In dieser Arbeit steht die Zeit der Herrschaft Friedrichs II. (1212/15-1250) im Fokus, wobei ein bestimmter Aspekt dieser Herrschaft im Vordergrund steht, und zwar das Verhältnis Friedrichs zur Kirche - in erster Linie zu Papst und Kurie -, und wie sich dieses auf das Reich auswirkte. Die Geschichte dieses Kaisers mit der Kirche ist eine sehr bewegte. Friedrich wurde im Laufe seiner Herrschaftszeit zwei Mal exkommuniziert und unternahm dazwischen als Gebannter einen Kreuzzug, auf dem es ihm gelang, Jerusalem zu erobern. Bereits zu Lebzeiten wurde er von vielen seiner Zeitgenossen als ein Herrscher mit einer besonderen göttlichen Bestimmung, als Kaiser der Endzeit angesehen, da der Untergang der Welt in nächster Zukunft erwartet wurde. Auf der Spitze des Konfliktes zwischen Kaiser und Papst, in dessen Verlauf Friedrich zum zweiten Mal gebannt wurde und eine "publizistische ‚Propagandaschlacht’ um die Meinung der christlichen Welt" ausbrach, wurde er hingegen von seinen Gegnern als Ketzer und Vorläufer des Antichrists dargestellt. Beide Vorstellungen von der Person Friedrichs II. führten nach seinem unerwarteten Tod 1250 zu einer Fülle von Legenden und Sagen. Das Verhältnis Friedrichs II. zur Kirche hatte also auch Auswirkungen auf die Vorstellungen der Nachwelt und somit auf das Reich nach seinem Tod, doch über dieses Thema könnte eine völlig eigenständige Arbeit geschrieben werden.
Deshalb soll es in dieser Abhandlung vornehmlich um die unmittelbaren Auswirkungen auf das Reich zu Friedrichs II. Leb- und Herrschaftszeit gehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die erste Exkommunikation
2.1 Vorgeschichte
2.2 Folgen
3 Der Kreuzzug
3.1 Die „Selbstkrönung“
3.2 Folgen bis zur Lösung des Kirchenbanns
4 Die zweite Exkommunikation
4.1 Vorgeschichte
4.2 Folgen
5 Fazit: Die Auswirkungen des Verhältnisses Friedrichs II. zur Kirche auf das Reich
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Im Rahmen des Hauptseminars wurde das Thema „Das Heilige Römische Reich [deutscher Nation] im Spätmittelalter. Reich und Regionen, Verfassung und Vorstellungen“ vorwiegend chronologisch behandelt und anhand von Herrschern bzw. Herrschergeschlechtern unterteilt.
In der folgenden Ausarbeitung soll die Zeit der Herrschaft Friedrichs II. im Fokus stehen, also die Jahre von 1212/15 bis 1250. Hierbei steht ein bestimmter Aspekt dieser Herrschaft im Vordergrund, und zwar das Verhältnis Friedrichs zur Kirche, in erster Linie zu Papst und Kurie, und wie sich dieses auf das Reich ausgewirkt hat.
Die Geschichte dieses Kaisers mit der Kirche ist eine sehr bewegte. Friedrich wurde im Laufe seiner Herrschaftszeit zwei Mal exkommuniziert und unternahm dazwischen als Gebannter einen Kreuzzug, auf dem es ihm gelang, Jerusalem zu erobern.
Bereits zu Lebzeiten wurde er von vielen seiner Zeitgenossen als ein Herrscher mit einer besonderen göttlichen Bestimmung, als Kaiser der Endzeit angesehen, da der Untergang der Welt in nächster Zukunft erwartet wurde.[1] Auf der Spitze des Konfliktes zwischen Kaiser und Papst, in dessen Verlauf Friedrich zum zweiten Mal gebannt wurde und eine „publizistische ‚Propagandaschlacht’ um die Meinung der christlichen Welt“[2] ausbrach, wurde er hingegen von seinen Gegnern als Ketzer und Vorläufer des Antichrists dargestellt.
