Bei den Figuren im „Hagestolz“ lassen sich viele Parallelen zum Leben von Adalbert Stifter ziehen.
Stifter, der am 23. Oktober 1805 in Oberplan an der Moldau geboren wurde, verlor bereits früh seinen Vater Johann Stifter. Hier zeigen sich bereits die ersten Gemeinsamkeiten zu Victor im „Hagestolz“: Auch er verliert früh seine Eltern, er wächst ohne männliche Bezugsperson bei einer Ziehmutter auf.
Zusammen mit seinen fünf Geschwistern und dem neuen Mann seiner Mutter Magdalena begann für Stifter ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Im Jahre 1818 wird er von seinem Großvater auf die Lateinschule der Benediktiner nach Kremsmünster geschickt, wo er die, nach eigenen Angaben, glücklichste Zeit seines Lebens verbringt und wo er seine Liebe zur Literatur entwickelt und seine Neugierde des wissenschaftlich und künstlerischen Blicks auf und in die Natur entdeckt. Stifter sah sich zuerst mehr als Maler wie als Schriftsteller: Seine zahlreichen Bilder zeugen von seiner Begabung als „Augenmensch“, was sich auch in seinen zahlreichen detaillierten, lebendigen Naturbeschreibungen im „Hagestolz“ widerspiegelt.
Gliederung
A Parallelen der Biographie Adalbert Stifters zu den Figuren im „Hagestolz“
B Interpretation und Analyse von Adalbert Stifters „Der Hagestolz“ unter beson- derer Berücksichtigung der Gestalt des Hagestolzen
I. Aufbau des „Hagestolz“
II. Stifters geistige Welt
1. Das „sanfte Gesetz“
2. Der Zusammenhang zwischen Mensch und Natur
3. Das Schicksal im „Hagestolz“
III. Die Gestalt des Hagestolzen
1. Der Hagestolz als Richtungsgebender Führer Victors
2. Das verkrüppelte Wesen des Hagestolzen
3. Der starke Charakter des Hagestolzen
4. Der Werdegang des Hagestolzen als Ursache für sein Verhalten und Wesen
C Die Entwicklung Victors als Folge des Einflusses von zwei gegensätz- lichen Welten
A Parallelen in der Biographie Adalbert Stifters zu den Figuren im „Hagestolz“
Bei den Figuren im „Hagestolz“ lassen sich viele Parallelen zum Leben von Adalbert Stifter ziehen.
Stifter, der am 23. Oktober 1805 in Oberplan an der Moldau geboren wurde, verlor bereits früh seinen Vater Johann Stifter. Hier zeigen sich bereits die ersten Gemeinsamkeiten zu Victor im „Hagestolz“: Auch er verliert früh seine Eltern, er wächst ohne männliche Bezugsperson bei einer Ziehmutter auf.
Zusammen mit seinen fünf Geschwistern und dem neuen Mann seiner Mutter Magdalena begann für Stifter ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Im Jahre 1818 wird er von seinem Großvater auf die Lateinschule der Benediktiner nach Kremsmünster geschickt, wo er die, nach eigenen Angaben, glücklichste Zeit seines Lebens verbringt und wo er seine Liebe zur Literatur entwickelt und seine Neugierde des wissenschaftlich und künstlerischen Blicks auf und in die Natur entdeckt. Stifter sah sich zuerst mehr als Maler wie als Schriftsteller: Seine zahlreichen Bilder zeugen von seiner Begabung als „Augenmensch“, was sich auch in seinen zahlreichen detaillierten, lebendigen Naturbeschreibungen im „Hagestolz“ widerspiegelt.
Für ein Studium der Jurisprudenz geht Stifter anschließend nach Wien, bricht dieses aber 1830 ohne Abschluss ab, wohl aus Liebeskummer, da die Beziehung zu Fanny Greipl unglücklich verläuft. Er verfällt in zunehmende Selbstzweifel, die er durch Alkoholmissbrauch zu verdrängen versuchte. Stifter wird ebenso als unmäßiger Esser beschrieben. Auch der Hagestolz verlor seine Liebe Ludmilla an seinen Bruder und trauerte dieser Verbindung Zeit seines Lebens nach. Wie Stifter kompensiert auch er seine Entbehrungen in maßloser Genusssucht bei Essen und Trinken.
