Psychosoziale Beratung. Analyse eines fiktiv durchgeführten Beratungsgespräches


Hausarbeit, 2023

37 Seiten, Note: 1,7

Gunnar Schulze (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Fallbeschreibung und Beratungssetting
2.1Fallbeschreibung
2.2 Beratung im Setting der medizinischen Rehabilitation

3. Sukzessive reflexive Analyse des transkribierten Beratungsgespräches
3.1 Vorbereitung der Beratung
3.2Beratung anfangen
3.3 Situationsanalyse undAuftragsklärung
3.4 Lösungsfmdung
3.5 Beratung beenden

4. Schwerpunkt: Ressourcenorientiere Beratung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Da Beratung ein wesentliches Aufgabenfeld in allen Bereichen der Sozialen Arbeit ist, müssen Sozialarbeiterinnen Beratungskompetenzen für die professionelle Berufspraxis besitzen (vgl. Albrecht 2017, S. 15), die sich nach Wendt (2021) von einer laienhaften Alltagsberatung durch differenzierte und methodische Verfahren in der professionellen Beratung unterscheidet, mit Hilfe derer, psychosoziale oder materielle Problemlagen für einzelne Personen, Familien, Gruppen oder institutionelle Einrichtungen analysiert, ge­klärt und bewältigt werden können (vgl. ebd. 2017, S. 173).

Beratungsanlässe ergeben sich aus gesellschaftlichen Individualisierungsprozessen so­wie sich verändernden Anforderungen an die individuelle Alltags- und Lebensbewälti­gung. Hieraus resultieren konkrete Hilfebedarfe, die eine unvoreingenommene, unpartei­ische Beratung erfordern. Durch neue Wissensvermittlung kann eine Alltagsorientierung geboten und mit Beratungskompetenz können Lösungsvorschläge für die Hilfe zur Selbsthilfe unterbreitet werden. Beraterinnen betrachten Ratsuchende in ihrer Situation ganzheitlich hinsichtlich der einflussnehmenden Umweltfaktoren und unterstützen dabei, beeinflussende Faktoren zu erkennen und zu ordnen, unterstützen als Beratungspartner, um Lösungen aus Problemlagen zu finden, damit Ratsuchende ihre Fähigkeiten und Au­tonomie erweitern oder zurückgewinnen können. Zielsetzend ist, Ratsuchende perspekti­visch zu befähigen, eigene Lösungsstrategien bei Problemlagen entwickeln zu können. Dabei agieren Sozialarbeiterinnen innerhalb eines multiprofessionellen Teams aus Ärz­ten und Therapeuten, an die sie bei Bedarf weiterleiten (Wendt 2017, S. 174 f.).

Prinzipien, die den Beratungskontext bestimmen, sind eine verständnisorientierte Hand­lungsweise, ein Sinnverständnis für den Beratungsbedarf aufzubringen, Ratsuchende in ihrem Gelingen zu bestätigen, die Ressourcen zu fördern, den Kontext zu stabilisieren, mehrperspektivisch zu denken und zu handeln, Ratsuchende zu motivieren und nach mo­ralischen Grundsätzen sowie netzwerkorientiert zu handeln (vgl. Wendt 2017, S. 175).

Das Grundverständnis der Beratung orientiert sich erstens an der Rolle und Situation des Ratsuchenden und dem Beratungsanlass; zweitens an der Zielanalyse der Lösungswahl und der Umsetzung und drittens an der Lösungskontrolle hinsichtlich einer Zielanalyse sowie der Umsetzbarkeit. Erreicht werden soll, Ratsuchenden eine veränderungsbedürf­tige Situation zu öffnen, Einstellungen und Handlungsweisen aufzulockem oder Situati­onen anders zu gestalten (vgl. Wendt 2017, S. 175).

2. Fallbeschreibung und Beratungssetting

Das fiktive Beratungsgespräch wird folgend hinsichtlich strukturierender Phasen und ei­ner Lösungsentwicklung unter Berücksichtigung angewandter Techniken und der Hal­tung des Beraters analysiert werden.

