Im August 1806 setzte Francisco de Miranda (1750-1816), ein aus Caracas stammender und der kreolischen Elite Spanisch-Amerikas angehörender Weltenbummler, mit zehn Schiffen und 500 Soldaten an der venezolanischen Küste an. Sein Ziel war die Befreiung seiner Heimat von spanischer Herrschaft, mithin die Revolution. Mit seinem Expeditionsheer, das er mit britischer und US-amerikanischer Unterstützung zusammengestellt hatte, wollte er erst die Stadt Coro erobern und die kreolische Bevölkerung mobilisieren, um so mithilfe einer ‚patriotischen Armee‘ auf Caracas zu marschieren und sein Vorhaben zu einem, den gesamten südamerikanischen Kontinent erfassenden Befreiungsschlag auszuweiten. Neben Waffen und Uniformen befand sich in Mirandas Gepäck auch eine Druckerpresse, mit deren Hilfe er mehrere Tausend revolutionäre Flugblätter für die durch ihn zu befreienden Kreolen drucken ließ, ganz so wie er es zuvor in den vielen Jahren seiner Reisen in den USA und in Europa gesehen hatte. Und obschon Miranda noch heute in Lateinamerika vielfach als precursor, als Wegbereiter der Unabhängigkeit betrachtet wird, so war seine Expedition im Sommer 1806 ein Fiasko in jeglicher Hinsicht: nicht nur, dass ihn die spanischen Autoritäten dank ihres weitgesponnenen Spionagenetzes bereits mit einer entsprechenden Armee erwarteten , auch die kreolische Bevölkerung, der er die ‚Freiheit‘ bringen wollte, verhielt sich völlig passiv, so sie denn nicht gleich aus der Stadt geflohen war. Miranda zog sich mit seinen Truppen zurück, noch bevor es zu einer Konfrontation zwischen den beiden Armeen kommen konnte.
Kaum 20 Jahre später hatte sich das Antlitz der Amerikas sowie, damit einhergehend, die politische Weltordnung grundlegend gewandelt. Das größte und reichste Imperium in der Weltgeschichte hatte aufgehört zu existieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Mächtekonkurrenz im Atlantik: Spanien - Großbritannien – Frankreich
- Die Globalität des langen 18. Jahrhunderts
- Die Wirtschaft des Atlantiks
- Mächtekonkurrenz zwischen Spanien, Großbritannien und Frankreich
- Spanien und sein amerikanisches Kolonialimperium
- Administration
- Handel und Wirtschaft
- Sozialstruktur
- Der Siebenjährige Krieg und seine Folgen für das spanische Kolonialreich
- Der Krieg und seine Bedeutung für das internationale Mächteverhältnis
- Neuorientierung der spanischen Kolonialpolitik
- Auswirkungen der neuen Kolonialpolitik
- Zunehmende globale Konkurrenz
- Revolutionen auf beiden Seiten des Atlantiks
- Napoleons Kolonialtraum
- Fortschreitende Destabilisierung der spanischen Metropole
- Krise des spanischen Ancien Régime
- Der spanische Widerstand und die Verfassung von Cádiz
- Reaktionen in Spanisch-Amerika
- Ausländische Interessen
- Bürgerkriege und Unabhängigkeit in Spanisch-Amerika
- Spanische Restauration
- Bürgerkriege und politische Faktionen
- Britische Diplomatie
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auflösung des spanischen Kolonialreichs in Amerika aus globalhistorischer Perspektive. Sie analysiert die komplexen Wechselwirkungen zwischen inner- und außerimperialen Faktoren, die zum Zerfall des Imperiums führten. Der Fokus liegt auf der Erforschung der Rolle von Großmächten wie Großbritannien und Frankreich, sowie den Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges und der napoleonischen Kriege.
- Die Rolle Großbritanniens und Frankreichs in der Schwächung Spaniens
- Die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges auf das spanische Kolonialreich
- Die innenpolitische Krise in Spanien und ihre Auswirkungen auf die Kolonien
- Die Entstehung von Widerstandsbewegungen in den spanischen Kolonien
- Die Bedeutung der Verfassung von Cádiz für die Entwicklung der Unabhängigkeitsbewegungen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung schildert den gescheiterten Unabhängigkeitsversuch von Francisco de Miranda im Jahr 1806 und setzt dies in Kontrast zu der erfolgreichen Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte. Sie stellt die zentrale Forschungsfrage nach den Ursachen dieses Umbruchs und kündigt den globalhistorischen Ansatz der Arbeit an.
Mächtekonkurrenz im Atlantik: Spanien - Großbritannien – Frankreich: Dieses Kapitel analysiert das Kräfteverhältnis im Atlantikraum zwischen Spanien, Großbritannien und Frankreich im langen 18. Jahrhundert. Es untersucht die wirtschaftlichen und politischen Aspekte der Konkurrenz, beleuchtet die Globalität dieser Dynamik und legt die Grundlagen für das Verständnis der späteren Entwicklungen im spanischen Kolonialreich.
Spanien und sein amerikanisches Kolonialimperium: Dieses Kapitel beschreibt die Struktur und Funktionsweise des spanischen Kolonialreichs in Amerika. Es beleuchtet die administrative Organisation, den Handel und die Wirtschaft, sowie die soziale Struktur der Kolonien. Dies liefert ein detailliertes Bild der Ausgangssituation vor dem Zerfall des Imperiums.
Der Siebenjährige Krieg und seine Folgen für das spanische Kolonialreich: Das Kapitel analysiert die tiefgreifenden Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges auf das spanische Kolonialreich. Es untersucht die Bedeutung des Krieges für das internationale Machtgleichgewicht und die daraus resultierende Neuorientierung der spanischen Kolonialpolitik, sowie die Folgen dieser Veränderungen für die Kolonien.
