Aufbau und Entwicklung des Schulsystems in West- und Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

1945-1953


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Ausgangssituation bei Kriegsende

3 Bildungs- und Schulpolitik in den westlichen Besatzungszonen
3.1 Die US-amerikanische Zone und Westdeutschland allgemein
3.2 Die britische Zone
3.3 Die französische Zone

4 Die Entwicklung in den ersten Jahren der BRD (bis 1953)

5 Bildungs- und Schulpolitik in SBZ und DDR

6 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Als am Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 in Deutschland die sogenannte „Stunde Null“ schlug, galt dies im Prinzip für alle gesellschaftlichen Bereiche, so auch für das deutsche Bildungs- und Schulsystem. Die materielle und personelle Infrastruktur war durch die Jahre des Krieges teilweise zerstört, und insbesondere galt dies natürlich für die ideologische Grundlage der Lehrinhalte speziell in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.

Die Richtung der zukünftigen Entwicklung war bei Kriegsende also prinzipiell offen, und nicht zuletzt der Einfluss der alliierten Besatzungsmächte und ihre Vorstellungen von einem wünschenswerten Schulsystem für Deutschland konnten eine bedeutende Rolle spielen. Dadurch zeichnete sich jedoch für den Bereich Schule und Bildung, wie für das gesamte gesellschaftlich-politische System Deutschlands, sehr bald eine Teilung ab. Die Pläne der Westalliierten und der Sowjetunion gingen, wie in fast allen Fragen, auch bezüglich Bildung und Erziehung recht weit auseinander und die Entwicklung lief deshalb bereits relativ kurz nach Kriegsende in West- und Ostdeutschland in verschiedene Richtungen.

In dieser Arbeit soll nach einer kurzen Skizzierung der Ausgangssituation im Bereich Schule nach Kriegsende zunächst auf die schulpolitische Entwicklung in Westdeutschland eingegangen werden, und zwar in den drei Besatzungszonen – der US-amerikanischen, britischen und französischen – und anschließend in der jungen Bundesrepublik bis 1953. Danach wird die Entwicklung in Ostdeutschland beleuchtet – zunächst in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), dann in der DDR. In der Schlussbetrachtung wird dann ein zusammenfassender Vergleich gezogen und der Frage nachgegangen, inwieweit die Entwicklung des Schulsystems in Ost und West als Spiegel der allgemeinen gesellschaftlich-politischen Prozesse gesehen werden kann.

Die Festlegung des Schlusspunkts im Jahr 1953 bezieht sich auf eine westdeutsche Periodisierung, die in diesem Jahr den Abschluss der ersten bundesrepublikanischen Entwicklungsphase des Schulsystems sieht.[1] Einen solchen Einschnitt bildet dieses Jahr in der Schulpolitik der DDR zwar nicht, dennoch kann anhand der Entwicklungen bis zu diesem Zeitpunkt der Unterschied zur Bundesrepublik und der Zusammenhang mit gesamtgesellschaftlichen Prozessen deutlich gemacht werden.

2 Die Ausgangssituation bei Kriegsende 1945

Ein dreigliedriges Schulsystem mit einer gemeinsamen vierjährigen Grundschule für alle Kinder und der dann erfolgenden Aufteilung auf die Schulformen Haupt-/ Volksschule, Real-/Mittelschule und Gymnasium war bereits in der Weimarer Republik abschließend ausgebildet worden; die zu diesem System hinführenden Entwicklungen reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Auch die Nationalsozialisten ließen dieses System im Grunde unangetastet, wesentliche Änderungen gab es unter ihrer Herrschaft eher bei den Lehrinhalten, da die Kinder möglichst umfassend im Sinne der Staatsideologie erzogen und gebildet werden sollten.

Durch die frühe Einteilung der Kinder in verschiedene „Bildungsklassen“ wurde auch der Aufbau der Gesellschaft nach Klassen gefestigt. Die Ansicht, dass dieses Bildungssystem eine Demokratisierung der Gesellschaft mit verhindert und den Aufstieg der Nationalsozialisten begünstigt habe, führte im Westen speziell bei den amerikanischen Besatzungsmächten zu Plänen einer völligen Umstrukturierung des deutschen Schulsystems (vgl. Kap. 3.1.).

