Integration einer neuen Spielerin in eine Volleyballmannschaft

Beschreibung des Prozesses sowie auftretender Probleme


Hausarbeit, 2009

42 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS II

1. EINLEITUNG

2. FORSCHUNGSMETHODE

3. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE
3.1 PROZESS DER INTEGRATION
3.2 AUFTRETENDE PROBLEME WÄHREND DER INTEGRATION

4. FAZIT

5. AUSBLICK

6. LITERATURVERZEICHNIS

7. ANHANG - PROTOKOLLE
7.1 P ROTOKOLL VOM 20.10.08
7.2 P ROTOKOLL VOM 27.10.08
7.3 P ROTOKOLL VOM 30.10.08
7.4 P ROTOKOLL VOM 03.11.08
7.5 P ROTOKOLL VOM 10.11.08
7.6 P ROTOKOLL VOM 13.11.08
7.7 P ROTOKOLL VOM 15.11.08 (W EIHNACHTSFEIER )
7.8 P ROTOKOLL VOM 17.11.08
7.9 P ROTOKOLL VOM 24.11.08
7.10 P ROTOKOLL VOM 27.11.08
7.11 P ROTOKOLL VOM 01.12.08
7.12 P ROTOKOLL VOM 04.12.08
7.13 P ROTOKOLL VOM 08.12.08
7.14 P ROTOKOLL VOM 11.12.08
7.15 P ROTOKOLL VOM 14.12.08 (S PIELTAG GEGEN E RKELENZER VV)

1. EINLEITUNG

Globalisierung, Mobilität, Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz – dies sind nur einige Begrif-fe, die die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts prägen. Sie finden sich ebenfalls alle im Sport wieder. Neben dem „höher, weiter, schneller“ wird von Sportlern, vor allem Mannschaftssportlern, extreme Mobilität verlangt. Doch muss man sich fragen, ob durch beispielsweise den Einkauf neuer Spieler das Team bzw. die Mannschaft wirk-lich immer profitiert. Im Leistungssport werden solche Kader-Entscheidungen meist vom Management getroffen, im Breitensport hingegen darf häufig die Mannschaft selbst mitbestimmen, wer ins Team aufgenommen wird und wer nicht.

Entscheidet sie sich für eine Aufnahme folgt in der Regel ein Integrationsprozess, der früher oder später abgeschlossen und nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Die Sport-sozialforschung ist auf diesem Gebiet hinsichtlich Ratschlägen für Trainer schon recht fortgeschritten1. Jedoch findet sich keine Literatur, die den Integrationsprozess genauer beschreibt. Wie läuft er nicht aus der Perspektive des Trainers, sondern aus der des neuen Spielers ab? Um diese Lücke zu schließen, möchte diese Arbeit erste Forschungsergebnisse darlegen sowie Denkanstöße für weitere Forschungen geben. Sie beschreibt anhand des Modells der Sozialintegration von Esser den Prozess der Integration einer neuen Spielerin in eine Volleyballmannschaft aus Sicht der für die Mannschaft Unbekannten und zeigt auftretende Probleme, die im Zuge dieses Pro-zess statt finden, auf. Wie verhalten sich die Spielerinnen gegenüber der Neuen? Verläuft die Integration problemlos? Kann sie innerhalb des Beobachtungszeitraums abgeschlossen werden? Wie geeignet scheint das Modell von Esser für diese Arbeit?

Das vorrangige Ziel dieser Forschungsarbeit ist es den Integrationsprozess mittels einer explorativen Beobachtung als beobachtende Teilnehmerin zu beschreiben. Es geht also darum, das sichtbare Verhalten der Volleyballspielerinnen und des Trainers zu erfassen und zu protokollieren. Im ersten Schritt werden die verwendete For-schungsmethode sowie die Untersuchungsobjekte erläutert und Fachbegriffe defi-niert. Hierauf folgen die Darstellung der Ergebnisse, die anhand von Protokollen der Trainingseinheiten gewonnen werden konnten, sowie deren Interpretation. Nach ei-nem kurzen Fazit wird schließlich wird ein Ausblick für weitere Forschungen gege-ben. Im Anhang befinden sich alle angefertigten Protokolle.

