Ist Graffiti ein Verbrechen? Beleuchtung einer urbanen Subkultur


Seminararbeit, 2009

35 Seiten, Note: 15 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Geschichte des Graffiti
1.1. Wortherkunft und Geschichte
1.2. Geschichte des Kriminalitätsphänomen Graffiti in Form des Style Writing
1.3. Erscheinungsformen des Graffiti – welche Methoden gibt es
1.3.1. Auftragen
1.3.2. Abtragen - Scratching
1.3.3. Komprimieren
1.3.4. Pochoir (dt. Schablone)
1.3.5. Stempel
1.3.6. Sticker
1.3.7. Etching – Ätzen

2. Phänomenologische Betrachtung
2.1. Strafbarkeit
2.1.1. Gesetzgebung
2.1.2. Urteile
2.2. Tatort
2.3. Tatzeit
2.4. Tathergang
2.5. Tatmittel

3. Täter und Opfer
3.1. Täterprofil
3.2. Tätermotivation / Szenedarstellung
3.2.1. Tagger
3.2.2. Toys
3.2.3. Kings / Der harte Kern
3.3. Opfer und ihre Schäden
3.3.1. Anzeigeverhalten / Dunkelfeld
3.3.2. Schadensausmaß

4. Präventionsmaßnahmen
4.1. Broken Window / Zero Tolerance
4.2. Flächenfreigabe für Graffiti
4.3. Aufklärung
4.4. Vorbehandlung
4.5. Bauliche Maßnahmen
4.6. Prävention durch Repression

5. Schlussbetrachtung

Glossar

Literaturverzeichnis

Einleitung

SMK, FOIM, INF, OH, PIGS, XT, SMC, NETZ .

Was klingt wie der Einstieg in ein neues der Lied der Musikgruppe „Die fantastischen Vier“[1] ist für viele Reisende der Deutschen Bahn im Gebiet Köln/Bonn ein ständiger Begleiter beim Blick aus dem Fenster.

Dies sind Tags von Writern oder Crews, welche entlang der Line ihre Throwups, Pieces, Rollertags, Scratching an und in Trains bomben, um f ame zu erreichen und zum King of the line zu werden.

Übersetzt bedeutet dies, dass es sich um Namenszüge von Graffitisprayern oder einer Gruppe von Sprayern handelt, welche entlang der Bahnlinie ihre schnellen Namenskürzeln, ihre großflächigen Gemälde, ihre Namenszüge mit Farbrollen an Zügen illegal aufbringen oder in Zügen die Scheiben mit ihrem Kürzel zerkratzen um Ruhm in der Szene zu erlangen und der König der Bahnlinie zu werden.

Alleine durch diese unverständliche Sprache möchte ich Ihnen deutlich machen, dass es sich bei Graffiti und Streetart längst um eine eigene Subkultur im Bereich des urbanen Lebens handelt.

Graffiti ist für die begeisterten Anhänger eine eigenständige Welt in der sie Anerkennung suchen.

Graffiti ist allgegenwärtig und wenn man drauf achtet, dann entgeht einem kaum ein einziger Fußweg an dem man nicht ein Graffito findet.

Die Graffiti Szene als solches ist sehr schnelllebig. Dies hat seinen Ursprung unter anderem in den Präventionsmaßnahmen. Die schnelle Reinigung besprühter Flächen stellt die Writer vor ein Problem, da andere Writer nicht mehr die Chance haben die Pieces zu sehen. Somit ist der angestrebte Erfolg, das Erreichen von f ame, gefährdet.

Um dem zu entgehen, bedienen sich die Writer dem Internet als modernes, schnelles Medium zur Verbreitung ihrer Werke.

Hierbei werden auch diverse Bewertungssysteme durch die Websitenbetreiber eingefügt, die den fame messbar werden lassen.

