Seit dem Jahr 2001 verzeichnet in Deutschland die neue Betriebsform des Biosupermarktes ein expansives Wachstum. Dies vollzog sich im Rahmen eines allgemeinen Marktwachstums von Biolebensmitteln. Der steigende Anteil von Biolebensmitteln am gesamten Lebensmitteleinzelhandelsumsatz ist verbunden mit einem tief greifenden Strukturwandel. Biosupermärkte und der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel können dabei zunehmende Umsatzanteile auf sich vereinen, während die Pioniere beim Verkauf von Biolebensmitteln, die kleinflächigen Bioläden und Biofachgeschäfte, an Bedeutung verlieren.
Die regionale Verteilung von Biosupermärkten in Deutschland ist von deutlichen Ungleichheiten geprägt. Dabei lässt sich sowohl ein Nord-Süd- als auch ein Ost- West-Gefälle feststellen. Die meisten Biosupermärkte finden sich in Bayern und Baden-Württemberg, gefolgt von Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hessen. Wird die Anzahl der Biosupermärkte ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt, weisen die Stadtstaaten Berlin und Hamburg noch vor Bayern und Baden-Württemberg die höchsten Werte auf. Auffallend ist bei der Verteilung auf die Bundesländer ein überdurchschnittlich häufiges Auftreten in Kreisen mit hoher absoluter Kaufkraft. Ein weiterer Faktor, der die Verteilung von Biosupermärkten beeinflusst, ist die Tradition des ökologischen Landbaus. In Bayern und Baden-Württemberg betreiben verhältnismäßig viele Landwirte ökologischen Landbau. Daraus sind vielfach eigene Vermarktungs- und Einzelhandelsstrukturen hervorgegangen.
Hinsichtlich der Verteilung der Biosupermärkte nach Städtegrößen ist das gehäufte Auftreten von Biosupermärkten in Großstädten bemerkenswert. Dort befindet sich über die Hälfte aller Biosupermärkte. In den letzten Jahren lässt sich jedoch eine stärkere Ausbreitung auch in kleineren und mittleren Städten konstatieren.
Aufgrund der deutlichen Disparitäten bezüglich der Verteilung von Biosupermärkten, lässt sich eine weitere Ausbreitung der Biosupermärkte in Deutschland prognostizieren, zumal noch zahlreiche Städte und Kreise noch keine Betriebe dieser Form aufweisen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sie im bisherigen Tempo weiterläuft, da sich die Wettbewerbsintensität durch die zunehmende Ausrichtung des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels auf Bioprodukte deutlich erhöht hat und die Biosupermarktfilialisten als mittelständige Unternehmen nur über begrenzte finanzielle Kapazitäten für die kostenintensive Expansion verfügen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biosupermärkte in Deutschland
2.1 Bedeutung des Biosegments im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
2.1.1 Entwicklung des Marktes für Biolebensmittel
2.1.2 Konsumenten von Biolebensmitteln
2.2. Strukturwandel im Biolebensmittelfachhandel - Biosupermärkte als neue Betriebsform
2.3 Standortstrukturen der Biosupermärkte
2.3.1 Verteilung der Biosupermärkte in den deutschen Bundesländern
2.3.2 Verteilung der Biosupermärkte nach Städtegröße
2.3.3 Marktdurchdringung und Marktpotentiale
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
Der (Lebensmittel-) Einzelhandel unterliegt bis zum heutigen Tage einem fortlaufenden Strukturwandel. Kennzeichen hierfür sind der Betriebsformenwandel, die rückläufige Zahl der Geschäfte bei gleichzeitigem Wachstum der Verkaufsflächen und Konzentrationsprozesse.
In Deutschland ist in diesem Zusammenhang auch die seit dem Jahr 2001 mit steigenden Umsatzanteilen von Biolebensmitteln verbundene Ausbreitung von Biosupermärkten auffallend.
Zum besseren Verständnis der Entstehung und des Verlaufs der Ausbreitung der Biosupermärkte in Deutschland wird in dieser Arbeit zunächst eine kurze Einführung zur Entwicklung des Marktes für Biolebensmittel gegeben. Darauf folgt eine genaue Untersuchung der Verbreitung von Biosupermärkten in den deutschen Bundesländern und Großstädten. Daraufhin werden Gründe für die bestehenden Standortstrukturen der Biosupermärkte angeführt und eine Abschätzung des weiteren Marktpotentials in Deutschland geliefert.