2. FORSCHUNGSMETHODE

Es gilt also zu untersuchen, ob man den Integrationsprozess in einer formellen Kleingruppe, hier einer Sportgruppe, in einzelne Phasen einteilen kann, wie es bei-spielsweise bei der Integration eines Ausländers in eine deutsche Fußballmannschaft der Fall ist. Ferner soll diese Entwicklung detailliert beschrieben werden. Im unter-suchten Fall verlief die Eingliederung positiv. Ein Negativbeispiel kann im Rahmen dieser Arbeit also nicht gegeben werden. Des Weiteren werden außergewöhnliche oder untypische Ereignisse aufgezeigt. Im Laufe des Forschungsprozesses zeigte sich, dassich, die neue Spielerin, nicht von allen Spielerinnen gleichermaßen akzep-tiert wurde. Es kam zu einer Diskrepanz, die ebenfalls erläutert wird.

Bisher wurde die soziale Integration lediglich in Bezug auf ethnische Minderheiten wie Ausländer oder Behinderte wissenschaftlich untersucht. Beispielsweise Esser (1980 und 2002) beschreibt in seinen Werken Aspekte der Wanderungssoziologie und Integration und ethnische Schichtung drei bzw. später vier Phasen, die für eine erfolgreiche Integration, etwa eines Ausländers in eine für ihn zunächst fremde Ge-sellschaft, erfüllt sein müssen. Zunächst erfolgt ein Angleichungsprozess, die Akkul-turation. Hier werden kulturell übliche Eigenschaften, also das Wissen und die Fer-tigkeiten und die Sprache der Gruppe erworben und interethnische Beziehungen aufgenommen. Der Ausländer lernt also Deutsch und bildet erste Kontakte zu Deut-schen. Auf ihn folgt die Integration. Zunächst platziert sich der Ausländer in der deut-schen Gesellschaft, übernimmt also gewisse Positionen und hat ebenso gewisse Rechte. Im Rahmen der Integration interagiert er verstärkt mit der Aufnahmegesell-schaft und baut stabile soziale Beziehungen auf. Schließlich kommt es zur Assimila­tion, die von einer deutlichen Orientierung hin zum Aufnahmesystem geprägt ist. Sie umfasst die kognitive, also sprachliche, die soziale, die strukturelle und die identifika-torische Assimilation. Der Ausländer wandelt in dieser letzten Phase sein Gefühl ge-genüber Deutschland. Er ist nicht mehr Außenstehender, sondern Teil der Gesell-schaft.2 Ähnliche Phasen lassen sich ebenfalls bei der Integration eines neuen Spie­lers in eine bestehende Mannschaft finden. Diese werden im folgenden Kapitel ge-nauer dargestellt.

Zum besseren Verständnis der vorliegenden Arbeit sollen nun einige grundlegende Begriffe des Volleyballsports erläutert werden. Sie finden sich im folgenden Text bzw. den Protokollen wieder. Der Überschaubarkeit halber geschieht dies in Tabellenform:

Tab. 1 Fachbegriffe zum Volleyball (selbst erstellt).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beim Volleyball hat man zwar keinen direkten Kontakt zum Gegner, wohl aber zur eigenen Mannschaft. Über die räumliche Distanz lässt sich also gut die innere Dis-tanz bzw. Nähe zwischen Spielern messen. Da keine Bildaufzeichnungen angefertigt wurden, können Rückschlüsse lediglich aus den Beschreibungen der Distanz in den Protokollen gezogen werden. Auch die Gesprächsthemen sowie die Wortwahl sind Indikatoren für den Grad der Integration, denn niemand wird einem Fremden sein Herz ausschütten. Weitere Anzeichen für eine gewisse Vertrautheit sind Gestik und Mimik. Man wird kaum einen Unbekannten zur Begrüßung umarmen. Auch ist es in Deutschland weniger als beispielsweise in Frankreich üblich sich Fremden mit einem Wangenkuss vorzustellen.

