[...]
Das Ziel dieser Arbeit ist es, Ursachen für den Umbruch im christlichen Glauben aufzu-decken und zu erklären, welche Probleme sich daraus für die heutige Verkündigung der christlichen Botschaft ergeben. Im Anschluss sollen Möglichkeiten und Chancen zu neuer, fruchtbarer Verkündigung aufgezeigt werden.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung „Lasst unsere Kirche im Dorf“
2.Christlicher Glaube im Umbruch
2.1. Anfragen an den Glauben durch die fortschrittliche Entwicklung und die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt
2.2. Anfragen an den christlichen Glauben durch die geschichtliche Entwicklung
2.3 Anfragen an den Glauben durch Ideologien und Säkularisierung innerhalb der Gesellschaft
2.4 Die Reaktionen der Menschen und die Folgen dieser Entwicklungen
3. Kirchlicher Glaube im Umbruch
3.1. Probleme der Glaubenstradierung
3.2. Verluste von Einfluss in der Gesellschaft und innerkirchliche Probleme
3.3. Aufkommen religiöser Pluralität
3.4. Die Reaktionen der Menschen und die Folgen dieser Entwicklungen
4. Neue Chancen und Wege der christlichen Verkündigung
4.1.Vatikanisches Konzil „ aggiornamento“
4.2. Neue geistliche Gemeinschaften
4.3. Mission: „Evangelii Nuntiandi“ -Neuevangelisierung-
4.4. Medien
5.Fazit
I. Glossar
II. Literaturverzeichnis
1. Einleitung „Lasst unsere Kirche im Dorf“
Die schockierende Nachricht aus dem Bistum Hildesheim durch Bischof Norbert Trelle erreichte das Eichsfeld im Frühling des Jahres 2008: gravierende finanzielle Abstriche und große Umbrüche im kirchlichen Gemeindeleben werden das Jahr 2009 in der stark katholisch geprägten Region erwarten. Für insgesamt 438 Kirchen im Ober- wie Untereichsfeld stehen laut Auskunft des Bistums statt der benötigten 15 Millionen nur noch 7 Millionen zur Verfügung. Im Raum Duderstadt sollen sogar nur noch für insgesamt 8 Kirchen und deren Erhalt Gelder und Mittel zu Verfügung stehen. Die verbleibenden 23 Kirchengemeinden mit ca. 15000 Gläubigen Christen leben nun in Sorge, ihre Kirchen im Dorf schließen zu müssen. Doch damit nicht genug: im Jahr 2014, so die Auskunft des Bistums, sei geplant, Kirchengemeinden aus weiteren, nötigen Sparzwängen heraus zusammen zu legen. Der aktuelle Priestermangel der Kirche habe in der Vergangenheit bereits dazu geführt, größere Seelsorgeeinheiten zu bilden, nun müsse man auch bereit sein für diesen Schritt. Dieser scheinbare Zusammenbruch kirchlichen Lebens ruft in der stark religiösen Gegend nun heftigen Widerstand hervor. Die Gläubigen möchten diese Zusammenlegungen nicht, wünschen sich, als Gemeinden selbstständig zu bleiben und erwarten mehr Unterstützung durch das Bistum und die Politik. Als Folge dessen schließen sich Kirchenmitglieder und Gemeindevertreter zu einer Protestbewegung unter dem Namen „Lasst unsere Kirche im Dorf“ zusammen und fahren seither unter anderem einmal monatlich nach Hildesheim um dort ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.[1]
Im vorbenannten Beispiel zeigt sich die ganze Dramatik des hier zu behandelnden Themas. Der christliche und somit gleichzeitig kirchliche Glaube steht vor einer großen Herausforderung seiner Zeit, einer großen Krise. Wie kommt es, dass sich der christliche Glaube scheinbar auf dem Rückzug befindet? Die Zahlen der kirchlichen Statistiken zeichnen ein deutliches Bild in diesen Tagen: akuter Priestermangel und Kirchenschließungen, zahlreiche Kirchenaustritte, immer mehr Menschen wenden sich allgemein vom kirchlichen Leben ab. Dennoch ist gleichzeitig ein seriöses spirituelles Interesse der Menschen offensichtlich. Warum ist die christliche Botschaft, nicht mehr die, die sie sein möchte, die Antwort auf das Suchen der Menschen und frohe, rettende Botschaft des lebendigen Gottes?