Ein kurzes Foto, hochgeladen auf diverse Graffiti-Seiten und die Jagd nach fame geht weiter, selbst wenn die Reinigungskolonne das Werk bereits entfernt hat.[2]

Neue Writer können sich hier für jede Stadt geeignete Locations zum malen erklären lassen. Auch lässt sich hier schnell und einfach die Frage nach Cans -Nachschub klären.

Auch die diversen Videoforen lassen die Verbreitung von sogenannten Kamikaze -Videosequenzen einfacher werden und dies natürlich zur Freude der Szene.[3]

So ergab sich für mich als Ersteller im Rahmen der Vorbereitung die zentrale Frage, wie lässt sich das Kriminalitätsphänomen Graffiti wirksam kontrollieren bzw. bekämpfen und verhüten.

Auf die diversen Antwortmöglichkeiten werde ich hinarbeiten.

1. Geschichte des Graffiti

1.1. Wortherkunft und Geschichte

Das Wort Graffiti leitet sich aus dem italienischen Wort sgraffiare (dt. Kratzen, das Gekratze) und dem griechischen Wort graphein (dt. schreiben) ab. Beide Worte bezeichnen eine althergebrachte Form der Fassadengestaltung bei der zunächst mehrere Putzschichten aufgetragen wurden und dann durch Wegkratzen reliefartige Gemälde entstanden. So wurde aus dem Verb sgraffito (dt. mit dem Griffel kratzen) die Kurzform Graffito. Im deutschen Sprachgebrauch ist jedoch die pluralistische Ausdrucksweise Graffiti gängiger und bezeichnet so auch fälschlicherweise ein Graffiti statt einem Graffito.[4]

Die Geschichte des Graffiti beginnt in der Steinzeitära vor ca. 33.000 Jahren. Bereits zu der damaligen Zeit bedienten sich die Menschen der Wand ihrer Höhlen, um bildliche Nachrichten oder Erlebnisse zu dokumentieren und zu malen.

Es handelt sich bei diesen Malereien um die bislang ältesten gefundenen Höhlenmalereien der Welt. Die Höhle befindet sich in Südfrankreich in der Nähe der Stadt Vallon-Pont-d'Arc und wurde nach der Finderin Jean-Marie Chauvet benannt.[5] Bereits diese Formen der Höhlenmalerei sind als Graffiti im ursprünglichen Sinne zu deuten und daher auch hier anzuführen.

Im antiken Pompeji wurden z.B. Karrikaturen von Politikern an den Häuserwänden gefunden. Diese entstanden ca. 79 n.Chr.

Von diesen Steinzeitmalereien zu den heutigen Style -Writings liegt eine lange Entwicklung, die allerdings in ihren Grundgedanken miteinander verwurzelt sind. Damals wie heute möchte der Ersteller des Graffiti eine Nachricht seiner Umwelt zukommen lassen. Die Motivation des Kriminalitätsphänomen Graffiti in Form des Style -Writing liegt noch woanders, doch darauf werde ich im weiteren Verlauf noch eingehen.

1.2. Geschichte des Kriminalitätsphänomen Graffiti in Form des Style Writing

Style Writing ist die Form des Graffiti welche am weitesten verbreitet und von der Bevölkerung umgangssprachlich als Graffiti bezeichnet wird.

Die Ursprünge dieses Writing finden sich in New York in Form eines einfachen Botenjungen, welcher schlagartig berühmt wurde. Es handelt sich hierbei um den Boten mit dem Pseudonym Taki 183. Anfang der 70er Jahre war es unter den jugendlichen Botenjungen in New York Usus, ihre Pseudonyme an Häuserwänden ,Türen, Telefonzellen etc. anzubringen, um ihren Bekanntheitsgrad und vermutlich in Folge dessen auch ihre Auftragszahlen zu verbessern. Der griechische Emigrantensohn Taki 183 folgte diesem Brauch und fiel insbesondere durch die Häufigkeit seiner Hits/Tags auf.