2.1 Fallbeschreibung

Herr R. stellte auf Anraten seines behandelnden Arztes bei seinem zuständigen Leis­tungsträger, der gesetzlichen Rentenversicherung einen Antrag auf eine vollstationäre, psychosomatische medizinische Rehabilitation. In der Klinik führt er ein erstes Bera­tungsgespräch bei der Sozialberatung. Der Klient ist 38 Jahre alt, seit 12 Jahren verheira­tet, kinderlos. Vor einem Jahr hatte er einen schweren Bandscheibenvorfall. Seither be­zieht er Krankengeld, welches nach 78 Wochen Arbeitsunfähigkeit (§ 48 SGB V) abseh­bar enden wird. In seinem Beruf als Krankenpfleger, den er seit 20 Jahren mit Freude ausübte, kann er nicht mehr tätig sein. Aufgrund seiner im Moment perspektivlosen Situ­ation, entwickelte er in den letzten Monaten eine leichte Depression (ICD-10 F 32.0). Sein Krankengeldbezug sowie das geringe Einkommen seiner in Teilzeit beschäftigten Ehefrau, brachten Beide in eine finanziell angespannte Situation. Vor seiner Erkrankung spielte er mit seinen Freunden Vereinsfußball. Aktuell vernachlässigt er seine sozialen Kontakte.

2.2 Beratung im Setting der medizinischen Rehabilitation

Nach dem SGB VI haben körperlich, seelisch oder geistig behinderte Menschen oder von Behinderung bedrohte Menschen einen Anspruch auf Hilfe sowie Integration in das Erwerbsleben (§10 SGB I). Der Gesetzgeber sieht verschiedene Leistungserbringer als Rehabilitationsträger vor, die die Integration in die Gemeinschaft und vor allem in das Arbeitsleben ermöglichen sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, erbringen Ärzte und an­dere medizinische Heilberufe stationäre oder ambulante therapeutische Leistungen. Re­habilitationserfolge sollen durch körperliche und psychosoziale Diagnostik, rehabilitati­ve Therapiemaßnahmen, durch Motivation zur aktiven Krankheitsverarbeitung, durch Training von Restfunktionen und Erlernen neuer Fertigkeiten, durch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit und auch durch die Sozialberatung, die Nachsorge und Berufsförde­rung plant, erreicht werden (vgl. Broda & Klingenberg 2014, S. 1085 f.).

Nach Broda & Klingenberg (2017) sind rehabilitative Beratungsaufgaben insbesondere dann erfolgsversprechend, wenn intrinsisch motivierte Voraussetzungen für eine Verhal­tensänderung bereits vorliegen. Beraterinnen haben dann die Aufgaben, Türen zu öffnen und hinsichtlich professioneller „Tricks und Kniffe“ zu beraten (vgl. ebd., S. 1086). Be­ratungsaufgaben konzentrieren sich auf das Gesundheitsverhalten, die Förderung der Problemlösekompetenz, die Interaktionsfähigkeit oder auf sozialmedizinische Aspekte. Für dieses Setting ist die soziotherapeutische Beratung von Relevanz, die direkten Ein­fluss auf den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Berufstätigkeit nimmt und insbeson­dere im Setting der psychosomatischen Rehabilitation bedeutsam ist, da häufig nicht ob­jektiv feststellbare Schädigungen entscheidend sind, ob ein Patient an seinen Arbeits­platz zurückgehrt, sondern vielmehr die subjektive Selbsteinschätzung und die Bedin­gungen am Arbeitsplatz ausschlaggebend sind. Häufig ist der berufliche Bereich ein we­sentlicher Belastungsfaktor für eine Beschwerdesymptomatik. Beratung ist innerhalb der Psychosomatik keine isolierte Maßnahme, sondern Bestandteil eines therapeutischen Prozesses. Auf Grundlage einer Berufs- und Sozialanamnese kann der Beratungsbedarf abgeklärt werden. Folgend genannt werden sollen nur die für den vorliegenden Fall rele­vanten Beratungssituationen: a) Hilfestellung bei der Arbeitssuche bzw. Reintegrations­möglichkeiten, b) Fragen zum Arbeitsrecht, zu Gehalt und Lohnersatzleistungen, c) Not­wendigkeit einer beruflichen Umorientierung, d) Überprüfung wirtschaftlicher Konse­quenzen, e) Beratung zur beruflichen Rehabilitation durch den Rententräger und Herstel­lung eines Kontaktes zu verantwortlichen Reha Beratern (vgl. Broda & Klingenberg 2014, S. 1088 ff.).

