Transvestismus im Mittelalter

Die unterschiedlichen Reaktionen auf männlichen und weiblichen Transvestismus im Mittelalter


Seminararbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Transvestismus und Hermaphroditismus

3. Männlicher Transvestismus und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
3.1 Männlicher Transvestismus in Fastnachtspielen
3.2 Das Phänomen des Männerkindbetts
3.3 Darstellung des männlichen Transvestismus in der Literatur

4. Weiblicher Transvestismus und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit: Jeanne d’Arc

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Eine Frau soll nicht die Ausrüstung eines Mannes tragen, und ein Mann soll kein Frauenkleid anziehen; denn jeder, der das tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel“[1]: Mit diesem Satz gibt die Bibel bezüglich der Kleidung eine klare Ordnung vor. Ob der Mehrheit der mittelalterlichen Gesellschaft diese Vorschrift bekannt war, kann nur vermutet werden. Tatsache ist, dass es auch im christlichen Mittelalter Menschen gab, die sich nicht an die Kleidervorschrift der Bibel halten wollten oder konnten: Die Rede ist von sogenannten 'Transvestiten'. Diese Arbeit beschäftigt sich mit männlichem und weiblichem Transvestismus im Mittelalter und soll klären, ob und inwieweit männlicher und weiblicher Transvestismus in der mittelalterlichen Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen wurden.

Dabei wird zunächst eine allgemeine Definition zum Transvestismus im Mittelalter gegeben. Anschließend werden verschiedene Bereiche wie Karneval, Wochenbett und Literatur aufgezeigt, in denen männlicher Transvestismus im Mittelalter belegt ist. Dies geht mit der Untersuchung einher, wie der männliche Transvestismus in diesen Belegen beurteilt wurde. Als Beispiel für weiblichen Transvestismus und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dient in dieser Arbeit das Leben von Jeanne d’Arc, da die Quellenlage in diesem Beispiel weitaus umfangreicher ist als in anderen Beispielen von weiblichem Transvestismus im Mittelalter.

2. Transvestismus und Hermaphroditismus

Der Begriff Transvestismus kommt aus der Psychologie und wurde 1910 vom deutschen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld eingeführt. Er bezeichnet die Neigung eines Menschen, die Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen.[2] Die Historiker und Sexualwissenschaftler Vern und Bonnie Bullough definieren das englische Äquivalent des Transvestismus, Cross-Dressing, präziser:

„… simply wearing one ore two items of clothing to a full-scale burlesque, from a comic impersonation to a serious attempt to pass as the opposite gender, from an occasional desire to experiment with gender identity to attempting to live most of one’s life as a member of the opposite sex.“[3]

Abzugrenzen ist der Transvestismus vom sogenannten Hermaphroditismus, bei dem das biologische Geschlecht eines Menschen nicht eindeutig erkennbar ist: Die betroffene Person weist dabei die biologischen Merkmale beider Geschlechter auf, ist genetisch also sowohl Mann als auch Frau.[4] Transvestismus dagegen hat keine biologischen, sondern psychische Gründe. Betroffene sind sich ihres biologischen Geschlechts bewusst – meistens handelt es sich bei ihnen um Heterosexuelle. Die heutige Form des Transvestismus, die darin besteht, dass Männer sich zu ihrer sexuellen Stimulierung als Frauen verkleiden, ist ein Phänomen der Moderne.[5] Beim mittelalterlichen Transvestismus geht es um das von der Kirche tabuisierte Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts. Vor dem 19. Jahrhundert kam es außerdem nur selten vor, dass Männer Frauenkleidung trugen. Stattdessen überwog der weibliche Transvestismus.[6]

Dennoch belegen Quellen auch männlichen Transvestismus im Mittelalter. Sie zeigen teilweise, wie dieser von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

3. Männlicher Transvestismus und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

3.1 Männlicher Transvestismus in Fastnachtspielen

Die sogenannten 'Fastnachtspiele' kamen um 1430 / 1440 vor allem in Nürnberg in Mode: 108 der 144 überlieferten Texte aus dem 15. Jahrhundert sind dort verortet.[7] Weitere Städte, in denen im 15. Jahrhundert Fastnachtspiele aufgeführt wurden, sind Lübeck, Köln, Zürich, Lausanne oder Tirol. Im 16. Jahrhundert finden sich 23 Orte wieder, in denen Fastnachtspiele sporadisch aufgeführt wurden.[8]

Die Fastnachtspiele fanden während der Karnevalszeit statt, in Nürnberg für gewöhnlich am Abend oder an den Abenden vor Aschermittwoch. Die Spiele in Nürnberg verfolgten stellten einen besonderen Beitrag der Karnevalsfestlichkeiten dar, hatten deshalb meist geringen Textumfang und großteils einen heiter-derben Inhalt. Die Fasnachtspieler zogen in Nürnberg von Gaststätte zu Gaststätte, wo sie jeweils ein 15- bis 30-minütiges Spiel aufführten. Die Besonderheit der Fastnachtspiele im Bezug auf männlichen Transvestismus ist, dass die Spieler ausnahmslos Männer waren – entweder Handwerksgesellen oder Patriziersöhne.[9] Diese stellten im Spiel auch Frauen dar, was aus den Spieltexten hervorgeht: So wurden neben dummen und pfiffigen Bauern, Narren und Quacksalbern auch die sogenannte 'Frau Venus' und die böse Frau dargestellt.[10] Die Regieanweisungen der Fastnachtspiele sind kaum erhalten geblieben, weshalb unbekannt ist, ob sich die männlichen Schauspieler, die Frauen darstellten, tatsächlich als Frauen verkleideten.[11] Dass dem aber in der Tat so war, bestätigt eine Aussage, die in den Nürnberger Ratsprotokollen zu finden ist. In einem Protokoll von 1479 wird Bürgern erlaubt, „in gestalt alter weiber“ (QUELLE ANGEBEN! KROHN S. 155) zur Fasnacht zu gehen und 1484 genehmigt der Rat einen Antrag, „heur ze vasnacht ein spil ze haben mit einer weschin“ (QUELLE ANGEBEN; KROHN S. 155).

[...]


[1] Die Bibel. Deuteronomium 22,5.

[2] Vgl. Dekker / Van de Pol: Frauen in Männerkleidern. S. 73.

[3] Weichselbaumer, Ruth: Cross-Dressing. S. 327.

[4] Vgl. Dekker / Van de Pol: Frauen in Männerkleidern. S. 69.

[5] Vgl. ebd. S. 73 f.

[6] Vgl. Simon-Muscheid: Annäherungsversuche. S. 52.

[7] Vgl. Wuttke: Fasnachtspiele. S. 441.

[8] Vgl. ebd. S. 449 ff

[9] Vgl. ebd. S. 441 ff.

[10] Vgl. ebd. S. 446.

[11] Vgl. ebd. S. 442.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Transvestismus im Mittelalter
Untertitel
Die unterschiedlichen Reaktionen auf männlichen und weiblichen Transvestismus im Mittelalter
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Sexualität im Mittelalter
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V137150
ISBN (eBook)
9783640527793
ISBN (Buch)
9783640662739
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transvestismus, Transvestiten, Hermaphroditen, Männer in Frauenkleidern, Jeanne d'Arc, Sexualität im Mittelalter, Cross-Dressing
Arbeit zitieren
Katja Görg (Autor:in), 2008, Transvestismus im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137150

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