Die Reform des attischen Gemeindewesens durch Kleisthenes

Die Vermischung der attischen Bürgerschaft in den Phylen und Demen


Hausarbeit, 2007

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Beschaffenheit des attischen Gemeinwesens vor den Reformen des Kleisthenes
1.1 Zur Notwendigkeit der Darstellung der Beschaffenheit des attischen Gemeindewesens vor den Reformen des Kleisthenes
1.2 Darstellung der Beschaffenheit des attischen Gemeindewesens vor den Reformen des Kleisthenes

2. Die Vermischung der Bürgerschaft in den Phylen und Demen durch die Reformen des Kleisthenes
2.2 Die Neuorganisation der Phylen und Demen durch Kleisthenes und ihre Funktion in der Gemeindeordnung Attikas

3. Politische Konsequenzen der Reformen: Aktivierung der Demen und Vermischung der Bürgerschaft in der neuen Phylenordnung

Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

Die kleisthenischen Reformvorhaben der Jahre 508/507 v.d.Z. zählen zu den wohl am weitesten reichenden Einschnitten in die konstitutionelle Ordnung Attikas.

In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die Maßnahmen und Auswirkungen der Reformen adäquat darzustellen und zu bewerten. Zu diesem Zweck wird sich Kapitel 1 der Frage widmen, wie die vorkleisthenische Ordnung des attischen Gemeindewesens beschaffen war, um die Grundlagen für eine spätere komparative Analyse zu legen.

Kapitel 2 ist der Deskription der Maßnahmen des Kleisthenes selbst gewidmet. Im Besonderen wird der Frage nachgegangen werden, welche Funktion und Wesenhaftigkeit die neue Ordnung des Politischen gehabt hatte, hierbei wird verstärkt auf die Rolle der Phylen und Demen eingegangen werden und es wird gezeigt werden, wie die Reformation des Gemeindewesens operational und organisatorisch von Statten ging. Komparativ wird die Frage beantwortet werden, welche Funktionen und Institutionen durch die Reformen einen Wandel erfahren haben.

Mit den politischen und ideengeschichtlichen (hier besonders im Hinblick auf die Begrifflichkeit der Demokratie) Auswirkungen der Reformen wird sich Kapitel 3 befassen. Insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die politische Partizipation und Repräsentation der attischen Bürger nach den Reformmaßnahmen. Auch wird geklärt werden, warum es zulässig erscheint im Zusammenhang mit den kleisthenischen Reformen von einer „Vermischung der Bürgerschaft“ zu sprechen.

In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Arbeit nochmals eine angemessene Zusammenfassung finden.

1. Die Beschaffenheit des attischen Gemeinwesens vor den Reformen des Kleisthenes

1.1 Zur Notwendigkeit der Darstellung der Beschaffenheit des attischen Gemeindewesens vor den Reformen des Kleisthenes

Befassen wir uns mit den kleisthenischen Reformen des attischen Gemeindewesens, so ist es für die qualifizierte Bewertung und Einordnung der institutionellen Veränderungen, welche die Reformen mit sich brachten, unumgänglich sich mit der Beschaffenheit des attischen Gemeindewesens vor den Reformen des Kleisthenes zu befassen und diese darzustellen.

Es wird sich an dieser Stelle jedoch beschränkt werden auf die Beschreibung und Darlegung der Institutionen vorkleisthenischer Zeit an sich. Nicht geleistet werden kann in diesem Rahmen hingegen eine weit reichende Schilderungen und Deskription der historischen Ereignisse vor den Jahren 508/507 v.d.Z.[1]