Beide Vorstellungen von der Person Friedrichs II. führten nach seinem unerwarteten Tod 1250 zu einer Fülle von Legenden und Sagen. Die zum Teil von der Kirche verbreitete Vorstellung, er treibe als teufelsähnliches Wesen im Ätna sein Unwesen, wurde in Deutschland umgeformt zur so genannten Kyffhäuser-Sage, nach der der Kaiser in diesem Berg schlafen solle und eines Tages wiederkehren werde, um Reich und Kirche zu erneuern. Erst ab dem 16. Jahrhundert wurde diese Sage auf Friedrich I. übertragen.[3]
Das Verhältnis Friedrichs II. zur Kirche hatte also auch sehr vielfältige Auswirkungen auf die Vorstellungen der Nachwelt und somit auf das Reich nach seinem Tod, doch über dieses Thema könnte eine völlig eigenständige Arbeit geschrieben werden. Deshalb soll es in dieser Abhandlung vornehmlich um die unmittelbaren Auswirkungen auf das Reich zu Friedrichs II. Leb- und Herrschaftszeit gehen.
Nachdem der 1194 als Sohn von Kaiser Heinrich VI. und Konstanze von Sizilien bereits im Alter 4 Jahren Vollwaise war, wurde Papst Innozenz III. sein Vormund. Und vor allem durch dessen Unterstützung konnte er sich später im deutschen Thronstreit gegen den Welfen Kaiser Otto VI. durchsetzen. Dieser war 1211 von Innozenz gebannt worden, und ein Jahr später schickte der Papst den jungen Friedrich nach Deutschland, um ihn dort mit französischer Hilfe als Gegenkönig aufstellen zu lassen. Für die Reise unterstütze er ihn sowohl finanziell als auch logistisch durch die Bereitstellung von Schiffen.[4] Friedrich II. wurde 1212 in Mainz und noch mal 1215 in Aachen zum deutschen König gekrönt, während Otto VI. zwar noch um seine Krone kämpfte, jedoch erfolglos blieb und 1218 starb.[5]
Was das Verhältnis Friedrichs zu Papst und Kurie betrifft, so kann diese Zeit als „Phase engster päpstlich-königlicher Interessengleichheit“[6] bezeichnet werden. Doch im weiteren Verlauf der Herrschaft Friedrichs II. sollten sich die Beziehungen zwischen Krone und Kurie durchaus schwieriger gestalten, was wiederum auch das Reich nicht unberührt ließ.
2 Die erste Exkommunikation
2.1 Vorgeschichte
Zum Zeitpunkt seiner Krönung in Aachen war Friedrich ein „König von Gottes und des Papstes Gnaden“[7]. Sein Vormund, Papst Innozenz III., war auch im weltlichen Sinn extrem machtbewusst. Sein Verhalten im deutschen Thronstreit, aus dem am Ende Friedrich II. als neuer deutscher König hervorging, verdeutlicht dies. Zunächst hatte der Papst den Welfen Otto gegen die Staufer unterstützt, deren imperiale Politik in Italien zu einer ‚Umklammerung’ des Kirchenstaates zu führen drohte. Otto sicherte ihm im sog. Neußer Eid von 1201 große Macht- und Territorialansprüche in Ober- und Mittelitalien sowie Sizilien zu. Als er jedoch bald nach seiner Kaiserkrönung 1209 seine Politik änderte und selbst Ansprüche in Italien erhob, bannte ihn Innozenz und stellte ihm Friedrich, der als Staufer einen legitimen Anspruch auf die deutsche Krone für sich geltend machen konnte, als Gegenkönig entgegen.[8]
Vor diesem Hintergrund ist interessant, was sich bei Friedrichs Krönung in Aachen 1215 zutrug. Und zwar nahm der junge König zu diesem Anlass das Kreuz, das heißt er gelobte, einen Kreuzzug zu unternehmen. Hierbei ist offen, ob es sich bei diesem durchaus unerwarteten Schritt um einen spontanen Entschluss unter dem Eindruck einer allgemeinen Kreuzzugsbegeisterung handelte, oder um einen überlegten Schritt, um sich in Konkurrenz zum Papst als Führer der Christenheit zu präsentieren.[9] Die zeitgenössische Literatur stellt Friedrichs Frömmigkeit in Zusammenhang mit seiner Hochstimmung anlässlich seiner Krönung als Auslöser für die spontane Kreuznahme in den Vordergrund. Doch folgt man z.B. Eberhard Horst in seiner Friedrich II.-Biographie, so könnte die Tatsache, dass Innozenz III., der selbst geplant hatte, einen Kreuzzug anzuführen, mit keinem Wort auf das Kreuzzugsversprechen Friedrichs reagierte, auch dafür sprechen, dass er nicht sehr erfreut über diese Kreuznahme war, vielmehr seine eigenen Pläne durchkreuzt sah.[10] In diesem Fall könnte man diesen Schritt zumindest teilweise auch als politischen Schachzug einstufen. Hier wird also bereits trotz aller bisher herrschenden Interessengleichheit ein Konfliktpotenzial zwischen König und Papst sichtbar.