Direkt nach dem Krieg gab es jedoch zunächst einmal Alltagsprobleme zu bewältigen. In einer Zeit des totalen gesellschaftlichen Zusammenbruchs, in der viele Menschen, auch die Kinder, täglich ums nackte Überleben kämpfen mussten, sollte mit einem halbwegs geregelten Schulbetrieb zumindest ein Stück Normalität in die chaotischen Verhältnisse gebracht werden. Durch den Mangel an Schulraum – in den Großstädten waren etwa ein Drittel der Schulen zerstört – musste mancherorts sogar in Schichten unterrichtet werden, und das bis in die 50er Jahre hinein.[2]

Unter diesen Umständen blieben grundsätzliche Überlegungen zum Schulsystem und zur Bildungspolitik zunächst theoretisch. Praktisch wurde in der allerersten Nachkriegszeit – bis auf wenige, aus der Not geborene Ausnahmen – im alten System weiter unterrichtet, um überhaupt eine schulische Versorgung zu gewährleisten.

In der SBZ wurde dann jedoch sehr früh und konsequent das Schulsystem im Sinne der sowjetischen Ideologie umgebaut (vgl. Kap. 5). Auch im Westen sollte die bildungspolitische Diskussion schon bald einen relativ großen gesellschaftlichen Raum einnehmen. Hier traten den reformerischen Kräften allerdings schon bald restaurative Tendenzen entgegen.

3 Bildungs- und Schulpolitik in den westlichen Besatzungszonen

Die drei westlichen Besatzungsmächte teilten – übrigens auch mit der Sowjetunion – die Ansicht, dass eine soziale und politische Umgestaltung Deutschlands erforderlich sei, und dass Bildung und Schule eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielen konnten und mussten. Einen augenfälligen Beweis für diese prinzipielle Einigkeit aller vier Besatzungsmächte stellte die Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Juni 1947 dar, die den Titel „Grundlegende Richtlinien für die Demokratisierung des Bildungswesens in Deutschland“ trug und in der man sich zu Grundprinzipien wie Chancengleichheit, Lehrmittelfreiheit, horizontalem Aufbau des Schulsystems, demokratie- und friedensfördernden Lehrinhalten und Beteiligung der deutschen Bevölkerung an Aufbau und Verwaltung des Schulwesens bekannte.[3] In der Praxis sah die Umsetzung dieser Ideen jedoch sehr unterschiedlich aus, und es gab vor allem Differenzen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Allerdings hatten auch die einzelnen Westmächte durchaus verschiedene Vorstellungen davon, wie die Umgestaltung des deutschen Schulsystems konkret vonstatten gehen sollte. Dementsprechend sah die Bildungspolitik in den drei westlichen Besatzungszonen auch etwas unterschiedlich aus. Im Folgenden soll die Situation für das gesamte westdeutsche Gebiet im Allgemeinen und die amerikanische Zone im Besonderen näher erläutert werden, danach wird noch in kürzerer Form auf die jeweiligen Besonderheiten in der britischen und französischen Zone eingegangen.

3.1 Die US-amerikanische Zone und Westdeutschland allgemein

Für die amerikanische Militärregierung stellte die Umerziehung der Deutschen, die sogenannte Re-education, eine zentrale Aufgabe des zukünftigen deutschen Bildungssystems dar. Aus ihrer Sicht hatte das alte, klassenbetonte Schulsystem für die negativen Entwicklungen der jüngsten deutschen Vergangenheit eine maßgebliche Rolle gespielt, da eine kleine Gruppe geistig, sozial und wirtschaftlich Privilegierter einer großen Masse gegenüberstand, die „ein Minderwertigkeitsgefühl entwickelt, das jene Unterwürfigkeit und jenen Mangel an Selbstbestimmung möglich machte, auf denen das Führerprinzip gedieh“[4]. So entstand auf amerikanischer Seite das „Paradigma der Demokratisierung“[5], wonach eine bestmögliche Bildung für alle gewährleistet werden und die Schule einen wesentlichen Beitrag zur Denazifizierung, Demilitarisierung und Demokratisierung der Gesellschaft leisten sollte. Zur Erreichung dieser Ziele sollte ein an das amerikanische Modell angelehntes Schulsystem entstehen, das horizontal gestuft war und allen Schülern die gleiche Bildung und den gleichen Abschluss verschaffte. Auch durch die Genehmigung von Schulbüchern, die Gestaltung von Lehrplänen und

die Ernennung von Beamten und Lehrern sollte die Bildung im Sinne dieser Ziele beeinflusst werden, indem nationalistisches, militaristisches und antidemokratisches Gedankengut aus der Schule entfernt wurde.[6] Bereits am 7. Juli 1945 gab die „Direktive für die kommandierenden Generale der US-Armee in Deutschland“ entsprechende Richtlinien für eine Neuordnung des deutschen Bildungswesens in diesem Sinne.[7]