Die Intensität dieser Indikatoren wurde mit Hilfe der offenen und verdeckten Beo-bachtung ermittelt. Als Beobachterin habe ich mich weder dem Trainer noch der Mannschaft offenbart und wie alle anderen Spielerinnen am Training teilgenommen; ich handelte also als beobachtender Teilnehmer. Außerdem war die Beobachtung nicht vorstrukturiert, folgte also nicht etwa einem Protokollbogen.3 Die schriftliche Fi-xierung der Beobachtungen in Form von Protokollen erfolgte im direkten Anschluss an die Trainingseinheiten. An dieser Stelle muss auf die Probleme, die mit dieser empirischen Forschungsmethode einhergehen, hingewiesen werden. Friedrichs (1990) nennt in seinen Methoden empirischer Sozialforschung neben der vom Beo-bachter automatisch durchgeführten Verkürzung von Ereignissen u. a. auch das Problem, dass der Beobachter unverständliche Zusammenhänge logisch zu erklären sucht.4 Da es im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht möglich war, Wort-für-Wort oder gar Bildaufzeichnungen anzufertigen, muss mit diesem Umstand gelebt werden.

Das Training fand zunächst montags einmal die Woche statt, ab der dritten Beobach-tung zusätzlich donnerstags. Grund hierfür war die bis zu diesem Zeitpunkt an-dauernde Sanierung des Hallenbodens und damit einhergehend die Schließung der Sporthalle, in der das Training in den Vorjahren am Donnerstag statt gefunden hatte. Zunächst konnte auf eine Ersatzhalle in Köln ausgewichen werden und ab der zehn-ten Beobachtung wurde in der sanierten Halle in Hürth trainiert.

Ich hatte mir eine Volleyballgruppe in Hürth gesucht, da ich seit dem 01. Oktober 2008 selbst dort wohne und der Trainer am Telefon sehr sympathisch wirkte. Zuvor hatte ich je eine Trainingseinheit bei der zweiten und der dritten Mannschaft des FC Junkersdorf (Verbandsliga und Bezirksklasse) absolviert, wo ich mich jedoch wegen des zu hohen bzw. zu niedrigen Spielniveaus und des mangelnden Interesses an mir nicht wohl gefühlt hatte. Hinzu kam der verhältnismäßig lange Anfahrtsweg zum Training. Ich rief also am 14. Oktober 2008 beim Trainer der Damenmannschaft des TuS Hürth (Landesliga), Geri Dexel, dessen Nummer auf der Homepage des Vereins angegeben war, an und vereinbarte mit ihm ein Probetraining am folgenden Montag. Dieses Montagstraining findet in der Turnhalle der Geschwister-Scholl-Schule und der Don Bosco Schule, Im Wiesengrund in 50354 Hürth statt. Die Trainingseinheiten am Donnerstag fanden zunächst in der Turnhalle der Katholischen Grund- und Hauptschule, Overbeckstr. 71-73 in 50823 Köln und später in der Turnhalle des Ernst-Mach-Gymnasiums, Bonnstraße 64-66 in 50354 Hürth statt. Des Weiteren bil-deten die Weihnachtsfeier, an der fast alle Spielerinnen, aber nicht der Trainer teil-nahmen, sowie das Ligaspiel gegen den Erkelenzer VV in der Sporthalle Hauptschu-le Hückelhoven, In der Schlee in 41836 Hückelhoven besondere Beobachtungsein-heiten. Im Training war immer eine unterschiedliche Zusammensetzung der Spiele-rinnen in ebenso verschiedener Anzahl (sieben bis 13 Teilnehmerinnen) anwesend. Der Trainer war immer präsent.

Die Trainingsbeteiligung der Spielerinnen Moni A., Natalia, Steffi, Lisa, Moni D., Susi und Judith war am höchsten, so dass diesen im Verlauf der Arbeit eine höhere Be-deutung zukommt. Ursprünglich wollte ich ausschließlich den Prozess der Integration in die Mannschaft untersuchen. Im Verlauf der Beobachtungen zeigten sich aller- dings Missstimmigkeiten zwischen mir und einer der Außenangreiferinnen. Aus die-sem Grund wird dieser Sachverhalt ebenfalls eingehender erläutert.

3. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE

Aus den Protokollen geht hervor, dass die Trainingseinheiten alle ähnlich aufgebaut sind. Auf eine kurze Begrüßung mit Wangenküssen folgt bei einer Einheit nach ei-nem Ligaspiel gegen eine andere Mannschaft die Besprechung dieses Spiels. Fand kein Spiel statt, entfällt diese. Danach wird zum Aufwärmen meist von einigen Spiele-rinnen ein einfaches Ballspiel in zwei Mannschaften gegeneinander gespielt, die rest-lichen Spielerinnen laufen Runden um das Volleyballfeld. Währenddessen baut der Trainer das Netz auf. Im Anschluss kommen die Spielerinnen in einem Hallenteil zu-sammen und dehnen und kräftigen sich dort. Es folgt ein kurzes Einspielen zu zweit und dann beginnt der Trainer mit Übungen. Diese werden zunehmend komplexer bis hin zu spielähnlichen Situationen. Nachdem die Übungen beendet sind, baut die Mannschaft zusammen das Netz ab und räumt die Netzpfosten auf. Falls ein Liga-spiel bevor steht, wird dieses kurz besprochen. Danach verabschieden sich die Spie-lerinnen von einander und vom Trainer per Zuruf und gehen duschen. Die Trainings-einheit ist beendet.

3.1 P ROZESS DER INTEGRATION

Die Integration einer neuen Spielerin vollzieht als Prozess, der dem von Esser in Ka-pitel 2 Dargestellten stark ähnelt. Man kann die Protokolle ähnlich der von ihm ge-nannten Dimensionen einteilen.

In den ersten Trainingseinheiten musste ich die Mannschaft erst kennen lernen, mir die Namen merken, die jeder Mannschaft eigene Spielweise und Aufstellung aneig-nen. Ich musste also die Kultur dieser Sportgruppe erfahren.5 Hierbei halfen u.a. kur-ze Gespräche mit den Spielerinnen während des Aufwärmens. Während diese in der ersten Trainingseinheit vorwiegend mit anderen Studenten – ich bin selbst Studentin – statt fanden, folgten schon ab der zweiten Einheit auch mehr Gespräche mit dem Rest der Mannschaft. Dank diesen Unterhaltungen konnte ich einen ersten Eindruck von der Denkweise und dem Handeln der Mannschaft bekommen. An dieser Stelle soll nicht näher auf die Einstellungen, geltenden Regeln und Normen eingegangen werden, da dies nicht im Fokus der Betrachtung stand. Interessant ist, dass die mir unbekannten Spielerinnen sich immer sofort vorstellten und mich schon ab dem zweiten Training mit Wangenkuss begrüßten. Ferner muss während der Phase der Akkulturation auch die Sprache der Gruppe erworben werden. So lernte ich bei-spielsweise in der zweiten Trainingseinheit den Schlachtruf der Landesliga Damen-mannschaft des TuS Hürth. Auch half in dieser Phase die Aufnahme in den E-Mail-Verteiler der Mannschaft auf Initiative einer der Spielerinnen hin nach dem zweiten Training.

