatz der zwei Supermächte, hatten allerdings bereits in der vorangegangenen Entspannungsperiode Stellvertreterkonfrontationen kontinuierlich zugenommen. In Vietnam brach 1975 das nie sonderlich populäre Regime im Süden zusammen und beendigte für die USA die eigenen traumatischen Erfahrungen in diesem Land mit einer demütigenden Niederlage. In Zentralamerika kamen in der Mitte der siebziger Jahre die dortigen Oligarchien unter den Druck von linksgerichteten Guerillabewegungen. In Nicaragua stürzte die Familiendiktatur der Somozas und musste den revolutionären Sandinisten Platz machen, während im benachbarten El Salvador sich ein prekäres Bündnis von Generälen und Politikern nur dank massiver amerikanischer Militär- und Wirtschaftshilfe knapp an der Macht halten konnte. Im südlichen Afrika zogen sich die Portugiesen überstürzt aus Angola und Mosambik zurück. Während in Mosambik eine linksgerichtete Partei zügig die Macht übernahm, brach in Angola ein Bürgerkrieg aus. Kuba schickte Tausende von Soldaten, um eine linke Regierung gegen ihre innerangolanischen Feinde und deren südafrikanischer Helfer zu unterstützen. In Äthiopien hatten Offiziere 1974 Kaiser Haile Selassie zuerst unter Hausarrest gesetzt, später ermordet. Das neue Regime verwickelte sich in einen Krieg mit dem benachbarten Somalia. Die Sowjetunion ergriff die Partei der äthiopischen Junta und lieferte Waffen, während die Kubaner wiederum mit Soldaten und Berater zur Seite standen.
Die Ereignisse in all diesen Ländern hatten in erster Linie ihre Wurzeln in den lokalen Verhältnissen. Kleine Eliten herrschten – zum Teil mit brutaler Gewalt – über das Land und gewannen ihren Reichtum und ihre Macht aus der Ausbeutung weiter Bevölkerungsschichten, die zum Teil in feudalen Abhängigkeitsverhältnissen gehalten wurden. Diese Eliten waren vielfach mit dem Westen verbunden, ihre Regimes galten als pro-westlich. Wer sich gegen diese Regimes stellte, wurde von diesen – und oft, zu oft mit der Billigung Washingtons - als Kommunist denunziert, diffamiert, gefoltert und umgebracht. Kein Wunder, dass die Oppositionskräfte in diesen Ländern „Kommunist“ nicht unbedingt als Schimpfwort empfanden. Die marxistische Gesellschaftsanalyse, mit ihren Erklärungsversuchen von Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung, schien in vielen Fällen durchaus nützlich und den lokalen Verhältnissen angepasst.
Andererseits aber unterstützte Moskau oft die radikalsten Oppositionsgruppen vor Ort, vor allem wenn sie sich einer kommunistischen Programmatik verschrieben; die Sowjets und ihre Satelliten, allen voran Kuba, gewährten finanzielle und politische Unterstützung, lieferten Waffen und waren für militärische Ausbildung dieser Oppositionsgruppen besorgt. Das schürte die Gewalt, verhinderte öfters auch den Dialog, politische Kompromisse und friedliche Transformationsprozesse. Die sogenannte dritte Kraft – reformerisch, demokratisch, auf politischen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit bedacht – hatte in diesen aufgeladenen konfrontativen Situationen regelmässig keine Chance.
Ayatollah Sayyid Ruhollah Khomeini, der gegen das prowestliche Regime des Schahs aufbegehrte und dieses schliesslich stürzte, war kein Kommunist, kein Linker – beileibe nicht. Sein Slogan war „Weder Ost noch West“. Das sorgte allenthalben für Verwirrung, nicht nur bei den Repressionsorganen des Schahs, welche während den revolutionären Unruhen von 1978/79 die Anhänger Khomeinis als „schwarze Marxisten“ brandmarkten. Auch in den Analysenberichten des CIA und des KGB herrschte Ratlosigkeit, wie das Phänomen zu deuten sei – und, um die eigene Weltsicht zu retten, vermutete man, die Gegenseite müsse sehr wohl die Finger im Spiel, wenn auch auf ganz raffinierte Weise. Dabei lässt sich heute mit Sicherheit und Gelassenheit sagen, dass die iranische Revolution sich unabhängig von der Logik und Dynamik des Kalten Kriegs entwickelte, auch wenn sie sich vor dessen Hintergrund abspielte. Viel eher ist sie in Bezug zu stellen zur Entkolonialisierung, die ebenfalls einer anderen Logik als jener des Kalten Kriegs folgte (doch von dessen Mechanik stark geprägt wurde). Die Entkolonialisierung steht für die Emanzipation und Wiederverselbstständigung der Regionen ausserhalb des nordatlantischen Raums nach einer Phase europäischer Domination. Die Entkolonialisierung war naturgemäss vorerst eine vorwiegend politische Bewegung, da die überseeischen Kolonialreiche Europas in erster Linie politische Konstrukte waren, allerdings mit weitreichenden ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Konsequenzen für die betroffenen Gebiete, und die politische Emanzipation hatte durchaus ihre Wurzeln in diesen kulturellen Verwerfungen und Veränderungen. Letztere bewirkten aber vielfach, bei aller gleichzeitigen Uebernahme von ökonomischen und ideologischen Modellen und Mustern des kolonialistischen Westens, zu einer Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln als Grundlage eines autochthonen Politik- und Gesellschaftsprogramms. Unter diesen Umständen erstaunt es nicht, dass in Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung der Islam als Basis für eine neue, den eigenen Bedürfnissen und Gepflogenheiten scheinbar angepasstere und authentischere politische Ideologie genommen wurde.