2. Biosupermärkte in Deutschland
2.1 Bedeutung des Biosegments im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
2.1.1 Entwicklung des Marktes für Biolebensmittel
Lange Zeit befand sich der Naturkostmarkt in einer Nische. Gleichwohl haben biologischer Anbau und Distribution der biologisch erzeugten Produkte in Deutschland eine lange Tradition, die durch das Entstehen des Demeter-Bundes (1928) und die Lebensreformbewegung Anfang des 20. Jh. begründet wurde. Im Zentrum standen dabei eine nachhaltige Landwirtschaft sowie naturnahe und gesunde Ernährungs- und Lebensweisen (Gerlach/Spiller 2006: 130f.).
Deutliches Wachstum erfuhr der Naturkostmarkt ab den 1970er Jahren in Folge der Umwelt- und Friedensbewegung, erste Naturkostläden entstanden. Die Branche entwickelte sich weitestgehend ohne politische Einflussnahme auf Grundlage normativer Werte als Gegenbewegung zur konventionellen Landwirtschaft und zum klassischen Lebensmitteleinzelhandel. In den 1980er Jahren gewannen alternative Distributionswege wie Mitgliederläden sowie Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften neben der Direktvermarktung, dem Verkauf auf Märkten und dem Vertrieb in Naturkostläden an Relevanz (Schäfer 2005: 132).
Seitdem haben sich die Struktur und die Größe der Naturkostbranche allerdings erheblich verändert. Seit den 1990er Jahren lässt sich ein durchgehendes Umsatzwachstum der Branche feststellen. Dies hängt mit einer zunehmenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Umweltthemen zusammen, die durch gehäufte Meldungen über Lebensmittelskandale weiter verstärkt wurde (Heldberg 2008: 171, Teriete 2007: 21)1.
Erst seit Beginn der 1990er Jahre wurde die Entwicklung der Biobranche mit der Festlegung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch politische Maßnahmen beeinflusst. Im Jahr 1991 wurden auf europäischer Ebene durch die EG-Öko-Verordnung die Begriffe „biologisch“ und „ökologisch“ definiert und geschützt (Heldberg 2008: 170). Zudem zahlte die Europäische Gemeinschaft Umstellungs-und Beibehaltungsprämien an Landwirte, was zur Ausweitung der Fläche des ökologischen Landbaus führte (Teriete 2007: 33, GIB 2004: 15). Im Jahr 2000 veranlasste die BSE-Krise die Bundesregierung zu einer Neuausrichtung der Agrar-und Verbraucherschutzpolitik (Brand et al. 2006: 129). Das neu gebildete Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erhob den ökologischen Landbau zu einer Leitlinie der Agrarpolitik und formulierte das Ziel, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen bis 2010 auf 20 % zu erhöhen. Weitere durch die Bundesregierung lancierte Fördermaßnahmen waren die Einführung des deutschen staatlichen Biosiegels sowie eine Öffentlichkeitskampagne für Biolebensmittel (GIB 2004: 15, Brand et al. 2006: 128, Teriete 2007: 33).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Umsatzentwicklung von Biolebensmitteln in Deutschland in Mrd. €
Quelle: BÖLW 2009, eigene Darstellung
Besonders nach dem Jahr 2000 kann ein deutliches Wachstum des Umsatzes von Biolebensmitteln festgestellt werden, was Abbildung 1 deutlich macht.