1.2 Darstellung der Beschaffenheit des attischen Gemeindewesens vor den Reformen des Kleisthenes

Im Wesentlichen lässt sich die vorkleisthenische Ordnung des attischen Gemeindewesens wie folgt skizzieren:[2] Die Bürger Attikas waren vor 508/507 v.d.Z., soweit die verifizierbare Forschung Aussagen treffen kann, in vier Phylen („Stämme“, eng.: „tribes“) zu wahrscheinlich 12 Trittyen / Phratrien („Dritteln“/“Bruderschaften“) eingeteilt.[3] Relativ unklar hingegen und diskursiv von der Forschung behandelt wird die Frage, in welchem konstitutionellen Verhältnis die genos (Gene, bzw. Geschlechter) und Naukrarien (im Wesentlichen: Organisations-, bzw. Ordnungseinheiten zur Pflege, Finanzierung und Bau der Hochseeflotte) zu der alten Ordnung des Gemeindewesens standen. Grundsätzlich besteht immer noch Uneinigkeit in der Forschung über die Frage, ob die vorkleisthenische Ordnung eine rein auf dem gentilizischen Prinzip beruhende war, oder bereits/und in welchem Ausmaß Komponenten territorialer und lokaler Organisation implizierte.[4] Als sicher kann gelten, dass die vier alten Phylen freie attische Bürger in einer konstitutionellen Weise miteinander in Beziehung setzten. Welche Rolle die Phratrien für die Bildung der vier vorkleisthenischen Phylen (Geleontes, Hopletes, Aigikoreis und Argadeis) spielten ist umstritten (siehe zum Diskurs Anmerkung 4). Es kann nach meiner Meinung davon ausgegangen werden, dass es keine notwendige Beziehung zwischen der Zugehörigkeit zu einer Phratrie und einer der vier Phylen gegeben haben muss. Die alten Phylen sind als Verbund attischer Bürger, auf Grundlage einer personalen Bindung zu sehen, sowie wahrscheinlich auch auf der Grundlage gemeinsamer Kultausübung und Heroenverehrung.[5] Wie erwähnt liegen uns für eine genauere Beurteilung dieser Frage der archaischen Verhältnisse (noch) zu wenige archäologische und historische Quellen vor, so dass hier ein gewisses Maß an Unsicherheit bleibt.

Den alten Phylen stand ein Phylenkönig (Phylobasileis) vor,[6] welcher Aufgaben in der niederen Gerichtsbarkeit und Funktionen im Namen des Stammes- und/oder Polisverbandes ausführte.[7] Weitaus wichtiger für die politische Realität wird die militärisch-administrative Rolle der Phylen gewesen sein: Sie bildeten die vier Aushebungsbezirke, welche jeweils ein Truppenregiment[8] zu stellen hatten. Dieses wurde dann von dem Phylarchos (Vorläufer der späteren Strategen) befehligt.[9] Maßgebliche Institution für Feststellung des Bürgerrechtes waren die Phratrien, in denen die Geschlechter (genos) in einer nicht mehr genau zu rekonstruierenden Weise organisiert waren. In jedem Fall war die Zugehörigkeit zu einer Phratrie die notwendige Bedingung für den Erhalt des attischen Bürgerrechtes. Eventuell wurde darüber in der Agora (Versammlung) der Phratrie entschieden, welcher der Phratriarchos vorstand. Auch dürften die einzelnen Phratrien eigene Kulte gepflegt haben.[10] Zusammenfassend lässt sich folgendes feststellen: Wesentliche Charakteristika der vorkleisthenischen Ordnung des attischen Gemeindewesens waren, zum einen die große realpolitische Bedeutung der Phratrien für die alltägliche Organisation des öffentlichen Lebens in der polis, mit einer eigenen Agora und einem Phratriarchos, sowie die wichtige Rolle der Phylen bei der Aushebung und Führung des Heeres (Phylarchos). Auffallend ist weiter, dass die demos (Gemeinden) anscheinend in der vorkleisthenischen Organisation der attischen Gesellschaft keine derart herausragende politische Bedeutung hatten, wie sie durch die Reformen des Kleisthenes erlangen sollten.[11]

[...]


[1] Für den interessierten Leser, welcher sich in diese Richtung weiter informieren will sei empfohlen: Martin, Jochen: Von Kleisthenes zu Ephialtes. Zur Entstehung der athenischen Demokratie, in: Chiron 4, 1974, Seite. 5-42.