Der Beratung in einer Rehaklinik kommt ein hoher Stellenwert zu, da eine unübersichtli­che Gesetzeslage und eine Vielzahl von zu ständigen Leistungsträgem potentiellen Re­habilitanden den Zugang zu Leistungen häufig erschwert. Beraterinnen klären neben Fragen zur Leistungspflicht auch hinsichtlich arbeitsrechtlicher Bestimmungen und fa­miliärer Problemlagen auf. Erreicht werden soll ein Transfer von Lernerfahrungen inner­halb der Reha in den Alltag der Patientinnen (vgl. Broda & Klingenberg 2014, S. 1092 f.).

3. Sukzessive reflexive Analyse des transkribierten Beratungsgespräches

Im Folgenden wird das fiktive Beratungsgespräch analysiert.

3.1 Vorbereitung der Beratung

In einer Reha-Klinik werden Termine mit Patientinnen zumeist zuvor vereinbart. Daher können Beraterinnen sich auf ein Gespräch vorbereiten, um sich konzentriert, mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit dem Klienten und seinen Schwierigkeiten, Hoffnungen und An­liegen zu widmen (Pantucek 1998, S. 5 zit. n. Ortmann 2018, S. 106). Vorbereitend auf das Beratungsgespräch sollen der Schreibtisch aufgeräumt und Getränke bereitgestellt sein. Schreibutensilien und die Patientenakte, in die sich der Berater zuvor eingelesen hatte, wurden bereitgelegt. Themenschwerpunkte für das kommende Gespräch wurden in der Vorbereitung notiert. Zudem sind Störquellen zu beseitigen (Telefonstummschal­tung, „Bitte nicht stören“ Schild an die Tür). Vor dem Gespräch sammelt der Berater sei­ne Gedanken, entspannt sich kurz, um seine Aufmerksamkeit gänzlich dem Klienten widmen zu können (vgl. Ortmann 2018, S. 106 f.).

3.2 Beratung anfangen (Z. 1-14)

Um eine Vertrauensbasis herzustellen, sollen Klientinnen offen und freundlich empfan­gen werden, um sie zu ermutigen, sich auf das Beratungsgespräch einzulassen (vgl. Ort­mann 2018, S. 107). Das Beziehungshandeln, mit Aufbau einer empathischen und unter­stützenden Beziehung gleich zu Beginn, ist wichtig für den weiteren erfolgreichen Ver­lauf (vgl. Abplanalp et al. 2020, S. 73). Damit eine Vertrauensbeziehung hergestellt wer­den kann, verhalten sich Beraterinnen zu ihren Klientinnen kongruent, indem ihr inneres Denken und Fühlen mit ihrem äußeren Verhalten übereinstimmt.“ (Albrecht 2017, S. 51)

Die einladende Gestik des Beraters bei der Begrüßung und die eigenen namentlichen Vorstellung, soll Offenheit unterstreichen, um dem Klienten das Gefühl des Willkom­men-Seins zu geben. (Z. 1-3) Getränke stehen bereit, jedoch vergisst der Berater, diese anzubieten. Um eine ungezwungene Gesprächsatmosphäre und vertrauensbasierte Ar­beitsbeziehung zu schaffen, beginnt der Berater sich nach dem momentanen Befinden des Klienten in der Reha-Klinik zu erkundigen. Es ist bedeutsam, den Gesprächspartner

4 dort abzuholen, wo er sich gedanklich und emotional befindet (vgl. Brüggemann et al. 2014, S. 24).