„Was uns heute vor allem bedrängt und anficht, ist die Tatsache der Wirkungslosigkeit des Christentums: nach zweitausend Jahren christlicher Geschichte sehen wir scheinbar nichts, was an neuer Wirklichkeit in der Welt wäre, sondern wir finden sie in denselben Furchtbarkeiten, Verzweiflungen und Hoffnungen wie eh und je.“[2] Ist das tatsächlich so?
Nun ist eine Krise nicht immer etwas negatives, heißt das griechische Wort „krisis“ doch vor allem nichts anderes als „entscheidende Wendung“. Bedeutet das nicht also auch etwas Positives in diesen Tagen? Sind nun nicht mehr denn je, alle Menschen christlichen Glaubens, ihre Kirchenvertreter, Religionslehrer und Laien, aufgefordert, die aktuelle Situation des Umbruchs in Kirche und Gesellschaft vor allem als Chance zu verstehen, sich aufzumachen, den Glauben wieder neu zu entdecken, ihn wieder besser verstehen, leben und lehren zu lernen?
Das Ziel dieser Arbeit ist es, Ursachen für den Umbruch im christlichen Glauben aufzudecken und zu erklären, welche Probleme sich daraus für die heutige Verkündigung der christlichen Botschaft ergeben. Im Anschluss sollen Möglichkeiten und Chancen zu neuer, fruchtbarer Verkündigung aufgezeigt werden.
2.Christlicher Glaube im Umbruch
2.1. Anfragen an den Glauben durch die fortschrittliche Entwicklung und die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt
Unsere heutige Zeit ist gekennzeichnet von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Errungenschaften sowie technischen „Unglaublichkeiten“. Unvorstellbar sind für uns moderne Menschen die Zeiten, in denen unsere Vorfahren vor erst einhundert Jahren noch ohne motorisierte Verkehrsmittel oder Kommunikationshilfen wie Computer, Handy oder Satelliten im Weltall auskommen mussten. Die wissenschaftlich orientierte Arbeit und eigenmächtig verantwortliche Planung von den Menschen in der Welt scheinen durch diese eine neue Weltordnung zu begründen und zu erklären. Die Entdeckung vom Erbgut des Menschen zum Beispiel, durch die DNA (chemischer Aufbau von Erbinformation), scheint alle Vorstellungen von der Mach- und Beherrschbarkeit des Lebens ins menschlich unermessliche zu steigern.
Der frühere, religiöse Glaube der Menschen, der für alles Sein und Wirken immer noch Gott verantwortlich machte, scheint sich im selben, gleichzeitigen Tempo der technischen und fortschrittlichen Revolution immer mehr in Luft aufzulösen. Selbst die Planeten im Weltall Mond und Mars sind von den Menschen bereits bereist und erobert worden und niemand meint auch bei diesen enormen Entdeckungen einen existierenden Gott zu finden. Die Welt und ihre Menschen scheinen durch die wissenschaftlich-fortschrittliche Arbeit und Erkenntnisse zu belegen, dass sie keinen Gott mehr nötig haben und es somit auch keinen geben kann und muss. Somit entsteht eine wachsende Fixierung auf irdische Güter und Machbarkeiten. „Eine völlige Emanzipation des Menschen von religiösen Vorgaben wird angestrebt und gleichzeitig eine von Hedonismus erfüllte Lebensform gewählt, die ohne Schranken sucht, was nützt oder gefällt, lustvoll ist und Lust schafft.“[3] Ebenfalls zu beobachten ist in der heutigen Zeit die weitläufige Meinung, der Mensch und die Welt haben sich über die Jahrhunderte alleine durch den Zufall und Anpassung an die Natur und ihrer Begebenheiten entwickelt. Zum Beispiel die Evolutionstheorie von dem englischen Naturforscher Charles Darwin (1809 -1882) ließ den Menschen plötzlich nicht mehr als ein Geschöpf Gottes, sondern als ein Wesen, das sich im Laufe der Zeit aus der Tierwelt entwickelt habe, aussehen. Die Existenz eines Schöpfergottes erscheint nicht wenigen Anhängern dieser Theorie irrelevant.
2.2. Anfragen an den christlichen Glauben durch die geschichtliche Entwicklung
Die Frage in Form der geschichtlichen Betrachtung der Welt ist heute nicht mehr, was hat Gott damit gewollt, sondern, wie ist es geworden?[4] Die heutigen Zeiten werden mit den früheren Entwicklungen verglichen, Kulturen nebeneinander gestellt und betrachtet. Dadurch entwickelt sich eine religiöse Pluralität und eine neue Entdeckung anderer, neuer und interessanter Rituale und Angebote im religiösen Leben der Menschen. Auch esoterische Angebote überhäufen heute den Markt und eine allseits bekannte Losung unter deren Anhängern lautet: „Was Gott ist, bestimme ich selbst!“ Hier wird also nicht mehr danach gefragt, was ist wahr, sondern, was bewirkt es in mir.