Jahrelang versucht er Stifter die Liebe von Fanny zurück zu gewinnen, auch noch, als er bereits mit seiner späteren Ehefrau Amalie Mohaupt liiert war. Diese Ehe verlief wohl nicht sehr glücklich: Seine Frau war ihm intellektuell unterlegen, sie hatten große materielle Sorgen und das Paar blieb kinderlos. Trotzdem engagierte sich Stifter nach der Revolution 1848 als Schulinspektor, er machte sich für zahlreiche Reformen im Bildungswesen stark. Seine Erziehungsversuche an der anstatt einer Tochter aufgenommenen Nichte Amalies können allerdings nicht als erfolgreich bezeichnet werden: Das Mädchen riss mehrmals von zu Hause aus und wurde schließlich tot aus der Donau geborgen, wobei von Selbstmord ausgegangen wird. Auch der kinderlose Hagestolz nimmt seinen Neffen Victor bei sich auf und übernimmt, mehr oder minder erfolgreich, Erziehungsaufgaben.
Auf Grund seiner Maßlosigkeit beim Essen verschlechterte sich der Gesundheitszustand Stifters rasch. Als er von den zunehmenden Beschwerden einer Leberzirrhose geplagt wird, öffnet er sich mit einem Rasiermesser die Halsschlagader und verstirbt zwei Tage danach, am 16. Januar 1868.
Es sollen nun der Aufbau von „Der Hagestolz“ analysiert werden und auf einige Besonderheiten von Stifters geistiger Welt eingegangen werden, bevor die Gestalt des Hagestolz, dieses „grandios düster prächtigen Karakters“, näher beleuchtet wird.
B Interpretation und Analyse von Adalbert Stifters „Der Hagestolz“ unter besonderer Berücksichtigung der Gestalt des Hagestolzen
I. Aufbau des „Hagestolz“
Diese Erzählung hat kaum novellenhaften Züge, da sie nicht von einer spannenden Handlung und einer unerhörten Begebenheit lebt, was besonders am Anfang und Schluss deutlich wird. Was sich jedoch an diesen dort dargestellten gegensätzlichen Bildern einer fröhlichen, zukunftsfrohen Jünglingsschar und eines Gleichnisses vom unfruchtbaren Feigenbaum zeigt, ist, dass Jugend und Alter als wesentliche Phasen eines menschlichen Leben in der Erzählung eine wichtige Rolle spielen. Dabei verkörpert Victor die unschuldige Jugend, während der Hagestolz für das verspielte Leben steht. Dieser will seinem Neffen Ratschläge geben, damit es ihm nicht genau so ergeht. Die komplette Handlung lebt von diesen Spannungen und von dem inneren Geschehen der Hauptpersonen. Die Erzählung ist also durchgängig aus Bildern und Gegenbildern aufgebaut, die sich gegenseitig ergänzen, relativieren oder kontrastiv und unvermittelt stehen bleiben. Dabei ist am Anfang noch nicht klar, ob der eigentliche Mittelpunkt der Erzählung auf der Entwicklung Victors vom unbedarften Jüngling zum Mann mit der pädagogischen Hilfe des Oheims steht, oder die Lebensgeschichte des Hagestolzen, die von vielen Verfehlungen und Verlusten geprägt ist. Oder liegt der Schwerpunkt auf der Begegnung und der Beziehung der beiden?
Fest steht, dass die Struktur der Erzählung von dem Werdegang Victors bestimmt ist, was sich an den Überschriften der einzelnen Abschnitte ablesen lässt. So sind „Eintracht“, „Abschied“, „Wanderung“, „Aufenthalt“ und „Rückkehr“ Stationen auf dem Lebensweg des jungen Mannes. Adalbert Stifter selbst spricht am Schluss seiner Erzählung von dem „in den obigen Abschnitten dargestellten Jünglingsbilde“ (S.120). Der Abschnitt, in dem Victor bei seinem Oheim auf der Insel ist, nimmt auch keinen all zu großen Teil ein, „Aufenthalt“ ist nur einer von sechs Segmenten.
Andererseits lautet der Titel der Erzählung ja „Der Hagestolz“, Stifter hat über diesen im Sommer 1844 Folgendes in der Urfassung geschrieben:
„Der Hagestolz selbst sollt ein grandios düster prächtiger Karakter werden, aber er schwoll mir so über alles Maß der Iris hinaus, dass mir jetzt das Abkürzen nicht weniger Mühe machte, als früher das Concipieren Ich freue mich nur für die Gesamtausgabe, da soll er in seiner ursprünglichen Tiefe und Gewalt auftreten können, wenn er auch einen Band füllt.“
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- Arbeit zitieren
- Magistra Angelika Zahn (Autor:in), 2004, Interpretation und Analyse von Adalbert Stifters „Der Hagestolz“ , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137035