Dabei hält der Berater Blickkontakt und lächelt sein Gegenüber an. Eine erste Anteilnah­me an der derzeitigen Situation des Klienten in der Klinik, drückt der Berater damit aus, dass er Verständnis dafür zeigt, dass der Klient sich prinzipiell zu Hause wohler fühlt, als in der Klinik (Z. 5). Für den Klienten versucht der Berater den Klinikaufenthalt posi­tiv umzudeuten, indem er ihn auf sein schönes Zimmer anspricht. Zudem verbalisiert er dem Klienten ein erstes Interesse an seiner Person, indem er einen Bezug zwischen dem Zimmers des Klienten mit Bergblick und dessen Heimatstadt herstellt (Z. 7).

Da man nach Watzlawick (1969) nicht nicht kommunizieren kann (vgl. ebd. zit. n. Bach- mair et al. 1994, S. 32), unterstreicht der Berater sein Interesse am Klienten, ihm zuhö­ren und ihn verstehen zu wollen, nonverbal mit einer vorgebeugten, zugewandten Kör­perhaltung (vgl. Bachmair et al. 1994, S. 32). Der Berater benennt seine eigene Qualifi­kation (Z. 3) und erklärt den Aufgabenbereich der Sozialberatung. Zudem bestimmt der Berater den Überweisungskontext, der als Bestandteil des Therapieplans der medizini­schen Rehabilitation zu definieren ist. (Z. 7) Die Rahmenbedingen der Beratung werden erläutert: Um eine Vertrauensbildung voranzutreiben, wird auf den Datenschutz (Z. 7) sowie auf die Gründe für das Anfertigen von Notizen hingewiesen (Z. 13). Zudem wer­den der zeitliche Rahmen sowie das Beratungsintervall geklärt. (Z. 7) Diese Erläuterun­gen haben den Zweck, mögliche Widerstände des Klienten abzubauen, damit er größt­möglich partizipieren kann. Der Berater hätte noch erfragen sollen, welche zusätzlichen Rahmenbedingungen dem Klienten noch wichtig sind, um diese gemeinsam zu vereinba­ren. Transparenz in einer Beratung ist bedeutsam, da sie Offenheit signalisiert und da­durch Ängste, Spannungen und Befürchtungen abgebaut werden können (vgl. Brügge­mann et al. 2014, S. 29f).

3.3 Situationsanalyse und Auftragsklärung (Z. 15-73)

Nachdem in der ersten Beratungsphase ein Kontakt hergestellt und damit ein Prozess in Gang gesetzt wurde, muss der Beratungsauftrag heraus gearbeitet werden. Der Prozess der systemischen Beratung will dem Klienten Unterstützungsleistungen anbieten, damit Klientinnen ihre Anliegen eigenständig bewältigen können (vgl. Brüggemann et al. 2014, S. 39). Um Bedarfe zu erkennen, muss eine Sozialanamnese erhoben werden, in 5 der Daten der Biografie, des Familienhintergrunds und kritische Lebensereignisse erfragt werden. Damit sich Beraterinnen nicht von einem ersten Eindruck täuschen lassen, ist aktives Zuhören elementar. Dabei sollen Klientinnen nicht kategorisiert werden, son­dern vielmehr in ihrer Individualität wahrgenommen werden (vgl. Belardi 2007, S. 76). Innerhalb der Auftragsklärung sollen Beraterin und Klientin zu einer ähnlichen Pro­blemsicht und zu einem einheitlichen Lösungsweg gelangen (vgl. Ortmann 2018, S. 109). Mit Hilfe einer detaillierten Situationsanalyse lassen sich Informationen generie­ren, aus denen gemeinsam Zielbeschreibungen formuliert werden können. Daher erfragt der Berater sukzessiv die fünf Säulen der Identität (vgl. Belardi 2007, S. 77).

a) Säule derArbeit und Leistung

Mit der Säule der Arbeit und Leistung werden u. a. die Leistungsfähigkeit, die Arbeits­platzsicherheit und sich daraus ergebene Befriedigung erfragt (vgl. Belardi 2007, S. 77).