Am 21.07.1971 veröffentlichte die Zeitung New York Times ein Interview mit Taki 183, bei dem dieser von seinem Tun berichtet. Die Zahl hinter den angebrachten Tags stand für die Straßen- oder Hausnummer. Zu damaliger Zeit zielte das Anbringen der Tags nur auf die Häufigkeit ab und nicht auf die Qualität oder den Style eines Tag.

Durch dieses Interview kam es zu immer mehr Nachahmern und es entstand die Subkultur des Writing.[6]

Sehr schnell hatten die interessierten Jugendlichen in New York entdeckt, dass sich die Subway anbot um seinen Namen noch bekannter werden zu lassen, da der Name mit der U-Bahn durch ganz New York fuhr. So war es nicht verwunderlich, dass die Writer begannen ihre Tags innen und außen an die Subway zu bomben. Bereits 2 Jahre später wurde der erste Wholecar gesprüht, 5 Jahre später der erste Wholetrain.

Die zu diesem Zeitpunkt entstehende Szene und ihr Jargon wurden um 1980 von den Jugendlichen in Europa übernommen. Man identifizierte sich mit der New Yorker Szene und den dort entstandenen Regeln des Writing. Eine starke Beeinträchtigung der europäischen Szene ging von zwei Filmen aus, welche Graffiti thematisch aufgriffen. Hierbei handelt es sich um Wild Style[7] und Style Wars[8]. Beide Filme geben einen Einblick in die Sprayer Szene und erlangten Kultstatus in der Graffiti-Szene.

Besonders in den Städten London, Paris und Amsterdam bildeten sich Hochburgen in der frühen Phase der Entwicklung. In Deutschland bildeten sich die Hochburgen in Berlin, Köln, München und Dortmund. Noch heute wird Berlin als die Hauptstadt des Writing in Deutschland bezeichnet.[9]

1.3. Erscheinungsformen des Graffiti – welche Methoden gibt es

1.3.1. Auftragen

Hierbei handelt es sich um die am weitesten verbreite Art und Weise des Graffiti Style -Writing. Mittels Markern, Cans, Farbbomben wird Farbe auf den Untergrund aufgetragen. So entstehen die Werke der Writer, ihre Pieces oder Tags. Diese Erscheinungsform wird auch im Voksmund als Graffiti bezeichnet.

1.3.2. Abtragen - Scratching

Bei dieser Erscheinungsform wird das Tag durch Wegkratzen des Untergrunds, meist Glasscheiben, lesbar gemacht. Diese Variante führt zu enormen Schäden, da betroffene Glasscheiben nur ausgetauscht und nicht repariert werden können.

Ebenfalls ist hierunter aber auch das sogenannte Reverse Graffiti zu fassen. Hierbei wird eine schmutzige Grundfläche so punktuell gesäubert, dass das Tag lesbar wird. Das bekannteste Reverse Graffiti ist auf schmutzigen Pkw zu finden, auf dessen Scheiben mit Fingern die Aufforderung: „Wasch mich!“ geschrieben wurde.

1.3.3. Komprimieren

Hier wird durch Verdichten oder Verdrängung des Trägermaterials ein Abdruck sichtbar. Die Menge der Substanz bleibt hierbei gleich.

Als bekanntestes Beispiel hierfür ist der Walk of fame in Hollywood mit den Hand- und Fußabdrücken berühmter Persönlichkeiten im Beton vor dem Graumanns Chinese Theater auf dem Hollywood Boulevard.

1.3.4. Pochoir (dt. Schablone)

Dies ist eine Sonderform des Graffiti. Der Writer fertigt Schablonen mit deren Hilfe er Farbe aufsprüht und diese aber nur teilweise auf den Untergrund auftrifft. Diese Methode führt zu einer sehr schnellen Arbeitsweise. Zudem ist jedes Werk beliebig oft wiederholbar und in verschiedenen Farben anzubringen. Diese Erscheinungsform ist mit dem Siebdruckverfahren vergleichbar. Sie entstand Ende 1970 in Paris.[10]

1.3.5. Stempel

Saugfähiger Untergrund wird zum Träger der Farbe benutzt, damit diese auf die zu beschriftende Fläche gedrückt werden kann. Auch hier steht die Schnelligkeit und Wiederholbarkeit des Werks im Vordergrund. Stellt ebenso wie die Sticker eine eher untergeordnete Rolle im Rahmen des Kriminalitätsphänomens.