Es sollte jedoch noch dreizehn Jahre dauern, bis Friedrich II. den versprochenen Kreuzzug tatsächlich antrat.
Im November 1215 fand dann unter Leitung Papst Innozenz III. das Vierte Laterankonzil in Rom statt, bei dem die Führer der lateinischen Christenheit zahlreich wie nie zuvor versammelt waren. Das führt deutlich die Bedeutung und Autorität dieses Papstes vor Augen, die sich nicht zuletzt auf seine immense staats- und machtpolitische Größe zurückführen ließ.[11] Das bei Innozenz III. und auch seinen Nachfolgern stark ausgeprägte Streben nach möglichst großer weltlicher Herrschaft – und damit verbundener Eindämmung der Macht der weltlichen Herrscher – sollte in der Zukunft Hauptursache für Konflikte mit Friedrich II. werden.[12]
Auf dem Konzil gab Innozenz unter anderem ein offizielles Urteil über die Königswahl Friedrichs ab und bestätigte sie als rechtskräftig. Dies machte einerseits die letzten Hoffnungen Ottos zunichte, seine Krone noch einmal zurückzuerlangen, andererseits war es auch für den Papst selbst ein wichtiger Schritt, da sein Anspruch, als Kontrollinstanz über die deutsche Königswahl zu wachen und ggf. zu entscheiden, den er seit längerem erhob, hiermit durchgesetzt zu sein schien.[13] Nicht zuletzt konnte auch Friedrich mit diesem Urteil zufrieden sein, da nun seiner zukünftigen Kaiserkrönung nichts mehr im Wege zu stehen schien. Dass der Papst nach seiner Bestätigung der deutschen Königswahl betonte, man werde Friedrich „gewiß in allem begünstigen und fördern“, lässt nach Wolfgang Stürner eher nicht vermuten, dass es eine Unstimmigkeit bezüglich des Kreuzzugsversprechens gab.[14]
In den Verhandlungen über seine Kaiserkrönung, die bald nach dem Laterankonzil begannen, musste Friedrich II. der Kirche gegenüber einige Zugeständnisse machen, um so seinen guten Willen zu demonstrieren. Er machte unter anderem einige Gebietsschenkungen an die Kirche, verzichtete gegenüber den geistlichen Fürsten auf das Spolien- und Regalienrecht und gelobte, unmittelbar nach seiner Kaiserkrönung seinem Sohn Heinrich Sizilien als päpstliches Lehen zu übergeben und selbst auf die sizilische Krone zu verzichten. Hiermit war eine wesentliche Forderung Roms erfüllt, nämlich die Trennung Siziliens vom Reich, um die gefürchtete ‚Umklammerung’ des Kirchenstaates zu vermeiden. Mit diesen Zugeständnissen schien die Kirche ihre Forderung sehr weit reichend durchgesetzt zu haben.[15]
Nach dem Tod Papst Innozenz III. 1216 war es sein Nachfolger Honorius III., demgegenüber Friedrich sich Anfang 1219 in einem Brief erneut zu seinem Aachener Kreuzzugsversprechen bekannte. Veranlasst hatte ihn dazu ein Hilfegesuch von Kreuzfahrern, die sich bereits im Osten befanden, jedoch dort nicht sehr erfolgreich gewesen waren und um Unterstützung baten. Friedrich kündigte in diesem Brief an, im März 1219 auf einem Hoftag mit allen Fürsten des Reiches einen Termin für den Aufbruch zum Kreuzzug beschließen zu wollen. Dass er bisher noch nicht aufgebrochen sei, sei „Machenschaften derjenigen“ geschuldet, „die, indem sie die königliche Abreise verhinderten, zugleich um ihre eigene herumzukommen hofften.“[16] Um seinem Versprechen Nachdruck zu verleihen, bat er den Papst sogar, ihn und alle Großen des Reiches zu exkommunizieren, sollten sie nicht bis zum 24. Juni 1219 aufgebrochen sein.