Zunächst verschafft sich der Berater einen Überblick die beruflichen Qualifikationen des Klienten (Z. 16- 26). Er war seit 20 Jahren als Krankpfleger tätig und übte diese Tätig­keit im sozialen Bereich gerne aus (Z. 17 - 22). Er definierte sich über seine berufliche Tätigkeit, die für ihn sinnstiftend war (Z. 58). Zuvor drückte er bereits sein Bedauern aus, den Beruf nicht mehr ausüben zu können. (Z. 22) Der Berater nimmt dabei die Be­ratungshaltung der Wertschätzung ein und anerkennt die langjährige berufliche Tätigkeit des Klienten. Wertschätzung und Akzeptanz sind insofern bedeutsam, als dass Sozialar­beiterinnen bindungslos und positiv die Eigenheiten, Bedürfnisse, Einstellungen und Handlungen ihrerKlienkinnen akzeptieren (vgl. Albrecht 2017, S. 50).

Zudem setzt der Berater zum ersten Mal die Methode des Paraphrasierens ein (Z. 23), in­dem er die inhaltliche Aussage des Klienten (Z. 22) mit eigenen Worten wiederholt, um dem Klienten zu verdeutlichen, dass es ihm wichtig ist, das Gesagte richtig zu verstehen. Der Berater gibt dem Klienten somit eine Vergleichsmöglichkeit zwischen seiner eige­nen Aussage und der Reaktion des Beraters, um eventuelle Missverständnisse frühzeitig beseitigen zu können. Neben der inhaltlichen Klärung signalisiert der Berater aber auch seine Aufmerksamkeit und Interesse an den Aussagen des Klienten (vgl. Bay 2019, S. 59).

In Rückbezug auf die Aussage des Klienten, dass er Freude an seinem Beruf hatte (Z. 22), hypothetisiert der Berater, dass der Klient ein sozial engagierter Mensch sein müsse (Z. 23), was der Klient bejaht (Z. 24). Die Methode des Hypothetisierens soll die Ord- 6 nung von Informationen zulassen und zugleich sollen Klientinnen Hypothesen als eige­ne Perspektiven zur Verfügung gestellt werden, um ihnen das Entwickeln neuer Sicht­weisen zu ermöglichen (vgl. Albrecht 2017, S. 57).

Durch aktives Zuhören und Nachfragen kann der Berater bereits in diesem frühen Ge­sprächsstadium eine Ressource des Klienten ausfindig machen: Seine Berufserfahrung (Z. 19) sowie sein Interesse an einer sozialen Tätigkeit (Z. 22-23). Ressourcen herauszu­finden und sich an ihnen zu orientieren, ist insofern bedeutsam, als das Sozialarbeiterin­nen davon ausgehen, dassjeder Klient in sich selbst oder in der Umwelt über materielle oder soziale Ressourcen verfügt. Diese gilt es im Gespräch zu ergründen, um an ihnen anzuknüpfen und durch sie Probleme abzumildern, zu bewältigen oder zu akzeptieren (vgl. Albrecht2017, S. 52).

Durch weiteres Nachfragen ergibt sich, dass der Klient bereits Versuche unternommen hat, wieder berufstätig zu werden (Z. 72), die aber aufgrund seiner psychischen und phy­sischen Einschränkungen nicht zielführend waren und zu Resignation führten. Der Kli­ent äußert die Hoffnung, dass sich durch die medizinische Rehabilitation auch berufliche Perspektiven eröffnen. (Z. 72) Der Berater würdigt die Eigenbemühungen mit Kompli­menten. (Z. 71) Diese werden eingesetzt, um bereits unternommene Problembewälti­gungsversuche zu wertschätzen. Dabei werden Ressourcen und bisherige Anstrengun­gen, die im Gesprächsverlauf deutlich wurden, aufgegriffen und dem Klient in Form ei­nes Kompliments zurückgemeldet (vgl. Albrecht 2017, S. 58). Komplimente können das Selbstwertgefühl des Klienten, der sich in einer Problemsituation befindet, positiv stär­ken.

b) Säule des sozialen Netzwerks

Mit der Säule des sozialen Netzwerkes werden verlässliche, stabile und erreichbare sozi­ale Kontakte erfragt bzw. wie zu sozialen Kontakten verhülfen werden kann, um sie als Ressource zu nutzen (vgl. Belardi 2007, S. 77).