Der christliche Glaube mit seinem einzigartigen Wahrheitsanspruch durch den Herrn Jesus Christus selbst („Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ – Joh 14, 6) steht somit in der Pflicht, sich als wahr und gültig vor den neuen, anderen Angeboten zu erweisen.
2.3 Anfragen an den Glauben durch Ideologien und Säkularisierung innerhalb der Gesellschaft
Mit der Zeit der Aufklärung hat es neue Formen von atheistischen Gedankenmodellen und politischen Systemen gegeben, jene also, die Gott schlichtweg leugnen und somit den christlichen, sowie im Allgemeinen, vor allem den offenbarenden, monotheistischen Glauben in Frage stellen, wenn nicht sogar gänzlich in das Reich der Fabel verweisen. „Religion sei Opium für das Volk“ ein allseits bekannter Ausspruch Karl Marx’, deutet auf die Grundlagen, auf denen die politische Systeme wie der Marxismus und der Sozialismus aufbauen. Die Hinwendung zur Eigenbestimmung und Befreiung des Menschen von Gott findet sich sowohl in diesen Vorstellungen der Ideologien, wie auch im Humanismus, Positivismus oder auch Existenzialismus wieder. Der Verzicht auf einen belohnenden oder etwa strafenden Gott sei unabdingbar für die menschliche Freiheit und ein sittliches Leben. Des Weiteren gelte es, in diesen Vorstellungen, lediglich die Dinge zu glauben, die man auch mit seiner Vernunft überprüfen könne. Ein transzendenter Gott oder ein zukünftiges Jenseits vertröste und versklave einen Menschen gerade zu in die Unselbstständigkeit wie auch Unmündigkeit. Diese Form der „Verweltlichung“ unserer Gesellschaft und des privaten Bereiches, vor allem seit der 68er Studenten- und Bürgerrechtsbewegung in den letzten 40 Jahren, verstärkt zu beobachten, nennt man heute im allgemeinen Säkularisierung. Dieser Begriff bedeutet in der Kirchensprache „die zeitliche Welt“, das Irdische, im Gegensatz stehend zum „Ewigen“, dem Transzendenten. Eingeleitet wurde vor allem durch diese Säkularisierung ein moderner Lebenswandel, der scheinbar eben nur noch durch die menschliche Vernunft bestimmt wird. Auch hier ein weiterer, zeichenhafter Vorgang für eine scheinbare Entchristlichung unserer Welt. Christliche Feiertage sorgen innerhalb der Gesellschaft zwar noch für freie Tage und kurbeln den Konsum an, doch inhaltlich dringt die Botschaft Jesu nicht mehr zu den Menschen durch.
Neben dieser Säkularisierung und den in vorher genannten Ideologien dieser Welt, besteht außerdem eine weitere Form der Anfrage an den Glauben, die so genannte Polemik, welche die Religion im Allgemeinen geradewegs ablehnt. Religion sei dem modernen Menschen nicht mehr zumutbar, ja sie wird sogar als gesellschaftsstörend angesehen.[5] Die Religion, der Glaube und die christlichen Werte erleiden somit in der gesamten Gesellschaft immer mehr Bedeutungsverluste.
2.4 Die Reaktionen der Menschen und die Folgen dieser Entwicklungen
Das Verhalten und die Reaktionen der Menschen unserer Zeit auf die scheinbare Verflüchtigung des Glaubens, christlicher Werte und das Fehlen spiritueller Fragen, Antworten und Erfahrungen sind auch hier sehr unterschiedlich zu beobachten. Das wohl am häufigsten zu erkennende Muster ist vor allem die Gleichgültigkeit im Bezug auf diese Entwicklungen. Menschen sind nicht gegen den Glauben und die Kirche, aber auch nicht dafür. „Von allem ‚was sie nichts angeht’ lassen sie die Finger. Sie glauben an die Wissenschaft und ihre Ergebnisse, sie nehmen sie in Anspruch, wenn sie ihnen ihr Leben freundlicher und angenehmer machen. Aber engagieren wollen sie sich nicht.“[6] Die Gottesfrage und ihre daraus folgenden, eventuellen Konsequenzen scheinen vielen Menschen mittlerweile als nicht mehr wichtig und man hält sich lieber aus allem raus, sieht sich dadurch selbst als guten, toleranten Menschen. Andere hingegen ziehen sich aus Furcht vor den Neuerungen der Technik und der überkommenden Dominanz des immer schneller werdenden Fortschritts ins Privatleben zurück oder flüchten sich mangels sinnhaltiger Alternativen in Süchte (Alkohol, Drogen) und Traumwelten. Oft auch aus Angst davor, den Dingen, die da kommen, alleine nicht gewachsen zu sein. Sekten oder auch fundamentalistische Strömungen, die eine gewisse Ordnung, klare Vorgaben und dadurch eine scheinbar heile Welt garantieren, erfahren ebenfalls einen neuen Zulauf. Die Chancen, welche sich aus einer geistigen Auseinandersetzung mit diesen Anfragen an den Glauben ergeben könnten, scheinen nicht zu bereichern oder für Klarheit im Leben zu sorgen, sondern eher zu verwirren oder zu sehr das eigene Menschen- und Weltbild zu erschüttern. Somit sind die Folgen dieses Verhaltens für den christlichen Glauben erschütternd.