Die Umsatzverteilung von Biolebensmitteln hat sich im Zeitverlauf deutlich verändert. Von dem starken Marktwachstum der letzten Jahre konnten nicht alle Distributionswege gleichermaßen profitieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Umsatzentwicklung für Biolebensmittel nach Absatzwegen
Quelle: ZMP 2009
Während sich das Gesamtvolumen des Marktes in der Zeit zwischen 1997 und 2007 mehr als verdreifachte, verdoppelte sich der Umsatz durch Direktvermarktung fast, die Umsätze des Lebensmittelhandwerks vervierfachten sich und auch die Naturkostfachgeschäfte verzeichneten einen deutlichen Umsatzzuwachs (+ 257 %). Bei den Reformhäusern2 konnte hingegen nur ein geringer Zuwachs gemessen werden. Insbesondere der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel profitierte vom Marktwachstum. Hier wuchs der Umsatz um mehr als das Sechsfache an. Seit dem Jahr 2000 wird der größte Anteil am gesamten Biolebensmittelumsatz vom konventionellen Lebensmitteleinzelhandel erzielt, der zunehmend Biolebensmittel in das Sortiment aufnahm. Gerade seit 2004 vereinnahmt der Lebensmitteleinzelhandel einen Großteil des Wachstums für sich. Der Anteil am Gesamtumsatz wuchs von 37 % auf über 50 % im Jahr 2007. Die Anteile aller anderen Distributionswege sanken dagegen. Bei den Reformhäusern und Direktvermarktern nahm sogar der absolute Umsatz ab.
2.1.2 Konsumenten von Biolebensmitteln
Über die Konsumenten von Biolebensmitteln sind mittlerweile zahlreiche Untersuchungen angefertigt worden, die einen grundlegenden Wandel des Konsumentenverhaltens beschreiben (Spiller et al. 2005: 6). Der Anteil der Kunden, die biologische Produkte kaufen, hat seit Mitte der 1980er Jahre deutlich zugenommen. Bis dato wurden Bioprodukte vornehmlich von Personen gekauft, die den politisch-ideellen Zielen des ökologischen Landbaus und der Umweltbewegung nahe standen. Erst seit dem Beginn des neuen Jahrtausends ist es gelungen, breite Bevölkerungsschichten mit Bioprodukten anzusprechen (Michels 2004: 20, Brand et al. 2006 127). Während 1984 lediglich 24 % aller Konsumenten zumindest gelegentlich Bioprodukte kauften, erhöhte sich der Wert bis 2008 auf 70 % (BMELV 2008: 3). Verbunden mit diesem Anstieg ist auch ein Imagewandel der Bioprodukte. Wurde in den 1980er Jahren der Begriff „Bio“ mit ideologischen Einstellungen verbunden, was vielfach ein negatives Image nach sich zog, werden heute überwiegend positive Aspekte wie gute Qualität und Umweltverträglichkeit mit dem Begriff in Verbindung gebracht (Weiß 2005: 67).
Allerdings sagen die Zahlen über die Anteile der Biokäufer nichts darüber aus, wie oft und wie viel biologische Lebensmittel gekauft werden. Hilfreich ist es daher, die Kaufintensität zu betrachten. Dabei ist zwischen Intensivkäufern und Gelegenheits-bzw. Seltenkäufern zu differenzieren. Intensivkäufer konsumieren kontinuierlich Biolebensmittel, während Selten- und Gelegenheitskäufer unregelmäßig und in größeren Abständen Bioprodukte einkaufen (Spiller et al. 2005: 8). Diesbezügliche Untersuchungen stellten heraus, dass der Anteil an Intensivkäufern an allen Biokäufern zwar gestiegen ist, aber auf niedrigem Niveau von etwa 8 % bis 15 % liegt. Dennoch entfallen knapp zwei Drittel der Umsätze auf diese Gruppe (Michels et al. 2003: 24). Die Anzahl der Selten- und Gelegenheitskäufer ist dagegen deutlicher angestiegen. Sie stellen den größten Anteil der Biokäufer (Spiller et al. 2005: 7ff, BMELV 2008: 11).
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1 Insbesondere der Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 und die Ausbreitung der Rinderseuche BSE im Jahr 2001 zogen jeweils erhebliches Marktwachstum der Naturkostbranche nach sich.
2 Laut Angaben der neuform Vereinigung deutscher Reformhäuser e.G. beträgt der Anteil der Bioprodukte im Sortiment der Reformhäuser in der Regel etwa 70 % (neuform VDR e.G.: 2009).
- Quote paper
- Klemens Bock-Wendlandt (Author), 2009, Biosupermärkte in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135889