Zunehmende globale Konkurrenz: Hier wird die zunehmende globale Konkurrenz im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert beleuchtet, insbesondere im Kontext der Revolutionen in Europa und Amerika und Napoleons Bestrebungen, sein Kolonialreich auszuweiten. Die Kapitel verdeutlicht, wie diese Ereignisse die Instabilität des spanischen Imperiums weiter verschärften.
Krise des spanischen Ancien Régime: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die innenpolitische Krise in Spanien, ausgelöst durch die napoleonische Invasion und die Absetzung des spanischen Königs. Es analysiert die Rolle der Verfassung von Cádiz und die Reaktionen in den Kolonien, die bereits erste Schritte in Richtung Autonomie unternahmen.
Bürgerkriege und Unabhängigkeit in Spanisch-Amerika: Der letzte beschriebene Abschnitt behandelt die Bürgerkriege und Unabhängigkeitsbewegungen in Spanisch-Amerika, die sich aus der innenpolitischen Krise in der Metropole und den veränderten Machtverhältnissen im Atlantik ergaben. Es beleuchtet die Rolle der britischen Diplomatie und den Prozess der Herausbildung von unabhängigen Staaten auf dem amerikanischen Kontinent.
Schlüsselwörter
Spanisches Kolonialreich, Unabhängigkeitskriege, Globalgeschichte, Großbritannien, Frankreich, Siebenjähriger Krieg, Napoleon, Verfassung von Cádiz, Krise des Ancien Régime, Kreolen, Juntas, Atlantikhandel, Kolonialverwaltung.
Häufig gestellte Fragen: Auflösung des Spanischen Kolonialreichs in Amerika
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Auflösung des spanischen Kolonialreichs in Amerika aus globalhistorischer Perspektive. Sie analysiert die komplexen Wechselwirkungen zwischen inner- und außerimperialen Faktoren, die zum Zerfall des Imperiums führten. Der Fokus liegt auf der Rolle von Großmächten wie Großbritannien und Frankreich, sowie den Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges und der napoleonischen Kriege.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt die Mächtekonkurrenz im Atlantik zwischen Spanien, Großbritannien und Frankreich, die Struktur und Funktionsweise des spanischen Kolonialreichs, die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges, die zunehmende globale Konkurrenz im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert (inklusive der europäischen und amerikanischen Revolutionen und Napoleons Kolonialplänen), die innenpolitische Krise in Spanien (mit der napoleonischen Invasion und der Verfassung von Cádiz), die daraus resultierenden Bürgerkriege und Unabhängigkeitsbewegungen in Spanisch-Amerika, sowie die Rolle der britischen Diplomatie.
Welche Rolle spielten Großbritannien und Frankreich?
Großbritannien und Frankreich spielten eine entscheidende Rolle bei der Schwächung Spaniens. Ihre wirtschaftliche und politische Konkurrenz zu Spanien und ihre eigenen kolonialen Ambitionen trugen maßgeblich zum Zerfall des spanischen Imperiums bei. Der Siebenjährige Krieg war ein wichtiger Wendepunkt in diesem Prozess.
Welche Bedeutung hatte der Siebenjährige Krieg?
Der Siebenjährige Krieg hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das spanische Kolonialreich. Er veränderte das internationale Machtgleichgewicht und führte zu einer Neuorientierung der spanischen Kolonialpolitik, die letztendlich die Instabilität des Imperiums verschärfte.
Welche Rolle spielte die Innenpolitik Spaniens?
Die innenpolitische Krise in Spanien, insbesondere die napoleonische Invasion und die Absetzung des spanischen Königs, spielte eine zentrale Rolle im Zerfall des Imperiums. Die daraus resultierende Instabilität schwächte die Kontrolle Spaniens über seine Kolonien und ermöglichte die Entstehung von Unabhängigkeitsbewegungen.
Welche Bedeutung hatte die Verfassung von Cádiz?
Die Verfassung von Cádiz, erlassen während der napoleonischen Invasion, war ein wichtiger Faktor in der Entwicklung der Unabhängigkeitsbewegungen. Sie repräsentierte einen Versuch, das spanische System zu reformieren, stieß aber in den Kolonien auf unterschiedliche Reaktionen und trug zu verstärkter Autonomiebestrebungen bei.
Wie sind die Kapitel aufgebaut?
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext und die Forschungsfrage darstellt. Es folgen Kapitel, die chronologisch und thematisch die oben genannten Aspekte behandeln, beginnend mit der Mächtekonkurrenz im Atlantik, der Struktur des spanischen Kolonialreichs, den Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges und der zunehmenden globalen Konkurrenz, der Krise des spanischen Ancien Régime, den Bürgerkriegen und der Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas, um mit einem Ausblick zu schließen. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse des jeweiligen Themas.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Spanisches Kolonialreich, Unabhängigkeitskriege, Globalgeschichte, Großbritannien, Frankreich, Siebenjähriger Krieg, Napoleon, Verfassung von Cádiz, Krise des Ancien Régime, Kreolen, Juntas, Atlantikhandel, Kolonialverwaltung.
Welche Perspektive wird eingenommen?
Die Arbeit nimmt eine globalhistorische Perspektive ein, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen inner- und außerimperialen Faktoren zu analysieren, die zum Zerfall des spanischen Kolonialreichs geführt haben.
- Quote paper
- Nadja Schuppenhauer (Author), 2009, "Con tan poderosa amiga como la Gran Bretaña" - Ein globalhistorischer Blick auf die Auflösung des spanischen Imperiums in Amerika, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136040