In dieser Arbeit wird das metafiktionale Spiel mit dem Leser in "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" von Italo Calvino näher untersucht. Die italienische Erzählliteratur zeichnet sich ab der Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv durch metafiktionale Tendenzen aus. Diese sind auch in dem hier untersuchten Roman der Postmoderne "Wenn ein Reisender in einer Winternacht", der 1979 in Italien erschienen ist, vorzufinden.
Metafiktion ist seit den 1970er-Jahren ein narratives Verfahren, das den Illusionscharakter der Fiktion durch Selbstreflexion aufdeckt und thematisiert. Der Leser trifft im Roman von Calvino auf eine Geschichte, die seine eigene sein könnte. Geschickt gelingt es dem Autor, den Leser in die Erzählung einzubinden und die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu verwischen.
Nach einer kurzen Beschreibung des Romanaufbaus soll erst einmal geklärt werden, wie der empirische vom fiktionalen Leser unterschieden werden kann und auf welche Art Calvino diese Unterscheidung im Roman verschwimmen lässt. Dieses ist anhand von Textauszügen des ersten und zweiten Kapitels belegt. Anschließend soll sowohl auf das Spiel, das Calvino mit dem Leser spielt, eingegangen werden als auch auf die metafiktionalen Mittel, derer er sich bedient, um dem Leser in der Rahmenhandlung wiederholt den fiktionalen Status der Erzählung aufzuzeigen.
Der Schluss befasst sich mit der Darstellung des fiktiven Lesers, der der Protagonist des Romans ist. Dabei wird vor allem auf seine Abhängigkeit vom und sein Verhältnis zum Erzähler näher betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Aufbau des Romans
- 3. Der empirische und der fiktionale Leser
- 4. Illusionsbruch durch Metafiktionalität
- 4.1 Das Spiel mit dem Leser
- 4.2 Der fiktive Leser als Protagonist des Romans
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die metafiktionalen Strategien in Italo Calvinos Roman „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“. Ziel ist es, das komplexe Spiel Calvinos mit dem Leser auf verschiedenen Ebenen aufzudecken und zu analysieren.
- Unterscheidung zwischen empirischem und fiktionalem Leser
- Analyse der metafiktionalen Verfahren
- Die Rolle des Lesers in der Rahmenhandlung
- Der fiktive Leser als Protagonist
- Der Stellenwert von Literatur und Lektüre
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Metafiktion in der italienischen Erzählliteratur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein und stellt Italo Calvinos „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ als Beispiel für diese Tendenz vor. Sie skizziert den methodischen Aufbau der Arbeit, der sich auf die Unterscheidung zwischen empirischem und fiktionalem Leser konzentriert und die metafiktionalen Techniken Calvinos analysiert, um den Leser in die Erzählung einzubinden und die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu verwischen. Die Einleitung legt den Fokus auf die Untersuchung des metafiktionalen Spiels auf verschiedenen Ebenen.
2. Aufbau des Romans: Dieses Kapitel beschreibt den Aufbau von Calvinos Roman, der sich aus zwölf Kapiteln zusammensetzt und in eine Rahmen- und eine Binnenerzählung gegliedert ist. Zehn verschiedene Binnenerzählungen, die die Titel der Romanfragmente tragen, die der Protagonist liest, sind in die Rahmenhandlung eingebettet. Der Wechsel zwischen Rahmen- und Binnenerzählung ist ein zentrales Merkmal des Romans, das die Uneinheitlichkeit und Komplexität der Handlungsstränge betont. Das Kapitel hebt die spielerische und selbstreflexive Natur des Werkes hervor und unterstreicht, dass es sich um einen Paradetext für Metafiktion handelt, welcher den Titel auf drei verschiedenen Fiktionsebenen präsentiert: auf der textexternen Ebene des Autors und Lesers, der zweiten Ebene der Rahmenhandlung und der dritten Ebene der Romanfragmente. Der auktoriale Erzähler der Rahmenhandlung adressiert den fiktiven Leser direkt in der 2. Person Singular.