Ab etwa dem dritten Training kann man schon von der Integration sphase sprechen. Ich suchte und fand meinen Platz, meine Rolle in der Mannschaft. Rein objektiv be-trachtet ist dies auch an der Spielposition zu erkennen. Ich spiele normalerweise auf der Position des Liberos. Da die Mannschaft allerdings schon über eine Libera ver-fügt, wurde ich von Geri entweder in die Abwehr und Annahme geschickt oder sollte als Außenangreiferin agieren. Er sagte mir auch, dass er mich eher auf der Position 4 einsetzen würde, fallsich in die Mannschaft aufgenommen werden sollte. Doch von der Position abgesehen, ist auch daran, dassich in der sechsten Trainingseinheit erstmalig mit dem Trainer auf Eigeninitiative hin scherzte, erkennbar, dassich gewis-se Rechte innerhalb der Gruppe erhielt. Ein weiteres Integrationsmerkmal zeigt sich darin, dass bereits nach dem dritten Training eine der Spielerinnen, die mich nach Hause fuhr, meinte, dass sie nun endlich wisse, wo eine der Spielerinnen wohnt. Das zeigt deutlich, dass zumindest sie mich schon zu diesem Zeitpunkt als Mitglied der Mannschaft ansah, obwohl das Team noch gar nicht über meine Aufnahme abge-stimmt hatte. Dies geschah jedoch schon zwei Trainingseinheiten später. Hiermit war die formelle Integration einen großen Schritt voran gegangen. Diese Genehmigung bedeutete, dassich auch zu Spieltagen mitfahren und für die Mannschaft spielen würde. Zwar erleichtert diese offizielle Integration den Prozess, jedoch darf nicht au-ßer Acht gelassen werden, dass zur vollständigen Integration auch persönliche und soziale Aspekte gehören. Zwar fühlte ich mich durch die Zusage und auch die Tatsa-che, dassich auf der Weihnachtsfeier häufig Fotomotiv war, gestärkt in meinem Vor-haben, aber es kann nicht behauptet werden, dassich mich schon nach dem fünften Training oder der Weihnachtsfeier selbst als vollwertiger Teil des Teams sah. Deut-lich wird dies besonders im neunten Beobachtungsprotokoll, da ich die Mannschaft zu jenem Zeitpunkt noch als „ihr“ anstatt „wir“ bezeichnete. Auch in der elften Beo-bachtungseinheit spreche ich noch von „den Mädels“ anstatt „wir“ zu schreiben. Erst am Spieltag, also der letzten Beobachtungseinheit, scheint die Integration auch in meinen Augen vollzogen zu sein. Gestärkt wurde dieser Prozess weiterhin durch so-ziale Kontakte auch außerhalb des Trainings wie beispielsweise die Teilnahme an der Weihnachtsfeier oder Gespräche auf der gemeinsamen Fahrt zum Training in Köln. Die soziale Bindung wuchs stetig. Deutlich wird dies u. a. darin, dass eine der Spielerinnen, die mich nach Köln zum Training mit nahm, zunächst nur von Franken, wo ich herkomme, spricht, mir aber einige Trainingseinheiten später schon von der Geburt ihres Sohnes, also etwas sehr Persönlichem, erzählt. Auch scherze ich – wie in den Protokollen sechs, sieben und zwölf festgehalten – zunehmend mit dem Trai­ner und den Spielerinnen während des Trainings bzw. diese auch mit mir.

Dieser Phase folgt die Assimilation, also die Einordnung in die Mannschaft, die Adap­tation ihres Verhaltens. Diese dauert laut Esser (1980) bei Immigranten über mehre-re Generationen hinweg. Auch in meinem Fall kann allenfalls von der beginnenden Assimilation, nicht aber der vollständigen, gesprochen werden. Ein Spieler, der völlig in eine Mannschaft integriert ist und nicht mehr als „der Neue“ auffällt, ist ein assimi-lierter Spieler. Ich hatte zwar in der letzten Beobachtungseinheit sogar einen Einsatz am Spieltag, doch dieser war nur sehr kurz und fand wohl lediglich statt, um mich überhaupt einzusetzen bzw. der aus dem Spiel genommenen Spielerin eine Pause zu gönnen. Man konnte also deutlich sehen, dassich einerseits vielleicht aufgrund meiner Leistung, andererseits wegen mangelnder Routine und Vertrautheit zwischen der Mannschaft und mir, nicht als vollwertige Alternative galt. Dies wird sich sicher im Laufe der Zeit und mit steigender Anzahl an Spieltagen ändern, doch bis zur völligen Assimilation ist es noch ein langer Weg, der erst zu Ende ist, wenn die Mannschaft und ich selbst nicht mehr denken „Das ist die Neue.“

3.2 AUFTRETENDE PROBLEME WÄHREND DER INTEGRATION

Der eben beschriebene Prozess lief jedoch nicht wie man meinen könnte, völlig un-problematisch ab. Zum einen gab es eine gewisse Distanz zwischen der anderen Li-bera und mir, zum anderen war mir eine der Spielerinnen von Anfang an nicht ganz wohl gesinnt.

Die etwas kühl wirkende Atmosphäre zwischen der Libera und mir drückt sich be-sonders darin aus, dass diese kaum mit mir gesprochen hat und auch wenig Interes-se an mir gezeigt hat. Aus meiner Sicht war unsere Beziehung wie in Protokoll vier festgehalten eher zweckorientiert als von sozialem Interesse geprägt. Dieses Verhal-ten ist nach Schafer (1966) jedoch ganz natürlich, da wir aufgrund unserer Spielposi-tion eine gewisse Konkurrenzbeziehung zueinander haben.6 Etwas aufgelöst wird dieses Problem allerdings durch die Tatsache, dass die Libera den Wunsch äußert, auch auf der Außenangriffsposition zu spielen und somit den Part des Liberos abzu-geben. Auch bei der Weihnachtsfeier ist eine Öffnung der Libera mir gegenüber er-kennbar. Jedoch bleibt, wie in Beobachtungseinheit 14 erkennbar, eine spürbare Dis-tanz zwischen ihr und mir bestehen.