Der Gesprächsverlauf thematisiert die sozialen Kontakte des Klienten. Er ist verheiratet. (Z. 27) Nachdem der Klient nicht beziffern kann, wie lange er verheiratet ist (Z. 28) und er hoffe, seine Frau würde dies nicht erfahren (Z. 34), reagiert der Berater mit der Me­thode des Humors, indem er entgegnet, alles unterliege dem Datenschutz. (Z. 35) Da Beide lachen (Z. 35-36), führt dies zu einer Auflockerung der Situation. Humor kann eingesetzt werden, um in schwierigen Situationen und bei belastenden Problemen Ent- 7

Spannung zu erzeugen. Gemeinsames lachen kann die Arbeitsbeziehung der Beteiligten festigen und Zuversicht erzeugen (vgl. Albrecht 2017, S. 52).

Als Ressourcen für den Klienten ergeben sich seine Ehefrau sowie die soziale Vernet­zung innerhalb der Nachbarschaft, von denen der Klient, der aufgrund seines Bandschei­benvorfalls körperlich eingeschränkt ist, Unterstützung erhält. (Z. 40)

Als weiteren Unterstützer in seinem Netzwerk benennt der Klient seinen behandelnden Arzt (Z. 76), der ihm bei der Antragstellung der medizinischen Reha hilfreich zu Seite stand. Der Berater knüpft daran an und benennt den Arzt im Sinne der Ressourcenorien­tierung als Ressource des Klienten, der ihm auch künftig bei Anträgen zur beruflichen Rehabilitation behilflich sein kann. (Z. 77) Hier hätte der Berater erwähnen sollen, dass für die Antragstellung medizinische Gutachten notwendig sind, die, neben dem Reha­Gutachten, der Klient sich von seinem Arzt einholen kann.

Zum sozialen Netzwerk gehören auch seine Freunde aus dem Fußballverein, in dem er vor seiner Erkrankung aktiv Fußball spielte. (Z. 62) Zu seinen Freunden pflegt er nur noch sporadisch Kontakt. (Z. 64) Das Unvermögen Fußball zu spielen bezeichnet er als Verlust (Z. 66) in seinem Leben. Durch die Methode des einfühlenden Verstehens zeigt der Berater Verständnis für die Situation des Klienten, ermutigt ihn aber gleichzeitig, den Kontakt wiederherzustellen, um sein soziales Netzwerk wieder zu erweitern. (Z. 67) Diese Ressource gilt es aus Berater-Sicht zu reaktivieren. Darum greift der Berater diese Ressource im Gesprächsverlauf noch einmal auf und stellt die zirkuläre Frage, was der Klient glauben würde, was die Fußballfreunde sagen würden, wenn er wieder in den Verein kommen würde. (Z. 103). Nach Brüggemann et al. (2014) verfolgen zirkuläre Fragen das Ziel, sich in Andere hineinzuversetzen und gezielt eine andere Beobach­tungsposition einzunehmen, um die eigene, gewohnte Perspektive zu erweitern (vgl. ebd., S. 148). Durch die Fragetechnik sollen Klientinnen angeregt werden, . ihre Ver­mutungen über Wünsche, Bedürfnisse, Meinungen, Beziehungen anderer Beteiligter zu äußern. Im Wechselseitigen Bezug aufeinander werden neue Denkprozesse eingeleitet und Veränderungen möglich.“ (ebd., S. 49) Der Klient äußert, dass er glaube, seine Freunde würden sich freuen und, dass dieser Perspektivwechsel für ihn hilfreich war. (Z. 104)

c) Säule der Leiblichkeit

Mit der Säule der Leiblichkeit soll überprüft werden, wie der Klient Gesundheit, Krank­heit und sein eigenen Selbstbild für sich wahmimmt (vgl. Belardi 2007, S. 77).

