“Warum liest du das nochmal?”
“Es ist gut.”
“Aber du hast es bestimmt schon tausend mal gelesen.”
“Es macht mir Spaß.”
“Ich dachte immer man liest, weil man wissen will, was als nächstes passiert.”
Ein Gespräch zwischen dem Protagonisten Leonard und seiner Frau Catherine, das auf den ersten Blick relativ unbedeutend scheint, aber dennoch nicht bezeichnender für MEMENTO sein könnte - einen Independent-Film, den man nicht sieht, um zu wissen, was als nächstes passiert; einen Film, den man mehr als einmal sehen muss, um ihn gänzlich zu verstehen; mit einem Protagonisten, der sich weder daran erinnern kann, was er gerade getan hat noch was er im nächsten Augenblick vorhatte zu tun. Das Vergnügen an MEMENTO - der faszinierenden Geschichte eines Mannes, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat und trotzdem versucht den Mord an seiner Frau zu rächen - besteht im Gegensatz zu einer konventionellen Erzählung gerade darin, wissen zu wollen, was zuvor passiert ist, und das verworrene Puzzle Stück für Stück von hinten nach vorne zusammenzusetzen. Denn diese Geschichte wird - was wohl als Hauptaugenmerk des Films in Erinnerung bleibt - rückwärts erzählt.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, diese außergewöhnliche Narrationsstruktur, sowie die Funktion der daraus resultierenden veränderten Informationsvergabe an den Zuschauer zu analysieren und wie dieser in einem dem Protagonisten ähnlichen Zustand versetzt wird. Des Weiteren werde ich auf die einzelnen Hinweise eingehen, die bereits im Verlauf der Handlung auf die wahre Identität des Protagonisten schließen lassen.
1. Einleitung
- “Warum liest du das nochmal?”
- “Es ist gut.”
- “Aber du hast es bestimmt schon tausend mal gelesen.”
- “Es macht mir Spaß.”
- “Ich dachte immer man liest, weil man wissen will, was als nächstes passiert.”
Ein Gespräch zwischen dem Protagonisten Leonard und seiner Frau Catherine, das auf den ersten Blick relativ unbedeutend scheint, aber dennoch nicht bezeichnender für MEMENTO sein könnte - einen Independent-Film, den man nicht sieht, um zu wissen, was als nächstes passiert; einen Film, den man mehr als einmal sehen muss, um ihn gänzlich zu verstehen; mit einem Protagonisten, der sich weder daran erinnern kann, was er gerade getan hat noch was er im nächsten Augenblick vorhatte zu tun. Das Vergnügen an MEMENTO - der faszinierenden Geschichte eines Mannes, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat und trotzdem versucht den Mord an seiner Frau zu rächen - besteht im Gegensatz zu einer konventionellen Erzählung gerade darin, wissen zu wollen, was zuvor passiert ist, und das verworrene Puzzle Stück für Stück von hinten nach vorne zusammenzusetzen. Denn diese Geschichte wird - was wohl als Hauptaugenmerk des Films in Erinnerung bleibt - rückwärts erzählt.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, diese außergewöhnliche Narrationsstruktur, sowie die Funktion der daraus resultierenden veränderten Informationsvergabe an den Zuschauer zu analysieren und wie dieser in einem dem Protagonisten ähnlichen Zustand versetzt wird. Des Weiteren werde ich auf die einzelnen Hinweise eingehen, die bereits im Verlauf der Handlung auf die wahre Identität des Protagonisten schließen lassen.
2. Struktur der Narration
2.1. Organisation der zwei Handlungsstränge
Dazu möchte ich als Erstes die Struktur erläutern. MEMENTO besteht aus zwei verschiedenen Erzählsträngen, die durch ihre stilistische Gestaltung leicht voneinander zu unterscheiden sind und deren Gegenläufigkeit darüber hinaus durch rasante Schnitte und eine relativ hektische Montagetechnik noch offensichtlicher wird.
Ein erster Strang ist in Farbe gedreht und erzählt in fünf bis zehn Minutenfragmenten Szene für Szene die Geschichte vom Ende bis zum Anfang, läuft sozusagen rückwärts, aber trotzdem linear ab. Ein zweiter Strang, mit noch wesentlich kürzeren Szenen, wird ausschließlich in Schwarz-Weiß-Bildern erzählt und läuft chronologisch vorwärts ab.
Die beiden Stränge sind in einem konsequenten Wechsel - eine Szene in Farbe, eine in schwarz-weiß - miteinander verstrickt. Um dem Zuschauer das Zusammensetzen der Reihenfolge der rückwärts angeordneten Szenen zu erleichtern, überlappen diese leicht. Das heißt, einige Sekunden des Anfangs einer Szene werden am Ende der darauf folgenden Szene wiederholt.