[2] An dieser Stelle sei der Übersicht halber auf einige Einführungswerke zur Thematik verwiesen. Als empfehlenswert, im Hinblick auf Darstellung und wissenschaftlichen Anspruch erweist sich: Welwei, K-W.: 1983, hier besonders: S. 168-178. Weiter sei an dieser Stelle noch Bleicken, J.: 1994 erwähnt. Sein Werk zeichnet sich durch eine flüssige Darstellung und gute Lesbarkeit aus, ein fehlender Anmerkungsapparat und die unkommentierte Wiedergabe von diskursiven Thesen fallen hier jedoch negativ auf.

[3] Siehe hierzu auch die Schilderungen bei: Aristoteles: Staat der Athener, 20-22, sowie auch: Herodot: Forschungen, 5, 69, 2.

[4] So kommt die Forschung in der Beantwortung dieser Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen. Meier, C.: 1980 beispielsweise versucht das Problem zu lösen, indem er eine relativ strikte funktionale Trennung von Phylen (militärische Funktionen, insbesondere bei der Rekrutierung des Heeres) auf der einen Seite und von Phratrien und Thiasoi (sakrale, gentilizische Einheiten) auf der anderen vornimmt. In der Konsequenz würde sich aus dieser Folgerung eine funktionale Dualität der Institutionen ergeben, welche ich in dieser strikten Form für nicht gegeben halte. Bleicken konzentriert sich in seinen Ausführungen auf den, wie er behauptet, rein auf dem Prinzip des Personenverbandes beruhenden Aufbau des Gemeindewesens Attikas vor Kleisthenes (vgl. Bleicken, J.: 1994), wobei mir diese These zu undifferenziert erscheint, da lokale Komponenten der Kultvereinigungen, wie er der Phratrien und genos nicht völlig zu leugnen sind. Als deutlich differenzierter und nach meiner Auffassung als wissenschaftlich wertvoller sind die Ausführungen von Welwei, K-W.: 1983 zur Sache zu sehen.

[5] Vgl. hierzu: Welwei, K-W.: 1983, S. 58-60, sowie: Meier, C.: 1980, S. 96ff, aber auch: Martin, Jochen in: Chiron 4, 1974, Seite. 5-42.

[6] Vgl.: Herodot: V, 69.

[7] Vgl.: Welwei, K-W.: 1983, S. 59.

[8] Wobei die Mannstärke, welche zu stellen war mit Sicherheit von der Fluktuation der Bevölkerungszahl Attikas beeinflusst wurde und somit wohl keine genauen Zahlen der Truppenstärke genannt werden können.

[9] Vgl.: Herodot: V, 69

[10] Vgl.: Welwei, K-W.: 1983, S. 57; Bleicken, J.: 1994, S. 65f; Meier, C.: 1980, S. 96ff. Es sei noch angemerkt: Besonders die Rolle der Agora und die Stellung der Phratrien zu den Phylen konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Was die Bedeutung der Kompetenz zur Vergabe des Bürgerrechtes angeht, so empfehle ich weiter: Kienast, Dietmar in: Chiron 35, 2005, Seite. 69-100, welcher insbesondere die Datierung des Überganges dieser Kompetenz von den Phratrien zu den Demen kontrovers diskutiert und hergebrachte Ansichten in Frage stellt.

[11] Wie bereits angesprochen, gerade diese Vermutung stellt Kienast in seinem Aufsatz „Die Funktion der attischen Demen von Solon bis Kleisthenes“ grundsätzlich in Frage. Er geht davon aus, dass das Amt des demarchos schon unter Solon entstanden sei (vgl.: Kienast, Dietmar in: Chiron 35, 2005, Seite. 69-100).

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Reform des attischen Gemeindewesens durch Kleisthenes
Untertitel
Die Vermischung der attischen Bürgerschaft in den Phylen und Demen
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V136765
ISBN (eBook)
9783640445103
ISBN (Buch)
9783640444960
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reform, Gemeindewesens, Kleisthenes, Vermischung, Bürgerschaft, Phylen, Demen
Arbeit zitieren
B.A. Jan-Frederik Kremer (Autor:in), 2007, Die Reform des attischen Gemeindewesens durch Kleisthenes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136765

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