3. Der empirische und der fiktionale Leser: Dieses Kapitel differenziert zwischen dem realen und dem fiktiven Autor sowie dem realen und dem fiktiven Leser. Es erläutert, dass der reale Autor ein lebendes Individuum ist, das für einen realen Leser schreibt, während der fiktive Autor und Leser textinterne Konstrukte des realen Autors sind. Am Beispiel von Calvinos Roman wird gezeigt, wie der reale Leser zunächst durch die direkte Ansprache des Erzählers in die Fiktion eingebunden wird und sich mit dem fiktiven Leser identifiziert. Im weiteren Verlauf des Romans wird diese Identifikation jedoch durch Elemente des Misstrauens und der Distanzierung untergraben, die den realen Leser seine Position als Adressat des Erzählers in Frage stellen lassen. Ab Kapitel zwei wird die Trennung zwischen realem und fiktionalem Leser deutlich, da Fehler im Text nur den fiktiven Leser betreffen, während der reale Leser diese nicht erlebt. Das Kapitel verdeutlicht die komplexe Interaktion und die letztendlich getrennten Wege von realem und fiktivem Leser, die erst im letzten Kapitel wieder zusammenlaufen.
Schlüsselwörter
Metafiktion, Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht, empirischer Leser, fiktionaler Leser, Rahmenerzählung, Binnenerzählung, Selbstreflexion, Illusionsbruch, Leserintegration, Literaturtheorie.
Häufig gestellte Fragen zu Italo Calvinos "Wenn ein Reisender in einer Winternacht"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die metafiktionalen Strategien in Italo Calvinos Roman "Wenn ein Reisender in einer Winternacht". Der Fokus liegt auf dem komplexen Spiel des Autors mit dem Leser auf verschiedenen Ebenen, insbesondere der Unterscheidung zwischen empirischem und fiktionalem Leser und der Analyse der dazu eingesetzten metafiktionalen Verfahren.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) führt in die Thematik der Metafiktion ein und skizziert den methodischen Aufbau. Kapitel 2 (Aufbau des Romans) beschreibt die Struktur des Romans mit Rahmen- und Binnenerzählungen. Kapitel 3 (Der empirische und der fiktionale Leser) differenziert zwischen realem und fiktivem Leser und analysiert deren Interaktion im Roman. Kapitel 4 (Illusionsbruch durch Metafiktionalität) untersucht das Spiel mit dem Leser und die Rolle des fiktiven Lesers als Protagonist. Kapitel 5 (Fazit) fasst die Ergebnisse zusammen.
Wie wird der Aufbau des Romans beschrieben?
Der Roman besteht aus zwölf Kapiteln, gegliedert in eine Rahmen- und zehn eingebettete Binnenerzählungen. Der ständige Wechsel zwischen diesen Ebenen betont die Uneinheitlichkeit und Komplexität der Handlung und unterstreicht die spielerische und selbstreflexive Natur des Werkes. Der Titel des Romans wird auf drei verschiedenen Fiktionsebenen präsentiert.
Wie wird der Unterschied zwischen empirischem und fiktionalem Leser dargestellt?
Die Arbeit unterscheidet klar zwischen dem realen (empirischen) und dem fiktiven Leser. Der reale Leser wird durch die direkte Ansprache des Erzählers in die Fiktion eingebunden, identifiziert sich zunächst mit dem fiktiven Leser, wobei diese Identifikation im Laufe des Romans durch Elemente des Misstrauens und der Distanzierung untergraben wird. Fehler im Text betreffen nur den fiktiven Leser, nicht den realen.
Welche Rolle spielt die Metafiktion in dem Roman?
Die Metafiktion ist ein zentrales Element des Romans. Sie dient dazu, die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu verwischen, den Leser aktiv in die Erzählung einzubeziehen und die Selbstreflexivität der Literatur hervorzuheben. Der Illusionsbruch durch metafiktionale Verfahren ist ein wichtiger Aspekt der Analyse.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Metafiktion, Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht, empirischer Leser, fiktionaler Leser, Rahmenerzählung, Binnenerzählung, Selbstreflexion, Illusionsbruch, Leserintegration, Literaturtheorie.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die metafiktionalen Strategien in Calvinos Roman aufzudecken und zu analysieren, um das komplexe Spiel mit dem Leser auf verschiedenen Ebenen zu verstehen. Die Unterscheidung zwischen empirischem und fiktionalem Leser bildet dabei einen zentralen methodischen Ansatz.
- Arbeit zitieren
- Jana Müller (Autor:in), 2021, Metafiktionalität in "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" von Italo Calvino, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1365547