Der Klient berichtet von seinen, aus dem Bandscheibenvorfall resultierenden Einschrän­kungen. (Z. 38) Um den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit besser einschät­zen zu können, erfragt der Berater das Schmerzempfmden im Alltag (Z. 41-44) und pa­raphrasiert dabei die Aussagen des Klienten aus Z. 38. Dies ist wichtig, um zu erfahren, ob u. U. weitere Unterstützungsleistungen eingeleitet werden müssen, aber auch um die Leistungsfähigkeit hinsichtlich einer beruflichen Neuorientierung einschätzen zu kön­nen. Der Klient gibt an, dass ihm der Reha-Sport für seine Genesung gut tut. (Z. 44) Dies ist ein Anknüpfungspunkt für den Berater.

Durch die Erkrankung hat sich das Selbstbild des Klienten verändert: Er sah sich in der Versorgerrolle und verlor die „Sinnhaftigkeit des Daseins“ (Z. 58). Es wäre angebracht gewesen, hätte der Berater diese Aussage durch Reframing umgedeutet, stattdessen wie­derholt er die Aussage lediglich (Z. 59). Eine Umdeutung klingt zwar an (Z. 61), hätte aber eindeutiger als direkte Antwort auf die Aussage des Klienten formuliert werden sol­len. Reframing bedeutet, das Problem des Klienten positiv aus einer anderen Sichtweise darzustellen und eine andere Interpretationsmöglichkeit des aktuellen Zustandes anzu­bieten (vgl. Albrecht 2017, S. 58). Eine bessere Antwort des Beraters hätte lauten kön­nen: 'Sie konzentrieren sich im Moment auf Ihre Genesung'.

Der Klient äußert, ihm fällt es schwer, neue Perspektiven für sich zu entwickeln. Er hof­fe, während der Reha wenigstens körperlich fitter zu werden (Z. 56). Der Berater re­agiert mit einfühlendem Verstehen und äußert, dass es vorstellbar wäre, dass der Klient körperlich belastungsfähiger entlassen werden wird (Z. 57). Durch einfühlendes Verste­hen versetzen sich Beraterinnen in die Gedanken und Emotionen ihrer Klientinnen hin­ein, um sich auf ihre Perspektive einzulassen, ohne mit vorschnellen Ratschlägen zu re­agieren (vgl. Albrecht 2017, S. 51), da diese als Gesprächsstörer wirken, wenn der Ge­sprächspartner nicht mit in eine Lösungsfmdung einbezogen wird (vgl. Bay 2019, S. 50 f.).

Der Berater stellt lt. Akte fest, dass der Klient eine leichte Depression entwickelte (Z. 57) und bereits in die Psychotherapie eingebunden ist. Allerdings gibt der Berater keine Gelegenheit, dass der Klient an dieser Stelle darauf reagieren kann. Der Berater hätte nachfragen sollen bzw. dem Klienten eine Reaktionsmöglichkeit anbieten müssen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Psychosoziale Beratung. Analyse eines fiktiv durchgeführten Beratungsgespräches
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg
Veranstaltung
Methoden und Handlungskompetenzen: Beratung und differenzsensible KOmmunikation
Note
1,7
Autor
Jahr
2023
Seiten
37
Katalognummer
V1361185
ISBN (eBook)
9783346883148
ISBN (Buch)
9783346883155
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beratung, psychosoziale Beratung, ressourcenorientierte Beratung
Arbeit zitieren
Gunnar Schulze (Autor:in), 2023, Psychosoziale Beratung. Analyse eines fiktiv durchgeführten Beratungsgespräches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1361185

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