Wohl auch aufgrund des Konkurrenzgedankens kam es während des Integrations-prozesses zu Missstimmigkeiten mit einer Spielerin auf der Außenangriffsposition. Seit Beginn der Beobachtung und somit seit meinem ersten Training beim TuS Hürth, spürte ich deutlich, dass mir eine der Spielerinnen nicht ganz wohl gesinnt war. Bestätigt wurde dieses Gefühl auf der Weihnachtsfeier. Denn hier verriet mir diese Spielerin, dass sie die einzige gewesen war, die gegen meine Aufnahme in die Mannschaft gestimmt hatte. Auffällig ist hier, dass sich ihr Verhalten schon in der fünften Beobachtungseinheit geändert hat. Hier tat sie kleine Fehler von mir schnell mit einem Lächeln und der Bemerkung, dass diese nicht schlimm gewesen seien, ab. Meine Einstellung ihr gegenüber blieb jedoch weiterhin kritisch, da ich die anfänglich von ihr gezeigte Missgunst im Verlauf der Zeit wohl nicht ganz verdauen konnte. Als sie sich in der achten Trainingseinheit leicht verletzt oder die neunte Beobachtungs-einheit und somit das achte Training eher beenden muss, stört mich dies nicht wei-ter. Als Nichtraucherin konnte ich auch nicht nachvollziehen, dass sie wegen einer Zigarette, die sie noch vor dem Training rauchte, etwas zu spät kam. Auch schockte sie mich sogar leicht am Spieltag, als sie nach der Niederlage den Ball in Richtung der Linienrichter kickte.

Besondere Erwähnung verdienen diese beiden Sachverhalte, da sie deutlich zeigen, dass auch bei einer positiven Integration in eine Gruppe, nicht alles rund bzw. perfekt läuft.

[...]


1 Vergleiche hierzu beispielsweise Lektion 11, 5.3 Tipps zur Integration neuer Spieler (S. 237-240). In Alfermann, D. und Stoll, O. (2005). Sportpsychologie. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Band: Sportwissenschaft studieren 4. Aachen: Meyer & Meyer.

2 Vgl. (Klein 2006), 69 und (Esser 2002), 1.

3 Vgl. (Schulze 2008), 41.

4 Vgl. (Friedrichs 1990), 284.

5 Sportgruppen haben eine gemeinsame Gruppenkultur; halten sich also an die Normen ihrer Gruppe, haben gemeinsame Erwartungen, Ziele und Symbole. Schafer (1966) misst diesen Symbolen auf den Seiten 114f. in Die soziale Struktur von Sportgruppen einen wichtigen Charakter bei der So-zialisierung neuer Gruppenmitglieder bei. Es ist wichtig, diese gruppenspezifischen Symbole zu erlernen und zu verwenden, um Teil der Gruppe zu sein.

6 Interessant ist hier Schafers (1966) Einteilung auf Seite 112 in verschiedene Sportgruppentypen je nach Konkurrenz- und Kooperationsverhalten. Bei einer Volleyballmannschaft findet immer eine Kooperation statt. Jedoch muss auch der Konkurrenzgedanke von etwa zwei Spielern der glei-chen Position berücksichtigt werden. Ist dieser zu stark ausgeprägt, leidet der Mannschaftserfolg darunter. Er wirkt allerdings auch positiv und fördert die Einzelleistung des jeweiligen Spielers.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Integration einer neuen Spielerin in eine Volleyballmannschaft
Untertitel
Beschreibung des Prozesses sowie auftretender Probleme
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung)
Veranstaltung
Sminar: Identität, Fremdheit, Andersheit
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
42
Katalognummer
V136935
ISBN (eBook)
9783640454556
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Volleyball, Integration
Arbeit zitieren
Sandra Holte (Autor:in), 2009, Integration einer neuen Spielerin in eine Volleyballmannschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136935

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