Neben der Besatzungsmacht gab es auch deutsche Reformkräfte. Diese waren vielfach Gruppen oder Einzelpersonen, die in der Nazizeit unterdrückt worden waren, zum Teil sogar emigrierten und nun nach Kriegsende zurückkehrten. Als Parteien gehörten SPD und KPD zu den Stimmen, die sich den schulpolitischen Forderungen der Amerikaner tendenziell anschlossen, aber auch in Reihen der CDU gab es Befürworter einer grundlegenden Schulreform. In den Jahren 1947/48, als ein Teil der Verwaltungsfunktionen den neugewählten Länderparlamenten und –regierungen übertragen worden war, wurden auch tatsächlich zunächst Gesetze zur Reform des Schulwesens auf den Weg gebracht, wenn sie auch meist weit hinter den ursprünglichen Plänen der Amerikaner zurückblieben. So sollte z.B. die gemeinsame Grundschulzeit verlängert werden, außerdem gab es speziell in Hessen und Niedersachsen Pläne und Versuche, die Mittelstufen miteinander zu verzahnen. Am weitesten ging man jedoch in Berlin, wo am 26. Juni 1948 das „Schulgesetz für Groß-Berlin“ in Kraft trat, das eine zwölfjährige Einheitsschule vorsah.[8]

Doch der Besatzungsmacht und den deutschen Reformkräften traten bereits früh restaurative Kräfte entgegen, die am traditionellen Schulsystem festhalten wollten.

Dies iwareni vori allemi die ibürgerlich-konservativen iParteien iundi die Kirchen.

Beispielhaft für erstere soll die Sichtweise der bayerischen CSU stehen, die argumentierte, dass die Begabung für höhere Bildung von Natur aus nur einer relativ kleinen Gruppe von Menschen gegeben sei, dass man biologischer Ungleichheit nicht mit staatlicher Gleichmacherei begegnen könne, und dass eine hohe Schulbildung für alle die Entstehung eines „soziologisch gefährlichen Bildungsproletariats“ fördere[9]. Auch die Kirchen sprachen sich klar für die Beibehaltung des bisherigen Schulsystems aus. Dabei ging es vor allem der katholischen Kirche primär um die Beibehaltung bzw. Wiedereinführung von Bekenntnisschulen, gleichzeitig ging es aber auch darum, dass die allgemein christliche Prägung der Schulen erhalten bliebe. Eine Wiederbesinnung auf das Christentum wurde in diesem Zusammenhang auch als wirksamer Schutz gegen erneute faschistische Tendenzen dargestellt. Da die Kirchen sowohl bei den Besatzungsmächten wie bei der Bevölkerung großes Ansehen genossen, übten sie mit ihrer Haltung einen nicht unerheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung aus.[10]

[...]


[1] Vgl. Gerdsmeier, Gerhard/Thränhardt, Dietrich (Hrsg.): Schule. Eine berufsvorbereitende Einführung in das Lehrerstudium, Weinheim und Basel 1979, S. 96.

[2] Vgl. Herrlitz, Hans-Georg u.a. (Hrsg.): Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung, Weinheim und München 42005, S. 157.

[3] Vgl. Anweiler, Oskar u.a. (Hrsg.): Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990. Ein historisch-vergleichender Quellenband (= Schriftenreihe Studien zur Geschichte und Politik der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 311), Bonn 1992, S. 74.

[4] Gerdsmeier/Thränhardt: Schule, S. 98.

[5] Vgl. ebenda, S. 95.

[6] Vgl. Kuhlemann, Gerhard: Schulsystem und Bildungsreform (= Lehrbriefe Schulbibliothek, Begleitmaterial), Berlin 1985, S. 27.

[7] Vgl. Anweiler: Bildungspolitik in Deutschland, S. 32.

[8] Vgl. Herrlitz: Deutsche Schulgeschichte, S. 158 ff.

[9] Vgl. Gerdsmeier/Thränhardt: Schule, S. 98.

[10] Vgl. ebenda, S. 100 f.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Aufbau und Entwicklung des Schulsystems in West- und Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg
Untertitel
1945-1953
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Strukturen der Bundesrepublik und ihre Entstehung
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V136113
ISBN (eBook)
9783640443031
ISBN (Buch)
9783640443154
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Deutsche Geschichte, Geschichte der BRD, Geschichte der DDR, Schulsystem, Nachkriegszeit, 1950er Jahre, Bildungsgeschichte
Arbeit zitieren
Ulrike Busch (Autor:in), 2008, Aufbau und Entwicklung des Schulsystems in West- und Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136113

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