Zu dieser Zeit war in Rom bereits einen gewisser Argwohn gegenüber Friedrich zu beobachten. Dies hatte verschiedene Ursachen, hauptsächlich jedoch sein offensichtliches Bestreben, seinem Sohn Heinrich die deutsche Königskrone zu verschaffen, und zwar entgegen seinem Versprechen, das Reich und Sizilien getrennt zu belassen. Dies gab Friedrich dann auch zu, rechtfertigte diese Bemühungen jedoch damit, dass die Reichsherrschaft auch in seiner Abwesenheit gesichert sein musste, vor allem für den Fall, dass er auf dem Kreuzzug sterben würde.
In der Folge musste die ursprüngliche Frist für die Abfahrt von einem zunehmend verärgerten Honorius noch einige Male verschoben werden, da Friedrich im Ringen mit den Fürsten um die Königswahl seines Sohnes viel Zeit verlor. Auf einem Hoftag in Frankfurt im Jahr 1220 wurde Heinrich zum deutschen König gewählt, vor allem mit Unterstützung der geistlichen Fürsten, denen Friedrich sicher nicht zufällig kurz nach der Wahl das Privileg ‚confoederatio cum principibus ecclesiasticis’ (so genannt seit dem 19. Jahrhundert) erteilte, durch das er die Rolle der Kirche und der geistlichen Fürsten im Reich bedeutend stärkte. Hierdurch wurden jedoch weniger königliche Hoheitsrechte aufgegeben, sondern vielmehr bereits im Gewohnheitsrecht existierende Zugeständnisse festgeschrieben.[17]
[...]
[1] Vgl. Thomsen, Marcus, „Ein feuriger Herr des Anfangs…“. Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt (= Kieler Historische Studien, Band 42), Ostfildern 2005, S. 29 ff.
[2] Ebenda, S. 37.
[3] Vgl. Herbers, Klaus und Neuhaus, Helmut, Das Heilige Römische Reich. Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806), Köln 2005, S. 124.
[4] Vgl. Stürner, Wolfgang, Friedrich II.. Teil 1: Die Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland 1194-1220, Darmstadt 2003, S. 143.
[5] Vgl. Herbers u. Neuhaus, Das Heilige Römische Reich, S. 118 f.
[6] Stürner, Friedrich II, S. 144.
[7] Keller, Hagen, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024-1250, Frankfurt am Main/Berlin 1990, S. 474.
[8] Vgl. Horst, Eberhard, Friedrich der Staufer. Die Biographie, München 2000, S. 65 und Herbers u. Neuhaus, Das Heilige Römische Reich, S. 118.
[9] Vgl. Brüsch, Tania und van Eickels, Klaus, Kaiser Friedrich II.. Leben und Persönlichkeit in Quellen des Mittelalters, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 144.
[10] Vgl. Horst, Friedrich der Staufer, S. 60 f.
[11] Vgl. Stürner, Friedrich II., S. 181 und Horst, Friedrich der Staufer, S. 63.
[12] Vgl. Horst, Friedrich der Staufer, S. 63 ff.
[13] Vgl. Stürner, Friedrich II., S. 182.
[14] Vgl. ebenda, S. 184.
[15] Vgl. Stürner, Friedrich II., S. 189.
[16] Ebenda, S. 232.
[17] Vgl. Stürner, Friedrich II., S. 236 ff.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Busch (Autor:in), 2006, Friedrich II. und die Kirche , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136128
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