Er wird von vielen Menschen nicht einmal mehr als fragwürdig gesehen, was man noch für positiv befinden möge, denn so wäre er zumindest noch der Frage und der Auseinandersetzung wert. Nein, wie bereits gesagt, wird er von vielen Menschen fast als fraglos abgetan, was für den Glauben und die Kirche verheerende Auswirkungen zu haben scheint. Der christliche Glaube droht so regelrecht zu verdunsten in unserer heutigen, modernen Gesellschaft. Bischof Walter Kasper aus Rottenburg benutzte schon in den 80er Jahren dafür einmal ein sehr treffendes Bild: „Er droht weg zu schmelzen wie der letzte Schnee vor der erstarkenden Frühjahrssonne.“[7]
3. Kirchlicher Glaube im Umbruch
„Ich aber sage Dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. (Mt 16, 18).
Dieser Ausspruch Jesu galt und gilt noch immer durch alle schwierigen Zeiten hindurch als große Hoffnung und Trost für den Fortbestand der Kirche. Können die Menschen sich nicht mehr auf das Wort Jesu verlassen? Die im Vorfeld beschriebenen Beobachtungen und Tatsachen für das Schwinden des christlichen Glaubens in der Gesellschaft, die daraus resultierenden, immer wieder neuen Ideologien und Säkularisierungsprozesse rütteln stark, wie scheinbar nie zuvor, an den Pforten der Gotteshäuser und dem institutionellen Kirchen– und Gemeindeleben. Natürlich gehen auch alle diese Entwicklungen nicht spurlos an den Gläubigen selbst vorbei. Verunsicherung und auch Ängste sind vieler orten zu spüren. Anhand dieser aktuellen Entwicklung ist also festzustellen, dass ein großer Umbruch begonnen hat, welcher, wie viele Veränderungen im Leben, mit Schmerz und manchmal auch mit Ungerechtigkeit verbunden ist. Die Kirchen stehen vor immer größer werdenden Herausforderungen und sind heute gefordert wie nie, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und das Schwinden des Glaubens zu reagieren.
Vor allem ist auch zu beobachten, dass das Christentum seine Ausstrahlungskraft verliert, wenn die Kirche, wie hier in Westeuropa, nur noch mit sich selbst, ihren Strukturen, und inneren, wie zum Beispiel konfessionellen, Problemen beschäftigt ist, statt ihrer Aufgaben wie der Mission und Heilsvermittlung nachzukommen.
Wo sind die Ursachen für diese Entwicklungen zu finden?
[...]
[1] Göttinger Tageblatt 16.04.2008 dpa Mattias Brunnert
[2] Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. ,Vom Sinn des Christseins. Kösel Verlag, München 1995, S.30-31
[3] Helmut Krätzl, Eine Kirche, die Zukunft hat. Styria Verlag, Wien – Graz - Klagenfurt 2007, S. 135
[4] Vgl. GK LB 1 „Glauben in unserer Zeit“ Hg. v. Theologie im Fernkurs, Würzburg Aufl.2005, S.15
[5] Vgl. Helmut Krätzl, Eine Kirche, die Zukunft hat. Styria Verlag, Wien – Graz - Klagenfurt 2007, S. 131
[6] GK LB 1 „Glauben in unserer Zeit“ Hg. v. Theologie im Fernkurs, Würzburg Aufl.2005, S.23
[7] W. Kasper, Die Weitergabe des Glaubens. Schwierigkeit und Notwendigkeit einer zeitgemäßen Glaubensvermittlung, Mainz 1987, S.117
- Arbeit zitieren
- Dario Pizzano (Autor:in), 2009, Christlicher Glaube im Umbruch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136472