Der argumentative Ort des Erhabenen in Begemanns „Furcht und Angst im Prozeß der Aufklärung“


Hausarbeit, 2007

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Angsterzeugung und Angstüberwindung

Dynamisch- und Mathematisch-Erhabenes

Wandel des Naturgefühls

Faktoren der Angstüberwindung

Soziokultureller und gesundheitlicher Faktor

Entzweiung mit der Natur

Faktor Sicherheit und Phantasie

Faktor Wissenschaft und Reflexion

Lust- und Unlustgefühl bei Kant und Schiller

Schlussbetrachtung

Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll den Gegenstand des Erhabenen zum Thema haben. Die Definition des Erhabenen sowie dessen Funktion und Wirkung finden ihren Anfang in der Antike. In der griechischen Kultur geht die Geschichte des Erhabenheitsbegriffes von Hypsos (griechisch: Höhe) bzw. hypsagóres (griechisch: hochredend) aus, womit die „erhöhte Sprache“ gegenüber anderen Menschen gemeint ist. Dabei sollen „fürstlicher Stolz und edle Gesinnung“ zum Ausdruck gebracht werden.[1] Nach Cicero, dem berühmten römischen Politiker, Anwalt und Philosophen, beabsichtigt der „erhabene Stil“, (auch genus grande[2] genannt), „[…] den Zuhörer zu bewegen, indem man dessen Gefühle anspricht […].“[3]

Während in der Zeit der Antike „eindrucksvolle Sprache“ und „eindrucksvolle Gedanken“ als erhaben gedeutet wurden, fand die Umstrukturierung des Begriffs ihren Höhepunkt in der Zeit der Aufklärung, in der Naturerscheinungen mit dem Begriff des Erhabenen in Verbindung gebracht wurden.[4] Damit wird offenkundig, dass das ursprüngliche Hauptmerkmal des Erhabenen ein sprachliches war, welches sich im Laufe der Zeit zu einem „materiellen“ veränderte. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Konzept des Erhabenen zu Zeiten der Aufklärung, in dem Naturfurcht, Naturbeherrschung und Naturgenuss eine zentrale Rolle spielten.[5] Hierbei werden sowohl Kants[6] als auch Schillers[7] Deutungen vom Erhabenen eine zentrale Rolle einnehmen.

Als wichtigste antike Erörterung des Erhabenen gilt die pseudo-longinische Abhandlung.[8] Die Grunddefinition kann wie folgt zusammengefasst werden: „Das Höchste und Hervorragende der Reden ist das Erhabene.“[9] Bei der Erzeugung des Gefühls des Erhabenen sind eine „natürliche Begabung“ und eine „künstlerische Ausbildung“ erforderlich, „wobei das Talent von beidem das Wichtigere ist.“[10] Die Abhandlung nennt fünf Ursachen, die Erhabenheit verursachen können: „lebhafte Ideen“, „die Inspiration heftiger Gefühle“, „den richtigen Aufbau von Figuren“, „edle Formulierung“ und „einen würdevollen, außergewöhnlich guten Stil.“[11]

In der Zeit der Spätantike und des Mittelalters war Pseudo-Longinus relativ unbekannt. Gemeinsamkeiten zur pseudo-longinischen Abhandlung lassen sich jedoch bei Augustinus[12] finden, welcher den genus grande als einen Stil bezeichnete, „der die Leidenschaften des Herzens mitreiße.“[13]

Von besonderem Interesse für diesen Zeitabschnitt ist nach heutigem Forschungsstand der Ansatz des Galfred von Vinosalvos. Er vertrat die These, dass die drei Stile sowohl an einen Gegenstand als auch an eine soziale Schicht geknüpft werden konnten.[14] Das Argument des Gegenstandes erfährt, wie sich noch zeigen wird, im Prozess der Aufklärung anhand verschiedener Naturerscheinungen Konkretisierung.

Die interessanteste Entwicklung, die wiederum in der Zeit der Renaissance und des Humanismus zu finden ist, ist die Entstehung eines christlichen genus grande. Der Autor M. Flacius Illyricus[15] betonte, „daß die Sprache der Bibel in der Regel erhaben und gehoben sei, womit gemeint war, dass sie gründlich belehre und das Herz rühre, im Gegensatz zum klassischen erhabenen Stil, der die Gefühle der Adressaten geschickt für sich nutze und die Fähigkeiten des Redners zur Schau stelle.“[16] In dieser geschichtlichen Epoche findet ein Wiederaufleben der pseudo-longinischen Schriften statt. Diese Schriften ließen das Interesse am Konzept des Erhabenheitsbegriffes stetig steigen.

Die moderne Geschichte des Erhabenen beginnt in Frankreich um 1674, da es

Nicolas Boileau-Despréaux[17] gelang, Longins Konzept über das Erhabene als Ausgangspunkt der modernen Ästhetik durchzusetzen. Boileau knüpft an Longins Opposition zwischen ethischer und pathetischer Redefunktion an und erweitert diese zur Dichotomie von Schönheit und Erhabenheit. In England tritt das Paradox des „schrecklich Schönen“ auf. Das Gebirge beispielsweise wurde nicht mehr nur als abschreckend und beängstigend empfunden, denn die Komponente des so genannten „Lustgefühls am Unschönen“ tritt hinzu. Unterschiedliche Faktoren ließen ein neuartiges Naturgefühl entstehen. Genauer gesagt: im Erhabenen fand sich von nun an das „Nichtmehrschöne“.[18] Wie diese Dichotomisierung im Konzept des Erhabenen entstanden ist und warum das „Schreckliche“ plötzlich gefiel, wird den Schwerpunkt dieser Arbeit ausmachen.