Dazu ein Beispiel: eine Szene beginnt damit, dass Teddy eine Glastür öffnet, „Lenny!" ruft, nach einem kurzen Gespräch mit Leonard zum Wagen geht und sie zusammen losfahren. Das Teilstück danach beginnt an einem ganz anderen Ort und endet genau damit, dass Teddy die Glastür öffnet und Leonard "Lenny!" entgegen ruft.
Am Ende des Films treffen sich der Schwarz-Weiß- und Farbstrang an einem Zeitpunkt und verschmelzen miteinander, indem die laufende Schwarz-Weiß-Sequenz „eingefärbt“ wird. Ein interessanter Effekt ist, dass die Erzählzeit und die erzählte Zeit hierbei fast als Echtzeit zur Deckung kommen. Das wiederum erleichtert die zeitliche Einordnung und dient so als chronologisches Bindeglied zwischen den beiden Handlungsebenen. Der Erzählstrang in schwarz-weiß beschreibt also, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen ist (was man auch daran erkennen kann, dass einige Tättowierungen aus den farbigen Szenen in den Schwarz-Weiß-Szenen noch nicht vorhanden sind), wohingegen der in Farbe gedrehte Strang Stück für Stück „rückwärts“ all das erzählt, was nach diesem Zeitpunkt passierte.
Innerhalb dieser zwei Erzählstränge tauchen zusätzlich Rückblenden auf, die je nachdem ebenfalls entweder in schwarz-weiß oder in Farbe gezeigt werden. Die Flashbacks innerhalb des schwarz-weißen Erzählstrangs beziehen sich auf die Geschichte eines gewissen Sammy Jankis’, während sich die Eingefärbten auf die Erinnerungen an die Frau des Protagonisten sowie die Tatnacht beziehen. Nolan wusste, wie umständlich diese Erzählstruktur ist, weshalb das Drehbuch zur Verdeutlichung der Zusammengehörigkeit diverser Szenen sogar auf farbigem Papier gedruckt wurde.1
Der Farbstrang beginnt mit dem Mord an Teddy, der sich als ein vermeintlicher Freund Leonards herausstellt. Wir erfahren, dass Leonard glaubt, Teddy sei der Mörder seiner Frau und derjenige, der ihm die Kopfverletzung zugefügt und ihm somit die Fähigkeit neue Erinnerungen zu speichern genommen hat. Im weiteren Verlauf des Films stellt sich heraus, wie er zu diesem Verdacht kommt.
2.2. Wirkung der Farbe
Die Farbe hat zusätzlich eine symbolische Wirkung für die beiden Handlungsstränge und die darin enthaltenden Rückblenden. Die gedämpfte Grundfärbung in der „realen“ Welt wirkt kühl und kontrastarm und verstärkt so die trostlose Grundstimmung bzw. den fehlenden Bezug Leonards zu seiner Erinnerungswelt.
Die Erinnerungen an seine Frau wirken durch warme, leuchtende Farben lebendiger als seine „reale“ Umgebung, nicht zuletzt durch die unterstützende Funktion des direkten Sonnenlichts als Metapher für Leben. Da es seine einzige Lebensgrundlage, sein letzter „wirklicher“ Bezug zur Außenwelt ist.
Die Schwarz-Weiß-Szenen dienen dem Kontrast und unterstützen die zeitliche Gegenläufigkeit bezüglich der Haupthandlung. Abgesehen davon ermöglichen sie die Verdeutlichung des Verschmelzungspunktes von Vergangenheit und Gegenwart.
2.3. Filmische Gestaltung zur Unterstützung der komplexen Struktur
Die „formalen narrativen Spielregeln“ werden bereits in der Anfangssequenz, dem Mord an Teddy, definiert. In der einzigen rückwärts gefilmten Szene sehen wir ein nach und nach verblassendes Polaroid-Foto, eine wieder in die Waffe eintretende Kugel, die Wände hinauflaufendes Blut und Teddy, der nach dem zu hörenden Schuss wieder ins Leben zurückkehrt. Anhand dieser Szene und der letzten im Film bzw. der Beginn der Handlung lässt sich ein formaler Rahmen feststellen. So sehen wir in identischer Kameraeinstellung nochmals das Industriegebiet, in dem nun Jimmy, ein weiterer vermeintlicher Mörder von Catherine, getötet wird.
[...]
1 www.filmspiegel.de/filme/memento / memento_1.php
- Arbeit zitieren
- Ellen Thießen (Autor:in), 2006, Filmanalytische Hausarbeit zu ,MEMENTO’ (US 2000) , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135879