Der Islamismus und Khomeinis Weltsicht
Es würde hier zu weit führen, im Detail die Genesis des politischen Islams beziehungsweise des Islamismus im Nahen Osten nachzuzeichnen. Nur soviel: Die soziokulturellen, ökonomischen und politischen Modernisierungs- und Emanzipationsbestrebungen, die seit den fünfziger Jahren in den arabischen Ländern durch Nasser und im Iran durch den Schah – wenn auch in einer prowestlichen Variante - verkörpert wurden, hatten in eine Sackgasse geführte und die geweckten Erwartungen nicht zu erfüllen vermocht. Der panarabische Nationalismus in all seinen Schattierungen geriet mit der verheerenden Niederlage im Sechstage-Krieg gegen Israel in eine tiefgreifende Krise. Eine vergleichbare traumatische Erfahrung fehlte zwar im Iran, aber auch hier hinterliess die forcierte Modernisierung ein Malaise. Kulturell fühlte man sich vom Westen dominiert. Wirtschaftlich eröffnete zwar der Oelboom die Aussicht auf schnellen Gewinn und Reichtum – aber er nährte auch Korruption, Inflation und andere negative Erscheinungen.
Seit den siebziger Jahren war in vielen muslimischen Gesellschaften eine Rückkehr zu privater Frömmigkeit und religiöser Lebensweise zu beobachten. Gefördert wurde dieser Trend durch Saudi-Arabien. Dank den Einnahmen aus dem Export von Oel verfügte das Wüsten-Königreich über gewaltige Finanzmittel und stiftete generös Schulen, Universitäten, Spitäler und Kindergärten, mit entsprechend ausgebildetem und frommem Personal.
Doch die Rückkehr zur Religion blieb nicht aufs Private, Pädagogische und Karikative beschränkt. Auch politisch wuchs das Interesse am Islamismus – jener Ideologie, die sich auf die Religion berief, nicht aber mit ihr gleichzusetzen war. Der Islamismus wurde in einigen Ländern von den jeweiligen Regierungen sogar gefördert, weil sie in ihm eine Gegenkraft zum Kommunismus sahen. Mitte der siebziger Jahre gab es in zahlreichen nahöstlichen Staaten islamistische Gruppen, die entweder im Untergrund oder in der Halblegalität operierten. Im Iran gelang ihnen mit der Revolution die Machtergreifung.
Die Weltsicht der islamischen Revolution Irans ist einerseits geprägt durch die Besonderheiten des schiitischen Islams und andererseits Khomeinis eigenen Ansichten und Interpretationen. Nur knapp 10 % der Muslims weltweit sind Schiiten; eine Mehrheit bilden sie in Iran, Irak, Bahrain und, in einer besonderen Variante, im Jemen. In allen anderen Staaten sind die Schiiten eine Minderheit, oft eine unterdrückte. Der Ursprung der Schiiten geht auf einen Zwist in der frühislamischen Geschichte zurück: 680 wurde der damalige Führer der Schiiten, Hussein, mit 80 seiner Getreuen von einem überlegenen feindlichen Heer in einem Gefecht im heutigen Irak besiegt und umgebracht. Dieser Tod wird bei den Schiiten als selbstloses Martyrium interpretiert, das sehr viele Aehnlichkeiten mit der Passion Jesu aufweist. Wie Jesus für die Christen, so hat sich Hussein für die Rettung und das Heil der Schiiten geopfert (wobei aber Hussein immer nur Mensch ist, im Gegensatz Jesus).
Das Thema der „Befreiung“ ist denn auch zentral in der schiitischen Theologie – und nimmt breiten Raum in Khomeinis politischer Ideologie ein. Für ihn sind die Muslims eine „unterdrückte Nation“, die es zu befreien gilt – nicht nur im Iran, sondern überall. Khomeinis Ideologie ist insofern panislamisch und nicht speziell schiitisch; die Art und Weise, wie Khomeinis aber diesen Panislamismus vor allem in der Praxis handhabte, zeigte sehr wohl seine schiitischen und iranischen Wurzeln. Khomeinis Ideologie fand ausserhalb Irans nach einer anfänglichen echten panislamischen Ausstrahlung denn auch vor allem unter Schiiten Anklang.
Wenn Khomeini von Befreiung und folglich von Unterdrückung sprach, dann setzte er die Unterdrücker mit den USA und Israel gleich. Als muslimischer Schriftgelehrter wies Khomeini den Vorwurf des Antisemitismus zurück, unter Hinweis auf das Gebot des Korans, Juden als „Volk des Buchs“ einem besonderen Schutz anheimzustellen. Doch kann Khomeini nach geläufigen Definitionen sehr wohl als Antisemit bezeichnet werden. Er glaubte jede noch so abstruse antisemitische Verschwörungstheorie. Khomeini war überzeugt, die USA würden von einer jüdischen Lobby beherrscht, auf deren Wirken allein die Gründung Israels zurückzuführen sei. Für Khomeini war Israel Teil eines sinistren Plans, den gesamten islamischen Raum mittels politischer Einflussnahme, wirtschaftlicher Ausbeutung und kulturelle Zersetzung zu unterwerfen. Deshalb musste Israel, in der Diktion Khomeinis, von der Landkarte verschwinden. Eine der ersten Handlungen nach dem Sieg der Revolution war denn auch die Schliessung der israelischen Handelsmission in Teheran und die Uebergabe des entsprechenden Gebäudes an die PLO.
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- Arbeit zitieren
- Dr. phil. hist. Rolf Tanner (Autor:in), 2008, Die iranische Revolution und das internationale System, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135770
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