Angsterzeugung und Angstüberwindung

Der Literaturwissenschaftler Christian Begemann stützt sich in seinem Buch auf historische und wissenschaftliche Quellen verschiedener Philosophen, Dichter und Abenteurer. Anhand der Quellen unternimmt er den Versuch, die unterschiedlichsten Ängste und deren Bewältigungen aufzuzeigen, welche im 18. Jahrhundert das Bürgertum berührten. Die Herkunft der Ängste soll allerdings nicht aus psychologischer Sicht analysiert werden. Denn laut Begemann ist es bereits bewiesen, dass die Aufklärer des 18. Jahrhunderts die Naturfurcht als unangemessen ansahen. Fraglich und bisher nicht bewiesen ist es jedoch, ob sich aufgrund neuer technischer Errungenschaften und einem neuen Bewusstsein der Menschen die Ängste im Bürgertum tatsächlich reduzierten und einen Wandel der alltäglichen Erfahrung von Natur ermöglichten.[19]

Der Erhabenheitsbegriff im 18. Jahrhundert wird immer seltener als rein rhetorische oder poetische Kategorie gefasst. Infolge dessen findet er seine Anwendung zunehmend in Bezug auf reale Gegenstände.

In diesem Fall handelt es sich um Gegenstände der äußeren Natur, die geradezu Paradigma des Erhabenheitsbegriffs werden; so zum Beispiel in Kants „Kritik der Urteilskraft“. Dabei handelt es sich nicht um die schöne Natur, die durch Lieblichkeit und Harmonie gekennzeichnet ist, sondern um das Unschöne, „[…] das Unermeßliche, Gewaltige, Chaotische, Regel-, Form- und Maßlose.“[20]

[...]


[1] Ueding, Gert (Hg.) 1994. Erhabene, das. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 2: Bie-Eul. Tübingen, Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. Kg. 1994:1357.

[2] Dieser wird auch genus grande genannt und gliedert sich in drei Stilebenen: 1. hoher Stil (genus grande, sublime), 2. mittlerer Stil (genus medium), 3. niederer Stil (genus humile)

[3] Ueding, 1994:1357.

[4] Ders.

[5] Vergl. Kapitel 4: Naturfurcht, Naturbeherrschung, Naturgenuß. Rekonstruktion der Erfahrung erhabener Natur im 18. Jahrhundert. In: Begemann, Christian. Furcht und Angst im Prozeß der Aufklärung. Zu Literatur und Bewußtseinsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Frankfurt a. M., Athenäum. 1987:97ff.

[6] Kant, Immanuel. Deutscher Philosoph, * 1724 in Königsberg, ebd. † 1804 ebd.; aus pietistischem Elternhaus; seit 1770 Professor für Logik und Metaphysik in Königsberg. Kants Philosophie bedeutet Abschluss und Überwindung des Aufklärungszeitalters (Aufklärung), zugleich den Ausgangspunkt für viele neuere philosophische Richtungen (deutsche Philosophie).

[7] Schiller, Friedrich von. Deutscher Dichter, * 1759 in Marbach am Neckar, † 1759 in Weimar. Die frühe Lyrik Schillers steht stark unter Klopstocks Einfluss, sie ist pathetisch und spekulativ.

[8] Die Frage nach dem Autor der Abhandlung lässt sich heute nicht mehr klären, im Allgemeinen wird von Longin bzw. Pseudo-Longin(us) gesprochen. (Ueding, 1994:1358)

[9] Ueding, 1994:1358.

[10] Ders.

[11] Diese Faktoren können sowohl einzeln als auch in Kombination auftreten und das Erhabene hervorbringen. Das Erhabene kann auch vorhanden sein, wenn gar nicht gesprochen wird. (Ueding, 1994:1359 f.)

[12] Augustinus von Hippo (13. November 354 - 28. August 430) ist einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer und der wichtigste Philosoph an der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter.

[13] Ueding, 1994:1361.

[14] Ueding, 1994:1363.

[15] Illyricus, Matthias, genannt Illyricus, lutherischer Theologe kroatischer Herkunft, * 1520 in Albona,

† 1575 in Frankfurt a. M. Schüler Martin Luthers in Wittenberg. War ab 1557 Professor in Jena, wurde jedoch 1561 wegen von ihm vertretener theologischer Sonderlehren abgesetzt.

[16] Ueding, 1994:1364.

[17] Französischer Dichter, * 1636 in Paris; † 1711 ebd. Seit 1677 Historiograph Ludwigs XIV. Einer der Repräsentanten der klassischen Periode der französischen Literatur, deren Prinzipien er in dem Lehrgedicht »L'art poétique« (dt. »Die Dichtkunst«, 1674) formvollendet zusammenfasste. Das Werk bestimmte das literarische Verständnis des europäischen Klassizismus bis über die Mitte des 18.Jahrhunderts hinaus.

[18] Ueding, 1994:1367.

[19] Begemann, 1987:97.

[20] Begemann, 1987:101.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der argumentative Ort des Erhabenen in Begemanns „Furcht und Angst im Prozeß der Aufklärung“
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V136232
ISBN (eBook)
9783640433988
ISBN (Buch)
9783640433582
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erhabenen, Christian, Begemanns, Buch, Angst, Prozeß, Aufklärung, Literatur, Bewußtseinsgeschichte, Jahrhunderts“
Arbeit zitieren
Angela Beyer (Autor:in), 2007, Der argumentative Ort des Erhabenen in Begemanns „Furcht und Angst im Prozeß der Aufklärung“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136232

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