1.3.6. Sticker

Aufkleber auf dem der Tag des Writer gezeichnet wurde und dann an öffentliche Stellen geklebt wird. Hierzu werden meist die Päckchen- und Paket Aufkleber der Post benutzt.

1.3.7. Etching – Ätzen

Eine sehr gefährliche Variante zum Anbringen von Tags auf Glasscheiben. Der Writer benutzt einen Marker, welcher mit flüssiger Flusssäure gefüllt ist. Beim Anbringen des Tags auf der Glasscheibe ätzt sich die Flusssäure oberflächlich ins Glas und lässt es ermatten, wodurch der Schriftzug sichtbar wird. Flusssäure ist hochgradig ätzend und auch im getrockneten, kristallinen Zustand kann sich Flusssäure in bei Berührung mit der Haut einfressen.[11]

Neben dem reinen Phänomen des Etching ist des Weiteren erkennbar, dass die deutsche Graffiti-Szene sich nach dem Vorbild der New Yorker Szene entwickelt. Dort tauchten bereits Ende 2005 die ersten Etching Tags in den U-Bahnen auf, wie einem Artikel der New York Times zu entnehmen ist.[12] In Deutschland wird 7 Monate später über dieses Phänomen berichtet.

[...]


[1] Liedtext MfG – mit freundlichen Grüßen, 1999

[2] http://www.graffecke.de/photokorn/index2.php?action=showgal&cat=3, letzter Aufruf 05.03.2009

[3] http://www.youtube.com/results?search_type=&search_query=graffiti+bombing
&aq=1&oq=graffi abgerufen am 05.03.2009

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Graffiti#Geschichte abgerufen am 07.03.2009

[5] Jean-Marie Chauvet u.a. Grotte Chauvet bei Vallon-Pont-d'Arc. Jan Thorbeck Stuttgart 1995.

[6] Bartelds, O. (2006). I just write my name - Graffiti: Ein gesellschaftliches Phänomen. München: Grin Verlag

[7] Ahearn, C. (Regisseur). (1983). Wild Style! [Kinofilm].

[8] Chalfant, H (Regisseur). (1983). Stylewars [Kinofilm].

[9] TV Sendung Sat 1 – 24 Stunden vom 21.12.2008, Zielperson: Graffiti-Sprayer

[10] Pochoir. Abgerufen am 07. 03 2009 von Ketterer Kunst: http://www.kettererkunst.de/lexikon/pochoir.shtml

[11] Schminke, C. (04.05.2006). Warnung vor dem Ätz-Graffiti. Kölner Stadt Anzeiger.

[12] Lueck, T. J. (24.05.2006). Graffiti Back in Subways, indelibly this time. The New York Times.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Ist Graffiti ein Verbrechen? Beleuchtung einer urbanen Subkultur
Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Köln
Note
15 Punkte
Autor
Jahr
2009
Seiten
35
Katalognummer
V137052
ISBN (eBook)
9783640449767
ISBN (Buch)
9783640449989
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Laut Anmerkung des Dozenten eine brilliante Arbeit. Fach: Strassenkriminalität / Polizeivollzugdienst
Schlagworte
Graffiti, Kriminalität, Kriminalitätsphänomen, Szene, Straßenkriminalität, Streetart, Urbanes Phänomen, Urban
Arbeit zitieren
Ralf Winter (Autor:in), 2009, Ist Graffiti ein Verbrechen? Beleuchtung einer urbanen Subkultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137052

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